Deutsche Bibelgesellschaft

Krieg (AT)

(erstellt: Mai 2011)

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Exil; → Feinde, staatliche; → Heer; → Sieg; → Waffen;

Der Krieg (מִלְחָמָה milḥāmāh) zählt zu den dominierenden Themen im Alten Testament. Eine durchgängige Kriegskonzeption lässt sich jedoch ebenso wenig erheben wie eine einheitliche Bewertung: Die alttestamentliche Rede vom Krieg umfasst affirmierende Stimmen, kritische Einsprüche sowie Friedensvisionen, die das Ende aller militärischen Gewalt durch göttliches Eingreifen in Aussicht stellen (→ Schwerter zu Pflugscharen; → Eschatologie). Im Laufe der Geschichte war Altisrael in zahlreiche Konflikte verwickelt, die sich in den alttestamentlichen Schriften widerspiegeln (→ Weltreiche): So gewährt das Alte Testament Einblicke in das altorientalische Heerwesen, aber auch in die religionsgeschichtlichen Hintergründe antiker Kriegskonzeptionen. Denn stärker als in modernen Konzepten werden militärische Konflikte unter religiösem Blickwinkel reflektiert und einer theologischen Deutung unterzogen.

1. Krieg als Konstante in der Geschichte

Altorientalische Staaten sahen in militärischen Aktionen ein probates Mittel, um machtpolitische Interessen durchzusetzen, wenn diplomatische Wege wie eine durchdachte Bündnispolitik (z.B. 1Kön 5,26; 2Kön 15,19f.; → Bund) oder dynastische Heiraten (z.B. 1Kön 9,16; 1Kön 16,31) erfolglos blieben. Aufgrund der geopolitisch bedeutsamen Lage der syro-palästinischen Landbrücke ist das biblische Israel häufig in Kriege involviert gewesen. Fortlaufend konkurrierten die Großmächte aus (Süd-)West und (Nord-)Ost um die Vorherrschaft (z.B. Schlacht von → Megiddo, 1457 v. Chr.; → Schlacht von Kadesch, 1274 v. Chr.; → Schlacht von Qarqar, 853. v. Chr.). So sind auch regionale Konflikte, wie die → Aramäerkriege oder der → syro-ephraimitische Krieg, vor dem Hintergrund der politischen Großwetterlage zu betrachten: Die Levante diente den weltpolitischen Hauptdarstellern als Pufferzone und Aufmarschgebiet.

Weltreiche 3

Häufig gerieten auch Israel und Juda ins Fadenkreuz militärisch überlegener Gegner, sodass sich die Geschichte des JHWH-Volkes großteils als Kriegsgeschichte liest, welche immer wieder von Katastrophen geprägt war: Die Westexpansion des neuassyrischen Reiches (2. Hälfte des 8. Jh.s v. Chr.; → Assyrer; → Weltreiche) besiegelte 722 v. Chr. mit dem Fall → Samarias das Ende des Nordreiches (2Kön 17,1-23). Die massiven Tributabgaben von König → Hiskia (vgl. 2Kön 18,13-16) konnte verhindern, dass das Südreich bereits in dieser Epoche (um 701 v. Chr.) dasselbe Schicksal ereilte.

Weltreiche 4

Dazu kam es erst durch die → Babylonier, als → Nebukadnezar auf Abfallbestrebungen mit militärischer Gewalt antwortete. Mit der Eroberung Jerusalems (597/587 v. Chr.; 2Kön 24,1-25,21) endete auch die Eigenstaatlichkeit Judas. Die anschließende Deportation von Herrscherhaus und wesentlichen Bevölkerungsteilen ins → Babylonische Exil stieß das JHWH-Volk in eine schwere Identitätskrise. Die Zerstörung des Tempels trug zusätzlich dazu bei, dass die politische Nullstunde zu einer theologischen Herausforderung wurde. Dies setzte Reflexionsprozesse in Gang, aus denen das Gros der alttestamentlichen Schriften und ihrer Theologie(n) hervorgehen sollte. So haben Krieg und Kriegserfahrung wesentlich zu Entstehung und Gestalt des Alten Testaments beigetragen.

Weltreiche 5

Mit der friedlichen Einnahme Babels durch → Kyros II. im Rahmen seines Feldzugs gegen → Nabonid lösten die Perser das Babylonische Reich als Weltmacht ab. Das → Kyrosedikt (Esr 1,1-3; 2Chr 36,22f.) läutet zeitgleich für Israel das Ende der Exilszeit und den Neuanfang in der alten Heimat ein. Die pax persica stellte für die Provinz Juda eine Epoche relativer Ruhe dar. Im Zuge der Perserkriege (Schlacht von Issos) setzte sich der politische Einfluss des Hellenismus auch in der Levante durch. Der Kampf um die Vorherrschaft nach dem Zerfall des Alexanderreiches wird von den → Seleukiden und → Ptolemäern dominiert. Die Konflikte dieser Epoche spiegeln sich hauptsächlich in den Spät- bzw. → apokryphen Schriften des Alten Testaments wider (→ Makkabäerbücher, → Judit, → Daniel).

2. Sprachlicher Befund

Kriege werden in fast allen Büchern des Kanons thematisiert; lediglich im → Hohenlied und → Rutbuch spielen Kriegshandlungen keine Rolle. Neben den bekannten Kriegserzählungen des Exodus (Ex 13,17-14,31), der Wüstenzeit (Ex 17,8-16; Num 14,39-45; Num 31,1-54) sowie im Rahmen der → Landnahme (Jos 6-11*) finden sich Narrationen und historiographische Notizen in den übrigen Büchern des → Deuteronomistischen Geschichtswerks. Kriegsgewalt hinterließ ihre Spuren in Siegesliedern (z.B. Ex 15; Ri 5; 1Sam 18,6f.; Jdt 16,1-17), Feind- und Klagepsalmen (z.B. Ps 44; 2Sam 1,17-27; → Klagelieder Jeremias) sowie den Büchern der Schriftprophetie (z.B. Nah 2,2-14; Jes 63,1-6) und in weisheitlichen Texten (Hi 39,19-25; Pred 3,8; Pred 8,8; Spr 24,6). Darüber hinaus beinhaltet das Deuteronomium rechtliche Bestimmungen über das Kriegslager (Dtn 23,10-15), die adäquate Form der Mobilmachung (Dtn 20,1-9) und Kriegsführung (Dtn 20,10-20) sowie Vorschriften zur Heirat weiblicher Kriegsgefangener (Dtn 21,10-14).

Das Alte Testament kennt mit מִלְחָמָה milḥāmāh zwar einen spezifischen Ausdruck für „Krieg“. Jedoch ist das Wortfeld sehr umfangreich, sodass „man nicht aufgrund einer Untersuchung von lḥm und milḥāmāh allein ,das’ at.liche Zeugnis über den Krieg erheben kann“ (Preuß, 916).

2.1. „Krieg führen“ (לחם) und „Krieg / Schlacht“ (מִלְחָמָה)

Vom „Krieg“ bzw. „bekriegen“ (Wurzel לחם lāḥam) ist in der Hebräischen Bibel an ca. 450 Stellen die Rede. Belege finden sich in allen Kanonteilen, sodass der Krieg auch terminologisch als durchgängiges Thema zu bezeichnen ist. Bezüglich der lexematischen Verteilung ist auffällig, dass in Genesis nur in einem Kapitel der Terminus „Krieg“ fällt (Gen 14,2.8). Dieser spärliche Befund hängt wohl mit der spezifischen Form von Geschichtsinszenierung zusammen: Das Buch Genesis erzählt die Ursprünge Israels als Familiengeschichte(n) (→ Erzeltern). Familien tragen Konflikte aus, die nur im übertragenen Sinn als „Kriege“ zu bezeichnen sind (z.B. Gen 34,25-29). Das Alte Testament spricht erst vom „Krieg“ (Ex 1,10), als die „Kinder Israels“ zum „Volk Israel“ anwachsen (erstmals Ex 1,9!).

Die erste Erzählfigur, die sowohl vom „Volk“ als auch von „Krieg“ redet, ist der Pharao in der Exoduserzählung. Er ist es auch, der mit seiner Armee im ersten Krieg fällt, den JHWH zur Befreiung seines unterdrückten Volkes führt (vgl. Ex 14,25). Der Schwerpunkt der alttestamentlichen Rede von „Krieg“ liegt in der Darstellung der Frühzeit Israels bis zu den Anfängen der Königszeit: → Josua (35-mal), → Richter (46-mal), 1→ Samuel (45-mal) verzeichnen unter Berücksichtigung ihrer Länge die meisten Vorkommen. Doch auch die Königszeit ist von zahlreichen Konfrontationen geprägt (36-mal in 2Samuel und 40-mal in den → Königsbüchern). In → Levitikus, → Rut, → Esra, → Ester, → Klagelieder Jeremias (!) kommt das Lexem hingegen nicht vor. Aus den Schriften der Hinteren Prophetie ragt → Jeremia mit 39 Belegen heraus. An zweiter Stelle steht → Jesaja mit 19 Vorkommen, wohingegen die Wurzel in der Hälfte der Schriften des → Zwölfprophetenbuchs nicht belegt ist (→ Jona, → Nahum, → Habakuk, → Zefanja, → Haggai, → Maleachi). Dennoch ist Kriegsgewalt dort kein Randphänomen: Mit den Fremdvölkersprüchen (z.B. Jes 13-27; Ez 25-32) oder den Texten über den → JHWH-Tag (z.B. Jo 2,1-11; Zef 1,14-18) bietet die Schriftprophetie zahlreiche Passagen, die von Kriegsgewalt geprägt sind.

2.2. Weitere Kriegsterminologie

2.2.1. Im Vorfeld des Krieges

Für das Führen von Kriegen kennt das Alte Testament die Wendung „Krieg machen / tun“ (עשׂה מִלְחָמָה ‘śh milḥāmāh). An einigen Stellen wird קְרָב qərāv als Parallelbegriff eingeführt (Hi 38,23; Ps 144,1; Sach 14,3), ein Ausdruck, der auch „Kampf / Schlacht“ bedeuten kann (2Sam 17,11; Ps 78,9). Vor Kriegsbeginn wird das „Heer“ (חַיִל ḥajil; צָבָא ṣāvā’) gesammelt (אסף ’sp). Die Abteilungen (z.B. אֲלָפִים ’ǎlāfîm „Tausendschaften“) des „Kriegsvolkes“ (עַם הַמִּלְחָמָה ‘am hammilḥāmāh) bzw. der „Kriegsmänner“ (אַנְשֵׁי הַמִּלְחָמָה ’anšê hammilḥāmāh) stehen unter dem Kommando eines „Heerführers“ (קָצִין qāṣîn; שַׂר־צָבָא śar ṣāvā’). Bevor man zum Krieg „auszieht“ (יצא jṣ’), „kommt“ (בוא bw’) bzw. „aufsteht“ (קום qwm), werden die „Heeressöhne“ (בְּנֵי־חָיִל bənê ḥājil), „Heeresmänner“ (גִּבּוֹרֵי־חַיִל gibbôrê ḥājil) oder „Helden“ (גִּבּוֹרִים gibbôrîm) „gemustert“ (פקד pqd) und „gerüstet“ (חלץ ḥlṣ). Während eines Feldzuges sind die Soldaten im Kriegslager (מַחֲנֶה maḥǎnæh) einquartiert.

Für Kämpfe auf offenem Terrain werden „Schlachtreihen“ (מַעֲרָכָה ma‘ǎrākhāh) „gebildet“ (ערך ‘rk), wohingegen das Heer gegnerische Städte am Beginn von „Belagerungen“ (מָצוֹר māṣôr) „einkreist“ (סבב sbb). Sowohl die Warnung vor Feinden (vgl. Ez 33,3-6), als auch das Zeichen zum Angriff erfolgt durch akustische Signale: Neben dem Kampfschrei bzw. Kampfgeschrei (תְּרוּעָה tərû‘āh) eignen sich Trompeten (חֲצוֹצְרָה ḥǎṣôṣrāh) und Schophar (שׁוֹפָר šôfār; → Musikinstrumente). Über weitere Distanzen hörbare Blasinstrumente fungieren auch als Kommunikationsmittel im Kampf und zeigen das Gefechtsende an (vgl. 2Sam 2,28; 2Sam 18,16; 2Sam 20,22). Zur besseren Orientierung dienen weithin sichtbare Feldzeichen (נֵס nes; vgl. Ex 17,15; Jes 5,26; Jer 51,12).

2.2.2. Während des Kampfes

Zur Beschreibung konkreter Kampfhandlungen kommen zahlreiche Gewaltverben zum Einsatz. Je nach Waffengattung wird „erschlagen“ bzw. „gestoßen“ (נגף ngp) oder „durchbohrt“ (חלל ḥll und דקר dqr), Kriegsbogen werden „getreten“ (דרך drk), Pfeile und Speere „geschossen“ (שׁלך šlk und ירה jrh) oder „geworfen“ (טול ṭwl). Der allgemeinste Begriff für Kriegsgewalt ist das „Schlagen“ (נכה nkh). Geschieht dies „mit der Schärfe / Spitze des Schwertes“ (לְפִי־חֶרֶב ləfî ḥæræv, z.B. Ex 17,13; Num 21,24; Dtn 20,13; Jos 10,28), ist damit ein hohes Maß an Zerstörung verbunden. Verwundungen, aber auch Niederlagen werden als „großer Schlag“ bezeichnet (מַכָּה גְדוֹלָה makkāh gədôlāh). Wie im Krieg nicht anders zu erwarten, taucht auch das Wortfeld des Tötens (הרג hrg) und Sterbens (מות mwt) auf. Ergreift eine Kriegspartei die „Flucht“ (נוס nws), wird sie vom Feind „verfolgt“ (רדף rdp). Die fliehenden Truppen werden „gefangen“ (לכד lkd; תפשׂ tpś) oder sie „fallen“ (נפל npl) im Krieg bzw. durch das Schwert. Belagerungen sind zu Ende, wenn sich die Stadt ergibt (wörtl. „herauskommt“, יצא jṣ’) oder nach der Zerstörung ihrer Verteidigungsanlagen (בקע bq‘ „aufbrechen“; נחץ nḥṣ bzw. הרס hrs „niederreißen“) „eingenommen“ wird (לכד lkd).

2.2.3. Am Kriegsende

Das Kriegsende wird gelegentlich als „Rückkehr“ (שׁוב šwb, z.B. Ri 8,13; Mi 2,8) und nur selten als „Friede“ bezeichnet (שָׁלוֹם šālôm; שׁלם šlm, Dtn 20,10; 1Sam 7,14; 2Sam 10,19; 2Chr 19,1; vgl. 1Kön 2,5). Auch nach biblischer Auffassung gehört zum wahren Frieden offensichtlich weitaus mehr als die bloße Abwesenheit von Kriegsgewalt. Häufiger wird das Schweigen der Waffen mit „Ruhe“ (שׁקט šqṭ, z.B. Jos 11,23; Ri 5,31; Jes 14,7) in Verbindung gebracht. Eine solche „Ruhe“, die für viele Menschen die eigene Grabesruhe bedeutete, hat für die Besiegten verheerende Konsequenzen. Zu den Kriegsfolgen zählen Raub (שׁלל šll; בזז bzz) und Plünderung (שׁסה šsh), Verwüstung (שֹׁד šôd) und Zerstörung (שֶׁבֶר šævær). Zur materiellen Not kommt die physische Bedrohung für Soldaten und Zivilbevölkerung. Bei den Kriegen der Frühzeit Israels wird von der Vollstreckung der Bannweihe (חֵרֶם ḥæræm; → Bann) an eroberten Städten oder (Teilen) ihrer Einwohnerschaft berichtet. Das Alte Testament spricht von Erniedrigung (z.B. Jes 20,4), Deportation und Verstümmelungen (z.B. 2Kön 25,7), von sexualisierter Gewalt (z.B. Jes 47,2f.; Klgl 5,11) und skrupellosen Tötungsaktionen (2Sam 8,1f.). Es präsentiert also keineswegs nur die „saubere“ Seite der altorientalischen Kriegsführung. Einige Texte tun dies mit dem Ziel, JHWH wegen verübter Kriegsgräuel anzuklagen (z.B. Klgl 2,20-22).

3. Die Quellen

Krieg 05

Außer den Schriften des Alten Testaments stehen archäologische Funde, etwa von Rüstungen und Waffen, sowie Abbildungen und Texte vor allem aus Ägypten und Mesopotamien zur Verfügung. Unter den Texten sind insbesondere Chroniken, Königsinschriften, Siegesstelen und Kriegsberichte zu nennen. Ein Beispiel für derartige ägyptische Quellen bietet der Art. → Schlacht von Kadesch. Als Beispiel für einen assyrischen Kriegsbericht sei Sanheribs Darstellung seines Feldzugs gegen Jerusalem zur Zeit des judäischen Königs → Hiskia im Jahr 701 v. Chr. zitiert (Chicago-Prisma), bei dem er die Stadt jedoch nicht einnehmen konnte (vgl. 2Kön 18-20; 2Chr 29-32; Jes 36-39).

„Hiskia von Juda jedoch, 19 der sich nicht unter mein Joch gebeugt hatte – 46 mächtige 20 ummauerte 19 Städte sowie die 21 zahllosen 20 kleinen Städte ihrer Umgebung 23 belagerte und eroberte ich 21 durch das Anlegen von Belagerungsdämmen, 21 Einsatz von Sturmwiddern, Infanteriekampf, 23 Untergrabungen, Breschen und Sturmleitern. 24 200.150 Leute, groß und klein, männlich und weiblich, 25 Pferde, Maultiere, Esel, Kamele, 26 Rinder und Kleinvieh ohne Zahl 27 holte ich aus ihnen heraus und zählte sie als Beute. Ihn selbst 28 schloß ich 29 gleich einem Käfigvogel 30 in Jerusalem, seiner Residenz, ein. 31 Schanzen warf ich gegen ihn auf, 32 und das Hinausgehen aus seinem Stadttor verleidete ich ihm. Seine Städte, 33 die ich geplündert hatte, trennte ich von seinem Lande ab 34 und gab sie Mitinti, dem König von Asdod, 35 Padi, dem König von Ekron, und Ṣilbel, 36 dem König von Gaza, und verkleinerte (so) sein Land. 37 Zum früheren Tribut, ihrer jährlichen Gabe, 38 fügte ich eine Abgabe als Geschenk für meine Herrschaft hinzu 39 und legte ihnen diese auf. Jenen Hiskia 40 warf die Furcht vor dem Schreckensglanz nieder. 41 Die Urbi und seine Elitetruppen, die er zur Verstärkung 42 seiner Residenz Jerusalem hineingebracht 43 und als Hilfstruppen angeworben hatte, ließ er zusammen mit 30 Talenten Gold, 44 800 Talenten Silber, erlesenem Antimon, 45 großen Blöcken …-Stein, Betten aus Elfenbein, 46 elfenbeinernen Lehnsesseln, Elefantenhaut, Elfenbein, 47 Ebenholz, Buchsbaumholz, allerhand wertvollen Schätzen, 48 sowie seinen Töchtern, seinen Palastfrauen, Sängern 49 und Sängerinnen nach Ninive, der Stadt meiner Herrschaft, 50 hinter mir her bringen. Um Abgabe abzuliefern 51 und Untertänigkeit zu bezeugen, schickte er seinen Gesandten.“ (zitiert nach TUAT I, 389f.).

4. Kriegstechnik – Das Alte Testament im Spiegel des altorientalischen Militärwesens

Alttestamentliche Kriegsdarstellungen gewähren Einblick in Waffentechnik und Kriegsführung der Antike (→ Waffen). Das Bild bleibt jedoch unvollständig: Während sich manche Elemente, wie JHWHs wundersames Eingreifen, einer historischen Auswertung entziehen, gibt es für andere praktische Details nur wenige Anhaltspunkte. Sie spielen entweder im Kontext keine Rolle oder werden als selbstverständliches Wissen vorausgesetzt. Das Alte Testament ist eben kein Kompendium antiker Militärgeschichte; und auch für vergleichbare Kulturen wurde ein solches bislang nicht gefunden: Die Antike scheint generell mehr an religiösen und moralischen Belangen interessiert gewesen zu sein als an wissenschaftlich-technischen Einzelheiten (Echeverría Rey). Da sich Altisraels Militärorganisation nur graduell von der seiner altorientalischen Nachbarn unterschieden haben wird, kann man auf außerbiblisches Referenzmaterial zur Ergänzung zurückgreifen.

4.1. Heer und Soldaten

Reguläre Streitkräfte setzten sich aus Infanterie, Reiterei und Streitwageneinheiten zusammen (vgl. Jos 11,4; 1Kön 20,25; Ez 26,7), welche mit Nah- oder Fernkampfwaffen ausgestattet sein konnten. An der Spitze der Militärhierarchie stand der König (vgl. 1Sam 8,19f.). Seine Befehlsgewalt delegierte er an die Kommandanten der Unterabteilungen. Militär und Kriegsführung waren eine männliche Domäne. Im Alten Testament gibt es keine Belege für Soldatinnen als Teil regulärer Truppen, obgleich weibliche Erzählfiguren wie → Jael (Ri 4,17-22) oder die Frau von → Tebez (Ri 9,50-54) ins Kampfgeschehen entscheidend eingreifen. Während die Israeliten nach biblischer Darstellung in der vormonarchischen Zeit von Führungspersönlichkeiten (→ „Richter“) als Milizheer anlassbezogen einberufen wurden (z.B. Ri 6,34f.), wies die Armee der Königszeit einen Grundbestand an Berufssoldaten auf (vgl. 1Kön 9,22). Das stehende Heer diente dem König als Leibgarde (z.B. 1Sam 22,14) und hielt wichtige militärische Einrichtungen, wie Stallungen oder Garnisonen, in Stand.

In Kriegszeiten wurden Teile der Zivilbevölkerung in die Armee eingegliedert. Über das Zahlenverhältnis zwischen Miliz- und Berufssoldaten, gibt das Alte Testament keine genaue Auskunft. Nach Num 1,3.45 und 2Chr 25,5 hatten Israeliten ab dem 20. Lebensjahr mit dem Heer auszuziehen. Allerdings ist unbekannt, ab welchem Alter sie vom Militärdienst befreit waren. Die Regelung von Dtn 20,5-9 (vgl. Dtn 24,5), wonach ein Mann nicht zum Krieg ausziehen muss, sofern er gerade ein Haus gebaut, einen Weinberg angelegt hat, eine Verlobung eingegangen war oder sich vor dem Kampf zu sehr fürchtet, spiegelt keine historische Form der Mobilmachung wider. Sie stammt aus einer Zeit, in der Israel längst außerstande war, eigenmächtig Kriege zu führen (Rofé).

Aufschluss über die militärische Stärke des Landes gab die Musterung der wehrfähigen Bevölkerung. Num 1,46 weiß von 603.550 wehrfähigen Männern, → Davids verhängnisvolle Musterung ergibt einen Trupp von 800.000 Israeliten und 500.000 Judäern (2Sam 24,9). In der Parallelstelle 1Chr 21,5 werden bei der Musterung gar 1,1 Millionen (!) in Israel und 470.000 in Juda (ohne Levi und Benjamin) gezählt, während nach 2Chr 25,5 in Juda und Benjamin 300.000 Männer für den Militärdienst tauglich sind. Doch sind diese Zahlenangaben wie auch außerbiblische Aussagen über Truppenstärken historisch kaum verlässlich.

Epigraphische Funde und biblische Notizen zeigen, dass Soldaten fremder ethnischer Herkunft nicht nur in den Heeresverbänden von Großreichen (vgl. Jer 34,1; Ez 27,10f.), sondern auch in Israels Militär eingegliedert wurden: Kreter, Plether und Gatiter werden als selbstverständlicher Teil der Armee Davids präsentiert (2Sam 8,18; 2Sam 15,18). Ausländer wie der Hetiter → Uria (2Sam 11) oder Ittai aus Gat (2Sam 18,2) konnten sogar in Führungspositionen aufsteigen. Daneben gab es Ethnien und Bevölkerungsgruppen, die mit bestimmten Kriegsgeräten besonders gut vertraut waren: Jes 21,17 spricht von den „Bögen der Helden → Kedars“, Ri 20,16 weiß von 700 Benjaminitern, „die mit der Schleuder aufs Haar (genau) trafen und ihr Ziel nie verfehlten“.

Da der Gebrauch spezieller Waffen technisches Geschick erforderte, wird ein Mindestmaß an Übung im Vorfeld des Krieges vorauszusetzen sein (vgl. 1Sam 17,33). Über die konkrete soldatische Ausbildung gibt das biblische Zeugnis nur wenig Auskunft: Wenn das Alte Testament vom „Lernen“ (למד lmd) für Krieg und Waffengebrauch spricht, ist der Unterrichtende stets JHWH (z.B. Ri 3,2; Ps 18,35; Ps 144,1). Doch erfährt man auch aus anderen Quellen wenig über die Schulung an den gängigen → Waffen. Deren korrekte Handhabung sowie das taktisch richtige Verhalten im Krieg werden im Zentrum gestanden haben (vgl. 1Sam 17,33; Ps 18,35).

4.2. Kriegsführung und -strategie

Für einen erfolgreichen Krieg braucht es neben Soldaten und Ausrüstung auch ein fundiertes Wissen um deren adäquaten Einsatz. Ohne effiziente, an die Gegebenheiten angepasste Strategie ging auch die mächtigste Armee sang- und klanglos unter. Da sich Altisraels Kulturraum über Binnenland erstreckte, beschränken sich alttestamentliche Kriegsdarstellungen auf Landkriege und deren taktische Durchführung. Über nautische Kriege besitzt das Alte Testament nur vage Kenntnis (vgl. Num 24,24; Ez 30,9; Dan 11,30.40). Mehr Einblick erhält man in die üblichen Kriegsgründe: Man griff zu den Waffen, um im Rahmen von Landnahme- und Eroberungskriegen territoriale Besitzansprüche (z.B. 1Kön 22,3f.), oder politische Revolten durchzusetzen (vgl. 2Kön 8,20-22), um sich ökonomisch zu bereichern (1Kön 20,1-6) oder wenn Bündnispartner abtrünnig wurden (z.B. 2Kön 3,7) bzw. Vasallen abfielen (z.B. 2Kön 24,1), indem sie Tributforderungen nicht mehr nachkamen (2Kön 3,4f.) oder Ausschau nach anderen Allianzen oder Schutzmächten hielten (2Kön 17,3f.; 2Kön 18,21).

Den Krieg hat man sich im Alten Orient weniger als flächendeckenden, ganzjährigen Dauerzustand vorzustellen. In der Regel wurden saisonale Feldzüge unternommen, die sich aus Gründen der Sozialstruktur am agrarischen Kalender orientierten. Die „Kriegssaison“ begann nach der Aussaat (September bis Oktober) und endete im Frühsommer (Mai bis Juni), wenn die Erntezeit einsetzte (vgl. 2Sam 11,1; 1Kön 20,22). Für die Kampagnen benötigte man nicht nur kriegstaugliche Menschen und Waffen in ausreichender Zahl. Auch für genügend Proviant, Wasser und sonstige nicht-militärische Ausrüstung musste gesorgt sein. Im eigenen Territorium hatte die lokale Administration den Nachschub zu stellen. Im Feindesland dienten die Güter des Gegners als Versorgungsquelle. Der alttestamentliche Ausdruck, dass „Fremde die Frucht des Landes verzehren“ (Jes 1,7; vgl. Dtn 28,51), hat hier ihren historischen Haftpunkt. Kriegszüge stellten das Militär vor enorme logistische Herausforderungen, da das Gepäck mit Zugtieren und unter großem Menschenaufwand mittransportiert werden musste (vgl. 2Kön 3,9). Daher zog mit dem eigentlichen Heer auch ein entsprechend großer Tross. Diese praktischen Aspekte in der „zweiten Reihe“ des Krieges spiegeln sich allerdings nur in wenigen alttestamentlichen Notizen wider (z.B. 1Sam 30,24f.; 2Sam 17,27-29).

Stieß der Kriegszug auf feindliche Abteilungen, musste die adäquate Kampfstrategie gewählt werden. Einflussfaktoren waren unter anderem die topographischen Gegebenheiten am Kriegsschauplatz (z.B. 1Kön 20,23-25; Jdt 7,10 [Lutherbibel: Jdt 7,9]) sowie die militärischen Kräfteverhältnisse. Details über Stärke, Zusammensetzung und Lage der gegnerischen Armee oder die Schwachstellen der Verteidigungsanlagen brachten Spione (z.B. Jos 2), ortskundige Verbündete (vgl. Jdt 5,1-4 [Lutherbibel: Jdt 5,1-2]) oder das Verhör von Feinden (vgl. Ri 1,23-25; 1Sam 30,11-15).

Zu einem offenen Schlagabtausch im Rahmen von Feldschlachten kam es in der Regel nur, wenn sich beide Seiten Erfolgschancen ausrechneten. Um die eigenen Verluste gering zu halten, versuchte man sich durch taktisches Geschick einen Vorteil zu verschaffen. Für schwächere Armeen war dies oft der einzige Weg, übermächtigen Gegnern militärischen Widerstand leisten zu können. Man arbeitete mit List und Tücke (z.B. nächtliche Angriffe, 2Kön 8,21), legte Hinterhalte (vgl. Ri 20,29-35; 1Sam 15,5) oder nutzte topographische Vorteile aus, indem man den Gegner in unwegsames Gelände lockte (z.B. Jdt 4,7; Jdt 7,10 [Lutherbibel: Jdt 4,5; Jdt 7,9]) oder durch Überfälle mit kleineren Einheiten dezimierte (1Sam 27,8f.). Schwächere Kriegsparteien scheuten den offenen Schlagabtausch eher, da er das Risiko hoher Verluste in kurzer Zeit barg. Kleinere Staaten bündelten daher ihre Kräfte auch zu Koalitionstruppen, oder sie versuchten, andere Großreiche als Schutzmacht zu gewinnen (z.B. 2Kön 16,7-9).

Krieg 08
Drohte eine Feldschlacht im Desaster zu enden, zogen sich ortsansässige Kriegsparteien in ihre Städte zurück und vertrauten auf die Unbezwingbarkeit der Verteidigungsanlagen. Die Methoden von Belagerungskriegen wurden besonders vom neuassyrischen Heer perfekt beherrscht. Zahlreiche Belagerungsszenen auf Palastreliefs geben davon ein eindrucksvolles Zeugnis, aber auch alttestamentliche Texte geben viele Details wieder (z.B. Ez 26,8-14).

Durch die Bildung eines Belagerungsrings waren Städte außerstande, Gesandtschaften mit militärischen Hilfsgesuchen zu entsenden. Wo ein solcher Versuch dennoch gelang, wird dies kaum im Einverständnis mit den Belagerern geschehen sein (vgl. 1Sam 11,1-11). Eine in → Lachisch gefundene Tonscherbe (Lachisch-Brief Nr. 4; vgl. TUAT I, 622f.) zeigt, dass über Feuer- und Rauchzeichen ein Mindestmaß an Kommunikation mit dem Umland aufrechterhalten werden konnte. Vor allem aber schnitt der Belagerungsring die Stadt vom Nachschub an lebensnotwendigen Gütern ab. Die Versorgung mit Frischwasser wurde blockiert, indem externe Quellen besetzt (Jdt 7,17 [Lutherbibel: Jdt 7,11f]) oder Wasserleitungen verstopft wurden (2Kön 3,25). Die Zeit spielte eindeutig in die Hände der Angreifer, welche auf das allmähliche Verhungern und Verdursten der Eingeschlossenen setzen konnte (vgl. 2Kön 6,25). Der Ausbruch von Krankheiten und Seuchen verschlimmerte die Zustände zusätzlich (vgl. Jer 32,24). Die aussichtslose Lage der Bevölkerung erhöhte den Druck auf die Entscheidungsträger. Nicht selten wird es zu regelrechten Aufständen gekommen sein (vgl. Jdt 7,23-32 [Lutherbibel: Jdt 7,13-24]). Dies war Teil der psychologischen Kriegsführung, um die sofortige Kapitulation zu erwirken (vgl. Dtn 20,10f.; 2Kön 18,31f.; Höffken). Eine rasche Aufgabe lag im Interesse der Angreifer, die auf diese Weise ihre Kräfte schonten.

Wenn der Widerstand trotz Blockade nicht zu brechen war, erfolgte die Einnahme der Stadt mit Waffengewalt. Dazu wurden vorgelagerte Gräben mit Füllmaterial begeh- und für die Belagerungsgeräte befahrbar gemacht. Breschen wurden durch Unterminierung geschlagen. An Stadttoren und hölzernen Wehranlagen wurde Feuer gelegt. Rammböcke und Mauerbrecher wurden zur Destruktion der Mauer in Position gebracht. Durch die Rampe konnte man an höheren Stellen ansetzen, welche leichter zu durchbrechen waren als die stabilen Fundamente. Zudem verringerte sich der Schusswinkel für Fernkampfeinheiten. Über Sturmleitern oder Wasserkanäle verschaffte man sich gewaltsamen Zutritt von oben und unten. Gleichzeitig sorgten Pfeile und Brandgeschosse für Tod und Zerstörung innerhalb der Stadt. Die Verteidiger auf der Stadtmauer versuchten alles, um die Einnahme zu verhindern. Gelang dies nicht, hielten Gewalt und Terror Einzug in der Stadt.

4.3. Kriegsfolgen

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Flüchtlinge und Entronnene blickten einer ungewissen Zukunft entgegen (vgl. Ob 14). Die Invasoren zogen brandschatzend durch Felder und Städte (vgl. Jos 11,11; Ri 18,27; 1Sam 30,1). An einer vollständigen Zerstörung hatten die Eroberer jedoch kaum Interesse. Denn sie profitierten durch schweren Tribut von der Wirtschaftsleistung eroberter Gebiete. Deportation und Versklavung von Gefangenen (vgl. Num 14,3; 2Sam 12,31) brachten dem Sieger ebenfalls ökonomische Gewinne. Mit den Strafaktionen wurde zudem das Ziel verfolgt, ein militärisches Wiedererstarken dauerhaft zu unterbinden. Sie sind daher nicht nur irrationale Vergeltungsmaßnahmen, sondern auch Teil eines längerfristigen Kalküls.

Zu den materiellen Verlusten kam die Gefahr für Leib und Leben von Militär und Zivilbevölkerung. Auf das Ende des Krieges folgten Erniedrigungen wie Hohn und Spott (z.B. Ps 44,13-17; Ps 79,4) oder die nackte Zurschaustellung von Besiegten (z.B. Jes 20,4; Jes 47,1-3; Nah 2,8). Zu den Kriegsgräuel zählten Folter (z.B. Ri 8,16), Verstümmelung, Blendung (vgl. 2Kön 25,7), Häutung (2Makk 7,4) sowie das Aufschlitzen von Schwangeren (2Kön 15,16; Hos 14,1). Auch Akte sexualisierter Gewalt durch marodierende Soldaten werden im Alten Testament erwähnt (z.B. Dtn 28,30; Jes 13,16; Sach 14,2; Klgl 5,11).

Dtn 21,10-14; Ri 5,30 oder Jdt 16,4 [Lutherbibel: Jdt 16,6] machen deutlich, dass Frauen als Kriegsbeute gesehen wurden, der man sich sexuell bemächtigen konnte. Gewaltakte wurden meist in aller Öffentlichkeit verübt, um die Überlebenden zu demütigen und neuerlichen Widerstand im Keim zu ersticken. Dieselben Ziele erfüllte die Zurschaustellung von Leichen und Leichenteilen an exponierten Stellen wie Stadtmauern oder Pfählen (z.B. Jos 8,29; 1Sam 31,10; Jdt 14,11 [Lutherbibel: Jdt 14,7]; → Leichen / Leichenschändung; s. Abb. 8). Indem man reguläre Bestattungen verweigerte und Leichen den Wildtieren zum Fraß überließ, demütigte man die Gegner noch über den Tod hinaus (vgl. Dtn 28,26; Ps 79,2f.; Jer 19,7).

5. Kriegsdeutung – Aspekte alttestamentlicher Kriegstheologie(n)

Feinde staatliche 5
Mit einer Erhebung der militärtechnischen Aspekte ist das alttestamentliche Zeugnis über den Krieg nicht ausgeschöpft. Eine wesentliche Dimension bildet die Kriegsdeutung. Dabei hat sich im Alten Testament keine einheitliche Kriegsideologie durchsetzen können (Niditch; Woods). Der Kriegsdiskurs blieb bis zuletzt polyphon und spannungsreich (Fischer / Obermayer). Doch zeichnet sich ein theologischer Fluchtpunkt ab: Der Krieg ist kein ausschließlich profanes Geschehen, sondern weist enge Bezüge zur Sphäre des Göttlichen auf. Zwar werden im Alten Testament keine „Heiligen Kriege“ im modernen Sinn geführt, doch fallen Militär und Kriegsführung aufgrund der Präsenz JHWHs in den Bereich des „Heiligen“.

Exkurs: Krieg im altorientalischen Vorstellungshorizont

Theologische Interpretationsmuster des Krieges sind kein alttestamentliches Spezifikum, sondern ein religionsgeschichtliches Datum im gesamten Antiken Orient (Weippert). Den Hintergrund solcher Konzeptionen bildet die Symbiose von Politik und Religion und damit von Kriegsführung und theologischer Kriegsdeutung. Krieg wird als Geschehen verstanden, in das Gottheiten wie → Ischtar, → Assur oder → Ninurta aktiv einzugreifen vermögen. Daher stehen in antiken Zeugnissen nicht technische oder strategische Fragen im Vordergrund, sondern religiös-theologische Gesichtspunkte. Denn Götter entscheiden maßgeblich über Sieg oder Niederlage (vgl. 1Kön 20,23). Umgekehrt erweist der Kriegsausgang, auf welcher Seite die mächtigeren Gottheiten standen. Militärische Erfolge bekunden deren Macht und Stärke, wohingegen Niederlagen diese massiv in Frage stellen.

Der altorientalische Deutungshorizont des Krieges wird durch die Koordinaten Mythologie, Theologie und Herrscherideologie bestimmt (→ Königtum im AT; → Königtum im Alten Orient; → Königtum in Ägypten). Die Wurzeln liegen in der Mythologie, nach der die geordnete Welt (Kosmos) in ständiger Gefahr steht, ins → Chaos zurückzufallen (→ Weltbild). Wirklichkeit vollzieht sich als fortwährender Kampf zwischen den beiden Kräften. Das Gegenteil von Krieg ist nach altorientalischer Vorstellung auch nicht der Friede, sondern das Chaos. In mythologischen Erzählungen wird der Kampf von Gottheiten ausgetragen (z.B. → Marduk gegen → Tiamat; → Baal gegen → Jam). Spuren der Götterkampf-Motivik finden sich auch im Alten Testament, wo dieses JHWHs machtvolles Kriegshandeln in der Geschichte (!) unter mythologischen Vorzeichen deutet (Ex 15,8; Jes 27,1; Jes 51,9).

Auf immanenter Ebene wird die Funktion der kriegerischen Chaosabwehr vom altorientalischen Herrscher übernommen. Besonders in neuassyrischen Königsinschriften wird die Kriegsführung zu einem mythologisch aufgeladenen Kerngeschäft des Königs (Oded). Der Monarch handelt nicht nur im Auftrag, sondern in Stellvertretung des eigentlichen Gottkönigs. Die Feinde des Reiches werden so zu Repräsentanten der mythischen Chaosmächte. Durch das Deutungsmuster der herrschaftlichen Selbstinszenierung erhalten Militäraktionen, für die profane Motive ausschlaggebend waren, eine theologisch-ideologische Legitimation. In der alttestamentlichen Darstellung der Königszeit fällt die Kriegsführung zwar auch in den herrschaftlichen Kompetenzbereich (vgl. 1Sam 8,20). Einen Monarchen, der nach der genannten Ideologie kriegerisch aktiv wird, sucht man jedoch vergeblich (vgl. Dtn 17,16). Trotz gemeinsamer Schnittmengen hat das Alte Testament ein eigenes Profil an Konzepten zur Kriegsdeutung entwickelt.

5.1. „Heiliger Krieg“ im Alten Testament? – Aspekte von Heiligkeit im Krieg!

Da JHWH im Krieg präsent ist, sind Militär und Kriegführung in der Sphäre des Heiligen angesiedelt. Nur unter Beachtung dieser Differenzierung lässt sich von „Heiligen Kriegen“ im Alten Testament sprechen (siehe Graf zur Begriffsgeschichte). „Religionskriege“ im neuzeitlichen Sinn waren in der Antike unbekannt. Der Begriff „Heiliger Krieg“ ist kein biblischer, sondern wurde Anfang des 20. Jh.s in die Exegese eingeführt (Schwally). Gerhard von Rad prägte die These, Altisrael habe seine militärischen Auseinandersetzungen nicht nur als „Heilige Kriege“ verstanden, sondern sie in der Frühzeit auch nach einem solchen Schema geführt. Die heutige alttestamentliche Kriegsforschung ist wesentlich vorsichtiger: Denn kein Text vereint alle Elemente des Schemas, weshalb das Konzept eher einer Kollage von Aspekten aus verschiedenen Texten gleicht als einer historischen Form der Kriegsführung (Batsch; Stolz; Cazeaux). Die Konzeption ist auch nicht genuin biblisch, sondern steht in einem religions- und kulturgeschichtlichen Kontinuum (Weippert; Chapman).

Die Verknüpfung von Krieg und Heiligkeit ist schon am alten Epitheton „JHWH Zebaoth“ (יהוה צְבָאוֹת Jhwh ṣəbā’ôt; → Allmacht; → Zebaoth) ablesbar. Welche Etymologie dem Titel ursprünglich auch zugrunde gelegen hat (Kreuzer; Görg), Zebaoth bezeichnet im alttestamentlichen Sprachgebrauch sowohl das menschliche als auch das himmlische Heer. Als „JHWH der Heerscharen“ ist Israels Gott mit dem Aspekt von Militär und Kriegsführung untrennbar verbunden. Viele poetische Texte präsentieren Gott als heldenhaften Krieger oder Feldherrn, der in den Kampf entscheidend eingreift (z.B. Ex 15,3; Ps 24,8; Jes 13,4; Jes 42,13). Spuren im Alten Testament zeigen jedoch, dass Altisrael zeitweise offenkundig kein theologisches Problem darin sah, diese Kompetenz fremden Gottheiten zuzusprechen, solange es um Kriege ihrer (!) Völker geht. So gibt Jiftach dem Ammoniterkönig zu verstehen: „Ist es nicht so: Wen Kemosch, dein Gott, vertreibt, dessen Besitz nimmst du, und wen immer JHWH, unser Gott, vor unseren Augen vertreibt, dessen Besitz nehmen wir“ (Ri 11,24). Wenn Ammon den Sieg davonträgt, ist dafür Kemosch verantwortlich. Wenn Israel Kriege gewinnt, ist dies auf JHWH zurückzuführen.

Am deutlichsten zur Geltung kommt der Heiligkeitsaspekt in der Formulierung einen „Krieg heiligen“ (קדשׁ מִלְחָמָה qdš Pi. milḥāmāh; Jer 6,4; Jo 4,9; Mi 3,5; vgl. Berges). Die Bezeichnung „Geheiligte“ für Soldaten deutet in dieselbe Richtung (Jes 13,3; vgl. Jos 3,5; 1Sam 21,5f.). Nach alttestamentlicher Vorstellung war auch das Kriegslager ein ausgesonderter Bereich: Dtn 23,10-15 schärft die Reinheit rigoros ein, „denn JHWH, dein Gott, hält sich in der Mitte deines (Kriegs)lagers auf“ (Dtn 23,15). Gottes Präsenz im Kampf wird durch das Ladeheiligtum (אֲרוֹן ’ǎrôn; → Lade) symbolisiert. Als Kriegspalladium zieht es bei der Eroberung von Jericho (Jos 6) und im Kampf gegen die Philister (1Sam 4) und Ammoniter mit (2Sam 11; vgl. Num 14,44). Auch die alten „Ladesprüche“ Num 10,35f. verdeutlichen den Konnex zur Kriegsführung.

Das Alte Testament berichtet zudem von der Anwesenheit kultischen Personals und religiöser Spezialisten im Kontext von Militär und Krieg (1Sam 14,18f.). Nach dem deuteronomischen Kriegsgesetz obliegt es dem Priester, der Mannschaft den Beistand JHWHs zuzusichern (Dtn 20,2-4). In jüngeren Kriegstexten (Gen 14,18-20; Num 31; Jos 6*; 2Chr 13,12) sowie in der Kriegsrolle aus → Qumran (1QM) wird die kultisch-priesterliche Dimension besonders hervorgehoben (Batsch). Da Gott über Sieg oder Niederlage entscheidet, befragt man im Vorfeld das göttliche Kriegsorakel, eine im Alten Orient weitverbreitete Einrichtung. JHWHs Entscheidung wird über das priesterliche Losorakel ermittelt (z.B. 1Sam 30,7f.) oder mündlich kundgetan: Das Gotteswort ergeht meist durch prophetisch begabte Menschen, die gezielt angefragt werden (z.B. 1Kön 22,1-6) oder sich spontan zu Wort melden (z.B. Ri 4,4-9; Jes 7,1-9). Neben der generellen Zusicherung, dass Gott die Feinde in Israels „Hand geben“ wird (נתן בְּיַד ntn bəjad, z.B. Jos 8,18; 1Kön 20,13), können auch spezielle taktische Fragen entschieden werden (z.B. Ri 20,18; 2Sam 5,23; 1Kön 20,13f.). Allerdings votiert JHWH nicht in jedem Fall für einen Waffengang. Er spricht sich auch ausdrücklich gegen den Einsatz von Kriegsgewalt aus: Nach Dtn 2,2-6 soll Israel einen Umweg in Kauf nehmen, statt das Verheißungsland auf kriegerischem Weg über das Gebiet von Edom zu erreichen (vgl. Ri 11,16-18). Und es ist nur dem Gotteswort des Propheten Schemaja zu verdanken, dass die sog. „Reichsteilung“ friedlich verläuft (vgl. 1Kön 12,24; siehe Bächli).

Ein weiteres kultisches Element ist die Bannweihe (חֵרֶם ḥæræm; → Bann), worunter die Zerstörung eroberter Städte (z.B. Jos 6,17-21; Jos 8,2.24-28) und bzw. oder die Tötung (bestimmter Teile) der Einwohnerschaft zu verstehen ist (z.B. Dtn 2,34f.; Dtn 3,6f.). Neben wenigen Belegen in der Schriftprophetie (z.B. Jes 34,2; Jer 25,9; Mi 4,13; Mal 3,24) wird der Bann hauptsächlich in der Frühzeit Israels, bes. im Rahmen der Landnahmekriege, erwähnt. Für den Vollzug geben die Texte verschiedene Erklärungsmuster (Niditch, 28-77): Der Bann wird einerseits als Gelübde im Kriegskontext (vgl. Ri 11,30f.; 1Sam 14,27) präsentiert, wonach der Gottheit aus Dank für den Sieg die besten Beuteteile zustehen (vgl. Num 21,2f.). Die Bestimmungen sind von Israel genau einzuhalten (vgl. Jos 6,17-19): Weil → Achan Banngut unterschlug, muss Israel bei der Erstürmung von → Ai eine herbe Niederlage einstecken (Jos 7). Dass → Saul nur minderwertiges Raubgut bannt, kostet ihn nach 1Sam 15,9 gar das Königtum. Andererseits stellt der Bann nach deuteronomistischer Sicht eine rigorose Form der Abgrenzung von Einflüssen dar, die als frevelhaft, schlecht und gefährlich wahrgenommen werden. Das deuteronomische Kriegsgesetz beschränkt den Vollzug ausdrücklich auf die Vorbewohner des Landes (Dtn 20,17). Die namentlich genannten Völker haben zwar historisch nie oder zur Zeit der Textentstehung nicht mehr existiert. Die Erwähnung des Banns auf der → Mescha-Stele (Mitte 9. Jh.) macht aber deutlich, dass der Bann „keine Erfindung der Exilszeit“ ist (Dietrich 2002, 151), sondern ein historisches Phänomen, dass als ultima ratio in existenzbedrohenden Kriegen auftrat, nicht aber bei jedem kleinen Scharmützel.

5.2. Grundfiguren der theologischen Kriegsdeutung

Die theologische Dimension des Krieges wird im Alten Testament in mehreren Konstellationen durchgespielt. Den Brennpunkt bildet JHWH und seine Stellung im bzw. zum Krieg: Steht er auf Seiten Israels, ist es seiner Initiative zu verdanken, dass das Volk aus militärischen Bedrohungen gerettet wird oder den Gegner bezwingen kann. Siege stellen sich ein, wenn ein Kampf gemäß JHWHs Willen geführt wird oder Gott zugunsten seines Volkes eingreift. Das → Deuteronomistische Geschichtswerk präsentiert die Landnahmekriege als legitimen Weg zur Erfüllung der göttlichen Verheißung. Die Überwindung militärischer Bedrohungen wird als JHWHs glorreiches Rettungshandeln gedeutet (z.B. Ex 13,17-14,31; Jes 37,36-38). Militärische Aktionen führen jedoch zu herben Niederlagen, wenn Gott in den Krieg nicht mitzieht (vgl. Jos 7; Num 14,40-45).

JHWH geht zum Teil aktiv gegen sein eigenes Volk mit Kriegsgewalt vor (Jes 42,25; Jes 63,10; Jer 21,5-7; Klgl 2,1-22) oder beauftragt hierzu fremde Völker (z.B. Jes 5,25-30; Jer 6,22-24). Der göttliche Zorn kann sich militärisch vollziehen, was für Israel, aber auch für fremde Völker katastrophal endet (z.B. Jes 34,1-17). Kriegsgewalt wird als gerechte Strafe (z.B. 2Kön 18,9-12) oder göttliche Prüfung (z.B. Jdt 8,25 [Lutherbibel: Jdt 8,18]) verstanden.

In kriegskritischen Texten zieht Gott gegen den Krieg selbst zu Felde, indem er die gängigen Waffen zerstört (z.B. Ps 46,10; Hos 2,20).

Diese Deutungsmuster lassen sich in keine stringente Chronologie bringen: Der Weg verlief nicht geradlinig, etwa von der Befürwortung militärischer Gewalt zu deren Ablehnung, obgleich einige jüngere Traditionen ein größeres Unbehagen in Bezug auf Kriegsgewalt erkennen lassen (Kunz-Lübcke). Die Bandbreite an Konzepten zeigt darüber hinaus, wie viel Reflexionsleistung die biblischen Autoren zur Kriegsdeutung aufbrachten, um dem JHWH-Volk auch theologisch ein Weiterleben in seiner von Kriegen geprägten Geschichte zu ermöglichen.

5.2.1. Gott kämpft für Israel – Der „JHWH-Krieg“

Als „theologisch profilierteste und zugleich wirkungsgeschichtlich erfolgreichste“ Kriegskonzeption (Ruffing 1995, 553) erweist sich die Vorstellung, dass JHWH gegen Israels Feinde Krieg führt oder in den Kampf eingreift. In der Forschung hat sich dafür statt dem Begriff „Heiliger Krieg“ die Bezeichnung „JHWH-Krieg“ etabliert (nach Smend). Die Konzeption dominiert die Kämpfe in der Frühzeit Israels und umfasst Befreiungskriege (z.B. Exodus, Richterzeit) ebenso wie Eroberungskriege (z.B. Landnahmekriege). Num 21,14 deutet an, dass es ursprünglich ein „Buch der Kriege JHWHs“ (סֵפֶר מִלְחֲמֹת יהוה sefær milḥǎmot Jhwh) gab. Von David wird gesagt, er führe JHWHs Kriege (1Sam 18,17; 1Sam 25,28). In der Königszeit sind auch die literarischen Ursprünge dieser Konzeption zu suchen (Kang). Zum Ausdruck kommt Gottes Stellenwert im Kampf ebenso in der Phrase „(dem Gott) JHWH (ist) der Krieg“ (ליהוה הַמִּלְחָמָה lJhwh hammilḥāmāh, 1Sam 17,47; vgl. 1Chr 5,22; 2Chr 20,15-17; 2Chr 32,8). Sie betont die untergeordnete Bedeutung von Kriegstechnik und menschlichem Tun für den Kriegsausgang (vgl. Jes 31,1-3). In Erzählungen, die dem Paradigma folgen, geht JHWH immer als Sieger aus dem Kampf hervor. Er erweist sich dadurch als die stärkere Gottheit im Krieg gegen Israels Widersacher, die zu (unterlegenen!) Feinden JHWHs stilisiert werden (Eidevall; Obermayer). Das Volk partizipiert in unterschiedlicher Intensität am Kampfgeschehen: Wie Mose in Ex 14,13f. paradigmatisch verkündet, agiert Gott meist als alleiniger Krieger (z.B. Jes 63,5). Teilweise wird aber auch Israel aktiv, indem es selbst Kriegsgewalt verübt, die fliehenden Feinde verfolgt oder an der eroberten Stadt die Bannweihe vollzieht. JHWH setzt aber auch in diesem Fall die entscheidenden Handlungen (vgl. Jos 10,42).

Die charakteristische Form göttlicher Kriegsführung bildet der Einsatz von Wundern. Dazu zählen Naturgewalten, wie Wind (Ex 14,21; Ex 15,10), Donner (1Sam 7,10; Ps 18,14), Hagel (Jos 10,11) oder kosmische Phänomene wie die Verzögerung von Sonnen- und Mondlauf (Jos 10,13; → Gibeon). JHWH kann Gegner mit Blindheit schlagen (2Kön 6,18) oder in Verwirrung bringen (z.B. Ex 14,24; Jos 10,10; Ri 4,15; Ps 18,15). Der Schrecken Gottes (z.B. Ex 15,16; Dtn 11,25) befällt entweder die Feinde, wodurch sie zur leichten Beute werden, oder er ergreift die eigenen Soldaten, sodass „sie ausziehen wie ein Mann“ (1Sam 11,7). Wunderhaft ist auch der Einsatz des göttlichen → Boten, der nach 2Kön 19,35-37 im assyrischen Heerlager vor den Toren Jerusalems ein Blutbad anrichtet. All diese Interventionen unterstreichen Gottes unvergleichliche Macht.

Zu Gottes mirakulösen Kriegswerkzeugen sind auch Erzählfiguren zu rechnen, die gemäß der zeitgenössischen Konvention für den Krieg als untauglich galten: Frauen und Kinder. Der Hirtenjunge → David, den Goliat ob seiner ungeeigneten Bewaffnung verspottet (1Sam 17,43), tötet den mächtigen Krieger mit seinem eigenen Handwerkzeug und dem Schwert des Gegners (1Sam 17,50f.). Die Keniterin → Jael bringt den Heerführer → Sisera mit Pflock und Hammer in ihrem Zelt zur Strecke (Ri 4,17-21), wohingegen die Frau von Tebez → Abimelech mit einem Mühlstein erledigt (Ri 9,53). Auch der assyrische Kommandant → Holofernes stirbt durch sein eigenes Schwert in der Hand einer Frau: jener der Witwe → Judit. Da im Alten Orient das Schlachtfeld als „proving ground for masculinity“ galt (Chapman, 57), gereichte eine durch Frauen zugefügte Niederlage den Besiegten zur besonderen Schande (vgl. Ri 4,9; Ri 9,54; 2Sam 11,21 (!); Jdt 9,10 [nicht in Lutherbibel]; Jdt 13,15 [Lutherbibel: Jdt 13,19]). In den theologisch ausgerichteten Siegesliedern wird das Handeln der Protagonistinnen als wunderbares Eingreifen JHWHs zur Rettung seines Volkes gedeutet (Ri 5,24-27; Jdt 16,5-10 [Lutherbibel: Jdt 16,7-12]).

5.2.2. Israel kämpft ohne Gott – Niederlagen als Folge der Abwesenheit Gottes

Militärische Erfolge unter religiösen Vorzeichen zu deuten, stellt Kriegsgewinner vor keine theologischen Herausforderungen: Der Sieg stellte sich ein, weil die stärkeren Gottheiten auf der eigenen Seite standen. Es sind vor allem militärische Niederlagen, die für theologischen Erklärungsbedarf sorgen: Waren die Götter nicht mächtig genug, der eigenen Seite den Sieg zu verleihen oder sie aus der Kriegsgefahr zu erretten? Um JHWHs Stärke und Souveränität trotz katastrophaler Niederlagen sicherzustellen, griff die alttestamentliche Kriegsinszenierung auf mehrere Deutungsmuster zurück. Eine Möglichkeit bestand darin, das Konzept des JHWH-Krieges von der umgekehrten Seite her zu reflektieren:

Wenn JHWH Israel den Beistand versagt und das Heer ohne seine Unterstützung auszieht, endet dies stets in einer militärischen Katastrophe. „[N]egative heilige Kriege“ (Stolz, 24) erweisen dadurch nicht JHWHs Schwäche, sondern zeigen seine Missbilligung und Abwesenheit an. In Num 14,40-45 versucht Israel ins Land der Verheißung zu gelangen, doch weil Gott nicht mitzieht und die Bundeslade im Lager bleibt, muss das Volk eine herbe Niederlage einstecken. Auch die Eroberung von → Ai gelingt erst im zweiten Anlauf (Jos 8). Die erste Erstürmung scheitert, weil einerseits → Achan mit der Unterschlagung von Banngut den göttlichen Zorn auf das Volk zieht (Jos 7,1) und andererseits Israel die theologischen Gesichtspunkte in der Kriegsvorbereitung ignoriert (vgl. Jos 7,2-4). Auch die für den JHWH-Krieg typische Übergabeformel (z.B. Jos 6,2; Jos 8,1) verkehrt sich ins Gegenteil: Gott gibt nunmehr die Israeliten in die Hand der Feinde (Jos 7,7). Diese Gegentexte werden bewusst in die Darstellung von Wüstenzeit und Landnahme eingestellt, genau in jenen Kontext, der von erfolgreichen JHWH-Kriegen geprägt ist. So unterstreichen Erzählschema und Terminologie quasi ex negativo Gottes unüberbietbare Bedeutung im Krieg.

5.2.3. Gott kämpft gegen Israel – Krieg als Folge des göttlichen Zorns

Einen Schritt weiter gehen Deutungskonzepte, in denen JHWH entweder selbst gegen Israel zu Felde zieht oder sich hierzu fremder Völker bedient. Niederlagen werden dabei als Konsequenz des göttlichen Zorns gedeutet (Klgl 2,1-5). Das Modell kommt vor allem in Texten zur Anwendung, die um eine theologische Deutung großer historischer Umbrüche ringen. Dies gilt vor allem für die assyrische Bedrohung im 8. Jh. sowie die Exilskatastrophe. Für das Deuteronomistische Geschichtswerk liegen die Gründe für den Untergang von Nord- und Südreich im sündhaften Verhalten des Gottesvolkes. Dieses habe den Zorn JHWHs heraufbeschworen, der sich in Form von Kriegsgewalt entlud (vgl. 2Kön 17,18; 2Kön 24,20). In Jes 7,18f. „pfeift“ Gott Israels mächtige Feinde (Assur und Ägypten) wie Fliegen und Bienen zur Bestrafung seines Volkes herbei (vgl. Jes 5,25-30). Der König von Assur fungiert als Rasiermesser in der Hand des „Heiligen Israels“ (Jes 7,20). In Jer 25,9 oder Jer 27,6 agiert → Nebukadnezar