1. Korinther 15,50-58 | Ostermontag | 01.04.2024
Einführung in den 1. Korintherbrief
1 Kor ist, verglichen mit den anderen paulinischen Briefen (ausgenommen Röm
1. Verfasser
Über Denken und Wirken des Paulus, die uns historisch am besten bekannte Gestalt des frühen Urchristentums, informieren die sieben allgemein als authentisch angesehenen neutestamentlichen Briefe. Eine wichtige Quelle für die paulinische Biographie ist darüber hinaus die Apostelgeschichte
2. Adressaten
Aus der Provinz Asia kommend war Paulus in Philippi und Thessaloniki
3. Entstehungsort
1 Kor wurde in Ephesus
4. Wichtige Themen und Argumentationsgang des 1 Kor
Paulus kritisiert im Eingangsteil des 1 Kor die Existenz innergemeindlicher „Parteien“; dabei richtet er den Brief immer an die ganze Gemeinde, wobei er schon in der Adresse (1,2) die Adressaten auf ihren „ökumenischen“ Kontext verweist (vgl. 4,17; 7,17; 11,16; 14,33). Die Konflikte in Korinth
1 Kor ist durchgängig bestimmt durch die Reaktionen auf die akute Lage in Korinth; kein anderer Paulusbrief informiert (uns) so detailliert über die bei den Adressaten bestehende Situation. Paulus hatte durch „die (Leute) der Chloe“ (1,11; leider erfahren wir nichts Näheres über sie) wie auch durch Stephanas und dessen Begleiter (16,17f.) sowie durch mündliche Nachrichten (5,1) und durch den in 7,1 erwähnten korinthischen Brief von den Problemen in Korinth erfahren und sah sich zu einer umfassenden Reaktion herausgefordert, wobei der Brief einen persönlichen Besuch vorläufig ersetzen soll (16,5–9; vgl. 11,34).
Aus 1,12 geht hervor, dass es Gruppen („Parteien“) gab, die sich an bestimmten Führern orientierten (1,12); Ursache könnte ein ausgeprägtes Interesse an „Weisheit“ gewesen sein, die Suche nach spekulativer religiöser Erkenntnis (1,17; 1,18ff.). Welche Vorstellungen die einzelnen Gruppen vertraten, ist für uns nicht erkennbar; Paulus geht nicht auf Einzelheiten ein, sondern lehnt die Existenz von Parteien ab. Er wertet die soziale Zusammensetzung der Gemeinde als Indiz dafür, dass Gott den Maßstäben menschlicher Weisheit widerspricht (1,18-31) Möglicherweise gab es in Korinth einen religiösen Enthusiasmus (vgl. 4,8), der sich in Schlagworten wie „Alles ist erlaubt“ oder „Wir alle haben Erkenntnis“ niederschlug (vgl. 6,12; 8,1; 10,23). Paulus betont dagegen die Theologie des Kreuzes: Die Existenz der Christusgläubigen ist dadurch bestimmt, dass ihr Herr sich am Kreuz, d.h. in Niedrigkeit, und nicht in Glorie offenbart hat.
In 5,1–7,40
In Kap. 8-11
Da es offenbar Tendenzen gab, die üblichen Konventionen im Verhältnis von Männern und Frauen zu verwischen, fordert Paulus, Frauen sollten die übliche Haartracht tragen, wenn sie im Gottesdienst predigen und beten (11,2-16; das dazu im Widerspruch stehende rigorose „Sprechverbot“ in 14,34.35 ist sehr wahrscheinlich eine später eingefügte Interpolation). Zur Mahlfeier erfuhr Paulus von Verhaltensweisen, die es aus seiner Sicht „unmöglich“ machten, das „Herrenmahl“ zu feiern, da jeder „sein eigenes Mahl“ vorwegnimmt (11,17-34). Da aber in diesem Mahl der Tod des Herrn verkündigt wird „bis er kommt“, ist ein individualistischer Missbrauch der Mahlfeier verwerflich.
Das Pneumatikertum ist in Korinth stark entwickelt (1 Ko
5. Besonderheiten
Der Argumentationsgang des Paulus im 1 Kor lässt eine innere Kohärenz erkennen: Es gibt eine christologische, kreuzestheologische Grundlage für die Aussagen zu den unterschiedlichen Themen. Schwer zu beantworten ist die Frage nach dem religiösen bzw. philosophischen Hintergrund der korinthischen Parteienbildung; die Annahme, hier zeige sich eine frühe Form christlicher „Gnosis“, wird im Allgemeinen verneint, aber „weisheitliche“ Tendenzen sind deutlich erkennbar (1,18-31; 2,1-16). Kontrovers diskutiert wird die Frage, welche Vorstellung hinter der in Korinth ausgesprochenen Ablehnung der Hoffnung auf die Auferstehung der Toten (1 Kor 15,12) steht: Möglich ist, dass die Erwartung der Auferstehung als „unvernünftig“ angesehen wird; die in 15,12 zitierte Aussage könnte aber im Gegenteil auch „enthusiastisch“ gemeint gewesen sein in dem Sinne, die Glaubenden seien „bereits auferstanden“ (vgl. 2 Tim 2,18).
Literatur:
- Hans Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther (KEK V), Göttingen 21981.
- Eva Ebel, Die Attraktivität früher christlicher Gemeinden. Die Gemeinde von Korinth im Spiegel griechisch-römíscher Vereine (WUNT II/178), Tübingen 2004.
- Andreas Lindemann, Der Erste Korintherbrief (HNT 9/I), Tübingen 2000.
- Margaret M. Mitchell, Art. Korintherbriefe, RGG4 Band 4, Tübingen 2001, Sp. 1688–1694.
- Dieter Zeller, Der erste Brief an die Korinther (KEK V), Göttingen 2009.
A) Exegese kompakt: 1. Korinther 15,50-58
Übersetzung
50 Das aber sage ich, Brüder: Fleisch und Blut vermag das Reich Gottes nicht zu erben, auch erbt das Verwesliche nicht die Unverweslichkeit.
51 Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden;
52 und das im Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Trompete; denn es wird die Trompete erschallen und die Toten werden auferstehen als Unverwesliche, und wir werden verwandelt werden.
53 Denn dieses Verwesliche muss anziehen Unverweslichkeit, und dieses Sterbliche muss anziehen Unsterblichkeit.
54 Wenn aber dieses Verwesliche anziehen wird Unverweslichkeit und dieses Sterbliche anziehen wird Unsterblichkeit, dann wird das Wort erfüllt werden, das geschrieben steht: „Der Tod ist verschlungen in den Sieg.
55 Wo ist, Tod, dein Sieg? Wo ist, Tod, dein Stachel?“
56 Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Macht aber der Sünde ist das Gesetz.
57 Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!
58 Darum, meine geliebten Brüder, seid fest und unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn allenthalben, wissend, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist im Herrn
1. Fragen und Hilfen zur Übersetzung
V. 50.57: Das pluralische ἀδελφοί, zumal in der brieflichen Anrede, ist generisches Maskulinum und bezieht sich auf Frauen und Männer in der Gemeinde (in 1 Kor 7,15; 9,5 differenziert Paulus aus sachlichen Gründen).
V. 52: σάλπιγξ ist nicht die Posaune, sondern die (Signal-)Trompete (vgl. 14,8)
2. Kontext
Das umfangreiche Kap. 15 beginnt im Anschluss an 14,40 übergangslos: Paulus erinnert die Adressaten daran, dass sie die von ihm verkündigte Botschaft (τὸ εὐαγγέλιον) von Tod und Auferstehung Christi (15,3b-5) im Glauben angenommen haben. Angesichts dessen ist es ihm unverständlich, dass „einige“ in Korinth sagen, eine Auferstehung der Toten gebe es nicht (V. 12). Paulus verweist auf den Widerspruch dieser These zu dem anerkannten Bekenntnis (V. 12–19), dazu entwirft er eine Skizze des Endzeitgeschehens (V. 20–28). Nach einigen „aktuellen“ Zwischenüberlegungen (V. 29–34) nennt er in V. 35 einen fiktiven Gesprächspartner, der die Frage stellen könnte: „Wie werden die Toten auferstehen, in welchem Leib kommen sie?“ So zu fragen sei närrisch, denn es gelte doch die Erfahrung: „Was du säst wird nicht lebendig, wenn es nicht stirbt“ (V. 36). Unter Verwendung unterschiedlicher Bilder erklärt Paulus eindringlich, dass bei der Auferstehung der Toten alle Menschen von Gott einen neuen Leib erhalten werden (V. 37-49).
3. Schwerpunkte der Interpretation
Diesen Argumentationgang fasst Paulus in V. 50 zusammen, indem er sehr betont schreibt (τοῦτο δέ φημι, ἀδελφοί): Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben, und das Vergängliche erbt nicht die Unvergänglichkeit. Dieser Satz, beinahe eine Antwort auf V. 35, bereitete der Alten Kirche, zumal angesichts der in der Auseinandersetzung mit der Gnosis im Bekenntnis explizit ausgesprochenen Erwartung der resurrectio carnis, erhebliche Probleme; die gegenwärtig gültige Formulierung „Auferstehung der Toten“ entspricht der paulinischen Position.
In V. 51 offenbart Paulus den Adressaten ein Geheimnis (μυστήριον, mysterium); daraus geht indirekt hervor, dass er dieses Ereignis als nahe bevorstehend ansieht, aber er sagt nichts über den verbleibenden Zeitraum (ähnlich das „Naherwartungs-Logion“ in Mk 9,1). Dann werden alle Menschen „verwandelt“ werden, entsprechend dem in V. 35-49 Gesagten.
In V. 52a betont Paulus, dass die Verwandlung nicht prozesshaft geschieht, sondern „in einem Augenblick“; das Bild von der „letzten Trompete“ könnte auf mehrere Trompetenstöße verweisen, aber es wird nicht anders als in 1 Thess 4,16 nur ein Signalton erwartet.
Aus V. 52b geht hervor, dass die Auferweckung der Toten und die Verwandlung der Lebenden gleichzeitig geschehen.
In V. 53 betont Paulus, dass dies geschehen muss (δεῖ verweist auf Gottes Entscheidung), er wiederholt das nahezu wörtlich in V. 54a. Das Bild vom „Anziehen der Unsterblichkeit“ bezeichnet nicht ein „Überkleidet-Werden“, sondern einen Wechsel der Identität. Dann (τότε) wird die in der Schrift verheißene Niederlage des Todes verwirklicht sein (V. 54b.55).
V. 54b erinnert an Jes 25,8 aus der „Jesaja-Apokalypse
In V. 56 gibt Paulus dazu einen auf die Gegenwart bezogenen exegetischen Kommentar: Gegenwärtig übt der Tod seine Macht aus durch die Sünde, die den Menschen von Gott trennt (vgl. Röm 6,23), die Sünde ihrerseits gewinnt ihre Macht aus dem Gesetz, das dem Menschen fälschlich das Leben verheißt (vgl. Röm 7,7–13). Von der Beziehung der Sünde zum Gesetz ist im 1 Kor sonst nicht die Rede; es wird deshalb gelegentlich erwogen, V. 56 sei eine später eingefügte „Glosse“; aber es ist nicht ungewöhnlich, dass Paulus von ihm zitierte Schriftworte im Sinne seiner Theologie auslegt.
Nach einem christologisch vermittelten Dank an Gott (V. 57) leitet Paulus in V. 58 aus seiner Argumentation einen paränetischen Schlussgedanken ab, der die Gegenwart der Adressaten bestimmen soll. Die endzeitliche Zukunftshoffnung hat konkrete Folgen für das gegenwärtige Leben.
B) Praktisch-theologische Resonanzen
1. Persönliche Resonanzen
Es geht um die Behauptung einer starken These (bzw. um den Widerspruch gegenüber denen, die sie verneinen): Die Toten werden auferstehen, Der Predigttext und sein größerer Zusammenhang, das überlange Kapitel 1 Kor 15, sind nur unter dieser Prämisse richtig verständlich.
Die Art und Weise der Auferstehung ist dabei als Disruption gedacht – die Wirklichkeit Gottes bringt einen neuen Leib mit sich; einen Identitätswechsel. Dabei soll auch der Tod, die stärkste Herausforderung der menschlichen Existenz, vernichtet werden. Paulus schließt hier an den Gedanken der alttestamentlichen Prophetie an, dass die Todeserfahrung angesichts von Gottes Macht irgendwo ein Ende finden muss. Dabei sagt Paulus nichts über den genauen Zeitpunkt, zu dem die Auferstehung bzw. die Verwandlung der toten und lebenden Menschen zu erwarten ist.
Die Hoffnung auf Auferstehung hat konkrete Folgen für die Art und Weise christlichen Lebens in dieser Welt.
2. Theologische Aktualisierung
Der Text steht im Zusammenhang einer Argumentation, die sich gegen die Leugnung der Auferstehung wendet (V. 12). Sein Ziel ist, die Zuhörenden darin zu bestärken, dass sie am Bekenntnis „festhalten“. Christinnen und Christen sollen und können sich durch Beharrlichkeit und Frustrationstoleranz auszeichnen. Dies ist die ethische Grundbotschaft.
Der inhaltliche Kern der Glaubensüberzeugung, die in der Predigt zu entfalten ist, ist anspruchsvoll. Wie gelingt es der Predigerin bzw. dem Prediger, nachvollziehbare Bilder von „Auferstehung“ zu finden? Paulus selbst zeigt skizzenhaft, wie Auferstehung vorstellbar sein kann (1Kor 15, 20-28). Doch ist klar, dass die Wirklichkeit der Auferstehung trotzdem kaum aussagefähig wird. Menschliche Imagination findet eine Grenze daran, wie der „neue Leib“ (1Kor 15, 37-49) aussieht und wie er sich anfühlt. Für Predigende besteht die Herausforderung wohl zuallererst darin, die Sehnsucht nach einem solchen neuen Leib plausibel zu machen.
Noch weniger wird die Predigt davon ausgehen können, dass Zuhörende mit dem Gedanken der (laut Paulus nah bevorstehenden) „Verwandlung“ etwas anfangen können. Das Bild des „Anziehens“ ist eher irreführend. Es geht um einen Identitätswechsel; dieser ist gleichzeitig das Ergebnis eines Kampfes auf Leben und Tod. „Sünde“ und „Gesetz“ werden hier en passant als die Kampfmittel der Todessphäre angesprochen. Die homiletische Entscheidung kann – gut nachvollziehbar – lauten, den hier eigentlich notwendigen soteriologischen Hintergrund in der Predigt nicht aufzurufen. Wichtiger sind zwei Hinweise: Menschliches Leben schließt immer auch die Erfahrung der Todeswirklichkeit ein. Jesus Christus der Auferstandene hat die Konfrontation mit dieser negativen Wirklichkeit bis ins Letzte seiner menschlichen Existenz erfahren und ausgehalten. Und: Die Hoffnung, die auf Jesu Auferstehung gründet, hat nicht nur „Folgen für das Leben“ (A. Lindemann); sie ist auch der (einzige) Weg zum Leben.
Die christliche Auferstehungshoffnung ist immer auch von Enttäuschungen und Rückschlägen begleitet. Das „Geheimnis“ der Naherwartung hat sich offenbar nicht in der Weise kundgegeben, wie Paulus das zum Zeitpunkt der Niederschrift des Briefs vorausgesehen hat. Hier ist ggf. Platz für Sachkritik am Text, die in der Predigt einen legitimen Platz haben kann. Das Trompetensignal steht symbolhaft dafür, dass die Auferstehung die Kontinuität der Lebens-zusammenhänge durchbricht. Die Vorstellung des Identitätswechsels ist eine Zumutung für die Vorstellungskraft. Andererseits ist einem aufgeklärten Bewusstsein nur schwer vermittelbar, wie eine Weiterexistenz des Menschen über die Barriere des physischen Todes hinaus zu denken ist. Unsere Hoffnung kann sich an Gottes Schöpferkraft festmachen: Sie wird ermöglichen, dass Menschen künftig in Gottes unmittelbarer Präsenz auf ganz neue Weise leben können. Im Umkehrschluss lautet die mit Ostern verbundene Hoffnung: Dann, am Ende der Zeit, werden der Tod und damit die Endlichkeit des Lebens zunichte.
3. Bezug zum Kirchenjahr
Der Ostermontag bzw. Zweite Osterfeiertag lenkt die Aufmerksamkeit darauf, dass Ostern weitergeht. Die Auferstehung Jesu Christi ist kein punktuelles Geschehen. Menschen brauchen Zeit und eine persönliche Beziehung zum Auferstandenen, um die Bedeutung der Auferstehung und die mit ihr verbundene Hoffnung zu verstehen. Das alte wie das neue Wochenlied (EG 100 bzw. EG 116), ebenso der Wochenpsalm (Ps 118,14-24) bringen Freude und Befreiung von der Todesangst als Folge der Auferstehung zum Ausdruck. Der Wochenspruch (Offb 1,18) stellt Jesus Christus als den endgültigen Überwinder der Todeswirklichkeit in den Mittelpunkt.
Der Predigttext 1Kor 15,50-58 ist gleichzeitig die Epistel, für regelmäßige Gottesdienstbesuchende also deutlich mit dem Ostermontag verbunden. Oft wird das Evangelium – die Emmausgeschichte (Lk 24,13-35) – allerdings den Gottesdienst dominieren. Es ist möglich, die ikonische Szene des Brotbrechens in Emmaus in der Predigt als einen Moment zu erzählen, in dem beispielhaft die wirklichkeitsdurchbrechende Kraft der Auferstehung Christi erlebbar wurde. Hieraus lassen sich womöglich weitere solche Hoffnungsszenen entwickeln, die für die Zuhörenden lebensweltlich nachvollziehbar sind.
Autoren
- Prof. i.R. Dr. Andreas Lindemann (Einführung und Exegese)
- Dr. Johannes Wischmeyer (Praktisch-theologische Resonanzen)
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