Schreckliche Gegenwart: 30,1–31
1Jetzt aber lachen über mich, / die jünger sind als ich an Tagen, / deren Väter ich nicht für wert geachtet, / sie bei den Hunden meiner Herde anzustellen.
2Was sollte mir auch ihrer Hände Kraft? / Geschwunden war ihre Rüstigkeit
3durch Mangel und durch harten Hunger; / Leute, die das dürre Land abnagen, / das Gras der Wüste und der Wüstenei.
4Sie pflücken Salzmelde im Gesträuch / und Ginsterwurzeln sind ihr Brot.
5Aus der Gemeinschaft wurden sie verjagt; / man schreit ihnen nach wie einem Dieb.
6Am Hang der Täler müssen sie wohnen, / in Erdhöhlen und in Felsgeklüft.
7Zwischen Sträuchern schreien sie kläglich, / drängen sich zusammen unter wildem Gestrüpp.
8Gemeine Leute, Leute ohne Namen, / sie wurden aus dem Land hinausgepeitscht.
9Jetzt aber bin ich ihr Spottlied, / bin zum Klatsch für sie geworden.
10Sie verabscheuen mich, rücken weit von mir weg, / scheuen sich nicht, mir ins Gesicht zu spucken.
11Denn er löste meines Bogens Sehne und beugte mich nieder, / sie aber ließen die Zügel vor mir schießen.
12Zur rechten Seite erhebt sich eine Schar, / treibt meine Füße weg, / wirft gegen mich ihre Unheilsdämme auf.
13Meinen Pfad reißen sie auf, helfen zu meinem Verderben / und niemand wehrt ihnen.
14Wie durch eine breite Bresche kommen sie heran, / wälzen sich unter Trümmern heran.
15Schrecken stürzen auf mich ein, / verjagt wie vom Wind ist mein Ansehen, / wie eine Wolke entschwand mein Heil.
16Und nun zerfließt meine Seele in mir, / des Elends Tage packen mich an.
17Des Nachts durchbohrt es mir die Knochen, / mein nagender Schmerz kommt nicht zur Ruh.
18Mit Allgewalt packt er mich am Kleid, / schnürt wie der Gürtel des Rocks mich ein.
19Er warf mich in den Lehm, / sodass ich Staub und Asche gleiche.
20Ich schreie zu dir und du antwortest mir nicht; / ich stehe da, doch du achtest nicht auf mich.
21Du wandelst dich zum grausamen Feind gegen mich, / mit deiner starken Hand befehdest du mich.
22Du hebst mich in den Wind, fährst mich dahin, / lässt mich zergehen im Sturmgebraus.
23Ja, ich weiß, du führst mich zum Tod, / zur Sammelstätte aller Lebenden.
24Doch nicht an Trümmer legt er die Hand. - / Schreit man nicht um Hilfe beim Untergang?
25Weinte ich nicht um den, der harte Tage hatte, / grämte sich nicht meine Seele über den Armen?
26Ja, ich hoffte auf Gutes, doch Böses kam, / ich harrte auf Licht, doch Finsternis kam.
27Mein Inneres kocht und kommt nicht zur Ruhe, / mich haben die Tage des Elends erreicht.
28Trauernd gehe ich einher, ohne wärmende Sonne, / ich stehe auf in der Versammlung, schreie laut.
29Den Schakalen wurde ich zum Bruder, / den Straußenhennen zum Freund.
30Meine Haut ist schwarz, / von Fieberglut brennen meine Knochen.
31Zur Trauer wurde mein Harfenspiel, / mein Flötenspiel zum Klagelied.