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Mit viel Herzblut engagiert sich die Armenische Bibelgesellschaft für die Verbreitung der Bibel. Silke Gabrisch, unsere Referentin für internationale Arbeit, hat kürzlich Armenien und unsere Partner­bibel­gesellschaft besucht.

 

Nach über eineinhalb Jahren kann ich im August 2021 endlich wieder eine Projektreise antreten: nach Armenien. Sechs Tage und ein dicht gefülltes Programm erwarten mich.

Armenische Geschichte verstehen

Am ersten Tag nach dem Nachtflug kann ich in Jerewan etwas durchatmen und zwei wichtige Sehens­würdigkeiten besuchen. Im Matenadaran, dem Zentralarchiv für armenische Handschriften, erhalte ich Einblicke in die lange Geschichte des Christentums und mir wird die Liebe der Armenier zu den Wissenschaften und zur Bildung vermittelt. Vor dem Gebäude befindet sich eine Statue von Merop Maschtoz, der auf das von ihm entwickelte armenische Alphabet verweist – Anlass war 405 die Übersetzung der Bibel auf Armenisch!

Sehr bewegend ist der Besuch des Genozid-Museums. An der Gedenkstätte, die an den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915 erinnert, lege ich zwei Rosen nieder. Während meines Aufenthalts werde ich noch besser verstehen, wie tief sich dieses Trauma in die armenische Volksseele eingeprägt hat. So tief, dass es heute noch überall präsent ist.


Statue von Merop Maschtoz, der auf das von ihm entwickelte armenische Alphabet verweist – Anlass war 405 die Übersetzung der Bibel auf Armenisch

Spiel, Spaß und innere Heilung

Am Sonntag geht es von Jerewan zwei Stunden in den Norden nach Wanadsor, der drittgrößten Stadt Armeniens. 86 Kinder und Jugendliche von sechs verschiedenen christlichen Konfessionen nehmen am ökumenischen Sommercamp der Armenischen Bibelgesellschaft teil. Fast alle von ihnen haben im Krieg um Bergkarabach den Vater oder nahe Angehörige verloren. Ich spüre, dass sie hier Geborgenheit erleben und den Schmerz und die Spannungen des Alltags für eine Weile vergessen können. Neben den Jugendleitern sind zwei Diakone und zwei Psychologinnen dabei. Das Programm ist eng getaktet, die Kinder erleben viel Spiel und Spaß. Doch ich sehe in einzelnen Gesichtern auch Trauer und Verunsicherung. Die Psychologinnen arbeiten daher in Gruppen und individuell mit den Teilnehmenden. Durch Malen, Emotionskarten und andere Techniken wird ein Zugang zu den eigenen Gefühlen geschaffen. Auch die biblischen Geschichten sind auf die seelischen Bedürfnisse der Kinder abgestimmt.

Ökumenische Bestrebungen gibt es in Armenien kaum – die Konfessionen bleiben in der Regel unter sich. Daher ist dieses Camp etwas ganz Besonders. Dass die Teilnehmenden darüber hinaus auch Heilung für ihre verwundeten Seelen erfahren, halte ich für einzigartig.

Begeisterung für die Bibel wecken

Der Montag ist für Gespräche mit den Kollegen und Kolleginnen der Bibelgesellschaft reserviert. Am Dienstag nimmt mich Arshavir Kapoudjian mit in den Süden, in die Gegend um Sissian. Auf der Fahrt kann ich endlich den Ararat sehen, der für die Armenier eine so große Bedeutung hat, allerdings in der Türkei liegt. Es geht über holprige Straßen und in engen Serpentinen Gebirgspässe hinauf und hinunter. Darbas ist unser Ziel. Dort besuche ich das Projekt »Moving Gospel« (»Bewegendes Evangelium«), bei dem Menschen in abgelegenen Dörfern dazu eingeladen werden, Gottes Wort und seine Liebe kennenzulernen. »Sie sind sehr isoliert, haben wenig Abwechslung im Alltag«, erzählt Arshavir. »Mir ist es sehr wichtig, die Bibel mit ihrem täglichen Leben in Verbindung zu bringen.«

Im Anschluss an die Andacht, bei der es dieses Mal um den verlorenen Sohn geht, teilt sich die Gruppe: Die Frauen knüpfen Handteppiche und kommen dabei über das Gehörte ins Gespräch, die Mädchen basteln Handpuppen zu biblischen Geschichten. Am Ende des zwölfwöchigen Kurses werden sie eine große Aufführung vor dem ganzen Dorf haben und verschiedene biblische Gleichnisse vorspielen. Schade, dass ich das nicht miterleben werde!

Anahit, 64 Jahre, knüpft einen Handteppich mit traditionellem armenischem Muster. Sie erzählt mir: »Dabei komme ich zur Ruhe. Ich kann alle Anspannung und Angst hinter mir lassen. Unsere Hoffnung kommt von Gott. Am liebsten mag ich das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter, denn er hat seinen Nächsten nicht vergessen. Das möchte ich auch an die nächste Generation weitergeben.« Sie kommt zusammen mit ihrer Schwiegertochter und ihrer Enkelin.

Seelische Hilfe für verwundete Soldaten

Am Mittwochmorgen fahren wir zu einem anderen Dorf in der Gegend. Der Pastor der freikirchlichen Gemeinde vor Ort hat die Armenische Bibelgesellschaft um Kinderbibeln gebeten und wird sie nun im Schulhaus verteilen. Wir werden mit Spannung auf dem Schulhof erwartet. In der großen Aula erklären wir, dass die Bibel ein Buch des Lebens, des Lichts, der Liebe und voller Abenteuer ist. Begeistert nehmen die Kinder ihr wertvolles Geschenk in Empfang.

Nun steht eine lange Fahrt an: Von Süden geht es am Sewansee vorbei Richtung Norden, in die »armenische Schweiz«. Tatsächlich ändert sich die Landschaft abrupt: Die kargen, felsigen Berge weichen einem Bild, wie es bei uns in den Alpen aufgenommen sein könnte. Ziel ist das Kloster Haghartsin, wo ich zum Abschluss meines Aufenthalts einem Seminar zur Traumabegleitung für im Krieg verwundete Soldaten beiwohnen werde. Im September 2020 war der seit langem schwelende Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach neu eskaliert. Die Folgen des fünfwöchigen Krieges sind überall spürbar und die Furcht, dass er wieder ausbrechen könnte, ist allgegenwärtig.

Zwei Diakone der Armenisch-Apostolischen Kirche, drei Psychologinnen, eine Kunsttherapeutin und ein paar weitere Mitarbeitende kümmern sich intensiv um die 16 Soldaten, die hier geistlichen und psychologischen Beistand erhalten. 18-, 19-Jährigen mit Prothesen gegenüberzusitzen, deren unbeschwertes Leben von einem Tag auf den anderen vorbei ist, geht mir ganz schön nahe. Gleichzeitig erlebe ich, wie neue Hoffnung wächst. Die Psychologinnen arbeiten in Gruppen, aber auch einzeln mit den Männern, zum Beispiel mit einer sogenannten Sandaufstellung. Sie erzählen mir, wie manche zum ersten Mal über das Erlebte sprechen können. Die Soldaten erleben Gottes Beistand und seine Nähe, fassen neuen Mut.


Verwundete Soldaten erhalten beim Traumabegleitungsseminar der Armenischen Bibelgesellschaft eine Bibel

Echte Veränderung

Gerne wäre ich noch länger geblieben, doch Donnerstagnacht muss ich schon wieder zurück. Ich bin wirklich beeindruckt von der Arbeit der Armenischen Bibelgesellschaft und der Qualität ihrer Projekte. Vor Ort zu sein, hat mir geholfen, viele Zusammenhänge besser zu verstehen. Die Mitarbeitenden sind unglaublich engagiert, stecken all ihr Herzblut in die Verbreitung der Bibel und die Heilung verwundeter Seelen. Ich bete, dass die Menschen, die von ihrer Arbeit und vor allem dem Wort Gottes erreicht werden, eine echte Veränderung in ihrem Leben erfahren.


Autorin Silke Gabrisch ist Referentin für internationale Arbeit bei der Deutschen Bibelgesellschaft.

Silke Gabrisch
Telefon: 0711 / 7181 - 136
E-Mail:  gabrisch@dbg.de

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