Deutsche Bibelgesellschaft

Krippenspiel

Schlagworte: Weihnachtsspiel; engl. nativity play, nativity scene

(erstellt: März 2024)

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1. Geschichte der Krippenspiele

Das ganz und gar nicht finstere Mittelalter, das in der Epoche der Gotik Licht durchströmte Kathedralen schuf, hat nicht nur neue Baustile und völlig neue Ansätze in der Kunst hervorgebracht, sondern auch in der Theologie. Ein romanischer Christus steht, häufig bekrönt, vor dem Kreuz, ohne Spuren des Leidens, sondern als ewiger, endzeitlicher Herrscher und König, als Sieger über den Tod. Im realen Raum der Geschichte entspricht diesem Bild das sakral begründete und legitimierte Königtum der Karolinger und Ottonen. Die spätmittelalterliche Darstellung des Gekreuzigten des Isenheimer Altars von Matthias Grünewald (Mathis Gothart-Nithart, genannt Grünewald; geschaffen von 1512-1516) zeigt stattdessen einen gekreuzigten, unter den Qualen des Martyriums gebrochenen und elendig sterbenden Menschen in einer sich verfinsternden Welt, die das Leiden mitzutragen scheint. Die Menschen suchen und finden neue Glaubenszugänge, indem die mehr und mehr anschaulich dargestellte Heilsgeschichte Teil der Frömmigkeit und Gottesverehrung wird. In der Mystik versenkt sich der Glaubende in das Leiden und Sterben seines Erlösers und erfährt dabei die Solidarität des Gekreuzigten in seinem eigenen Leiden. An den Kathedralen werden Passion und Endgericht zumeist über dem Hauptportal der Westfassade dargestellt. Es wird in Stein und Bild manifestiert, was hundert bis zweihundert Jahre vorher bereits in der Liturgie seinen Anfang nahm: Schriftlesung, Liturgie und Predigt genügen nicht mehr. Beginnend in der Osterliturgie findet sich zunehmend die Aufnahme von szenischen Elementen, bald auch in der Weihnachtsliturgie (→ Fest/Feste). Diese wurden zunächst ausschließlich vom Klerus in lateinischer Sprache vorgetragen. Priester in Hirtengewändern ziehen zur Krippe und fragen: „Quem queritis in presepe, pastores, dicite [Wen sucht ihr in der Krippe, Hirten, sagt es]. Es antwortet ein Chor: „Salvatorem Christum Dominum, infantem pannis involutum, secundum sermonem angelicum [Den Erlöser, den Christus, den Herrn, ein Kind in Windeln gewickelt, gemäß der Verkündigung der Engel]“ (Limoges elftes Jahrhundert; Schulze, 2012, 70). Die erzwungene Untätigkeit der Gläubigen – deren Präsenz letztlich für die Feier der Liturgie gar nicht erforderlich war – dürfte daher kaum der wesentliche Grund für die Entwicklung der Spiele darstellen (gegen Schulze, 2012, 16f.). In relativ kurzer Zeit setzte sich freilich die Volkssprache durch, die „Schauspieler“ stammten nicht mehr allein aus der Reihe des Klerus. „[D]ie Spiele [schufen] im Spätmittelalter ein mediales Angebot, das nicht nur mentalen, sondern auch visuellen Bedürfnissen entgegenkam, indem es die Welt der biblischen Geschichte zugänglich machte und ein breites Wirkungsspektrum eröffnete. Die Performanz des Lebens Jesu prägte den religiösen Vorstellungshorizont und die Frömmigkeit in neuer Weise“ (Schulze, 2012, 17; ähnlich auch Müller-Kampel, 2019, 70). Und: Sie führen zur inneren Identifikation mit dem Dargebotenen, besonders durch die direkte Anrede der Zuschauerinnen und Zuschauer, wodurch die historische Ebene der Vergangenheit verlassen wird: „Die Gegenwart des Spiels wird auch für die Betrachter relevant, angemessene Partizipation soll Heilsgewinn bringen“ (Schulze, 2012, 16). Dies dürfte freilich nicht der einzige Zweck der Spiele sein. Ihr Ziel ist es (zum Folgenden Schmid, 1975, 128-140), Heilswahrheiten des Glaubens zu verbreiten und zu festigen, damit aber auch Einfluss und Geist der Kirche, Förderung des Gemeinschaftserlebnisses und Verbesserung des Verhältnisses von lokalem Klerus zu den Gläubigen, gerade auch im zwölften und 13. Jahrhundert in denen die Autorität der Kirche einbricht. „Der Vorspruch des Künzelsauer Fronleichnamsspiels versammelt paradigmatisch die vier wichtigsten Programm-Zeilen solcher Aufführungen: Größere Ehre Gottes, Dogmatische Unterweisung, Buß-Anstoß zur moralischen Besserung, Andachtsübung zur emotionalen Glaubensbindung“ (Schmid, 1975, 229). Bei andächtiger Teilnahme am Spielgeschehen wird zudem Ablass stiftende Wirkung in Aussicht gestellt (Schmid, 1975, 229).

In der Hochzeit der Spiele wurden so ziemlich alle neutestamentliche Themen präsentiert, in erster Linie natürlich Passions-, Oster- und Weihnachtsspiele, dann aber auch Marienklagen, Spiele über Maria Magdalena (→ Maria Magdalena, bibeldidaktisch), Fronleichnamsspiele, Himmelfahrt- und Pfingstspiele, Endzeitspiele sowie Spiele zu weiteren Feiertagen (Maria Himmelfahrt) oder zu biblischen Legenden (z.B. ein Theophilusspiel; das Mühlhäuser Katharinenspiel, Dorotheenspiele, das Augsburger Georgenspiel). An alttestamentlichen Themen wurden der Sündenfall, das Wiener Susannenspiel oder auch das Tiroler David- und Goliathspiel aufgeführt. Die wichtigsten deutschsprachigen Weihnachtsspiele (zum Folgenden Schulze, 2012, 71-77; Rehm, 1996, 98) aus dem elften und zwölften Jahrhundert sind das Freisinger Weihnachtsspiel mit der Verkündigung der Geburt, der Anbetung des Kindes durch die Hirten, die Flucht nach Ägypten, die Benachrichtigung des Herodes, dass die Weisen (Dreikönige) das Land auf anderem Wege verlassen haben, der Mord an den unschuldigen Kindern und schließlich die Klage der Rachel, wobei das Hauptgewicht auf Herodes und dem Kindermord liegt. Es wechseln Dialoge und Pantomime, Verse und Prosa, Latein und Deutsch. Das Weihnachtsspiel von Benediktbeuern aus dem 13. Jahrhundert ist das umfangreichste. Es beginnt mit einem Disput zwischen alttestamentlichen Propheten auf der einen und einem Archidiakon der Juden auf der anderen Seite zum Thema Jungfrauengeburt. Auch ein Teufel tritt auf, der die Absicht hat, die Hirten falsch zu informieren (neuerdings wieder bei Witt, 2011, 131-139). Das älteste erhaltene rein deutsche Spiel mit 35 Akteurinnen und Akteuren liegt aus St. Gallen aus dem 14. oder 15. Jahrhundert vor (Schulze, 2012, 74). Es umfasst einen Prophetenteil (mit Ankündigung der Geburt, aber auch von Tod und Endgericht), dazu einen Abschnitt mit dem Weihnachtsthema, Dreikönige- und Herodesteil. Durchsetzt ist das Spiel mit „Informationsblöcken“ zu jenen Themen, die nicht gespielt werden (z.B. Darstellung des Kindes im Tempel, Heimweg der Weisen u.a.). Eine Besonderheit dürfte das Erlauer Spiel aus dem 14. Jahrhundert bieten, das vermutlich nicht in der Kirche aufgeführt wurde, weil die Magoi (Weisen) mit Pferden auftreten. Merkwürdigerweise wird die eigentliche Weihnachtsszene hier gar nicht dargestellt. Stattdessen erzählt Joseph den Hirten nur von der Geburt. Schließlich sei noch das Hessische Weihnachtsspiel aus dem 15. Jahrhundert erwähnt mit Verkündigung, Herbergssuche, Kindelwiegen als neues Element, Verkündigung an die Hirten, Hirten und Mägde an der Geburtsstätte, Aufbruch, Flucht und einer Teufelsszene. Die Magiergeschichte ist nicht enthalten. Die Phantasie der Autoren schafft Nebenfiguren, die nicht biblisch bezeugt sind, wie etwa einen Knecht Josephs, beliebige Mägde und Hirten. Das Kindelwiegen wird lange ausgedehnt auf bis zu zehn Lieder in deutscher und lateinischer Sprache (z.B. „Joseph, lieber Joseph mein, hilf mir wiegen mein Kindelein“). Darüber hinaus kommt es zur Aufnahme von Komik und Klamauk. Maria (→ Maria, im Christentum und Islam) klagt, weil es am Nötigsten fehlt, der Engel mahnt zur Flucht nach Ägypten, aber Joseph will lieber zu Hause bleiben und sein Bier trinken, es finden sich (gespielte) Auseinandersetzungen und Prügelszenen. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Spiele zeitweise schon im 13. Jahrhundert verboten wurden.

Während Luther (→ Luther, Martin (1483-1546)) das geistliche Spiel ablehnte (Meyer-Blank, 2010, 67f.), entstanden in der Zeit der Gegenreformation insbesondere in Österreich und den rekatholisierten Gebieten, in Böhmen, Mähren, Schlesien und dem Rheinland stationäre Krippentheater, in denen von Advent bis Maria Lichtmess (2. Februar; ehemals das Ende der weihnachtlichen Festzeit) die Weihnachtsbotschaft mit Figuren bzw. Puppen vorgeführt wurde (z.B. mit Stabmarionetten, als stehendes Bild mit unbeweglichen Figuren oder auch mit mechanischen Figuren), in der Regel als Neben- oder sogar als Hauptverdienst (Müller-Kampel, 2019, 73f.;90f.;98).

Ob und welche gegenseitigen Beeinflussungen es unter den Spielen gegeben hat, ist angesichts des vorliegenden Materials nicht rekonstruierbar. Von der Urfassung eines „Erlöserspiels“ (Köppen, 1893, 67) geht man jedenfalls nicht mehr aus. Insgesamt wird die Verschiedenheit der beiden Kindheitsgeschichten des Matthäus- und des Lukasevangeliums nicht beachtet. Der Stoff wird als Evangelienharmonie aufgeführt. Überblicke über die Textzeugen der überlieferten Spiele (nicht nur der Weihnachtsspiele) finden sich bei Rolf Bergmann (siehe dort Spielinhaltsregister 519-535) sowie Abstracts zu verschiedenen Weihnachtsspielen bei Hansjürgen Linke.

Krippenspiele scheinen bleibend aktuell zu sein, inzwischen auch wieder in den Kirchen der Reformation, und sie haben nach wie vor ein hohes religionspädagogisches Potential. Es sind die Gottesdienste mit den höchsten Besucherzahlen im Jahr, so dass sie neuerdings, wie schon im Mittelalter, auch außerhalb sakraler Räume stattfinden. Krippenspiele wurden im Übrigen auch in Zeiten der DDR aufgeführt, mit vergleichbar hohen Besucherzahlen. Ob sich „der Krippenspielgottesdienst dann als gelungen [erweist], wenn er dazu anstiftet und den Wunsch weckt, auch ‚zwischendurch‘ wiederzukommen“ (Porps, 2015, 38) sei dahingestellt. Auf jeden Fall bietet er die einzigartige Möglichkeit, christliche Vorstellungen und Themen überhaupt noch in einem größeren Rahmen zu verkündigen. Durch die Einbeziehung der Kinder dürfte eine hohe „Halbwertszeit“ der Verkündigung gewährleistet sein.

2. Theologie der Kindheitsgeschichten

Für die Verkündigung kann man sich kaum einen dankbareren Stoff vorstellen als die Kindheitserzählungen. Sie bieten eine äußerst komprimierte, aber doch sehr umfängliche Christologie (→ Christus/Christologie) des jeweiligen Evangelisten. Zentrale Themen der matthäischen Kindheitsgeschichte sind die Erfüllung der Heilsgeschichte, die in etlichen Schriftverweisen zum Ausdruck kommt: Das Kind wird als der vom Propheten Jesaja angekündigte Erlöser und Christus (altgr. Christos: der Gesalbte/Messias) gedeutet, dessen Stern die Magier entsprechend Num 24,17 aufgehen sehen. Die Rolle des Erlösers sieht Matthäus im Namen Jesus (hebr. Jehoschua: Gott hilft, rettet) angesagt. Des Weiteren bilden Kindheitsgeschichte am Anfang und Sendungsgeschichte am Ende des Evangeliums eine Klammer: Die anreisenden und das Kind verehrenden Magier sind die Vorboten der nachösterlichen Verkündigung an die Völker. Die Magier kommen als Vertreter der Heiden gemäß Ps 72,10 und bringen entsprechend Jes 60,3.6 Gold und Weihrauch als Geschenke. Der nur bei Matthäus erwähnte Name Immanuel (hebr. für Gott mit uns) erfährt seine Entsprechung im finalen Sendungsauftrag: „Siehe ich bin bei euch alle Tage“ (Mt 28,19). Die Rückführung des Stammbaumes Jesu auf Abraham, den Vater aller Glaubenden sowie die nichtjüdischen Frauen verstärken einerseits die heidnische Perspektive von Herkunft und Geburt Jesu. Andererseits wird die Ablehnung Jesu durch sein Volk im Erschrecken des Herodes „und ganz Jerusalem mit ihm“ (Mt 2,3) über die Geburt des neuen Königs anfanghaft zur Sprache gebracht. Natürlich findet die Geburt des Messias (Mt 2,5) gemäß dem Propheten Micha 5,1 in Bethlehem statt. Im Zuge der Flucht nach Ägypten erfüllt sich nach Mt 2,15 das Prophetenwort aus Hos 11,1. Im Kindermord zu Bethlehem wird auf Jer 31,15 verwiesen. Ägyptenaufenthalt und die Gefährdung des Retterkindes durch den Despoten erinnern an die Gestalt des Mose, ohne dass Matthäus ausdrücklich darauf verweist.

Die Übereinstimmungen zwischen der matthäischen und der lukanischen Kindheitsgeschichte sind nur gering und beschränken sich auf das Thema Jungfrauengeburt und Geburt in Bethlehem. Während bei Matthäus Joseph und seine Frau in Bethlehem in einem Haus wohnen und erst nach dem Ägyptenaufenthalt aus Angst vor dem Herodianer Archelaus nach Galiläa ziehen (Mt 2,13-15), folgen bei Lukas Josef und Maria den Anordnungen des römischen Zensus und begeben sich nach Bethlehem (Lk 2,1-5). Ansonsten setzt Lukas mit seiner Überlieferung völlig eigene Akzente. Einen besonderen Akzent liefert die Beziehung zwischen Jesus und seinem angeblichen Verwandten Johannes, der in der Rolle des „Vorläufers“ sechs Monate älter ist als Jesus. Gleichzeitig wird aber auch der Vorrang Jesu deutlich: Johannes tritt im Geist des Elija auf (Lk 1,17), Jesus in der Kraft des Heiligen Geistes, ja mehr noch: Er ist aus dem → Heiligen Geist geboren, der ihn führt und leitet (Lk 1,35; siehe auch 3,22; 4,1.18; 10,21). Das Motiv der Überbietung, das sich in seinem Evangelium hauptsächlich auf den Propheten Elija bezieht, findet sich schon hier, insbesondere in Kapitel 7 (Jüngling von Nain; 1Kön 17) und Kapitel 9 des Lukas. Der lukanische Jesus erscheint freilich auch selbst als (großer, wundertätiger) Prophet (Lk 4,24; 7,16; 22,64) und erleidet deren Schicksal (Lk 13,33). Die Ausrichtung Jesu auf die Kleinen, Armen, Ohnmächtigen, Sünder, die das Evangelium durchzieht, findet in der Kindheitsgeschichte ihren Anfang in der Geburt in der Krippe/dem Futterplatz (ohne Stall!) und der Primärverkündigung an die Hirten, die Outlaws oder zumindest die „kleinen Leute“ ihrer Zeit, denen der Engel den Retter, Messias/Christus und Herrn verkündet. Auch das Magnifikat Mariens (Lk 1,46-55) weist in diese Richtung. Hinzu kommt eine adversative Positionierung Jesu zu Kaiser Augustus. Die Stadt Myra in Kleinasien ehrte Augustus etwa durch folgende Inschrift: „Den Gott Augustus, Sohn des Gottes Caesar, Herrscher über Land und Meer, den Wohltäter und Heiland (‚Soter‘?) der ganzen Welt (ehrt) das Volk von Myra“ (Nyffenegger, o.J., o.S.). Lukas schreibt dagegen als Aussage des Engels an Maria: „Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen, und seine Herrschaft wird kein Ende haben“ (Lk 1,32f.). Wer ist da schon Augustus?

3. Krippenspiele als religionspädagogischer Lernort

Einigen der traditionellen mutmaßlichen Vermittlungsziele kommt durchaus auch heute noch Bedeutung zu: Verkündigung, Gemeinschaftserlebnis, Glaubenserfahrung. Es geht um lehrhafte Unterhaltung, für Kinder wie auch für die erwachsenen Begleitpersonen (→ Bibel erzählen; → Erzählen, bibeldidaktisch). Das Spiel bietet Möglichkeiten, die weder in der Schule noch sonst irgendwo in der Verkündigung zur Verfügung stehen und verkündet die Weihnachtsgeschichte so, wie sie auch von den Evangelisten geboten wird: als erzählte, narrative Christologie (→ Christus/Christologie). Die Kindheitsgeschichten stellen die Frage und beantworten sie auch: Wer ist dieser? Die betreffenden Inhalte und Überzeugungen gehören zwar zu großen Teilen längst nicht mehr zum Glaubenswissen heutiger Christen, können aber im Spiel anschaulich als „Informationen“ zur Bedeutsamkeit Jesu vermittelt werden. Und: „Weihnachtsreligiosität spricht die Sinne an“ (Wilhelm, 2020, 67). Dabei sind verschiedene Typen von Krippenspiel zu unterscheiden: Das ”klassische“ Krippenspiel, gegebenenfalls mit Erzählerin/Erzähler, der/die den biblischen Text spricht, das Krippenspiel mit (aktualisierender) Rahmenhandlung, Spiele in Krippennähe, d.h. Hirtinnen und Hirten, Ochs und Esel oder auch die Engel unterhalten sich im Wesentlichen über die Geburt, Aktualisierungen/Übertragungen, Spiele vom Wert des Weihnachtsfestes sowie „Erklärtheater“ – eine Figur erklärt das Geschehen (einem) Unverständigen (Porps, 2015, 29-33). Während das klassische Krippenspiel in erster Linie – wenig aktuell – die Zeit Jesu abbildet und damit auch eine gewisse ungestörte Weihnachtsidylle abliefert, wird die Botschaft, zumindest von den Erwachsenen, intensiver erfahren, wenn stattdessen drängende Fragen unserer Zeit und heutige Möglichkeiten christlichen Verhaltens einbezogen werden. Eine Aktualisierung und damit auch Auseinandersetzung mit den Inhalten, die Identifikation mit den Spielfiguren, das Erleben von Gemeinschaft und vielleicht auch die Selbstfindung seiner eigenen Position im Gegenüber zur Weihnachtsbotschaft kann insbesondere dann gelingen, wenn das Krippenspiel als „Spiel im Spiel“ konzipiert ist: Das Spiel erhält einen Rahmen in der Gegenwart wie z.B. in der Schule, in denen Lehrkräften und/oder Schülerinnen/Schülern interpretierende Funktion zukommt (Rahmenhandlung). Es können Gestalten auftreten, denen Weihnachten erklärt werden muss (Touristen in der Kirche, der Zweifler u.a.: Erklärtheater) (→ Rollenspiel). Die (distanzierte) Interpretation des Geschehens kann freilich auch einer antiken Gestalt, wie z.B. einem alttestamentlichen Propheten (→ Propheten, bibeldidaktisch) zukommen. Schließlich ist eine Übertragung des weihnachtlichen Geschehens als Ganzes in die Gegenwart (Geburt in der U-Bahn; Dorn/Möller, 2011) eine Möglichkeit eines aktualisierten Zugangs (Aktualisierung). Dass die Spiele inhaltlich zum Teil weit über die neutestamentlichen Texte hinausgehen, d.h. Elemente enthalten, die in den Geburtserzählungen nicht vorkommen, liegt auf der Hand (zur Frage der Zulässigkeit siehe Wilhelm, 2020, vor allem 74-76). Eine Untersuchung der englischen Bibelgesellschaft aus dem Jahre 2012 ergab, dass in England, wo den Krippenspielen eine herausragende Bedeutung in der Weihnachtszeit zukommt, das Grundwissen um die Weihnachtsgeschichte stärker durch die Spiele geprägt ist als durch die Kindheitserzählungen der Schrift selbst (Murphy, 2018, 121). Da laut Murphy in multikulturell geprägten Regionen ein zunehmend säkularisiertes Krippenspiel mit zusätzlichen Charakteren und alternativen Szenen erweitert wird (Murphy, 2018, 121), stellt sich freilich die Frage, wie weit die freie Ausgestaltung des Stoffes gehen darf, und dies sicher nicht nur für England! Bei den Spielen kommt es kaum auf die Form an: Unter den heutigen Vorschlägen und Materialien finden sich Stücke in Prosa wie auch in Poesieform, Spiele, die etwa durch sprechende Tiere den Anspruch erheben, besonders kindgerecht zu sein. Bildergeschichten, Puppenspiele, Schattenspiel, Hörspiel, Pantomime, dramaturgisches Spiel, Singspiel sind weitere Gestaltungsmöglichkeiten (z.B. Domay, 2001; Dorn, 2011; Gies, 2012; Müller, 2002; Walter, 2006; Witt, 2011).

 Ein bedeutender Faktor für das Gelingen eines Spiels ist auch der Ort der „Aufführung“. Üblicherweise ist das die Kirche und von der Tradition her ist dies auch der primäre Raum des Spiels. „Schwellenängste“ oder die Hemmung, eine Kirche zu betreten, sind jedoch ein nicht zu vernachlässigender Faktor, der dazu motivieren kann, das Spiel in anderen geeigneten Räumen oder im Freien stattfinden zu lassen. Dann ist aber zu fragen, inwiefern es eines gottesdienstlichen Rahmens bedarf, den es freilich von Anfang an hatte.

Literaturverzeichnis

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  • Dorn, Klaus/Möller, Silvia, Wir haben seinen Stern gesehen. Krippenspiele – die biblischen Weihnachtsgeschichten neu erzählt, München 2011.
  • Gies, Wolfgang (Hg.), Das große Buch der Krippenspiele, Freiburg i. Br. 2012.
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  • Meyer-Blank, Michael, Liturgiegeschichte als Theatergeschichte. Ein Gang durch die Geschichte des evangelischen Gottesdienstes mit Seitenblick auf die Theatergeschichte, in: Mildenberger, Irene/Raschzok, Klaus/Ratzmann, Wolfgang (Hg.), Gottesdienst und Dramaturgie. Liturgiewissenschaft und Theaterwissenschaft im Gespräch. Beiträge zu Liturgie und Spiritualität 23, Leipzig 2010, 61-77.
  • Müller, Christiane, Da waren Engel bei den Hirten. Krippenspiele, Lieder und Geschichten für Schule und Gemeinde, Freiburg i. Br. 2002.
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  • Murphy, Lucinda, The British Nativity Play: An Initiation into a Familiar Paradigmatic Scene, in: Journal of the British Association for the Study of Religions 20 (2018) 1, 118-144.
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  • Wilhelm, Rafaela, „Alle Jahre wieder“ – Religionspädagogische Überlegungen zum Verhältnis von Krippenspiel und Bibel, in: Brieden, Norbert u.a. (Hg.), Biblische Welten. Religion lernen. Jahrbuch für konstruktivistische Religionsdidaktik 11, Babenhausen 2020, 66-76.
  • Witt, Dieter, Kommt mit nach Bethlehem. Gottesdienste, Krippenspiele, Impulse. Kreative Bausteine für die Advents- und Weihnachtszeit, Leinfelden-Echterdingen/Stuttgart 2011.

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