Warum lässt Gott den Menschen nicht in Ruhe?
1Sein ganzes Leben muss der Mensch sich quälen,
für große Mühe gibt’s geringen Lohn.
2Er gleicht dem Sklaven, der nach Schatten lechzt,
dem Knecht, der sehnlich auf den Abend wartet.
3Auch mir ist solch ein Los zuteilgeworden:
Sinnlos vergeht ein Monat nach dem andern,
und Nacht für Nacht verbringe ich mit Schmerzen.
4Leg ich mich nieder, schleppen sich die Stunden;
ich wälze mich im Bett und kann nicht schlafen
und warte ungeduldig auf den Morgen.
5Mein Körper fault und ist bedeckt mit Krusten,
die Haut bricht auf und eitert überall.
6Ganz ohne Hoffnung schwinden meine Tage,
sie eilen schneller als ein Weberschiffchen.
7Gott, denk an mich: Mein Leben ist ein Hauch;
mein Glück vergeht, ich seh es nie mehr wieder!
8Noch siehst du mich, doch bald ist es zu spät;
blickst du dann wieder her, so bin ich fort.
9Die Wolke löst sich auf und ist verschwunden;
genauso geht’s dem Menschen, wenn er stirbt:
Vom Ort der Toten kommt er nicht zurück.
10Nie mehr betritt auf Erden er sein Haus,
und wer ihn kannte, wird ihn bald vergessen.
11Deswegen werde ich den Mund nicht halten,
ich lasse meiner Zunge freien Lauf.
Was mich so bitter macht, das muss heraus!
12Weshalb, Gott, lässt du mich so streng bewachen?
Bin ich das Meer? Bin ich ein Ungeheuer?
13Wenn ich auf meinem Lager Ruhe suche,
der Schlaf mir meine Schmerzen lindern soll,
14dann quälst du mich mit schauerlichen Träumen
und ängstigst mich mit schlimmen Schreckensbildern.
15Mir wär es lieber, wenn du mich erwürgtest;
der Tod ist besser als ein solches Leben!
16Ich bin es satt, ich mag nicht weiter kämpfen.
Mein ganzes Leben ist doch ohne Sinn.
17Warum nimmst du den Menschen denn so wichtig,
dass du den Blick auf ihn gerichtet hältst?
18Zur Rechenschaft ziehst du ihn jeden Morgen
und stellst ihn immer wieder auf die Probe.
19Wann blickst du endlich weg, lässt mich in Ruhe,
so lang nur, dass ich einmal schlucken kann?
20Wenn ich gesündigt habe ohne Wissen,
was tat ich dir damit, du Menschenwächter?
Warum bin ich das Ziel für deine Pfeile?
Bin ich dir wirklich so zur Last gefallen?
21Kannst du denn meine Fehler nicht verzeihen
und meine Sünde einfach übersehen?
Nicht lange mehr, dann liege ich im Staub,
und suchst du mich, so bin ich nicht mehr da.«