Deutsche Bibelgesellschaft

6.6.01. Der Prophet Hosea (Hos)

Das Buch des Propheten Hosea ist bibelkundlich besonders schwer zu erfassen, da es eine Sammlung von Einzelsprüchen ist, deren Gliederungsprinzipien kaum nachvollziehbar sind. Wichtig ist daher das Wissen um folgende Problemfelder:

Wirksamkeit

Der Prophet Hosea stammte – als einziger der Schriftpropheten – aus dem Nordreich Israel, wo er von der Zeit Jerobeams II. bis kurz vor den Untergang Samarias (ca. 750-725) wirkte. Seine Verkündigung ist nach dem Fall Israels nach Juda gelangt und wurde dort geordnet und aktualisierend erweitert. So stehen Aussagen über Israel und Juda nebeneinander (vgl. 4,15; 5,5; 12,1); bereits die Überschrift nennt als Hoseas Wirkungszeit vor allem die Regierungszeit judäischer Könige. Über Hosea selbst ist außer dem Namen des Vaters (Beëri) nichts bekannt, sein Name bedeutet als Kurzform von Hoschaja „JHWH hat geholfen“.

Inhalt

In der Wirkungsgeschichte des Buches war immer das Ehedrama des Propheten von großer Bedeutung („Hochzeit mit der Hure“), die Ehe Hoseas gilt wie die Benennung der Kinder als Zeichen: Der Hurerei jener Frau Gomer entspricht, so die Botschaft, die Hurerei Israels, der Entfernung von Gott. Damit ist das wichtigste Thema des Buches angesprochen: Hosea kritisiert bestimmte kultische Praktiken Israels (weniger soziale oder politische Sünden), in denen er letztendlich einen Abfall von JHWH, eine Anbetung Ba'als sieht. Die überlieferten Sprüche zeigen aber auch die Überlegung, wie Gott eine Umkehr für sein Volk möglich machen wird. In der gegenwärtigen Forschung ist strittig, ob das hier gezeichnete Bild des Propheten der historischen Realität entspricht und welche Bestandteile des Buches erst aus nachexilischer Zeit stammen.

Aufbau

Sinnvoll abtrennen lässt sich nur der Komplex der Kapitel 1-3 von dem Abschnitt 4-14. Im ersten Teil geht es um das Familiendrama Hoseas, er beinhaltet Berichte über Hoseas Hochzeit in der dritten (1,2-9) und ersten Person (Kap. 3). Kap. 2 sammelt eine (spätere) Heilsverheißung (V. 1-3), eine Beschreibung von Israels Abfall (V. 4-15) und die Perspektive eines neuen Heils von JHWH her (V. 16-25). Wichtig ist in den beiden letzten Teilen, dass Hosea vor allem geschichtlich argumentiert. Er verweist zurück auf Gottes frühere Heilstaten, die Israel vergessen hat und sagt an, dass Israel wieder in die Wüste zurück muss („wie damals, da sie [die Frau Israel] aus dem Lande Ägypten hinauszog“), wo es einen neuen Anfang geben werde (2,16ff.).

In den Kapiteln 4-14 gibt es keine erzählerischen Teile und kaum biographische Details (vgl. aber 9,7: Der Prophet gilt als meschugge, verrückt). Gelegentlich wird überlegt, in Kap. 12-14 einen eigenen Teil zu sehen, weil Kap. 11 mit einer Heilsansage endet und Kap. 12 Motive aus 4,1-3 aufnimmt. Das Kapitel Hos 14, ein Ruf zur Umkehr mit einer weisheitlichen Notiz als Schlusswort 14,10, liest sich wie ein planvoll komponierter Abschluss des gesamten Buches.

Wichtige Einzeltexte

Wichtige Einzeltexte sind Kap. 4 über die kultischen Verfehlungen Israels und die Schuld der Priester daran (interessant wegen der darin geschilderten kultischen Praktiken). Hos 5,1-9,9 zielen eher auf die politische Sphäre, sie äußern Königskritik, gehen gegen die unzuverlässigen Zustände in Israel an (8,4: „Sie machen Könige, aber ohne mich“) und sagen den Untergang Israels voraus. 8,1-3 ist wichtig (und in der Datierung strittig) wegen der frühen Erwähnung des Bundesgedankens.

Geschichtsrückblicke

Kap. 9,10-14,9 sind wegen der häufigen Geschichtsrückblicke theologisch interessant. Vorausgesetzt ist hier die Vorstellung der Erwählung Israels durch Gott – „Wie Trauben in der Wüste habe ich Israel einst gefunden“ (9,10) –, welcher aber auf der Seite Israels nicht die Bundestreue, sondern der Abfall von diesem lebendigen Gott gegenübersteht, 11,2, „je mehr ich rief, desto mehr gingen sie von mir weg“. Mittelpunkt ist Kapitel 11, in dem ein Selbstgespräch Gottes dargestellt wird mit dem Ergebnis (11,9): „Ich will meinen glühenden Zorn nicht vollstrecken ...“. Hos 12 ist wichtig, weil hier die Erzväter außerhalb der Genesis-Überlieferung begegnen, mit einer deutlich negativeren Wertung Jakobs als in der Vätergeschichte.

Kultkritik

Für Hosea ist noch festzuhalten, dass er in besonderer Weise die Könige kritisiert, sie also auch für die kultischen Zustände im Lande mitverantwortlich macht. Dies geschieht wohl auch wegen des königlichen Kultes in den Stierheiligtümern in Dan und Bet-El, vgl. die Rede vom Kalb in Samaria in 8,5; 10,5; 13,2. Hosea hat damit einen Kult kritisiert, der seinen Mitmenschen als regelrechter JHWH-Kult erschien, in dem der Prophet aber eine Ba'alisierung oder Verzerrung des Gottes sah, der allein Israel in der Wüste erwählt und errettet hat.

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Die Texte auf dieser Seite sind mit freundlicher Genehmigung übernommen aus:

Cover der Bibelkunde des Alten Testaments von Martin Rösel

Rösel, Martin: Bibelkunde des Alten Testaments. Die kanonischen und apokryphen Schriften. Mit Lernübersichten von Dirk Schwiderski, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 11., veränd. Aufl. 2021.

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