Deutsche Bibelgesellschaft

7.2. Der Barnabasbrief (Barn)

Übersicht über den Barnabasbrief

1,1 Präskript
1,2-8 Proömium
2,1-16,10 Erkenntnis aus der Schrift
 2,1-3,6 Rechtsforderungen des Herrn nach der Schrift: Nicht Opfer und Fasten, sondern Gottesverehrung und Nächstenliebe
 4,1-14 Mahnungen
 5,1-8,6 Das Leiden des Herrn und Gottessohnes
 8,7-10,12 Das den Juden verborgene rechte Hören und Verstehen der Christen
 11,1-12,11 Vorausoffenbarungen über Taufe und Kreuz
 13,1-14,9 Die Schrift zur Frage nach dem Erbvolk und dem Empfänger des Bundes
 15,1-9 Das rechte Verständnis des Sabbats
 16,1-10 Das rechte Verständnis des Tempels
17,1-18,1a Überleitung
18,1b-20,2 Erkenntnis und Lehre in den Zwei Wegen
21,1-9a Schlussparänese
21,9b.c Postskript

Der Verfasser

Das Präskript des Barn nennt keinen Verfassernamen. Erst Clemens von Alexandrien schreibt ihn Barnabas, dem führenden Kopf der antiochenischen Gemeinde, zu. Diese Verfasserangabe wird heute von keinem Forscher mehr vertreten, da ihr sowohl die Abfassungszeit als auch die Theologie des Barn widersprechen.

Der unbekannte Autor des Schreibens war Heidenchrist, denn in 14,5 und 16,7 schließt er sich durch die pluralische Formulierung in die Beschreibung der Bekehrung vom Heidentum mit ein. Vermutlich war er ein christlicher Lehrer (vgl. die überzogen wirkenden Bescheidenheitsaussagen in 1,8; 4,9). Vor allem aber versteht sich der Verfasser als Ausleger der Schrift (vgl. 9,9) und authentischer Tradent der apostolischen Überlieferung (1,5.8; 4,9a u. ö.).

Die Adressaten

Der Adressatenkreis des Barn lässt sich nicht konkret eingrenzen. In Präskript und Proömium wendet sich der Autor an ein ideales christliches Publikum. Allenfalls in 4,6 (vgl. 10,12) wird eine gewisse Frontstellung sichtbar. Dort polemisiert der Verfasser gegen „gewisse Leute“, die behaupten: „der Bund gilt jenen [d. h. Israel] und uns“. Offensichtlich wendet sich der Verfasser des Barn hier gegen eine Auffassung der Heilsgeschichte, die im frühen Christentum gängig war.

Abfassungszeit und -ort

Der Barn lässt sich ziemlich genau datieren, denn in 16,3f. ist davon die Rede, dass der zerstörte Tempel in Jerusalem durch die Zerstörer wiedererrichtet werde. Das passt allein zu der durch Hadrian 130 befohlenen Errichtung eines Jupitertempels an der Stelle des zerstörten jüdischen Heiligtums. Da der Barn keine Kenntnis des durch den Befehl mitausgelösten Bar-Kochba-Aufstandes (132-135) verrät, muss er 130/131 geschrieben worden sein.

Der Entstehungsort des Barn ist weit weniger sicher. Anscheinend hat der Verfasser ihn programmatisch unbestimmt gelassen. Entsprechend breit gestreut sind die Versuche, ihn historisch zu bestimmen. Genannt werden Ägypten (speziell Alexandria), Syrien, Kleinasien und Griechenland. Die stärksten Indizien sprechen wohl für Kleinasien, denn der Barn zeigt eine gewisse Nähe zu den Pastoralbriefen. Zudem hat es den Anschein, dass Ignatius von Antiochien in IgnPhld 8,2 gerade gegen die Theologie polemisiert, die auch Barn vertritt.

Literarischer Charakter

Der Verfasser des Barn will sein Werk als Brief verstanden wissen. Das zeigen die brieflichen Elemente zu Beginn und am Schluss. Sein Ziel ist es, den Adressaten neben ihrem Glauben „vollkommene Erkenntnis“ zu vermitteln (1,5). Man hat den Barn deshalb mit einem gewissen Recht als in Briefform gekleidetes Propagandaschreiben bezeichnet.

Die Gliederung des Barn fällt im Detail schwer, da der Verfasser über weite Strecken auf traditionelles Material zurückgreift, das er in den Kap. 2-16 z. T. ineinander geschoben hat. Diese Kapitel beinhalten beinahe ausschließlich Schriftauslegung, wobei sich der Autor häufig der Allegorese bedient. Daneben begegnet auch die aus Qumran bekannte Peschermethode, d. h. die Aussagen eines Textes werden Zug um Zug auf die Gegenwart des Verfassers bezogen.

In den Kap. 18-20 findet sich ein Zwei-Wege-Schema, das aufgrund seiner großen Parallelen zu Did 1-5 ebenfalls als traditionell vorgegeben angesehen werden muss. Eine literarische Abhängigkeit zwischen Did und Barn kann daraus aber nicht geschlussfolgert werden, da im Barn die christlich geprägten Passagen Did 1,3b-2,1 fehlen. Der Verfasser des Barn erweitert das Schema zudem um die dualistisch gefärbte Einleitung in Kap. 18.

Inhalt

Die Theologie des Barn wird durch die Voraussetzung bestimmt, dass die Schrift nur Vorausoffenbarung des christologischen Heilsgeschehens ist. Die gesamte alttestamentliche Gesetzgebung war von Anfang an nicht „fleischlich“, sondern „geistlich“ gemeint. Der Bund, der von Gott gegeben worden ist, hat Israel nie erreicht, sondern Empfänger des Bundes sind ausschließlich die Christen.

Inhaltlich ist dieser Bund durch den Willen Gottes charakterisiert, der rechtes ethisches Verhalten verlangt. Damit ist er identisch mit dem „neuen Gesetz unseres Herrn Jesus Christus“ (2,6). Die Erkenntnis, die der Autor des Barn vermitteln will, ist also die „Erkenntnis des Weges der Gerechtigkeit“ (5,4). Hier liegt der innere Zusammenhang zwischen den Kap. 2-16 und 18-20.

Die Funktion des Christusereignisses besteht darin, den Christen diesen Bund vermittelt und seine Einhaltung ermöglicht zu haben. In der Passion hat Jesus stellvertretend für sie gelitten (5,1.5 u. ö.). In der Taufe erfährt der einzelne Christ Sündenvergebung (11,1). Dadurch kann er sein bisheriges sündiges Leben hinter sich lassen und ein neues Leben führen, das sich an den Rechtsforderungen Gottes orientiert.

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Die Texte auf dieser Seite sind mit freundlicher Genehmigung übernommen aus:

Cover der Bibelkundes des Neuen Testaments von Klaus-Michael Bull

Bull, Klaus-Michael: Bibelkunde des Neuen Testaments. Die kanonischen Schriften und die Apostolischen Väter. Überblicke – Themakapitel – Glossar, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 8. Aufl. 2018.

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