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Wie und warum lesen Kinder die Bibel?

Können schon Kinder etwas mit der Bibel anfangen? Wie lesen sie dieses große, alte Buch? Und vor allem: Warum? Diese Fragen haben Eva Mündlein, Redakteurin des Bibelreports der Deutschen Bibelgesellschaft, bei Ihrer Recherche für eine Sonderausgabe der Zeitschrit zum Thema "Kinder und Bibel" beschäftigt. Die Bibel zählt üblicherweise nicht zur Kinder- und Jugendliteratur, sie ist selbst für viele Erwachsene eine Herausforderung. Bei einem Besuch im Bibelclub für Kinder der Kirchengemeinde Mähringen-Immenhausen hat sie Antworten gefunden.

Sich zu treffen, um gemeinsam in der Bibel zu lesen -das mag für Kinder altmodisch und langweilig klingen. Im Bibelclub in Mähringen-Immenhausen ist es keines von beidem. Neun Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren haben sich im Gemeindehaus eingefunden. Als Gast merke ich sofort: Die Kinder sind nicht etwa da, weil sie nichts Besseres zu tun haben. Sie lieben diese „Bibelstunde“ und die Gemeinschaft, die beim Lesen, Reden und Beten entsteht – und Spaß haben sie auch noch dabei. Das liegt auch an Reny, Marius und Marcel, die den Bibelclub mit viel Herzblut, Geduld und Einfühlungsvermögen leiten.

Als Kinder sind Marius (17) und Marcel (18) selbst hierhergekommen, um die Bibel zu lesen. „Was wir damals mitbekommen haben, das wollen wir nun weitergeben“, sagt Marcel, der die heutige Stunde vorbereitet hat. Es geht um Johannes 21,1-14, der Auferstandene am See von Tiberias. Bevor sie gemeinsam den Text lesen, fragt Marcel nach anderen Geschichten in der Bibel, die vom auferstandenen Jesus erzählen. Da sprudelt es nur so aus den Kindern heraus: Micha erinnert sich an die Emmaus-Geschichte, Hannes berichtet vom ungläubigen Thomas, Lea denkt an die Himmelfahrt und Jona fällt das Haus ein, in dem die Jünger versammelt sind. Diese Bibelkenntnis beeindruckt mich. „Besonders die Geschichten von Jesus sind für die Kinder wichtig“, erklärt Marius. „Aber auch manche Gestalten aus dem Alten Testament wie David, Mose oder Jona. Da kennen sie sich aus.“

Anfänge in der Kinderbibelwoche

Den Bibelclub gibt es seit ungefähr zehn Jahren – so genau kann sich keiner mehr an die Anfänge erinnern. Er ist erwachsen aus einer Kinderbibelwoche, während der die Kinder zum Bibellesen eingeladen wurden. Daraus entwickelte sich der nun wöchentlich stattfindende Bibelclub. Viele der Teilnehmer stammen aus Familien mit christlichem Hintergrund – man merkt es auch an den Vornamen. Doch es kommen auch Kinder hierher, bei denen die Bibel zu Hause keine große Rolle spielt. Es ist die Verbindung aus Bibellesen, Gemeinschaft, Spielen und Reden, die den Bibelclub für sie attraktiv macht. Wie ernsthaft sie bei der Sache sind, merke ich auch während des gemeinsamen Lesens. Wer noch nicht so gut lesen kann, wird von den anderen unterstützt. Für die beiden jüngsten Teilnehmerinnen, die Zwillingsschwestern Selina und Svenja, war die Runde eine große Motivation, schnell lesen zu lernen. „Mit der Bibel lesen zu lernen, das ist fast wie zu Luthers Zeiten“, meint Reny, der man anmerkt, wie wichtig es ihr ist, den Kindern das „Buch der Bücher“ nahezubringen.

Gegrilltes Brot und volle Netze

Als Luis den letzten Vers von Johannes 21 gelesen hat, entspinnt sich eine heftige Diskussion: Hat Jesus nur die Fische gegrillt oder auch das Brot? („Gegrilltes Brot schmeckt lecker!“) Und warum sind die Netze nicht gerissen, wo sie doch so voll waren? Micha kann das nicht verstehen. „Mensch, es ist doch ein Wunder!“, ruft Hannes. Kinder gehen anders an einen Bibeltext heran als Erwachsene – unbefangener, mit ganz anderen Fragen. Fragen, die uns Erwachsenen vielleicht als nebensächlich erscheinen. Ich finde das erfrischend. Zu Hause werde ich Johannes 21 noch einmal in Ruhe lesen. Und ich glaube, ich werde die Geschichte mit anderen Augen sehen als vorher. Vielleicht steigt mir beim Lesen sogar der Duft von gegrilltem Brot in die Nase.

Warum sie eigentlich so gern die Bibel läsen, frage ich zum Schluss in die Runde. Ob es denn nicht andere Bücher gebe, die interessanter seien? Nein, sagt Sarah entschieden, die Bibel sei für sie das interessanteste Buch. Weil es um Jesus und Gott gehe, ergänzt Selina und Svenja an ihrer Seite nickt. Emmy gefällt, dass die Bibel so vielfältig ist: „Es steckt so vieles drin, immer etwas Neues, es wird nie langweilig“. Lea berichtet, dass sie die Bibel abends im Bett lese, statt einer Gutenachtgeschichte. „Ich finde es toll, dass sie so schön dick ist“, sagt sie und lacht. „Die geht nicht so schnell zu Ende wie andere Bücher!“

Bibelclub für Kinder der Kirchengemeinde Mähringen-Immenhausen | Bildnachweis: Katrin Schäfer Fotografie

Das Bild oben im Header stammt aus der Geschichte „Esau und Jakob“ in der Ausgabe „Das große Bibelbilderbuch“, illustriert von Kees de Kort. [ISBN 978-3-438-04142-5]


Über die Autorin

Eva Mündlein, geboren 1975, studierte evangelische Theologie in Neuendettelsau, Tübingen, Leipzig und Neuchâtel (Schweiz).
2005 begann sie im Lektorat der Deutschen Bibelgesellschaft zu arbeiten. Seit 2011 ist sie verantwortliche Redakteurin des Bibelreports.

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