Die Not ist unermesslich
Alphabetpsalm
א 1Ach, wie matt ist das Gold geworden,
das Gold, das so schön glänzte.
An allen Ecken und Enden der Straße
liegen die Edelsteine im Dreck.
ב 2Wie kostbar waren die Kinder Zions,
so wertvoll wie reines Gold.
Jetzt gelten sie nur noch als billige Töpferware,
von der Hand eines gewöhnlichen Töpfers hergestellt.
ג 3Sogar Schakale kümmern sich um den Nachwuchs
und geben ihren Jungen zu trinken.
Doch die Tochter meines Volkes ist grausam,
so grausam wie ein Vogel Strauß in der Wüste.
ד 4Vor Durst klebt dem Säugling
die Zunge am Gaumen.
Kinder betteln um ein Stück Brot,
doch niemand gibt ihnen etwas zu essen.
ה 5Wer früher leckere Speisen aß,
verhungert jetzt auf den Straßen.
Wer immer auf purpurroten Polstern saß,
liegt jetzt auf einem Haufen Mist.
ו 6Große Schuld trägt die Tochter meines Volkes,
noch größer als die von Sodom.
Diese Stadt wurde in einem Augenblick zerstört,
ohne dass Menschen dazu beigetragen haben.
ז 7Männer in der Stadt hatten ihr Leben Gott geweiht.
Sie waren reiner als Schnee, weißer als Milch.
Ihre Körper glänzten rot wie Korallen,
ihre Adern schimmerten blau wie Saphire.
ח 8Jetzt aber sind sie so schwarz wie Ruß.
Auf den Straßen erkennt man sie nicht mehr.
Ihre Haut klebt nur noch an den Knochen,
ausgedörrt wie ein Stück Holz.
ט 9Die vom Schwert Durchbohrten hatten es besser
als die Leute, die den Hungertod erlitten.
Denn diese sanken entkräftet zu Boden,
fehlende Nahrung gab ihnen den Todesstoß.
י 10Die Hände von liebevollen Frauen
griffen nach ihren Kindern und kochten sie.
Sonst gab es nichts zu essen.
Das war der Untergang der Tochter meines Volkes.
כ 11So trieb der Herr seinen Zorn zum Äußersten.
Die Glut seines Zorns goss er aus über die Stadt.
In Zion entzündete er ein Feuer.
Das brannte alles bis auf die Grundmauern nieder.
ל 12Die Könige der Erde konnten es nicht glauben,
kein Mensch auf der ganzen Welt.
Und doch rückte das feindliche Heer vor
und zog ein in die Stadt durch Jerusalems Tore.
מ 13Das Unheil kam durch die Schuld ihrer Propheten,
durch die Verbrechen, die ihre Priester begingen.
Sie haben inmitten der Stadt viel Blut vergossen,
unschuldiges Blut von gerechten Menschen.
נ 14Wie Blinde irren sie jetzt durch die Straßen,
sie sind befleckt mit Blut.
Nichts dürfen sie berühren, sonst wird es unrein.
Denn an ihren Kleidern haftet Blut.
ס 15»Fort mit euch, ihr Unreinen«, rief man ihnen zu.
»Fort, fort! Rührt ja nichts an!«
Da flohen sie und irrten unter den Völkern umher.
Aber dort hieß es: »Hier ist kein Platz für euch!«
פ 16Der Herr selbst hat sie zerstreut.
Er will sich nicht länger um sie kümmern.
Vor den Priestern hat man die Achtung verloren,
auf die Ältesten nimmt man keine Rücksicht mehr.
ע 17Bis zuletzt starrten unsere Augen in die Ferne,
ob uns jemand zu Hilfe käme – umsonst!
Auf dem Wachturm hielten wir Ausschau.
Doch kein Volk war da, das helfen konnte.
צ 18Man stellte uns nach auf Schritt und Tritt,
wir konnten uns nicht mehr nach draußen wagen.
Uns drohte das Ende, schon war es so weit:
Ja, unser Ende war gekommen.
ק 19Schnell waren unsere Verfolger,
schneller als die Adler am Himmel.
Sie jagten uns in den Bergen,
in der Wüste lauerten sie uns auf.
ר 20Der Gesalbte des Herrn, von dem unser Leben abhing,
wurde in ihren Gruben gefangen.
Und wir hatten gedacht: Unter seinem Schutz
könnten wir friedlich unter den Völkern leben.
ש 21Juble nur und freue dich, Tochter Edom,
die du wohnst im Land Uz.
Auch du musst aus dem Becher des Zorns trinken.
Dann wirst du taumeln und nackt daliegen.
ת 22Doch deine Schuld ist getilgt, Tochter Zion!
Der Herr lässt dich nicht länger in der Verbannung.
Aber deine Schuld, Tochter Edom, wird er aufdecken
und deine Verbrechen bestrafen.