Deutsche Bibelgesellschaft

Die Kernstellen

Die fettgedruckten Verse innerhalb des Bibeltextes – die sogenannten Kernstellen – sind eine Besonderheit der Lutherbibel und haben eine lange Tradition: Schon Martin Luther hat Aussagen hervorgehoben, die aus seiner Sicht zentral für das Verständnis der Bibel sind.

Die Kernstellen der Lutherbibel

Wer in der Lutherbibel blättert, dem wird sehr schnell eine ihrer Besonderheiten ins Auge fallen: die fettgedruckten Verse innerhalb des Bibeltextes. Diese Kernstellen oder Merkverse, wie sie manchmal auch genannt werden, haben in der Lutherbibel eine lange Tradition. Und sie gehören bis heute als unverzichtbarer Bestandteil zum Text hinzu.

Die Idee, einzelne Stellen hervorzuheben, geht auf Martin Luther selbst zurück. Er markierte in seiner Übersetzung zunächst einzelne Worte und später mehr und mehr auch ganze Sätze und Verse durch Großbuchstaben. Bei den so gekennzeichneten Stellen handelt es sich um Aussagen, die aus Luthers Sicht zentral für das Verständnis der Bibel sind. Er wollte den Lesern auf diese Weise eine Anleitung fürs Bibellesen mit auf den Weg geben. So findet sich z. B. eine der ersten Kernstellen der Lutherbibel in der Erzählung von der Verklärung Jesu: Eine Stimme aus den Wolken bezeichnet Jesus als Sohn Gottes und ermahnt die Jünger mit den Worten: „den sollt ihr hören“ (Markus 9,7; vgl. Abbildung 1 in der Bildergalerie). Die Worte: „den sollt ihr hören“, sind – das soll die Hervorhebung deutlich machen – nicht nur an die Jünger damals gerichtet, sondern auch an jeden, der heute in der Bibel liest. Außerdem sollen die Bibeltexte auf das hin befragt werden, was sie über Christus sagen. Im Nachwort zur letzten Bibelausgabe zu Luthers Lebzeiten aus dem Jahr 1545 heißt es, dass „erstlich von Anfang der Bibel bis ans Ende die vornehmsten Sprüche, darin Christus verheißen ist und [die] im Neuen Testament [her]angezogen werden, mit großer Schrift gedruckt sind, dass sie der Leser leicht und bald finden könne.“

Im Laufe der Jahrhunderte hat sich der Bestand der Kernstellen stark verändert. Bei den verschiedenen Bibeldrucken und später bei den Revisionen wurde immer wieder danach gefragt, welche Stellen in der jeweiligen Zeit eine zentrale Rolle spielen bzw. spielen sollten. Zeitgeschichtliche Ereignisse haben sich auf diese Weise ebenso auf die Kernstellen ausgewirkt wie theologiegeschichtliche Entwicklungen. So ist beispielsweise eine gewisse Tendenz zur Moralisierung in den Kernstellen erkennbar: Vor allem durch den Pietismus hat sich die Zahl der Kernstellen, die auf das ethische Handeln des Menschen abzielen, deutlich erhöht. Dass die Beurteilung von bestimmten biblischen Aussagen nicht unumstritten war, zeigt sich beispielsweise an der wechselnden Behandlung der Stelle Römer 13,1 („Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet“). Für Luther selbst hatte sie ursprünglich nicht den Status einer Kernstelle. In der Lutherbibel von 1912 wurde dieser Vers als Kernstelle markiert, im Neuen Testament von 1975 hat man die Kernstelle wieder aufgehoben, bevor sie 1984 erneut in die Reihe der Kernstellen aufgenommen wurde.

Im Rahmen der letzten kirchenamtlichen Revision der Lutherbibel von 2017 wurden alle Kernstellen erneut einer kritischen Überprüfung unterzogen. Ein Teil der Kernstellen wurde aufgehoben. Dazu gehören einige derjenigen, die einen stark moralisierenden Charakter haben wie z. B. Jeremia 7,3 („Bessert euer Leben und euer Tun, so will ich bei euch wohnen an diesem Ort.“). Auch in Römer 13,1 wurde die Hervorhebung nun wieder entfernt. Aussagen zur Rechtfertigung aus Glauben, die aus reformatorischer Sicht ja eine besondere Bedeutung haben, wurden dagegen neu als Kernstellen aufgenommen. Hierfür ist Römer 10,9 als Beispiel zu nennen („Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und glaubst in deinem Herzen, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.“). Ein weiteres Beispiel für eine neu gesetzte Kernstelle ist das bekannte Wort „Schwerter zu Pflugscharen“ (Jesaja 2,4 und Micha 4,3). Durch die Friedensbewegungen des 20. Jahrhunderts sind diese beiden Bibelstellen vielen Menschen wichtig geworden. Die Anzahl der Kernstellen innerhalb der Lutherbibel ist durch die Revision 2017 insgesamt etwas gesunken: von 1122 Versen bzw. Versteilen, die in der Lutherbibel von 1984 als Kernstellen markiert waren, auf 1082 Verse. Gut 3 % aller Bibelverse sind damit noch Kernstellen.
Eine vollständige Liste aller Kernstellen der Lutherbibel 2017 steht unten auf dieser Seite als Download bereit.

Abbildung 1: Eine der ersten Kernstellen der Lutherbibel in der Erzählung von der Verklärung Jesu: Eine Stimme aus den Wolken bezeichnet Jesus als Sohn Gottes und ermahnt die Jünger mit den Worten: »den sollt ihr hören« (Markus 9,7)

Abbildung 2: Die Kernstellen sollen dazu einladen, auch längere Texte am Stück zu lesen, und eben nicht nur von Kernstelle zu Kernstelle zu springen. Im Vergleich zur Lutherbibel von 1984 sind sie daher bewusst etwas dezenter gehalten.

Nicht nur bei der Revision, sondern auch bei der Innengestaltung der Lutherbibel 2017 wurde besonderes Augenmerk auf die Kernstellen gelegt. Die richtige Schriftstärke für die Hervorhebungen zu treffen, war hierbei die größte Herausforderung. Denn einerseits sollen die Kernstellen auch weiterhin gut zu finden sein, anderseits sollen sie nicht so deutlich herausstechen, dass der Kontext ihnen gegenüber verblasst und unwichtig erscheint. Die Kernstellen sollen dazu einladen, auch längere Texte am Stück zu lesen und eben nicht nur von Kernstelle zu Kernstelle zu springen. Im Vergleich zur Lutherbibel von 1984 sind sie daher bewusst etwas dezenter gehalten (vgl. Abbildung 2 in der Bildergalerie).

Literatur

  • Hartmut Hövelmann, Kernstellen der Lutherbibel. Eine Anleitung zum Schriftverständnis (Texte und Arbeiten zur Bibel 5), Bielefeld 1989.
  • Hartmut Hövelmann, Die Markierung der Kernstellen in der Lutherbibel. Ihre Entstehung, ihre Entwicklung, ihre Problematik, in: Siegfried Meurer (Hg.), „Was Christum treibet“. Martin Luther und seine Bibelübersetzung (Bibel im Gespräch 4), Stuttgart 1996, S. 70–88.
  • Jürgen-Peter Lesch, Kernstellen zwischen Christologie und Moral, in: Hannelore Jahr/Christoph Kähler/Jürgen-Peter Lesch (Hg.), Die Revision der Lutherbibel 2017. Hintergründe – Kontroversen – Entscheidungen, Stuttgart 2019, S. 169–176.

Deutsche Bibelgesellschaftv.4.26.9
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