Deutsche Bibelgesellschaft

Nachexilische Geschichte Israels

Perserherrschaft

Im Jahre 539 hatten die persischen Truppen unter Kyrus Babylon eingenommen und sich damit alle Gebiete des früheren babylonischen Großreiches untertan gemacht. Für die Israeliten im Lande wie in der babylonischen Gola (Verbannung) hatte dieser Herrschaftswechsel einschneidende Folgen, denn die Perser behandelten im Gegensatz zu den früheren Weltreichen die ihnen untertanen Völker mit größerer Toleranz. Die Kulte dieser Völker wurden nicht nur geduldet, sondern sogar vom Staat finanziell unterstützt, damit überall für das Wohl des Königs gebetet werde (vgl. Esr 6,10). So ist das sogenannte Kyrusedikt (Esr 6,3-5) verständlich, in dem der Perserkönig den Tempelwiederbau in Jerusalem erlaubte und die Rückgabe der von Nebukadnezzar geraubten Schätze verfügte. Der Judäer Scheschbazzar wurde nach Esr 1,7-11 mit der Rückführung der Tempelgeräte beauftragt.

Tempelbau

Ein Teil der Verbannten kehrte nach dem Machtwechsel nach Judäa zurück, eine große Gruppe blieb jedoch in Babylonien, da man sich dort eingelebt hatte und zudem die Verhältnisse im Lande Israel selbst ärmlich und unsicher waren. Diese Armut verhinderte dann auch den umgehenden Beginn des Neubaus des Tempels (Hag 1). Doch nach dem Tod des Königs Kambyses im Jahre 522 kam es im persischen Reich zu Unruhen, bis Darius I. im gleichen Jahr die Nachfolge antrat. In Israel regten sich messianische Hoffnungen; man wertete die Ereignisse als Vorboten der Wende zur endgültigen Heilszeit. Darauf müsse man sich durch den Bau des Tempels vorbereiten, so die Botschaft der Propheten Haggai und Sacharja. Der Bau wurde dann im Jahr 520 begonnen, 515 wurde der Zweite Tempel eingeweiht; der Bau stand unter dem Schutz des Darius (Esr 5-6). Da es keinen Staat „Israel“ mehr gab, bezeichnete sich nun die Kultgemeinde als Israel, dies schloss auch die Diaspora in Babylon mit ein. [Der aus dem Griechischen stammende Begriff „Diaspora“ bedeutet „Verstreutheit“, er bezeichnet ursprünglich jüdische Siedlungen in fremden Ländern, insbesondere in Babylon, Syrien und Ägypten.]

Nehemia

In der Folgezeit kam es offenbar mehrfach zu Rückwanderungsbewegungen, wobei von den Heimkehrern, die ja zumeist einer gebildeten Oberschicht angehörten, starke religiöse wie politische Impulse ausgingen. Beispiele dafür sind die Konflikte um die Befestigung Jerusalems durch eine Mauer (Esr 4), die von dem Statthalter Samarias mit Sorge gesehen und an den Perserkönig Artaxerxes I. (465-425) gemeldet wurden. Anlass war in den Jahren 445-433 die Mission des Nehemia, der als judäischer Mundschenk am königlichen Hofe nach Jerusalem gesandt worden war, um die Stadt aufzubauen und das religiöse Leben zu reorganisieren. Er verkündete einen allgemeinen Schuldenerlass (Neh 5), siedelte Landbewohner in Jerusalem an (Neh 7), setzte die Sabbatobservanz durch und ging gegen Mischehen vor (Neh 13). Unter seiner Verantwortung wurde Juda zur eigenständigen Provinz und damit der Zuständigkeit Samarias entzogen. Beide Provinzen waren Teil der Satrapie Abar Nahara („jenseits des Flusses“ [Euphrat]).

Esra

Umstritten ist die Frage, wann Esra, ebenfalls in persischem Auftrag, nach Jerusalem kam (vgl. Esr 7-10; Neh 8-10). Seine Mission fand entweder unter Artaxerxes I. (also um 458) oder unter Artaxerxes II. (um 398) statt. Esra galt als Schreiber oder Schriftgelehrter, kundig im Gesetz des Mose (Esr 7,6). Sein Auftrag bestand darin, mit hohepriesterlicher Autorität ein verbindliches Gesetz des Himmelsgottes für die Kultgemeinde und Provinz einzuführen. Nach Neh 8 wurde dieses Gesetz in einem feierlichen Neujahrsfest vom Volk allgemein akzeptiert. Der Bestand dieser Urkunde ist unklar, doch es ist sehr wahrscheinlich, dass sie ein Kern der späteren Tora gewesen sein muss. Im Judentum gilt Esra daher als zweiter Mose.

Elephantine

Dass das Judentum dieser Zeit nicht einheitlich war, belegen die Funde auf der Nilinsel Elephantine, nahe bei Assuan. Dort gab es eine jüdische Militärkolonie, die offenbar ganz unproblematisch neben JHWH Gottheiten wie Anat-Bethel oder Anat-Jahu anbeten konnte, sich aber dennoch dem Jerusalemer Tempel zugehörig fühlte.

Griechische Herrschaft

Nach dem Sieg Alexanders des Großen über Darius III. 333 v. Chr. bei Issos kam Palästina mit dem gesamten Vorderen Orient unter griechische Herrschaft. Doch das Großreich Alexanders zerfiel nach seinem Tod im Jahr 323 v. Chr., es kam zu den sogenannten Diadochenkämpfen. Die syrischen Seleukiden und die ägyptischen Ptolemäer erhoben Anspruch auf Palästina, das 301 v. Chr. an die Ptolemäer fiel. Doch zwischen jenen beiden Mächten blieb die Zugehörigkeit Israels bis zu Beginn der Römerherrschaft immer strittig. Diese sogenannte hellenistische Zeit ist auch daher von besonderer Bedeutung, als es erstmals eine umfassende, griechisch geprägte Kultur gab, die sich langsam im gesamten Mittelmeerraum ausbreitete. In Ägypten, insbesondere im neugegründeten Alexandrien, entstand eine große jüdische Diaspora-Gemeinde, die eine eigenständige Theologie und Kultur entfaltete, dennoch der Tempelgemeinde verbunden blieb.

Samaritaner

Eines der einschneidendsten Ereignisse der frühen hellenistischen Zeit ist die Trennung der Samaritaner vom Tempel in Jerusalem („Samaritanisches Schisma“); man gründete auf dem Berg Garizim ein eigenes Heiligtum. Dieser Entscheidung, die nicht sicher zu datieren ist, waren wohl lange Konflikte seit den ersten Rückwanderungswellen aus dem Exil vorausgegangen, vgl. Esr 4. Als Heilige Schrift akzeptierten die Samaritaner nur die fünf Bücher des Mose, den heute so genannten Samaritanischen Pentateuch.

Makkabäeraufstand

Vom Jahr 200 v. Chr. an kam Palästina unter seleukidische Herrschaft und wurde danach zum Ziel einer systematischen Hellenisierungspolitik. Die syrisch-griechischen Herrscher verfolgten das Ziel, einen einheitlichen Kult in ihrem Herrschaftsgebiet zu installieren. Diesen Interessen konnten sich auch einige Gruppen innerhalb der Jerusalemer Gemeinde nicht entziehen, und so kam es zu zunächst internen Auseinandersetzungen. Diese gipfelten darin, dass unter dem Seleukidenkönig Antiochus IV. Epiphanes ein Aufsatz auf dem Brandopferaltar im Jerusalemer Tempel angebracht wurde, der dem Ba'al Schamem (Himmelsmeister) genannten Hauptgott des Antiochus IV. geweiht war (167 v. Chr.). Es kam zum Aufstand der Makkabäer (so genannt nach dem Anführer Judas Makkabäus), die im Jahr 164 zur Neuweihung des Tempels führte. An dieses Ereignis erinnert heute im Judentum das Chanukka-Fest.

Die Makkabäer setzten ihren Kampf gegen die Seleukiden dann aber so erfolgreich fort, dass es im Jahr 141 unter dem Hohepriester Simon zur Bildung eines weitgehend eigenständigen hasmonäischen Staates kam, der nach 129 (Tod des Antiochus VII.) durch Johannes Hyrkan autonom regiert werden konnte. Im Jahre 64 v. Chr. fiel das seleukidische Reich an die Römer, 63 v. Chr. erstürmte deren Feldherr Pompejus den Jerusalemer Tempel und beendete die autonome hasmonäisch-makkabäische Herrschaft.

Die Ereignisse jener Zeit spiegeln sich im Danielbuch, der jüngsten Schrift der hebräischen Bibel (vgl. Dan 10-11), und in den deuterokanonischen Makkabäerbüchern wider. Theologisch wichtig ist in dieser Phase das Zunehmen apokalyptischen Gedankenguts. Angesichts der umfassenden Schlechtigkeit der Welt erwartet man deren Ende und die Rettung der Gerechten in einem neuen Weltzeitalter.

Qumran

In der Zeit der frühen hasmonäischen Herrschaft ist es unter Leitung des Lehrers der Gerechtigkeit zur Abtrennung der Gruppe gekommen, deren Schriften man in Qumran gefunden hat. Dies geschah wohl aus Protest dagegen, dass die hasmonäische Herrschaft ihrerseits die hellenistische Kultur förderte, die sie zuvor bekämpft hatte (vgl. das Themenkapitel „Qumran und das AT“).

Literatur

J. Maier, Zwischen den Testamenten. Geschichte und Religion in der Zeit des zweiten Tempels, NEB At-Erg. 3, 1990.

E. Haag, Das hellenistische Zeitalter, Bibl. Enzyklopädie 9, 2003.

M. Sasse, Geschichte Israels in der Zeit des zweiten Tempels, 2004.

E. Gerstenberger, Israel in der Perserzeit, Bibl. Enzyklopädie 8, 2005.

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