Hymnische Beschreibung der Weisheit und eines Lebens mit ihr: 7,1–8,21
1Auch ich bin ein sterblicher Mensch wie alle anderen, / Nachkomme des ersten, aus Erde gebildeten Menschen.
Im Schoß der Mutter wurde ich zu Fleisch geformt, / 2in zehn Monaten in Blut verfestigt / aus dem Samen eines Mannes nach lustvollem Beischlaf.
3Geboren atmete auch ich die gemeinsame Luft, / ich fiel auf die Erde, die Gleiches von allen erduldet, / und Weinen war mein erster Laut wie bei allen.
4In Windeln und mit Sorgen wurde ich aufgezogen; / 5kein König trat anders ins Dasein.
6Alle haben den gleichen Eingang zum Leben, / gleich ist auch der Ausgang.
7Daher betete ich und es wurde mir Klugheit gegeben; / ich flehte und der Geist der Weisheit kam zu mir.
8Ich zog sie Zeptern und Thronen vor, / Reichtum achtete ich für nichts im Vergleich mit ihr.
9Einen unschätzbaren Edelstein stellte ich ihr nicht gleich; / denn alles Gold erscheint neben ihr wie ein wenig Sand / und Silber gilt ihr gegenüber so viel wie Lehm.
10Mehr als Gesundheit und Schönheit liebte ich sie / und zog ihren Besitz dem Lichte vor; / denn niemals erlischt der Glanz, der von ihr ausstrahlt.
11Zugleich mit ihr kam alles Gute zu mir, / unzählbare Reichtümer waren in ihren Händen.
12Ich freute mich über sie alle, / weil die Weisheit lehrt, sie richtig zu gebrauchen, / wusste aber nicht, dass sie auch deren Ursprung ist.
13Uneigennützig lernte ich und neidlos gebe ich weiter; / ihren Reichtum verberge ich nicht bei mir.
14Ein unerschöpflicher Schatz ist sie für die Menschen; / die ihn erwerben, erlangen die Freundschaft Gottes. / Sie sind empfohlen durch die Gaben der Bildung.
15Mir aber gewähre Gott, nach meiner Einsicht zu sprechen / und zu denken, wie die empfangenen Gaben es wert sind;
denn er ist der Führer der Weisheit / und hält die Weisen auf dem rechten Weg.
16Wir und unsere Worte sind in seiner Hand, / auch alle Klugheit und praktische Erfahrung.
17Er verlieh mir untrügliche Kenntnis der Dinge, / den Aufbau der Welt und das Wirken der Elemente zu verstehen,
18Anfang und Ende und Mitte der Zeiten, / die Abfolge der Sonnenwenden und den Wandel der Jahreszeiten,
19den Kreislauf der Jahre und die Stellungen der Sterne,
20die Natur der Tiere und die Wildheit der Raubtiere, / die Gewalt der Geister und die Gedanken der Menschen, / die Verschiedenheit der Pflanzen und die Kräfte der Wurzeln.
21Alles Verborgene und alles Offenbare habe ich erkannt; / denn es lehrte mich die Weisheit, die Werkmeisterin aller Dinge.
22In ihr ist nämlich ein Geist, vernunftvoll, heilig, / einzigartig, mannigfaltig, zart, / beweglich, durchdringend, unbefleckt, / klar, unverletzlich, das Gute liebend, scharf,
23nicht zu hemmen, wohltätig, menschenfreundlich, / fest, sicher, ohne Sorge,
alles vermögend, alles überschauend / und alle Geister durchdringend, / die gedankenvollen, reinen und zartesten.
24Die Weisheit ist beweglicher als alle Bewegung; / in ihrer Reinheit durchdringt und durchwaltet sie alles.
25Sie ist ein Hauch der Kraft Gottes / und reiner Ausfluss der Herrlichkeit des Allherrschers; / darum dringt nichts Verunreinigtes in sie ein.
26Sie ist der Widerschein des ewigen Lichts, / der ungetrübte Spiegel von Gottes Kraft, / das Bild seiner Güte.
27Sie ist nur eine und vermag doch alles; / ohne sich zu ändern, erneuert sie alles.
Von Geschlecht zu Geschlecht tritt sie in heilige Seelen ein / und schafft Freunde Gottes und Propheten;
28denn Gott liebt nur den, / der mit der Weisheit zusammenwohnt.
29Sie ist schöner als die Sonne / und übertrifft jedes Sternbild. / Sie erweist sich strahlender als das Licht;
30denn diesem folgt die Nacht, / doch über die Weisheit siegt keine Schlechtigkeit.