Einführung: Die Psalmen
Das Wort »Psalmen« geht auf das Griechische zurück und bezeichnet Lieder, die zur Musik eines Saiteninstruments gesungen werden. Die Sammlung der Psalmen umfasst 150 Lieder und ist in der Hebräischen Bibel mit »Buch der Lobgesänge« überschrieben. Nach dem Vorbild der fünf Bücher Mose werden die Psalmen in fünf Bücher eingeteilt. Jedes Buch schließt mit einem besonders klangvollen Lobpreis, mit einem »Amen« oder »Halleluja« (41,14; 72,18-19; 89,53; 106,48; 150,6).
Bis heute gehören die Psalmen untrennbar zur Gebetstradition des Judentums und Christentums. Die Lieder und Gebete sind in einem Zeitraum von etwa 500 Jahren entstanden und wurden immer wieder neu gesungen und gebetet. Alte Psalmen wurden erweitert und neue Dichtungen kamen hinzu. Das heutige Buch wurde aus einer Reihe von älteren Texten zusammengestellt. Es enthält Lieder für den Gottesdienst und Gebete von Einzelnen, die einen tiefen Einblick in das persönliche Gespräch zwischen Mensch und Gott geben.
Den meisten Psalmen sind zusätzliche Angaben beigegeben, die am Anfang der einzelnen Lieder stehen und in der BasisBibel in Großbuchstaben wiedergegeben werden. Auch wenn sie sich heute nicht immer ganz sicher deuten lassen, geben sie doch Anhaltspunkte für die ursprüngliche Verwendung dieser Psalmen. Zu den Angaben gehören Liedbezeichnungen wie Psalm, Klagelied, Gebet, Liebeslied oder Lied für die Pilgerreise. Daneben begegnen Melodieangaben, die wahrscheinlich nach Liedanfängen benannt wurden wie »Hirschkuh der Morgenröte« (22,1) oder »Lotusblüten« (45,1). Bei manchen Psalmen stehen auch Situationsangaben, die die Lieder einer bestimmten geschichtlichen Situation zuordnen. Sie beziehen sich auf Erzählungen über David wie in Psalm 3,1: »Als er vor seinem Sohn Abschalom fliehen musste« (vgl. 2. Samuel 15). Eine große Zahl von Psalmen ist bestimmten Personen oder Personengruppen zugeordnet: David, Asaf, Salomo, Mose oder den Korachitern. Die genannten Personen sind zunächst als Beter oder Sänger dieser Psalmen gedacht. So wird etwa David durch die ihm zugeordneten Psalmen als vorbildlicher Beter dargestellt, der sich in Situationen der Not und Bedrängnis an Gott wendet, diese Gebete gesprochen und Gottes Hilfe erfahren hat. Später wurden die Personenangaben auch im Sinne einer Verfasserangabe gedeutet. Man kann deshalb den Vermerk am Anfang der Psalmen in zweifacher Weise verstehen: »von David gebetet« und »von David gedichtet«.
Die Zuordnung zu bestimmten Personen und Personengruppen gibt einen Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Psalmen. So lassen sich mehrere Teilsammlungen erkennen: Davidpsalmen (3–41; 51–72), Korachpsalmen (42–49; 84–85; 87–88) und Asafpsalmen (50; 73–83). Asaf und Korach gehören zu den Tempelsängern, die in Jerusalem ihren Dienst taten (vgl. 1. Chronik 6,24; 2. Chronik 20,19). Im hinteren Teil der Psalmen finden sich weitere Gruppen wie eine Liedersammlung für die Pilgerreise (120–134) oder das sogenannte große und kleine Gotteslob (111–118; 146–150).
Unter den Kunstformen ist besonders der alphabetische Psalm zu nennen. Hier beginnt jede Zeile, jeder Vers oder Abschnitt mit einem Buchstaben in der Reihenfolge des hebräischen Alphabets (Psalm 25; 34; 37; 111; 112; 119; 145). Das dient nicht nur dem leichteren Auswendiglernen, sondern erweckt auch den Eindruck von Vollkommenheit und Fülle. Besonders eindrucksvoll ist der alphabetische Psalm 119. Dieser längste Psalm besteht aus 22 Strophen, jede Strophe umfasst acht Verse, die mit demselben Buchstaben beginnen. In immer neuen Anläufen verweist der Dichter auf die Bedeutung von Gottes Wort als praktischer Lebenshilfe. Die zahlreichen Variationen, die für den Begriff »Gottes Wort« gefunden werden, lassen an einen Gebetstext für die Meditation denken.
Die Psalmen bringen viele Themen der Heiligen Schrift zur Sprache und bilden als Sammlung selbst schon so etwas wie eine kleine Bibel. Es geht um Vertrauen auf Gott (23; 37; 62; 131), Freude an seinem Wort (1; 119), Vergebung von Schuld (32; 38; 51; 130), Krankheit und Heilung (6; 30; 32; 38; 88; 102; 103), Vergänglichkeit und Tod (39; 49; 73; 90). Andere Psalmen weiten den Blick und besingen die Schöpfung (8; 104), die Königsherrschaft Gottes (47; 93; 96–99), den Zion als Ort der Gegenwart Gottes (46; 48; 76; 84; 87) oder den von Gott erwählten König (2; 72; 89; 110). Manche Psalmen befassen sich auch mit der Geschichte Israels (77; 78; 105; 106) und besonders mit der Zerstörung Jerusalems sowie der Zeit der Verbannung nach Babylonien (74; 79; 126; 137).
Die Sammlung der Psalmen ist planvoll angeordnet. Man kann sie als ein Gebäude verstehen, in das man beim Lesen eintritt. Dort ist man eingeladen, Gott zu suchen und zu befragen, ihn zu bitten, zu loben und ihm zu danken. Der Lobgesang erweist sich am Ende als die angemessene Antwort auf Gottes Fürsorge und Leitung (150,6).
Im Neuen Testament finden sich viele Zitate aus den Psalmen. Nach den Evangelien hat Jesus am Kreuz mit Worten aus Psalm 22 gebetet (Matthäus 27,46; Markus 15,34). Psalm 110 wird als Hinweis gelesen, dass Jesus von Gott gesandt wurde und jetzt zur rechten Seite Gottes sitzt (Apostelgeschichte 2,34). Zu den Kernstücken des Glaubens gehört nicht zuletzt Psalm 23, der in ausdrucksstarken Bildern das unerschütterliche Gottvertrauen zur Sprache bringt.