Joel 2,12-19 | Aschermittwoch | 05.03.2025
Einführung in Buch
Das Buch Joel
Das Buch Joel besteht aus nur drei (LXX) bzw. vier Kapiteln (MT) mit insgesamt 73 masoretischen Versen. Kapitel 3 des masoretischen Textes wird in den meisten englischen und in einigen deutschen Übersetzungen als Joel 2,28–32 gezählt. Folglich wird Kapitel 4,1–21 zu Joel 3,1–21. In den ersten beiden Kapiteln scheint das Unheil bereits eingetreten zu sein, und die Menschen werden zur Umkehr aufgefordert. Der zweite Teil des Buches Joel handelt von Gottes Ausgießung des Geistes
Das Buch wird einem gewissen Joel, Sohn des Petuel in Joel 1,1 zugeschrieben. Manche sehen in ihm einen Kultpropheten, andere tendieren eher dazu, das Buch als Fortschreibung anderer prophetischer Schriften und führen dies auf schriftgelehrte Prophetie
Das Buch Joel beginnt mit einer Überschrift, die ähnlich formuliert ist wie in Hos 1,1, Mich 1,1 und Zeph 1,1 „Das Wort JHWHs, das ergangen ist an Joel…“. Was folgt, ist eine prophetische Rede, die sich direkt mit Imperativen an verschiedene Gruppen der Bevölkerung richtet. Diese prophetische Rede (Joel 1,2–3.5.8–9.13–14; 2,13aβ–14.23*.26a; 4,9–11.13 [3,9–11.13]) ist durch die Verwendung des Suffixes zweite Person Plural und den direkten Bezug auf „JHWH, euren Gott“ gekennzeichnet. Die prophetische Rede steht im Gegensatz zur direkten JHWH-Rede, die durch die erste Person Singular und entsprechende Suffixe gekennzeichnet ist. In der JHWH-Rede geht es um eine Heuschreckenplage und eine kriegerische Invasion (Joel 1,4.6–7; 2,1a.2b–5.7–9.19–20.25.26b; 3,1–3; 4,1–8*.12.17–21* [2,29–30; 3,1–8*.12.17–21*]). Joel 1,10–12.17–20; 2,21–24 hingegen bezieht sich auf eine Dürre und lässt sich durch die zahlreichen hapax legomena, als eigenständige Quelle herauslösen. Dafür sprechen neben der klaren chiastischen Struktur, formale Elemente eines Klagelieds wie die Beschreibung der Katastrophe, die direkte Ansprache Gottes und ein Heilsorakel am Ende. Insgesamt lässt sich vermuten, dass verschiedene Quellen, die sich auf unterschiedliche Katastrophen beziehen, in späterer Zeit unter dem Aspekt des Tages JHWHs im Joelbuch vereint wurden. Die Datierung bleibt damit schwierig. Einzelne Quellen – etwa das Klagelied angesichts einer Dürre in Joel 1,10–12.17–20; 2,21–24 – mögen noch in das 7. Jh. zurückreichen, die Zusammenstellung unterschiedlichster Katastrophen unter dem Tag JHWHs stammt sicherlich erst aus persischer Zeit. Mit Hilfe der diachronen Erklärung, dass verschiedene Quellen erst in späterer Zeit redaktionell miteinander verbunden wurden, lassen sich auch theologische Ungereimtheiten besser erklären: Im Buch Joel wird betont, dass „die Verwüstung von Schaddaj kommt“ (Joel 1,15), und JHWH selbst kündigt sein Gericht über das Volk an (Joel 4,1–8*.12.17–21* [Joel 3,1–8*.12.17–21*]). Gleichzeitig leidet Gott unter den Katastrophen (siehe die Beschreibung der Verwüstung „meines Landes“ in Joel 1,6, „meines Weinstocks“, „meines Feigenbaums“ in Joel 1,7 und „meines Volkes“ in Joel 2,26.27 usw.). Diese verschiedenen Perspektiven werden einander gegenüber gestellt und miteinander ins Gespräch gebracht: JHWHs Handeln ist nicht souverän und unveränderlich, sondern Gott lässt sich bewegen und hat Erbarmen (Joel 2,18). Nicht weniger als vier Begriffe werden verwendet, um dieses göttliche „Mitgefühl“ auszudrücken: נחם, חמל, חוס und קנא. Im Endtext sind die Reue
Literatur
- Kipfer, S., 2023, Extreme Klimaereignisse und Hungerkatastrophen in den Prophetenbüchern (VT.S 194), Leiden/Boston.
Kommentare
- Barton, J., 2001, Joel and Obadiah: A Commentary (OTL), Louisville.
- Jeremias, J., 2007, Die Propheten Joel, Obadja, Jona, Micha (ATD 24,3), Göttingen.
- Wolff, H. W., 42004, Joel und Amos (BK.AT XIV/2), Neukirchen-Vluyn.
- Dahmen, U./Fleischer, G. 2001, Die Bücher Joel und Amos (Neuer Stuttgarter Kommentar 23,2), Stuttgart.
A) Exegese kompakt: Joel 2,12–19
Übersetzung
12a Und auch jetzt, Spruch JHWHs:
aα „Kehrt um zu mir in all euren Herzen
b und mit Fasten und mit Weinen und mit Trauerklage,
13aα und zerreißt eure Herzen, und nicht eure Kleider!“
aß Und kehrt um zu JHWH, eurem Gott,
b denn gnädig und barmherzig ist er,
langsam zum Zorn und groß an Gnade,
und das Böse tut ihm leid.
14a Wer weiß:
Er kehrt um und es tut ihm leid:
b und er lässt übrig hinter sich: Segen.
Speise- und Trankopfer für JHWH euren Gott.
15a Blast ins Schofarhorn in Zion,
b heiligt ein Fasten,
ruft eine Versammlung aus.
16a Versammelt das Volk,
heiligt die Gemeinde,
sammelt die Alten ein,
versammelt die Kinder
und die Säugenden an den Brüsten.
b Der Bräutigam geht aus seiner Kammer heraus,ֹ
und die Braut aus ihrem Brautgemach.
17a Zwischen der Vorhalle und dem Altar
weinen die Priester, die Diener JHWHs,
b und sie sagen:
„Erbarme dich, JHWH, über dein Volk,
und gib dein Erbe nicht zur Schande,
so dass herrschen über sie die Völker.
Warum sollen sie unter den Völkern sagen:
Wo ist ihr Gott?“
18a Und es ereiferte sich JHWH über sein Land
b und er hatte Mitleid mit seinem Volk,
19a Und es antwortete JHWH
und sagte zu seinem Volk:ֹ
„Siehe, ich schicke euch Getreide, Wein und Öl,
und ihr werdet satt durch es,ֹ
b und ich gebe euch nicht mehr zur Schande
unter den Völkern.“
1. Fragen und Hilfen zur Übersetzung
V.13 „das Böse tut ihm leid“: נחם Nifal bedeutet „sich etwas leidtun lassen“, „sich etwas gereuen lassen“, „bereuen“; insgesamt neunmal ist JHWH in der Hebräischen Bibel Subjekt von נחם Nifal. Das Verb kommt direkt danach, in V. 14 noch einmal vor: „es tut ihm leid“. In V.13 wird mit Gottes „Leidtun lassen“ die Menschen zur Umkehr motiviert, in V.14 ist von Gottes Umkehr und Reue die Rede. Diese wird allerdings hier noch unter einen Vorbehalt gesetzt: „wer weiß“, „vielleicht“.
V.17 „erbarme dich“: חוס kann mit „Mitleid mit jemandem haben“, „sich über jemanden erbarmen“, aber auch „jemanden schonen“ übersetzt werden. Vom Erbarmen Gottes ist etwa in Neh 13,22; Ps 72,13; Ez 20,17 und wesentlich häufiger negativ in Jer 13,14; Ez 5,11; 7,4.9 8,18; 9,5.10; 24,14; Jona 4,11 die Rede.
V.18a „und es ereiferte sich Jhwh“: Ähnlich wie in Sach 1,14 und 8,2, wo Jhwh für Zion
V.18b „und er hatte Mitleid“: חמל bedeutet „Mitleid haben“, „schonen“. Vom Mitleid Gottes ist etwa noch in 2Chr 36,15; Ez 36,21 und Mal 3,17 die Rede (negativ zudem in Hiob 16,12; 27,22; Jer 13,14; Klgl 2,2.17.21; 3,43; Ez 5,11; 7,4.9 u.a.).
Sowohl die LXX als auch das Qumranfragment 4QXIIc frgs. 14–17, bieten einige kleine Ergänzungen und auch Abweichungen, aber diese sind für das Textverständnis als Ganzes nicht entscheidend.
2. Einordnung der Perikope in den Kontext: Synchrone Analyse
Die raschen Wechsel der Sprecher erschweren das Textverständnis. Zu Beginn (Joel 2,12aß–13aα) und dann auch am Ende (Joel 2,19–20) steht direkte Gottes-Rede. Dazwischen findet sich eine Mischung aus Formeln, Imperativen und Beschreibungen. Die Perikope kann nach vorne zur Beschreibung des Tages Jhwhs
V.12a leitet mit einer singulären Formel „Und auch jetzt“, gefolgt von „Spruch Jhwhs“ die Gottesrede ein und kennzeichnet damit einen neuen Abschnitt. Das Gotteswort in V.12aα–13aα enthält zwei Imperative, nämlich zu Gott („mir“) umzukehren „mit ganzem Herzen“ und „die Herzen zu zerreißen“. Der Gegensatz nicht die Kleider, sondern die Herzen zu zerreißen beinhaltet möglicherweise „prophetische Kritik am leeren Ritualismus“ (so Hans Walter Wolff, Joel und Amos, 58). Insgesamt finden sich in V.12–16 nicht weniger als zehn Imperative, die sich direkt an die Zuhörenden richten und diese zu einem entsprechenden Verhalten auffordern. Zweimal wird das Volk in V.12 und 13 aufgefordert umzukehren (שׁוב). Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass einmal Gott selber spricht („kehr um zu mir“ V. 12), einmal der Prophet („kehrt um zu JHWH, eurem Gott“ V.13; vgl. auch V.14 „JHWH, euren Gott“). Die Angesprochenen dürften also die gleichen sein, die Sprecher aber ändern sich. Während in V.12aß–13aα erklärt wird, wie diese Umkehr geschehen soll, nämlich mit Fasten, Weinen, Trauerklage und dem Zerreißen der Herzen, wird in V.13b, mit der sogenannten Gnadenformel
Mit keinem Wort wird gesagt, was die Menschen falsch gemacht haben und wovon sie umkehren sollen. Die gesamte Perikope bleibt also merkwürdig offen und es fehlt ein wesentlicher Bestandteil dessen, was für die frühe Prophetie des 8. und 7. Jahrhunderts einmal zentral war, nämlich das „Hervorsagen“ von Missständen und die Kritik am Verhalten der Menschen. Für diese Leerstelle gibt es zwei Erklärungen: Zum einen (und unwahrscheinlicher) ist der Text für einen ganz präzisen Kontext geschrieben worden, in dem das Fehlverhalten vorausgesetzt werden konnte und nicht näher erläutert werden musste. Zum anderen (und wahrscheinlicher) ließ der prophetische Text das Fehlverhalten absichtlich offen, um ganz unterschiedliche Aspekte mit einzuschließen. Damit beschränkte er sich nicht auf einen spezifischen historischen Kontext, sondern erlangte eine gewisse Allgemeingültigkeit.
V.13b–14a enthält unter Rückbezug auf die sogenannte Gnadenformel Aussagen über Gottes Erbarmen, Reue
Der Aufruf etwas zu „heiligen“ kommt in Joel insgesamt viermal vor (Joel 1,14; 2,15.16 und 4,9). Zweimal soll ein Fasten
V.17 schildert das Verhalten der Priester, insbesondere deren Weinen. Sie bitten Gott, sich zu erbarmen. In dieser Klage kommt thematisch neu die Möglichkeit hinzu, dass Israel den Völkern zum Gespött wird und sich diese wiederum fragen: „Wo ist ihr Gott?“ Das Motiv der Schmähung durch die Völker ist insgesamt weit verbreitet bei Jeremia und Ezechiel, aber auch in den Psalmen. Offenbar zeigt das Verhalten der Priester, ihr Weinen
3. Textgenese (Redaktionsgeschichte der Perikope)
Die zahlreichen Wechsel der Sprechrichtungen und die Formeln (sogenannte Gnadenformel in V.13b) könnten ein Hinweis dafür sein, dass der Text nicht einheitlich ist. Die Perikope wird vermutlich in Joel 2,12–13aα mit einem eigenständigen Gotteswort eröffnet, während die Jhwh-Rede am Ende in Joel 2,19–20 eine Fortsetzung der Jhwh-Rede angesichts einer Heuschreckenplage
4. Historischer Kontext
Insgesamt enthält die Perikope zahlreiche Hinweise auf die persische Zeit: Das Zerreißen der Kleider war ein wichtiger Bestandteil der Klageriten
Hinzu kommen Begriffe, die sich eindeutig auf den zweiten Tempel und den Jerusalemer Kult der Perserzeit beziehen. Speise- und Trankopfer
5. Schwerpunkte der Interpretation
Gott fordert die Menschen in V.12 auf umzukehren
Die kultischen Handlungsanweisungen mögen befremden: Es geht nicht um die handfeste Sozialkritik
B) Praktisch-theologische Resonanzen
1. Persönliche Resonanzen
In besonderer Weise hat mich in der Exegese die Beobachtung dessen angesprochen, was im Text nicht gesagt ist, was ich aber wahrscheinlich von mir aus hineingelesen hätte: Zum einen ist es der fehlende Hinweis auf bestimmte Handlungsmuster, von denen die Angesprochenen umkehren sollen. Zum anderen – und durchaus dazu passend – bleibt der historische Kontext nach den exegetischen Überlegungen erkennbar schwer zu greifen. Wir haben es also mit einem biblischen Text zu tun, in dem einerseits zur Umkehr aufgerufen wird, ohne dass im Detail erkennbar ist, wovon denn die adressierten Menschen umkehren sollen, und eine Situation vorausgesetzt ist, in der das Volk beschämt wird, ohne dass sich eine einfache historische Zuordnung ergibt.
Was als Schwäche oder Problem begriffen werden könnte, kann allerdings auch als Chance verstanden werden. Das Bibelwort hat so etwas Zeit- und Kontextübergreifendes an sich. Eine Aktualisierung in je neuen Situationen bis in unsere Zeit wird dadurch leichter möglich, auch wenn zum Beispiel mit Tempel und Tempelgottesdienst Größen aufgerufen sind, die weder für eine jüdische noch für eine christliche Gemeinde heute einfach zugänglich sind.
Während und weil das menschliche Verhalten, von dem die Angesprochenen umkehrensollen, in den Hintergrund tritt, werden demgegenüber die Ausdrucksformen der Umkehr (Fasten, Blasen des Schofarhorns, Versammlung des Volks, Weinen etc.) und die Richtung der Umkehr (zu JHWH) umso deutlicher erkennbar und rücken prominent in den Blick.
Als vorstellungssprengend nehme ich zwei Gedanken wahr: einmal die Erwartung, dass JHWH umkehren könnte, wenn das Volk umkehrt. Auch wenn dieser Gedanke von der Umkehr oder Reue JHWHs in Prophetentexten immer wieder begegnet, bleibt er dennoch außergewöhnlich. Der zweite Gedanke ist die metaphorische Übertragung vom Zerreißen der Kleider auf das Zerreißen der Herzen, womöglich zu verstehen als Aufruf, auf diese Art und Weise leere Ritualität zu überwinden.
2. Theologische Aktualisierung
Entgegen einer verbreiteten (und keineswegs grundsätzlich zu problematisierenden) Tendenz, Ethisches und Politisches zum Hauptgegenstand von Predigten zu machen (vgl. Hoffmann und Pock/Roth), drängt der Bibeltext gerade dazu, den Blick vom menschlichen Handeln abzuwenden und Gott zuzuwenden.
Dies passt zu einer Problembeschreibung, die Günter Thomas kürzlich vorgelegt hat: „Eine Kirche und eine Theologie, die meinen – weil das eben plausibler erscheint –, moralische Orientierung sei wichtiger als Gotteserkenntnis, in welcher ihr Orientierungsangebot gründet, begehen auch noch die größte Sünde der Optionsgesellschaft: Sie werden moralische Oberlehrer.“ (Thomas, 353f.).
Dabei fällt es vielen gar nicht leicht, von Gott als einem Gegenüber zu reden. Ja, Gott kommt vor als Objekt des eigenen Nachdenkens, als Element im eigenen Weltbild, aber als Gegenüber oder als jemand, zu dem man umkehren sollte? Tendenziell nicht oder zumindest eher weniger.
Nun wäre es billig, das einfach zu beklagen. Vielmehr müsste es doch darum gehen, Wege zu neuem Reden von Gott als Gegenüber zu bahnen.
Hier könnten insbesondere V.13–14a dazu anleiten, in einem Nachbuchstabieren der genannten Gottesprädikate ein Gottesbild zu zeichnen, das neue Gotteserkenntnis ermöglicht. Also: Was bedeutet es, mit einem Gott unterwegs zu sein, der eine Spur des Segens zieht? („Gott lässt übrig hinter sich: Segen“ – V.14a)? Was bedeutet es für ein Leben im Angesicht Gottes, dass er gnädig und barmherzig ist? Inwieweit erleichtert es meine eigene Umkehr (nicht irgendwohin, sondern zu Gott), wenn ich weiß, dass er nicht im Zorn „austickt“ („langsam zum Zorn“ – V.13b), sondern „Gnade“ seine besondere Größe darstellt? (V.13b). Ergänzt werden könnte dies mit Gedanken zu V.19b. In einer Zeit, in der angesichts von Dauerselbstpräsentation und Dauerbewertung nicht zuletzt in den virtuellen Welten die Schamorientierung an Bedeutung gewinnt, mag die Vorstellung, dass Gott einer ist, der aus „Schande“ befreit, neue Aktualität gewinnen. Über die Vorstellung der Unansehnlichkeit des Gottesknechts (Jes 52,14 bzw. 53,2), der also die „Schande“ am eigenen Leib trägt, wäre in einem größeren intertextuellen Bogen eine christologische Profilierung des Gottesbildes möglich.
3. Bezug zum Kirchenjahr
Der Aschermittwoch führt jedenfalls in Deutschland im evangelischen Bereich eher ein Schattendasein. Allerdings ist auch zu beobachten, dass es hier und da zu Wiederentdeckungen dieses Tages und seiner rituellen Ausgestaltung kommt. Auch wenn das Zeichen des Aschekreuzes auf der Homepage der EKD ausführlich im Kontext des Aschermittwoches erklärt wird (https://www.ekd.de/aschermittwoch-basiswissen-glauben-53470.htm
Im gesellschaftlichen Bewusstsein wird dieser Tag als Abschluss der Karnevals-/Faschingszeit wahrgenommen. Insbesondere im süddeutschen Bereich spielen darüber hinaus die Veranstaltungen zum „Politischen Aschermittwoch“ eine Rolle, bei denen politische Gegner hart attackiert werden und um ein angemessenes politisches Handeln gerungen wird.
Gegenüber dem bisher Genannten setzt der Predigttext einen erkennbar anderen Akzent. Nicht menschliches Handeln, das so oder so zu ändern wäre, gerät in den Fokus, sondern das Gottesverhältnis. Im Kontrast zu dem polemischen Streit, der gewöhnlich bei den Veranstaltungen des „Politischen Aschermittwoch“ ausgetragen wird, ist dem Text das Bild zu entnehmen, dass ganz unterschiedliche Menschen zusammenfinden, um ihr Leben gemeinsam neu auszurichten. In Zeiten zumindest gefühlter gesellschaftlicher Polarisierung ist dies womöglich ein nicht unbedeutender Impuls.
4. Anregungen
Für die Gestaltung der Predigt könnte es ein Gewinn sein, die Leerstellen, die der biblische Text lässt, nicht vorschnell durch eigene Überlegungen zu füllen. Gerade angesichts der vielerorts zu erwartenden kleinen Gottesdienstbesuchergruppen könnte in der Predigt eine längere Stillephase vorgesehen werden, in der die Gottesdienstbesucherinnen und -besucher eingeladen werden, sich selbst darauf zu besinnen, was ihrem Glauben und Gottesverhältnis im Weg steht und wie Umkehr zu Gott dementsprechend aussehen könnte.
Dem wäre ein Predigtstil angemessen, der nichts Abgeschlossenes präsentiert, sondern zu solcher Selbstbesinnung anleitet und ggf. dazu hilft, erste Schritte auf diesem Weg der Umkehr zu gehen. Predigt könnte dann auch Anleitung zu neuer Suche nach Gott sein: Diese Suche könnte einmal die Frage nach dem „Wie“ Gottes aufnehmen: Wie ist Gott? Welche Bilder prägen mich? Welche Aussagen über Gott sind mir nahe? Welche sind mir fremd – lohnen aber trotzdem, bedacht zu werden? Und daneben könnte die Frage nach dem „Wo“ Gottes treten. Wo finde ich diesen Gott, wenn ich denn umkehren will? Hier ließe sich das vermeintlich Altbekannte in Erinnerung rufen, dass Gott den Menschen unscheinbar in seinem Wort begegnet, oder noch zugespitzter ausgedrückt, dass „Gott im Wort“ (Ringleben) ist. Und gleichzeitig lädt die Gegenwart und das Reden Gottes in seinem Wort ein zur Antwort – nicht zuletzt im Gebet.
Ob ein sichtbares oder greifbares Symbol (welcher Art auch immer) zu einem solchen Prozess beitragen kann oder eher als leerer Ritus (im Sinn des Zerreißens der Kleider statt der Herzen) wahrgenommen würde, müssten die Predigenden jeweils vor Ort entscheiden.
Literatur
- Hoffmann, M., 2011, Ethisch und politisch predigen. Grundlagen und Modelle, Leipzig.
- Pock, J./Roth, U. (Hg.), 2021, Politikum Predigt. Predigen im Kontext gesellschaftlicher Relevanz und politischer Brisanz, ÖSP 12, München.
- Ringleben, J., 2010, Gott im Wort. Luthers Theologie von der Sprache her, HUTh 57, Tübingen.
- Thomas, G., ³2021, Im Weltabenteuer Gottes leben. Impulse zur Verantwortung für die Kirche, Leipzig.
Autoren
- Prof. Dr. Sara Kipfer (Einführung und Exegese)
- Prof. Dr. Christoph Barnbrock (Praktisch-theologische Resonanzen)
Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/500100
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