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Update vom 16.11.2022
Im August war eines der vier Büros der Ukrainischen Bibelgesellschaft, nämlich das in Cherson, von russischen Truppen beschlagnahmt worden. Die Mitarbeitenden konnten es nicht mehr betreten. Damit war auch die Arbeit vor Ort so gut wie nicht mehr möglich. Vor Kurzem wurde die Stadt im Süden der Ukraine befreit – wie ist die Lage?
„Der Bedarf an Bibeln ist riesig.“
Es gibt keine Elektrizität, kein Wasser oder Mobilfunkabdeckung, trotzdem ist die Freude in Cherson groß. Oleksandr Babitschuk, der Generalsekretär der Ukrainischen Bibelgesellschaft, ist in der Stadt zu Hause. Er ist dabei, ein Starlink-Satellitennetzwerk, einen Generator, tragbare Ladestationen und Smartphones mit guten Akkus dorthin zu bringen, damit das Büro wieder arbeiten kann. Er sagt: „Ich plane, hin und her zu reisen, denn es ist sehr wichtig, dass unser Büro in Cherson baldmöglichst seine Arbeit wieder aufnehmen kann. Der Bedarf an Bibeln ist in der Stadt und der ganzen Region riesig.“
Am 15.11. konnten die Mitarbeitenden zum ersten Mal seit August das Büro betreten. Das Gebäude ist intakt, es herrscht großes aber Chaos. Einige Türen und Fenster sind beschädigt. Alle Bibeln, die im Buchladen in den Regalen standen, wurden in ein Zimmer gebracht und dort auf einen großen Haufen geworfen.
„Gottes Wort allein bringt Trost und Versöhnung.“
Während das ukrainische Militär noch nach russischen Soldaten sucht, die sich in Zivil weiter in der Stadt befinden könnten, kann das Büro weiter nicht benutzt werden. Oleksandr Babitschuk, Generalsekretär der Ukrainischen Bibelgesellschaft, sagt: „Natürlich freuen wir uns sehr über den Abzug der Truppen und sind hochmotiviert, mit der Arbeit weiterzumachen. Wir möchten das Wort Gottes weiter zu den Menschen bringen, denn der Kriegt hat ihr Lebensfundament erschüttert. Sie suchen nach Antworten auf entscheidende Fragen wie: Warum ist es zu diesem Krieg gekommen, warum hat Gott ihn zugelassen? etc.
Die Bedingungen in Cherson sind aktuell sehr schwierig, beispielsweise wird das Brot knapp, denn die Brotfabriken haben aufgehört zu arbeiten. Doch neben den physischen und wirtschaftlichen Aspekten gibt es auch die geistliche Not. Es gibt so viele traumatisierte Menschen, die Verluste erlitten haben – von Familienmitgliedern, Freunden, ihrem Besitz. Genau in diesem Bereich müssen wir als Bibelgesellschaft zusammen mit den Kirchen aktiv tätig werden, denn Gottes Wort allein bringt Trost und Versöhnung. Es hilft uns dabei, die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen.“
Die Menschen in den vor Kurzem befreiten Gebieten in der Nordukraine und in der Region Charkiw versuchen, wieder zu ihrem Alltag zurückzukehren, trotz weiter anhaltender Bombardierung. Zusammen mit der Ukrainischen Bibelgesellschaft kümmern sich die Kirchen um sie und leisten praktische und geistliche Unterstützung.
Beispielsweise verteilt die Kirche der Heiligen Dreieinigkeit in Charkiw Lebensmittel sowie Bibeln in der Nachbarschaft und ist auch seelsorgerlich tätig. Normalerweise werden jeden Dienstag und Freitag Essenspakete verteilt. Während die Leute anstehen, sprechen Ehrenamtliche aus der Gemeinde mit ihnen, ermutigen sie, beten für sie, singen Lieder und geben das Wort Gottes weiter. Besonders begehrt ist das Neue Testament im Großdruck. Seit dem 24. Februar konnte die Kirchengemeinde über 40.000 Menschen helfen.
„Danke, dass ihr uns nicht vergesst!“
Zusammen mit dem Pastor und einigen Helfern dieser Gemeinde besuchte das Team der Bibelgesellschaft aus Charkiw einige Orte, die seit Kriegsbeginn von den Russen besetzt waren. Noch immer werden Minen beseitigt und es gibt keine Elektrizität – deshalb sind auch Abspielgeräte mit Hörbibeln ein besonderer Segen. Lange mussten sich die Einwohner in Kellern verstecken, unzählige Häuser wurden zerstört und viele Menschen haben Angehörige verloren. Das Team kam ins Gespräch mit der örtlichen Bevölkerung und gab Lebensmittel und Bibeln weiter – alle waren am Wort Gottes interessiert. „Danke, dass ihr uns nicht vergesst!“, hörten die Mitarbeitenden immer wieder.
Am 29. April konnte Silke Gabrisch, Referentin für internationale Arbeit, ein bewegendes Interview mit dem stellvertretenden Generalsekretär der Ukrainischen Bibelgesellschaft, Anatolij Rajchinets führen. Das ca. 30-minütige Video sehen sie hier.
Wir sind dankbar, dass alle Mitarbeitenden der Bibelgesellschaft weiterhin in Sicherheit sind. Die Hilfsaktivitäten an den verschiedenen Standorten gehen unvermindert weiter.
Humanitäre Hilfe
Auf dem Hof der Bibelgesellschaft in Kiew kommen Hilfsgüter an und werden dann in Kleinbusse verladen. Mit diesen werden sie zu den Menschen gebracht – auch in die Vororte, die bis Ende März von den Russen belagert waren und wo die Not besonders groß ist. Doch nicht nur Lebensmittel oder batteriebetriebene Lampen sind begehrt: Die meisten Menschen bitten auch um eine Bibel, wenn sie hören, dass die Helfer Mitarbeitende der Ukrainischen Bibelgesellschaft sind. Für manche ist es sogar das Wertvollste, was sie bekommen können. Denn angesichts von so viel Leid und Tod werden die Fragen nach dem Sinn des Lebens und der Ewigkeit umso drängender. Die Mitarbeitenden schätzen, dass etwa 80 Prozent derer, die eine Bibel empfangen, davor keine gehabt haben. Dies liegt daran, dass vor allem ältere (atheistisch geprägte) und ärmere Menschen zurückgeblieben sind.
Traumabegleitung
In Lwiw geht die Unterstützung für Flüchtlinge weiter. Außerdem werden dort mittlerweile Workshops zum Thema Traumabegleitung angeboten, bei denen Geistliche, Psychologinnen, Sozialarbeiter usw. von verschiedenen Denominationen geschult werden. Es gibt kaum vergleichbare Programme in der Ukraine, die Menschen dabei helfen, emotionale Heilung und Wiederherstellung zu erfahren. In den nächsten Wochen soll es immer wieder solche Trainings geben, bei denen Christen aus der ganzen Ukraine zusammenkommen, was unter den gegebenen Umständen nicht einfach ist. Auch Online-Trainings sind geplant. Mehr Informationen zu dem verwendenten Material "Beyond Disaster" finden Sie hier.
Folgenden Bericht veröffentlichte die Ukrainische Bibelgesellschaft am 3. April, kurz nach Bekanntwerden der Ereignisse in Butscha:
Der 39. Tag dieses Krieges ist fast vorbei und zum Glück sind wir hier alle in Sicherheit.
Wie der Rest der Welt wurden wir von den Bildern des Massakers von Butscha erschüttert. Wir trauern und schreien nach Gerechtigkeit. Die vielen Tage des Krieges haben unsere Sinne betäubt und dennoch bleibt es so schmerzhaft. Wir können nur schwer verstehen, was dort passiert ist und wie viel Böses dieser Krieg über unser Land gebracht hat. Leider wird es nicht der letzte Ort sein, an dem wir erfahren müssen, mit welchem Schrecken und welch überwältigender Brutalität dieser Krieg gegen unbewaffnete Zivilisten geführt wird.
Butscha, Irpin, Puschtscha Voditsia und andere einst friedliche Trabantenstädte rund um Kiew liegen uns besonders am Herzen, da dort verschiedene christliche Organisationen und Bildungseinrichtungen unserer Partner ihren Sitz hatten. Das Baptistische Bibelseminar in Irpin wurde vollständig niedergebrannt. Das Letzte, was wir über das Adventistisch-geisteswissenschaftliche Institut in Butscha gehört haben, war, dass es von den russischen Streitkräften eingenommen, geplündert und als Stützpunkt genutzt wurde. Das Evangelisch-Theologische Seminar in Puschtscha Voditsia wurde von Feuer heimgesucht – seine Bibliothek, die als eine der größten christlichen Bibliotheken des Landes galt, ist zerstört.
Aufgrund des massiven Einsatzes von Minen in der Stadt wartet unser Team in Kiew immer noch auf die Erlaubnis, Butscha mit humanitärer Hilfe besuchen zu dürfen. Die Menschen dort mussten wochenlang ohne Grundnahrungsmittel ausharren.
Insgesamt ist es in Kiew etwas ruhiger geworden, da die Bodentruppen die Provinz verlassen haben, der gelegentliche Raketenbeschuss wird jedoch fortgesetzt. Fast einen ganzen Tag ohne Sirenen zu verbringen, war für Anatolij Rajchinets, unseren stellv. Generalsekretär, sehr ungewöhnlich, ja sogar besorgniserregend.
Anatolij leitete einen Abendmahlsgottesdienst für mehrere Militärgeistliche und Soldaten. Einer der Soldaten kam später auf ihn zu und bat um eine Bibel. Er sagte, dass er und seine Familie ihre Heimat in der Ostukraine verlassen mussten, als das Gebiet 2014 besetzt wurde. Jetzt verteidigt er hier die Ukraine, aber seine Familie lebt weiterhin in einem Gefahrengebiet. Er hatte nie eine Bibel besessen und sich auch nie für Religion interessiert. Doch jetzt sagte er: „Ich denke, es ist an der Zeit, dass ich ein Gespräch mit Gott beginne.“
In Charkiw verschlechtert sich die Situation, da der Beschuss zugenommen hat, obwohl dies die Menschen nicht davon abhält, zu versuchen, ihr Leben so weit wie möglich wiederherzustellen. Im Westen gibt es weiterhin jeden Tag mehrmals Fliegeralarm, doch glücklicherweise konnten in den letzten Tagen alle Raketen abgefangen werden.
Wir sind dankbar, dass die Mitarbeitenden der Ukrainischen Bibelgesellschaft weiter in Sicherheit sind. Unermüdlich und unter Einsatz ihres Lebens begegnen sie an den vier Standorten (Kiew, Cherson, Charkiw und Lwiw) den unmittelbaren Nöten der Menschen – durch humanitäre Hilfe, biblische Schriften, seelischen Beistand, Traumabegleitung. Aufgrund des jahrelang gewachsenen Netzwerks der Ukrainischen Bibelgesellschaft zu den verschiedenen Kirchen, christlichen Organisationen sowie zum Militär haben die Mitarbeitenden die Möglichkeit, Hilfsaktionen zu koordinieren und sehr effizient und passgenau zu gestalten.
Anfang dieses Jahres hat das Team der ukrainischen Bibelgesellschaft genug Bibeln für das ganze Jahr 2022 gedruckt – aber der Ansturm auf das Wort Gottes in dieser Krisenzeit ist so groß, dass der Vorrat fast aufgebraucht ist. In Rekordzeit konnte der Weltverband der Bibelgesellschaften (United Bible Societies, UBS) bei Amity Printing in China neue Bibeln auf Ukrainisch drucken, die derzeit in der Türkei auf den Weitertransport Richtung Ukraine warten. Dass dies so schnell möglich war, gleicht angesichts der Papierknappheit auf dem Weltmarkt einem Wunder. Auch darüber hinaus berichten die Mitarbeitenden vor Ort davon, dass sie Gottes Gegenwart inmitten der Dunkelheit spüren und Wunder erleben. Viele Menschen begegnen in diesen Tagen Gottes Liebe und wenden sich ihm zu.
Auch die Bibelgesellschaften in den Nachbarländern (z. B. Polen, Tschechien, Rumänien, Moldau) arbeiten mit Hochdruck daran, biblische Schriften auf Ukrainisch verfügbar zu machen, weil sich viele Flüchtlingsfamilien Bibeln wünschen. Ein Lenkungsausschuss koordiniert alle Aktivitäten. Als Deutsche Bibelgesellschaft werden wir demnächst ebenfalls verschiedene Materialien für ukrainische Flüchtlingsfamilien in Deutschland bereitstellen.
Ein Mitarbeiter schrieb kürzlich: „Dieser Krieg könnte noch lange dauern oder auch bald enden, er kann jedem Einzelnen von uns und unserer ganzen Nation noch viel Leid bringen – so oder so bleibt uns nichts anderes, als uns auf Gott zu verlassen und sein Wort der Hoffnung und Rettung unter den Menschen zu verbreiten. Wir wollen daher noch viel mehr beten, aber auch viel mehr arbeiten.“ Danke, wenn Sie weiterhin für die vom Krieg betroffenen Menschen und die Arbeit vor Ort sowie in den Nachbarländern beten und diese unterstützen.
Die Mitarbeitenden an den vier Standorten der Ukrainischen Bibelgesellschaft – Kiew, Charkiw, Cherson und Lwiw – sind weiterhin in Sicherheit. In Charkiw und Cherson ist die bibelgesellschaftliche Arbeit allerdings nur noch erschwert möglich – es treten zunehmend Schwierigkeiten bei der Lebensmittelversorgung auf, die Menschen sind rund um die Uhr wegen der schweren Bombardierung in Luftschutzräumen.
In Lwiw hingegen sind die Mitarbeitenden zusammen mit den Ortsgemeinden und Freiwilligen unermüdlich für die Hunderttausenden Flüchtlinge im Einsatz und leisten humanitäre Hilfe. Erwachsene und Kinder sind nicht nur für die Hilfsgüter, sondern auch für die Bibeln und biblischen Schriften äußerst dankbar.
In Kiew gehen die Hilfseinsätze ebenfalls so gut wie möglich weiter. Junge Leute aus verschiedenen Gemeinden packen Hilfspakete vor allem für Menschen in Luftschutzräumen, für Waisenhäuser und Senioren. Bei den Familien und Kindern sind Kinderbibeln sehr gefragt. Das Mitarbeiterteam verteilt die Pakete dann über die Stadt. „Wir geben physisches, aber auch geistliches Brot weiter“, sagt Anatolij Rajchinets, stellvertretender Generalsekretär der Ukrainischen Bibelgesellschaft.
Da die Lager der Bibelgesellschaft bald leer sind, wird derzeit unter Hochdruck daran gearbeitet, Broschüren mit Bibelworten voller Hoffnung und Evangelien nachzudrucken. Viele Bibelgesellschaften aus den Nachbarländern – auch die Deutsche Bibelgesellschaft – sind darin involviert.
Danke, wenn Sie auch weiterhin beten und die Arbeit, wie es Ihnen möglich ist, unterstützen.
Ja, ich möchte Menschen in der Ukraine helfen
Am Donnerstag, 24. Februar 2022, brach der Krieg in der Ukraine aus. Wir sind regelmäßig mit den Kollegen der Ukrainischen Bibelgesellschaft in Kontakt. Heute erreichte uns folgende Nachricht:
„Alle Mitarbeitenden sind in Sicherheit, auch unsere Büros und Warenlager sind unversehrt. Viele Menschen bleiben mittlerweile den ganzen Tag in Luftschutzräumen, da es häufige Fliegeralarme gibt, vor allem in Kiew und Charkiw. Ihnen fehlt es an Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten.
Anatolij Rajchinets, unser stellvertretender Generalsekretär, ist weiterhin in unserem Büro in Kiew. Er erhielt einen speziellen Pass, der es ihm ermöglicht, sich auch während der Ausgangssperren frei in der Stadt zu bewegen. Mit einem kleinen Team aus verschiedenen Gemeinden und Militärseelsorgern versucht er, denen in Not zu helfen: Zusammen bringen sie Hilfsgüter zu Menschen in Luftschutzräumen, helfen bei der Evakuierung von Familien, beteiligen sich bei der Versorgung des Militärs. Wir hatten noch einige kleine Abspielgeräte mit Hörbibeln auf Lager, die sich als sehr nützlich erwiesen haben.
Lokale Gemeinden im Westen der Ukraine unterstützen aktiv die Flüchtlinge aus den östlichen, südlichen und nördlichen Landesteilen. Sie vermitteln Unterkünfte und verteilen Lebensmittel und Kleidung. Unser Büro in Lemberg unterstützt die Gemeinden mit Bibeln und Hilfsgütern. Allerdings wird unser Lager dort bald leer sein. Auch unsere beiden anderen Regionalbüros in Charkiw und Cherson sind weiter geöffnet und die Mitarbeitenden dort leisten humanitäre Hilfe.
Wir sind außerdem mit den Bibelgesellschaften in den Nachbarländern im Gespräch, in denen unsere Landsleute Zuflucht suchen. Unser Wunsch ist es, dass wir auch dort Hoffnung durch das Wort Gottes verbreiten können.
Danke, wenn Sie weiter für Frieden in unserem Land beten.“
Ja, ich möchte Menschen in der Ukraine helfen
Stand: 22. Februar 2022
Die Ukrainekrise hält die Welt seit Monaten in Atem. In den letzten Tagen spitzt sich die Situation weiter zu. Die Angst vor einem Krieg wächst. Am 21. Februar erkannte der russische Präsident Wladimir Putin die Separatistenrepubliken im Donbass an. Mit dem Einmarsch russischer Truppen in die ostukrainischen Gebiete am selben Abend scheint eine weitere Eskalationsstufe erreicht. Doch wie geht es den Menschen in der Ukraine? Und welche Rolle spielen die Kirchen in der gegenwärtigen Situation?
Die Ukrainische Bibelgesellschaft ist seit einigen Monaten Vorsitzende des „All-Ukrainischen Rats der Kirchen und religiösen Organisationen" und bringt damit immer wieder Vertreter und Vertreterinnen der verschiedenen christlichen Konfessionen zusammen. Auch steht sie im Austausch mit Regierungsvertretern.
Wir haben Anatolij Rajchinets, dem stellvertretenden Generalsekretär der Ukrainischen Bibelgesellschaft, ein paar Fragen zur aktuellen Lage gestellt:
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Wie geht es den Menschen in der Ukraine?
Die aktuelle Situation setzt unsere Landsleute stark unter Druck. Manche sind voller Angst und versuchen, aus den Frontgebieten wegzuziehen. Andere bereiten sich auf den großen Krieg vor und decken sich mit Vorräten ein. Wieder andere melden sich zum Militärdienst. In Schulen wird den Kindern beigebracht, wie sie sich im Falle von Bombardierungen verhalten müssen etc. Diejenigen, die stark unter der Eskalation in den Jahren 2014-2015 gelitten haben, die Angehörige oder ihr Hab und Gut verloren haben, reagieren am stärksten, weil diese furchtbaren Erinnerungen immer noch sehr präsent sind.
Gleichzeitig erleben wir, dass mehr und mehr Menschen in die Kirchen kommen. Nicht nur an Sonntagen, sondern auch wochentags – Pastoren und Priester erzählen, dass ihre Gottesdienste unter der Woche und die Bibelkreise voller neuer Menschen sind. Die Kirchen geben unserem Volk einen Rückhalt und verbreiten Hoffnung und Trost.
Welche Rolle spielt die Ukrainische Bibelgesellschaft, zusammen mit den Kirchen?
Die Bibelgesellschaft ist sehr dankbar dafür, dass sie seit Jahrzehnten einzigartige Beziehungen zu allen christlichen Konfessionen in der Ukraine pflegt. Immer wieder haben wir den verschiedenen Kirchen und der politischen Führung des Landes als Plattform gedient, sodass alle gemeinsam an einen Tisch kommen und miteinander auf gute Weise in Dialog treten konnten. Darüber hinaus ist die Bibelgesellschaft seit einigen Monaten Vorsitzende des „All-Ukrainischen Rats der Kirchen und religiösen Organisationen" . Das bedeutet noch mehr Verantwortung, bietet aber auch neue Möglichkeiten für engere Beziehungen zu allen Kirchen und der Regierung.
Wie engagieren sich die Ukrainische Bibelgesellschaft und die Kirchen für den Frieden?
Am Mittwoch, 16.2., versammelten sich beispielsweise die Leiter aller ukrainischen Kirchen, die Bibelgesellschaft und Vertreter anderer Religionen in der Kiewer Sophienkathedrale, um für den Schutz des Landes zu beten. Ein Chor sang das Vaterunser, danach sprachen Vertreter unterschiedlicher Kirchen und Religionen Gebete und Segensworte. Der Präsident der Ukraine hatte diesen Tag der Einheit ausgerufen, einen Tag der Solidarität inmitten von Drohungen, trotz aller kulturellen, religiösen und sprachlichen Unterschiede.
Bereits Anfang Februar begrüßte die Bibelgesellschaft hohe Kirchenvertreter sowie Regierungsbeamte, darunter den Parlamentsvorsitzenden Herrn Ruslan Stefantschuk, bei sich. Bei dem Treffen ging es unter anderem darum, welche Rolle die Kirchen in der gegenwärtigen Krise spielen und wie sie der zunehmenden Unsicherheit und Angst der Bevölkerung begegnen können. „Wir glauben, dass das beste Gegenmittel immer noch ist, die Gute Nachricht weiterzugeben. Sie macht deutlich, dass unsere Zukunft in Gottes Hand liegt“, sagte damals unser Generalsekretär, Oleksandr Babitschuk.
Welche konkreten Maßnahmen gibt es darüber hinaus?
Daneben ist die Bibelgesellschaft gemeinsam mit den Kirchen aktiv in den Prozess des Austauschs von Kriegsgefangenen involviert: Wir nutzen unser Netzwerk in diplomatischen Kreisen und Kirchen in Russland und versuchen, Politiker auf beiden Seiten zum Austausch zu bewegen. Aktuell befinden sich Hunderte von ukrainischen Soldaten und Freiwilligen in russischer Kriegsgefangenschaft. Kürzlich besuchte eine Frau mit ihren beiden Kindern unser Büro: Ihr Mann ist seit vier Jahren in Gefangenschaft und sie bat uns mit Tränen in den Augen um Hilfe, damit er nach Hause zurückkehren kann und seine Kinder nicht mehr vaterlos aufwachsen müssen.
Die Kirchen engagieren sich stark dafür, für Menschen im ganzen Land da zu sein – für Bewohner und Bewohnerinnen der Frontgebiete, Angehörige des Militärs und ihre Familien sowie Personen, die mit Angst zu kämpfen haben. Daher ist es der wichtigste Auftrag der Ukrainischen Bibelgesellschaft, sie auch weiterhin mit Bibelausgaben zu unterstützen. Täglich erreichen uns Dutzende Bitten um Bibeln und bald schon wird unser Lager leer sein. Abgesehen von den Bibeln versuchen wir so viele Geistliche wie möglich in Traumabegleitung zu schulen, sodass sie denen, die von der aktuellen Krise stark betroffen sind, dienen können.
Worauf hoffen Sie, was können wir in Deutschland tun?
Die Situation verschlechtert sich Tag für Tag. Viele diplomatische Bemühungen um eine friedliche Lösung sind gescheitert. Keiner weiß, was der morgige Tag bringen wird. Doch es gibt genug Zeichen, die uns zeigen, dass die Lage sehr ernst ist. Unsere größte Hoffnung und unser größtes Gebet ist es, dass Gott ein Wunder tut, denn manchmal scheint es, als ob nur sein Eingreifen die Situation auflösen kann. Wir predigen Frieden und wir ermutigen zum Frieden. Daher hoffen und beten wir immer noch für eine friedliche Lösung der Situation.
Beten kann man für die Kirchen in der Ukraine, die so stark sind – wir fühlen uns geehrt, dass wir an ihrer Seite stehen können, während sie auf alle Herausforderungen mit der Guten Nachricht, der Botschaft der Liebe reagieren. Auch Geistliche bzw. die Mitarbeitenden der Bibelgesellschaft brauchen Gebet, dass sie diese Situation körperlich sowie mental gut durchstehen und weiter Frieden verbreiten und Menschen ermutigen können. Schließlich benötigen wir mehr Bibeln, da uns doch so viele Kirchen darum bitten, damit noch mehr Menschen Zugang zur waren Quelle der Wahrheit, des Trostes und des Friedens haben.
Wir danken allen Unterstützern und Unterstützerinnen in Deutschland für ihre Gebete und die großzügigen Gaben. Jedes Gebet und jede Spende bringt dieser Tage mannigfache Frucht in unserem Land!
Die Weltbibelhilfe der Deutschen Bibelgesellschaft startete Anfang Januar einen Spendenaufruf für die Ukrainische Bibelgesellschaft, u.a. für Bibeln in Kinderheimen. Doch unterstützen wir bereits seit einigen Jahren auch Projekte für die Opfer des Krieges in der Ostukraine. Soldaten und die betroffene Bevölkerung werden mit Bibeln versorgt, Militärgeistliche, Pastoren und Therapeutinnen in biblischer Traumabegleitung ausgebildet. Insgesamt möchte die Ukrainische Bibelgesellschaft in der nächsten Zeit 56.000 Bibelausgaben bereitstellen.