Denar
Andere Schreibweise: denarius; denarii (engl.)
(erstellt: Mai 2017)
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1. Der Denar: Die römische Standardsilbermünze für Jahrhunderte
Beim Denar handelt es sich um eine in der Regel aus Silber geprägte Münze, die über mehrere Jahrhunderte das römische Standardnominal war (vgl. Reiser, 459: „Leitwährung“; Schwank, 226; Howgego, 129: „für 450 Jahre die maßgebliche Silbermünze“). Kupferprägungen mit einem hauchdünnen Silberüberzug lassen sich hingegen ab dem 3. Jh. n. Chr. nachweisen. Der Name Denar leitet sich von denarius, je zehn enthaltend / der Zehner, ab. Gemeint ist damit ursprünglich jenes Nominal, das zehn Assen entspricht. Auf manchen Denaren wird dieser Umstand epigraphisch durch ein X auf dem Avers als Zahlzeichen bezeugt.
1.1. Gewicht, Silberanteil und Münzverschlechterung
Mit dem Aufkommen des Denars am Ende des 3. Jh.s v. Chr. (214-211 v. Chr.: 2. Punischer Krieg) hat das Nominal zunächst ein Gewicht von ca. 4,55 g, der Feingehalt von Silber beträgt über 95% (alle Angaben nach Mlasowsky, 476f; vgl. auch Howgego, 13.129.132-139.150). Bereits im Übergang zum 2. Jh. v. Chr. wird indes das Gewicht der Münze, der Münzfuß, auf 3,8 g reduziert. Damit wird es möglich, aus der gleichen Menge Silber eine höhere Anzahl von Münzen zu gewinnen, wobei sich zugleich der Wert der Münze, als Kurantmünze entspricht der Nominalwert der Münze ihrem Materialwert, verschlechtert. Das muss im Übrigen nicht einen Verlust an Kaufkraft mit sich bringen, hängt die Inflation doch auch von den konkreten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Gleichwohl ist es bemerkenswert, dass die Münzverschlechterung im Blick auf den Denar sehr früh nach seinem ersten Aufkommen einsetzt.
Mit der Münzreform des Kaisers → Nero
1.2. Das Verhältnis des Denars zu anderen Nominalen
Hatte der Denar ursprünglich einen Wert von zehn Assen, so dürfte er ab der Mitte des 2. Jh.s v. Chr. einen Gegenwert von 16 Assen gehabt haben, was in der massenhaften Prägung kupferner Asse begründet liegt. Nicht der Denar an sich ist also wertvoller geworden, sondern das Ass hat an Wert verloren. Ein Denar entspricht dann 4 Sesterzen oder 8 Dupondien bzw. 16 Assen oder 32 Semissen oder 64 Quadrantes. Umgekehrt hatte ein Aureus den Gegenwert von 25 Denaren.
1.3. Von der Dea Roma zum Kaiserportrait: Wandlungen in der Ikonographie
Die Denare der römischen Republik zeichnen sich dadurch aus, dass sie ikonographisch nur eine relativ begrenzte Bildsprache verwenden. Zumeist wird auf dem Avers die Göttin Roma mit geflügeltem Helm abgebildet (später wohl auch die Göttinnen und Götter Diana, Mars und Bellona). Auf dem Revers finden sich oft die Dioskuren Castor und Pollux.
Mit dem Übergang zum Prinzipat verändert sich in der späten Republik auch die Ikonographie auf den Denaren. Abbildungen von lebenden Personen wie Caesar, Marc Anton und Octavian werden möglich. Ab der Kaiserzeit zieren das Avers der Denare regelmäßig die zwar geschönten und z.T. nicht alternden, aber letztlich doch realistischen Portraits der römischen Kaiser bzw. von Angehörigen ihrer Familien. Die Epigraphik der Münzen nennt dabei Namen und Titel. Die Bildsprache des Revers wird in der Kaiserzeit zur primären Kommunikationsfläche politischer Botschaften, die durch die Kombination von Text (Epigraphik) und Bild (Ikonographie) verdichtet sind. Das sind in der Regel symbolisch dichte Darstellungen des kaiserlichen Wirkens in all seinen Facetten. Dazu gehören z.B. Darstellungen, die ein für den jeweiligen Kaiser zentrales, aber letztlich gleichwohl immer lokal wie temporal kontingentes Ereignis aus dem Leben des Kaisers gleichsam in die Breite kommunizieren und damit dauerhaft präsent halten.
Ebenso können die vielfältigen Formen der Leistungen des Kaisers und seiner Familie zugunsten des Staates und seiner Bevölkerung präsentiert werden. Zu diesen über Münzen kommunizierten „Leistungsnachweisen“ gehören z.B. Miniaturdarstellungen von Gebäuden, die sich der kaiserlichen Baupolitik verdanken, Darstellungen von militärischen Eroberungen und Siegen, die der römische Kaiser zum Nutzen des Reiches errungen hat, und vom Kaiser als Triumphator und Friedensbringer, der durch erfolgreich geführte Kriege die pax Romana wiedererrichtet und das Imperium ausgedehnt hat. Zudem finden sich auch Darstellungen der Personifikationen kaiserlicher Herrschertugenden wie der clementia, der virtus oder der pietas, aber auch symbolische Darstellungen jenes eher alltäglichen Nutzens, den die kaiserliche Herrschaft unmittelbar für die Untertanen hat, etwa die wirtschaftliche Prosperität, dargestellt durch Füllhörner, oder die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln wie Getreide, dargestellt durch Ährengebinde. Auch Kombinationen solcher Motive lassen sich finden. Numismatische Datenbanken (etwa die Sammlungen des British Museums, das Münzkabinett der Staatlichen Museen Berlin, die numismatische Bilddatenbank Eichstätt, die Sammlungen des Bibel+Orient Museums [Freiburg / Schweiz], das Netzwerk universitärer Münzsammlungen in Deutschland [NUMID] oder auch die Website coinarchives.com) bieten dafür zahlreiche Beispiele.
Denare sind insofern – auch aufgrund ihrer reichsweiten Verbreitung – eines der primären Massenkommunikationsmittel zwischen dem Prägeherren der Münzen, letztlich also dem römischen Kaiser, und den Bewohnern des Imperium Romanum. Für die Rekonstruktion der politischen, kultur-, sozial- und religionsgeschichtlichen Situation im Umfeld der biblischen Texte und damit für die interpretierende Einbettung dieser Texte in den Horizont ihrer Entstehungszeit sind Denare daher eine ausgesprochen relevante „Textgattung“.
2. Denare in der Septuaginta
Im Gegensatz zum Nominal der → Drachme
3. Denare im Neuen Testament
Konträr zum semantischen Inventar der Septuaginta fällt der Befund im Neuen Testament aus, das nur selten von Drachmen spricht. An 16 Stellen ist innerhalb der neutestamentlichen Erzählwelt demgegenüber von Denaren die Rede. Mit Ausnahme von Apk 6,6
Überblickt man die Erzählzusammenhänge, in denen der Denar anzutreffen ist, dann lassen sich die verschiedenen Verwendungen der Realie des Denars systematisieren. Auffällig ist, dass von Denaren dabei nie nur als Zahlungsmittel die Rede ist. Stets werden die Denare funktional als Element der Charakterisierung eingesetzt oder steht ein Denar selbst unmittelbar im Zentrum der Erzählung.
3.1. Der Denar als charakterisierendes Erzähldetail
In den allermeisten Texten erscheint die Erwähnung von Denaren als Element der Charakterisierung von Erzählfiguren oder Lebensumständen. Zu nennen sind der barmherzige Samariter, der zwei Denare aufwendet (Lk 10,35
Als Wertangabe, die zugleich der Charakterisierung des Verhaltens einer Frau als scheinbar unsoziale Verschwendung dient, wird in Mk 14,5
In der ersten Massenspeisungserzählung Mk 6,35-44
In Apk 6,6
In zwei Gleichnissen wird schließlich der Denar als Element der kontrastierenden Charakterisierung (Charakterisierung durch Analogie) verwendet. In Lk 7,40-43
3.2. Ein Denar als Mindestlohn für alle? Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1-16)
In der Parabel von den → Arbeitern
Die Perikope Mt 20,1-16
Mit welchem Lohn die in der Folge in der dritten (9.00 Uhr), sechsten (12.00 Uhr), neunten (15.00 Uhr) und elften Stunde (17.00 Uhr) angemieteten Tagelöhner rechnen dürfen, lässt der Text bewusst offen. Sie sollen erhalten, was „immer gerecht ist“ (Mt 20,4
3.3. Das Konterfei des Kaisers: Der Denar als Steuermünze (Mk 12,13-17 par. Mt 22,15-22; Lk 20,20-26)
In Mk 12,13-17
→ Numismatik
Literaturverzeichnis
1. Verwendete Literatur
- Alkier, S., 2003, „Geld“ im Neuen Testament – Der Beitrag der Numismatik zu einer Enzyklopädie des Frühen Christentums, in: S. Alkier / J. Zangenberg (Hgg.), Zeichen aus Text und Stein. Studien auf dem Weg zu einer Archäologie des Neuen Testaments (TANZ 42), Tübingen, 308-335
- Avemarie, F., 2007, Jedem das Seine? Allen das Volle! (Von den Arbeitern im Weinberg). Mt 20,1-16, in: R. Zimmermann u.a. (Hgg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu, Gütersloh, 461-472
- Blatz, H., 2016, Die Semantik der Macht. Eine zeit- und religionsgeschichtliche Studie zu den markinischen Wundererzählungen (NTA NF 59), Münster
- Dschulnigg, P., 2007, Das Markusevangelium (Theologischer Kommentar zum Neuen Testament 2), Stuttgart
- Ebner, M., 2008, Das Markusevangelium. Neu übersetzt und kommentiert, Stuttgart
- Howgego, C., 2000, Geld in der Antiken Welt. Was Münzen über Geschichte verraten, Darmstadt
- Klostermann, E., 41950, Das Markusevangelium (HNT 3), Tübingen
- Koffmahn, E., 1968, Die Doppelurkunden aus der Wüste Juda. Recht und Praxis der jüdischen Papyri des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr. samt Übertragung der Texte und deutscher Übersetzung (StTDJ 5), Leiden
- Konradt, M., 2015, Das Evangelium nach Matthäus (NTD 1), Göttingen
- Lau, M., 2018, Der gekreuzigte Triumphator. Eine motivkritische Studie zum Markusevangelium (NTOA 114), Göttingen
- Luz, U., 1997, Das Evangelium nach Matthäus 3. Teilband: Mt 18-25 (EKK I / 3), Zürich / Neukirchen-Vluyn
- Lohse, E., 51979, Die Offenbarung des Johannes (NTD 11), Göttingen
- Mlasowsky, A., 1997, Art. Denarius, DNP III, 476-477
- Ostermann, S., 2009, Lepton, Quadrans und Denar. Drei Münzen im Jerusalemer Tempel zur Zeit Jesu, in: G. Theißen u.a. (Hgg.), Jerusalem und die Länder. Ikonographie – Topographie – Theologie (FS M. Küchler; NTOA 70), Göttingen, 39-56
- Reiser, M., 2000, Numismatik und Neues Testament, Bib. 81, 457-488
- Roloff, J., 1984, Die Offenbarung des Johannes (ZBK.NT 18), Zürich
- Schreiber, S., 2004, Caesar oder Gott (Mk 12,17)? Zur Theoriebildung im Umgang mit politischen Texten des Neuen Testaments, BZ 48, 65-85
- Schwank, B., 1999, Das Neue Testament und seine Münzen, EuA 75, 214-233
- Wolter, M., 2008, Das Lukasevangelium (HNT 5), Tübingen
- Wolters, R. / Ziegert, M., 2014, Umbrüche – Die Reichsprägung Neros und Domitians im Vergleich, in: S. Bönisch-Meyer u.a. (Hgg.), Nero und Domitian. Mediale Diskurse der Herrscherrepräsentation im Vergleich (Classica Monacensia 46), Tübingen, 43-80
2. Literaturempfehlungen
- Alkier, S., 2003, „Geld“ im Neuen Testament – Der Beitrag der Numismatik zu einer Enzyklopädie des Frühen Christentums, in: S. Alkier / J. Zangenberg (Hgg.), Zeichen aus Text und Stein. Studien auf dem Weg zu einer Archäologie des Neuen Testaments (TANZ 42), Tübingen, 308-335
- Reiser, M., 2000, Numismatik und Neues Testament, Bib. 81, 457-488
3. Weiterführende Literatur
- Göbl, R., 1978, Antike Numismatik, Bd. 1-2, München
- Ziegler, R., 2004, Münzen, Münzsysteme und Münzumlauf im Palästina der frühen römischen Kaiserzeit, in: K. Erlemann / K.L. Noethlichs (Hgg.), Neues Testament und Antike Kultur. Band 1: Prolegomena – Quellen – Geschichte, 130-136
Abbildungsverzeichnis
- Denar des Caius Plutius (Rom, 121 v. Chr.; 3,878 g Silber): Avers: die Göttin Roma nach rechts mit geflügeltem Helm; Zahlzeichen X links; in Punktekranz; Revers: nach rechts galoppierende Dioskuren mit Piloi und je einem Stern in Punktekranz; Bildunterschrift: C PLUT(I); ROM(A). © Stiftung Bibel+Orient, Freiburg (Schweiz).
- Denar des Lucius Cornelius Lentulus (Rom, 12 v. Chr.; 3,55 g Silber): Avers: Portrait des Augustus nach rechts; in Punktekranz; Umschrift: AUGUSTUS; Gegenstempel links des Portraits: C; Revers: rechte Figur (vermutlich Augustus) bekränzt, Toga tragend und mit Schild (CV) setzt der linken Figur (vermutlich eine Statue Caesars mit Speer in der linken und schlecht erhaltener geflügelter Viktoria auf der rechten Hand) als divus Iulius einen Stern über das Haupt; Umschrift: L. LENTVLVS FLAMEN MARTIALIS; die Münze kommuniziert die Vergöttlichung Caesars durch Augustus, der damit indirekt selbst zum Sternensohn wird. © The Trustees of the British Museum.
- Denar des Octavian (Rom / Brundisium [?], 28 v. Chr.; 3,89 g Silber): Avers: Portrait des Octavian nach rechts; Umschrift: CAESAR COS VI; Revers: nach rechts stehendes Krokodil als Symbol für Ägypten; Umschrift: AEGVPTO CAPTA; der Denar erinnert an die Eroberung Ägyptens durch Octavian, verkündet und feiert diesen Sieg in Italien; vergleichbar sind dieser Prägung z.B. die flavischen Emissionen von Judaea-Capta-Münzen. © The Trustees of the British Museum.
- Denar des Octavian (Rom / Brundisium [?], 32-29 v. Chr.; 3,72 g Silber): Avers: Portrait des Octavian nach rechts; in Punktekranz; Revers: nach links stehende weibliche Personifikation der pax, mit Olivenzweig in der rechten und einem Füllhorn in der linken Hand; Umschrift: CAESAR DIVI F; in Punktekranz; versinnbildlicht wird, wie der von Octavian errungene Friede zum Wohlstand für seine Untertanen wird. © The Trustees of the British Museum.
- Denar des Hadrian (Rom, 132-134 n. Chr.; 3,54 g Silber): Avers: Portrait des bärtigen Hadrian nach rechts; Umschrift: HADRIANVS AVGVSTVS; in Punktekranz; Revers: nach links stehende weibliche Personifikation der clementia mit Patera in der ausgestreckten rechten Hand und Szepter in der linken Hand; Umschrift: CLEMENTIA AVG COS III P P; in Punktekranz. © The Trustees of the British Museum.
- Denar des Septimius Severus (Kappadokien, 194 n. Chr. [oder später]; 3,20 g Silber): Avers: Portrait des Septimius Severus mit Lorbeerkranz nach rechts; Umschrift (schwer lesbar): SEP SEV PERT AVG COS; Revers: axialsymmetrische doppelte Füllhörner mit Getreideähre in der Mitte; Umschrift: FELICITAS TEMPO; in Punktekranz. © The Trustees of the British Museum.
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