Gibt es noch Hoffnung?
Alphabetpsalm
א 1Ich bin ein vom Leid geprüfter Mann.
Gott schlug mich mit der Rute seines Zorns.
א 2Er hat mich vertrieben und weggeführt,
in die Finsternis und nicht ins Licht.
א 3Immerzu hat er mich geschunden,
Tag für Tag traf mich seine Faust.
ב 4Durch ihn bin ich nur noch Haut und Knochen,
sämtliche Glieder hat er mir zerschlagen.
ב 5Von allen Seiten schloss er mich ein
in Bitterkeit und Qual.
ב 6Er versetzte mich in tiefe Dunkelheit
wie die Toten in der Unterwelt.
ג 7Er baute Mauern um mich ohne eine Tür.
In Ketten aus Bronze legte er mich.
ג 8Ich konnte um Hilfe schreien, soviel ich wollte.
Er verschloss seine Ohren vor meinem Gebet.
ג 9Die Wege verbaute er mir mit Steinen.
Er ließ mich ziellos durch die Gegend laufen.
ד 10Wie ein Bär kam er mir entgegen,
wie ein Löwe lauerte er im Gebüsch.
ד 11Wohin ich auch ging, brachte er mich in Gefahr.
Er lähmte mich vor Angst und ließ mich allein.
ד 12Er spannte den Bogen und benutzte mich
als Zielscheibe für seinen Pfeil.
ה 13Stechende Schmerzen in meinen Nieren
bereiteten mir die Pfeile aus seinem Köcher.
ה 14Da lachten die Völker über mich,
sie sangen ihr Spottlied den ganzen Tag.
ה 15Er machte mich satt mit bitteren Speisen,
er stillte meinen Durst mit saurem Wein.
ו 16Er ließ meine Zähne auf Granit beißen,
er trat mich nieder in den Staub.
ו 17Gott, du hast mir meinen Seelenfrieden genommen!
Ich habe vergessen, was Glück ist.
ו 18Da dachte ich: Meine Zeit ist vorbei!
Meine Hoffnung auf den Herrn ist dahin.
ז 19Der Gedanke an meine Not und Verlassenheit
macht mich bitter und vergiftet mein Leben.
ז 20Trotzdem muss ich ständig daran denken,
und das wühlt mich bis ins Innerste auf.
ז 21Deshalb will ich in mich gehen
und meine Hoffnung auf den Herrn setzen:
ח 22Ja, seine Güte hört nicht auf.
Sein Erbarmen hat noch lange kein Ende.
ח 23Jeden Morgen erbarmt er sich von Neuem.
Gott, deine Treue ist unfassbar groß.
ח 24Ich bekannte: »Der Herr ist alles für mich!
Deshalb setze ich meine Hoffnung auf ihn.«
ט 25Der Herr ist gut zu dem, der auf ihn hofft,
zu dem Menschen, der nach ihm fragt.
ט 26Gut ist es, sich in Geduld zu üben
und still zu warten auf die Hilfe des Herrn.
ט 27Gut ist es, wenn einer sein Leid trägt,
wie er als junger Mann eine Last getragen hat.
י 28Wenn Gott einem ein Leid zu tragen gibt,
soll man sich auf den Boden setzen und verstummen.
י 29Man soll den Mund in den Staub drücken,
vielleicht gibt es noch Hoffnung.
י 30Man soll die Backe dem hinhalten, der zuschlägt,
und jede Demütigung ertragen.
כ 31Wenn der Herr einen Menschen verstößt,
dann verstößt er ihn nicht für immer.
כ 32Auch wenn er straft, erbarmt er sich wieder.
Unfassbar groß ist seine Güte.
כ 33Denn es bereitet ihm keine Freude,
die Menschen zu strafen und leiden zu sehen.
ל 34Ist es richtig, dass alle Gefangenen im Land
mit Füßen getreten werden?
ל 35Oder dass man den einfachen Mann um sein Recht bringt
vor den Augen des Höchsten?
ל 36Oder dass man im Streitfall die Wahrheit verdreht?
Sollte der Herr das alles nicht sehen?
מ 37Von wem heißt es: Er sprach und es geschah?
Geschieht denn nicht alles auf den Befehl des Herrn?
מ 38Das Böse wie das Gute,
beides geschieht doch auf Anordnung des Höchsten.
מ 39Worüber beschwert sich ein Mensch in seinem Leben?
Ist er nicht selbst für seine Sünde verantwortlich?
נ 40Lasst uns über unser Leben ernsthaft nachdenken!
Lasst uns umkehren zum Herrn!
נ 41Wir wollen zu Gott im Himmel beten,
von Herzen, nicht nur mit den Händen:
נ 42Ja, wir sind gottlos und ungehorsam gewesen!
Das konntest du uns nicht verzeihen.
ס 43Du hast dich in Zorn gehüllt und uns verfolgt.
Erbarmungslos hast du uns ums Leben gebracht.
ס 44Du hast dich in eine dichte Wolke gehüllt,
hast dich abgeschirmt gegen unser Gebet.
ס 45Unter den Völkern hast du dafür gesorgt,
dass wir wie Abschaum und Dreck behandelt wurden.
פ 46Alle unsere Feinde
zerrissen sich über uns das Maul.
פ 47Wir stürzten ins Verderben und in den Abgrund,
Verwüstung und Untergang trafen uns.
פ 48Meine Augen vergießen Ströme von Tränen
über den Untergang der Tochter meines Volkes.
ע 49Ununterbrochen fließen Tränen aus meinen Augen,
es hört und hört nicht auf.
ע 50Ich kann nur hoffen, dass der Herr
vom Himmel herabblickt und mein Elend sieht.
ע 51Meine Augen tun mir schon weh,
so sehr muss ich weinen über meine Stadt.
צ 52Meine Feinde, die mich ohne Grund verfolgen,
machten Jagd auf mich wie auf einen Vogel.
צ 53Sie warfen mich lebendig in die Zisterne
und verschlossen sie mit einem Stein.
צ 54Wasser stürzte auf mich herab.
Ich dachte schon: Jetzt ist es aus mit mir!
ק 55Da rief ich deinen Namen, Herr,
tief unten aus der Zisterne.
ק 56Du hast mich gehört, als ich schrie:
»Verschließ nicht dein Ohr! Befreie mich!«
ק 57Du warst mir nahe, als ich dich rief.
Du sprachst: »Fürchte dich nicht!«
ר 58Du, Herr, hast mir mein Recht erstritten.
Das Leben hast du mir gerettet.
ר 59Du hast gesehen, Herr, wie man mir Unrecht tat.
Hilf mir, dass ich mein Recht bekomme!
ר 60Du hast die maßlose Rachsucht gesehen,
als sie ihre Pläne gegen mich schmiedeten.
ש 61Du hast die Schmähungen gehört, Herr,
als sie ihre Pläne gegen mich ausführten.
ש 62Das Gerede meiner Gegner und ihre Anfeindungen
richten sich gegen mich Tag für Tag.
ש 63Du kannst es sehen, ob sie sitzen oder stehen:
Ihr Spottlied, das gilt mir!
ת 64Zahl ihnen ihr Tun heim, Herr!
Sie haben es nicht anders verdient.
ת 65Gib ihnen Eigensinn ins Herz!
Dein Fluch soll sie treffen.
ת 66Verfolge sie mit deinem Zorn!
Lösch sie aus unter dem Himmel des Herrn!