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Bibelübersetzung mit Technik und Teamwork

Düstere Schreibstuben, in denen sich verstaubte Folianten stapeln, weltabgewandte Einsiedler, die Atmosphäre vergeistigter Gelehrsamkeit – Vorstellungen wie diese über die Arbeit eines Bibelübersetzers sind weit verbreitet. Die Realität sieht ganz anders aus. Längst haben auch hier wissenschaftliche Methoden und Computertechnologie Einzug gehalten.

Der Übersetzer am Computer

Bei einer Konferenz in den USA präsentierte der Weltbund der Bibelgesellschaften die jüngste Version seiner Übersetzungs-Software »Paratext 6«. Das leistungsstarke Programm ermöglicht es, mehrere verschiedene Bibeltexte parallel zueinander auf einem einzigen Bildschirm darzustellen, auch in Sprachen mit nicht-lateinischem Alphabet wie Griechisch, Arabisch oder Hebräisch. Zudem kann über »Paratext 6« auf digitale Wörterbücher und Konkordanzen zugegriffen werden. »Die moderne Technik beschleunigt den Übersetzungsvorgang nicht unbedingt, aber sie verbessert die Qualität der Ergebnisse«, weiß Phil Noss, der als Übersetzungs-Koordinator für den Weltbund tätig war. »Der Computer erleichtert die Revision und Korrektur von Texten erheblich. Früher mussten Bibelmanuskripte oft bis zu fünf Mal mit der mechanischen Schreibmaschine abgetippt werden.«

Bibelübersetzung als Teamwork

An einer Bibelübersetzung ist stets ein Team von erfahrenen Experten aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen beteiligt. Linguistische und theologische Kompetenzen sind dabei ebenso gefragt wie Kenntnisse in Soziologie und Völkerkunde. Die beauftragen Fachleute stammen in der Regel selbst aus den jeweiligen Ländern, denn nur sie sind mit der Sprache und Kultur ausreichend vertraut.

Viele Projekte werden außerdem von Beratern des Weltbundes der Bibelgesellschaften unterstützt. Sie gewährleisten, dass Übersetzungen dem weltweiten Standard entsprechen. Für die Bibelgesellschaften gilt: Eine Übersetzung muss verständlich sein, sich am heutigen Sprachgebrauch orientieren und zugleich die biblische Botschaft unverfälscht wiedergeben.

Die Phasen eines Übersetzungsprojektes

Bevor auch nur ein einziges Wort übersetzt wird, müssen oft erst umfangreiche linguistische Vorarbeiten geleistet werden: Für Sprachen, die bisher nur mündlich weitergegeben worden sind, gilt es ein Alphabet und eine Orthographie zu schaffen.

Sind diese Vorarbeiten abgeschlossen, erfolgt die eigentliche Übersetzung. Wie viel Zeit diese in Anspruch nimmt, kann von Fall zu Fall sehr unterschiedlich sein. So erstreckten sich die Arbeiten für das 2001 veröffentlichte Neue Testament in der Sprache der kanadischen Cree-Indianer über einen Zeitraum von 25 Jahren, während in Malawi das Neue Testament auf Chisena in der Rekordzeit von nur fünf Jahren zustande kam.

Auf der Suche nach dem passenden Wort

Ein Bibelübersetzer verglich einmal seine Tätigkeit mit der eines Fährmannes: Wie dieser setze er mit einer Ladung – dem biblischen Text – von einem Ufer zum anderen über. Das Ufer, von dem seine Ladung stamme, sei die Welt jener Menschen, die vor 2.000 Jahren und mehr die Bibel niedergeschrieben hätten. Das andere Ufer sei die Welt der Menschen heute. Der Fluss dazwischen stehe für die Schwierigkeiten, mit denen er als Übersetzer zu kämpfen habe.

Was für jedes literarische Werk gilt, trifft noch mehr für die Bibel zu: Sie lässt sich nicht einfach wörtlich von einer Sprache in die andere übertragen, sondern muss vielmehr in einen neuen Kulturkreis mit ganz eigenen Denkweisen, Voraussetzungen und sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten hineingenommen werden. So sind zum Beispiel Weinberge, Wein und Reben den Menschen in Westafrika völlig unbekannt. Wie nun kann ihnen die Bedeutung dieser aus dem antiken Israel stammenden, für das Verständnis der Bibel so wichtigen Begriffe vermittelt werden?

Der Übersetzer steht oft vor der Aufgabe, Bezeichnungen für zentrale biblische Sachverhalte zu finden, für die es in einer Sprache einfach keine Wörter gibt. Das Ringen um die passende Formulierung kann langwierig sein und zu Ergebnissen führen, die für unsere Ohren ungewöhnlich und mitunter poetisch klingen, die aber die biblische Aussage treffend wiedergeben: »Tröster«, bezogen auf den Heiligen Geist, wird in der Sprache des zentralafrikanischen Karré-Volkes umschrieben als »der, der neben uns niederfällt«. Vor dem kulturellen Hintergrund der Karrés wird diese Übersetzung verständlich. Lastenträger, die krank und erschöpft am Wegesrand liegen bleiben, werden nachts von wilden Tieren gefressen, wenn nicht einer aus dem Dorf kommt, der sich zu ihnen herunterbeugt - neben ihnen niederfällt - und ihnen hilft.

Nicht selten ist die Bibel das erste und einzige schriftliche Dokument einer Sprache. Eine Bibelübersetzung kann somit einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Identität einer Volksgruppe und zum Überleben von Minderheitensprachen leisten. Das bedeutet aber auch, dass nach Fertigstellung der Übersetzung Alphabetisierungskurse angeboten werden müssen, damit die Menschen Gottes Wort lesen können.

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