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Der Tempel in Jerusalem

Salomonischer Tempel

Der salomonische Tempel in Jerusalem wurde nach dem biblischen Bericht um 950 v. Chr. gemeinsam mit den Palastanlagen des Königs errichtet; er galt als königliches Heiligtum (vgl. schon 2Sam 24,24: David kauft die Tenne des Jebusiters Arauna). Der Tempel stand auf dem nördlichen Teil der „Ofel“ oder „Zion“ genannten Anhöhe, der Eingang war nach Osten gerichtet. (Vgl. dazu die Karte Jerusalems am Ende jeder Bibelausgabe.) Es ist umstritten, ob sich das Allerheiligste dort befand, wo heute der heilige Fels unter der Kuppel des moslemischen Felsendoms gezeigt wird, von wo aus Mohammed in den Himmel aufgefahren sein soll. Möglicherweise war diese Stelle aber auch der Standort des Brandopferaltars im Vorhof des Tempels. Bei beiden Lösungen bleiben jedoch Unsicherheiten bezüglich der überlieferten Maßangaben und wegen der Geländeverhältnisse.

Rekonstruktion

Da archäologische Grabungen an diesem heiligen Ort der Moslems nicht möglich sind, ist man bei der Rekonstruktion des salomonischen Tempels auf die Angaben in 1Kön 6; 7 angewiesen. Danach war der Tempel nach dem Modell syrischer Tempelanlagen der Spätbronzezeit ein gegliederter Langhaustempel; auch die Verbindung mit dem König Hiram von Tyrus 1Kön 5,15ff. bestätigt den „Import“ der Architektur.

Der Tempel bestand aus drei nacheinander angeordneten Räumen, einer Vorhalle, אוּלָם (’ûlam), 5x10x15m, einem Hauptraum, הֵיכָל (hêkal), 20x10x15m und dem Allerheiligsten, דְּבִיר (debîr), 10x10x10m. Heiliges und Allerheiligstes waren durch eine hölzerne Zwischenwand getrennt, zwischen Vorhalle und Hauptraum gab es Türen.

Nebenräume, die möglicherweise später angebaut wurden, haben in drei Stockwerken diesen eigentlichen Tempelbau umgeben. (Eine Elle wurde mit 0,50 m gerechnet, der Tempel hatte demnach eine Länge von ca. 35m, das ist 5m kürzer als ein Handballfeld.)

Ausstattung

Das Allerheiligste war wohl ein kastenartiger Einbau (es wird in der Höhe um 5m geringer angegeben als die anderen Räume), wobei unklar ist, ob es auf einem Podest oder ebenerdig stand. Im Allerheiligsten stand unter den Flügeln zweier grosser Kerubim die Lade. Im Hauptraum standen der Räucheraltar, der Schaubrottisch und 2 x 5 Leuchter. Die Innenwände waren mit Zedernholz verkleidet und mit goldüberzogenen Schnitzereien verziert. Vor dem Vorraum standen zwei eherne Säulen, Jachin und Boas genannt. Im inneren Hof standen der Altar, das eiserne Meer (ein großes Wasserbecken) und die für Reinigungen notwendigen Kesselwagen.

In den letzten Jahren ist kontrovers diskutiert worden, ob es im Jerusalemer Tempel (oder auch in Samaria) ein Kultbild des Gottes JHWH gegeben habe, oder ob der Kult anikonisch, d.h. ohne Bild war. So vermutete man, dass Ps 68,25f. auf eine Götterprozession anspiele. Wegen der zunehmend deutlicher werdenden Parallelen Israels mit den Religionen der Nachbarn müsse man annehmen, dass es auch in Jerusalem und Samaria entsprechende Statuen gegeben habe. Eindeutige Belege fehlen jedoch, so dass die Mehrzahl der Forscher weiterhin den bildlosen Kult annimmt.

Der salomonische Tempel wurde 587/6 durch die Neubabylonier zerstört, sein Wiederaufbau begann erst nach der Heimkehr von Exulanten 520 v. Chr. In 5 Jahren war dieser Bau vollendet. Aus dem ersten Tempel sind wohl keine Überreste erhalten.

Nachexilischer Tempel

Der nachexilische Tempel hatte keine Lade mehr im Allerheiligsten, der Raum blieb leer und war zudem durch einen Vorhang von der Haupthalle abgetrennt. Statt der fünf Leuchter auf jeder Seite des Hauptraumes gab es nur noch einen siebenarmigen Leuchter, die Menora. Auch die beiden Säulen fehlten jetzt. Im Zuge der Auseinandersetzung mit den Seleukiden in der Makkabäerzeit wurde der Tempel im Jahre 167 v. Chr. entweiht (wohl durch einen Aufsatz auf den Brandopferaltar). Im Jahr 164 v. Chr. geschah nach dem Sieg der Makkabäer die Neueinweihung. Daran erinnert das jüdische Chanukka-Fest.

Herodianischer Tempel

Herodes der Große begann dann im Jahr 20/19 v. Chr. mit dem Umbau des Tempels, der eher einem Neubau gleichkam. Er wirkte in seiner Pracht auf zeitgenössische Betrachter wie eines der Weltwunder. Die Plattform des Tempelberges wurde aufgeschüttet und auf diese Weise künstlich vergrößert. Die Grundflächen von Heiligem und Allerheiligstem wurden zwar beibehalten, doch wurde das Gebäude deutlich höher (25m) und prächtiger erbaut, hinzu kam als Schaufassade eine erhebliche Vergrößerung der Vorhalle auf 50x50m.

Vor dem Tempel war der Priestervorhof mit dem Altar, davor der Hof für die Israeliten, noch davor der Hof für die Frauen. Nichtjuden durften nur den Bereich eines äußeren Vorhofes betreten. Verbotsschilder, von denen einige erhalten sind, drohten bei Zuwiderhandlung die Todesstrafe an.

Dieser Tempel wurde im Jahre 70 n. Chr. durch die Römer unter Titus zerstört, versehentlich, wie es im Bericht des jüdischen Geschichtsschreibers Josephus heißt. Auf dem Titusbogen in Rom ist der Triumphzug nach dem Sieg über Jerusalem abgebildet, bei dem die eroberte Menora gezeigt wurde. Der römische Kaiser Julian Apostata erlaubte zwar um 362 den Neubau des Tempels, doch das Vorhaben wurde aus nicht ganz klaren Gründen wieder eingestellt.

Zionstheologie

Über die historischen und architektonischen Gegebenheiten hinaus ist der Tempel von besonderem theologischen Interesse. Dies ist der Ort, an dem JHWH seinen Namen wohnen lässt (Dtn 12,5), hier, auf dem Zion, hat er seinen Thron (Ps 9,12). Um den Zion rankt sich ein eigener Traditionszusammenhang, der die besondere Würde dieses Orts belegt. Der Zion ist nicht einfach Ort des Wohnens JHWHs, er ist auch die Stätte seines heilvollen Handelns für Israel. Hier residiert Gott als König (Jes 24,23), herrscht über seine Feinde (Ps 110,2). Zion gilt als von Gott erwählt (Ps 132,13), von ihm gegründet (Jes 14,32). Nach Jes 28,16 liegt in Zion der Eckstein der Schöpfung. Auf diesem Berg wird JHWH von Israel kultisch verehrt (Ps 132,7); Zion selbst wird zum Mittelpunkt des allumfassenden Friedensreiches werden (Jes 2,2-4).

Dieser Traditionszusammenhang findet sich nur in wenigen Schriften des Alten Testaments. In den Psalmen (46; 48; 110, dazu 84; 87; 122) spricht sich die Verherrlichung des Zion aus, in den Klageliedern die Trauer über seinen Verlust nach der Zerstörung des Tempels. Nach Jesaja sagt zwar JHWH Zion seinen Schutz zu – soweit in Übereinstimmung mit der klassischen Erwartung –, doch dies gilt nur, wenn die Bewohner Recht und Gesetz üben (1,27), sonst wird Zion zum Ort des Gerichts über sie. Bei Micha findet sich eine eindeutig negative Vorstellung: Zion ist mit Blut gebaut und wird entvölkert werden (3,10ff.). Ähnliches gilt für Jeremia, der ebenfalls den Zion als Ort des Gerichts sieht. Hier werden die Völker im Auftrag JHWHs Israel für die Sünden strafen (4,5ff.); dem Propheten bleibt nur die Trauer, dass JHWH Zion verworfen hat (14,19).

An die alten Heilszusagen an den Zion wird dann bei Deuterojesaja wieder angeknüpft: JHWH schafft hier seinem Volk neues Recht (46,13), am Zion werden sich die Verbannten nach ihrer Heimkehr sammeln (51,11). Diese Erwartung wird in der nachexilischen Literatur aufgenommen und als Zukunftserwartung entfaltet: Am Zion wird JHWH endgültig seine Königsherrschaft antreten (Sach 9,9ff.) und sich gegen alle Feinde des Gottesvolkes durchsetzen. Verbunden mit der Messiaserwartung wirkt die Zionstradition weiter bis in christliche Adventslieder hinein (EG 13: „Tochter Zion, freue dich“).

Literatur

T. A. Busink, Der Tempel von Jerusalem von Salomo bis Herodes, I+II, 1970+1980.

W. Zwickel, Der Salomonische Tempel, 1999.

O. Keel, E. A. Knauf, Th. Staubli, Salomons Tempel, 2004.

M. Küchler, Jerusalem, 2007, 125-277.

S. Paganini, A. Giercke-Ungermann, Art. Zion/Zionstheologie, WiBiLex 2013, www.wibilex.de

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