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Die Septuaginta - Entstehung, Eigenständigkeit und Gebrauch

Die Entstehung der Septuaginta

Seit dem 3. Jahrhundert vor Christus werden im hellenistischen Judentum einzelne Schriften Israels aus dem Hebräischen ins Griechische übersetzt, zuerst der Pentateuch. Ab Mitte des 2. Jahrhunderts v.Chr. umfasst diese Übersetzung die meisten der für die Religion Israels grundlegenden Schriftwerke (Pentateuch, Propheten, erste Weisheitsschriften, soweit letztere nicht von vornherein auf Griechisch entstanden; vgl. den Prolog des Sirachbuches). An einzelnen Schriftkomplexen wird bis in die neutestamentliche Zeit weitergearbeitet, so namentlich an den Psalmen. Noch bevor die Übersetzung aller heute in der Septuaginta enthaltenen Schriften zum Abschluss kommt, entstehen Sammlungen – zunächst vermutlich in durchaus verschiedener Gestalt –, die schon bald bei hellenistischen Juden den Rang heiliger Schriften erhalten. Eine Entstehungslegende (uns überkommen durch den Aristeasbrief), in der die von Gott bestimmte Zahl von 70 (lateinisch: Septuaginta) Übersetzern des Pentateuchs genannt wird, untermauert diese Entwicklung. Die Zahl wächst später als Inscriptio dem Gesamtwerk zu und prägt dessen Namen.

Die Septuaginta ist also eine Sammlung gewachsener Übersetzungen und Schriften. Ihr Abschluss wird irgendwann vorausgesetzt, aber nie wirklich festgelegt. Erst bei Origenes lässt sich von einer einigermaßen klaren Fixierung sprechen. Doch auch sie ändert nichts daran, dass ein offener Rand bleibt, sogar bis ins 20. Jahrhundert hinein. Im Bereich der kleineren Schriften nehmen einzelne Handschriften nicht nur die großen Weisheitstexte des 3. bis 1. Jahrhundert vor Christus oder nach Christus auf (besonders Sirach und Sapientia Salomonis), sondern auch die Psalmen Salomos.


Die Eigenständigkeit der Septuaginta

Obwohl allmählich gewachsen, ist die Septuaginta nicht einfach von dem uns bekannten hebräischen Bestand der heiligen Schriften abhängig. Denn auch der Bestand der hebräischen Schriften verfestigt sich erst im 3./2. Jahrhundert v.Chr., jenseits des Pentateuch und der Propheten sogar noch später. Die Gestaltfindung der hebräischen Bibel und der Septuaginta verlaufen daher in einem komplizierten Nebeneinander. Wie sich aus dem Vergleich griechischer und hebräischer Textrezensionen ergibt, basiert die Septuaginta auf einem eigenständigen, teilweise sogar älteren hebräischen Text als dem, der später im Judentum kanonische Gültigkeit erreicht hat. Aufgrund der Qumranfunde ist für manche der biblischen Bücher inzwischen das hebräische Äquivalent der in der Septuaginta vorliegenden, vom Masoretischen Text abweichenden Textgestalt bekannt. Andererseits belegen die griechischen Rollen vom Toten Meer, dass noch vor der Zeitenwende eine erste Revisionsarbeit an den vorliegenden griechischen Übersetzungen einsetzt: Man beginnt, den Septuaginta-Text dem nunmehrigen hebräischen Text anzugleichen.


Der Gebrauch der Septuaginta

Über das hellenistische Judentum geht der Bestand der Septuaginta im 1. Jahrhundert n.Chr. ins hellenistische Judenchristentum über. Die Autoren des Neuen Testaments fußen in ihrer Aufnahme alttestamentlicher Belege – selbst wenn sie, wie etwa Paulus oder Johannes, den hebräischen Text vermutlich kannten – mehr auf der Septuaginta als auf dem hebräischen (und aramäischen) Text. Bei der Interpretation neutestamentlicher Aussagen spielt die griechische Textgestalt des Alten Testaments deshalb eine entscheidende Rolle.

Im Zuge des Auseinandergehens der Wege von Christentum und Judentum wird die Septuaginta immer eindeutiger zur Heiligen Schrift der Kirche. Zwar versuchen im 2. Jahrhundert noch einmal Übersetzer (Aquila, Theodotion), eine griechische Übersetzung für das Judentum zu schaffen. Doch je länger je mehr lehnt das rabbinische Judentum eine griechische Übersetzung der Tora grundsätzlich ab. In der Kirche kennen dagegen nur noch wenige Gelehrte den hebräischen Text aus eigener Lektüre (Origenes, Hieronymus); im Gebrauch der (westlichen) Kirchen spielt er keine Rolle mehr. Erst die Humanisten des frühen 16. Jahrhundert haben ihn für das westliche Christentum – vor allem die Kirchen der Reformation – wiederentdeckt. Für das orientalische und byzantinische Christentum bleibt die Septuaginta die verbindliche Textgestalt des Alten Testaments.

Für das Neue Testament kommt jedenfalls der Septuaginta als der Sammlung der heiligen Schriften mindestens der gleiche Stellenwert wie dem hebräischen Text zu. Denn für die griechisch-sprechenden Christinnen und Christen der ersten Stunde war die Septuaginta die Heilige Schrift. Erst mit der Festlegung des neutestamentlichen Kanons wurde die Unterscheidung zwischen Altem und Neuem Testament eingeführt.  

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