Corpus Paulinum
(erstellt: April 2016)
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1. Das Corpus Paulinum – Übersicht
→ Paulus
1.1. Zum Bestand des Corpus Paulinum
In das Corpus Paulinum werden seit altkirchlicher Zeit insgesamt 14 Briefe des → Neuen Testaments
1.2. Zur Überlieferung des Corpus Paulinum
Paulus schrieb seine Briefe aus aktuellem Anlass, in spezifischer Absicht und an einen bestimmten Adressatenkreis, doch verkennt man ihre Bedeutung, wenn man sie als bloße Gelegenheitsschreiben oder als Gebrauchsliteratur charakterisiert. Ihrem Wesen und ihrer Wirkung nach oszillieren sie zwischen „Augenblickskorrespondenz und Ewigkeitstexten“ (Hoegen-Roehls, 2013). Paulus hat seine Briefe sorgfältig aufgebaut, er bemüht sich um einen klaren Gedankengang, bedenkt mögliche Vorbehalte und Widerstände, erläutert Inhalt und gemeindepraktische Konsequenzen seines Evangeliums und wirkt regulativ auf das Gemeinderecht ein. Während er physisch abwesend ist, manifestieren die Briefe seine Gegenwart in den → Gemeinden
2. Der Bestand des Corpus Paulinum
2.1. „Echte“ und „unechte“ Paulusbriefe
Die Echtheit von sechs Briefen, die „Paulus“ als Absender nennen, ist umstritten: Epheser, Kolosser, 2. Thessalonicher, 1. Timotheus, 2. Timotheus, Titus. Innerhalb dieser Reihe bilden die → Pastoralbriefe
2.1.1. Der Epheserbrief
Der → Epheserbrief wird in der Bibelwissenschaft gewöhnlich als deuteropaulinisches Schreiben betrachtet. Seinem Anspruch nach wurde er von Paulus (Eph 1,1
2.1.2. Der Kolosserbrief und der 2. Thessalonicherbrief
Uneinheitlich diskutiert wird in der historisch-kritischen Forschung nach wie vor die Autorschaft des → Kolosserbriefs
Die Diskussion wird in absehbarer Zeit nicht zum Stillstand kommen. Ein Blick in die bedeutendsten Gesamtentwürfe zur paulinischen Theologie der letzten Jahre belegt das zunehmende Auseinanderdriften der deutschsprachigen und englischsprachigen Forschungstraditionen (vgl. auch die jeweilige Tendenz der beiden Sammelbände Frey u.a. [Hg.], 2009 und Porter / Fewster [Hg.], 2013). Michael Wolter (2011, 6) und Udo Schnelle (2014, 18f) repräsentieren den kritischen Konsens der deutschsprachigen Forschung, der zum sicheren Grundstock der authentischen Briefe nur Römer, 1. Korinther, 2. Korinther, Galater, Philipper, 1. Thessalonicher und Philemon zählt. Die übrigen Briefe des Corpus Paulinum stehen dieser Sichtweise zufolge in einem mehr oder minder großen theologischen Abstand zu den unumstrittenen Paulusbriefen, dass sich ihre Pseudonymität nahelege oder als gesichert gelten könne. Demgegenüber hält James Dunn (1998, 13 Anm. 39) den 2. Thessalonicherbrief für eine Schrift des Paulus und platziert den Kolosserbrief am Rand der authentischen Paulusbriefe: Möglicherweise wurde er von Timotheus mit Zustimmung des Paulus verfasst (vgl. Kol 4,18
2.1.3. Die Pastoralbriefe
In der Erforschung der → Pastoralbriefe
Die nicht unproblematische Bezeichnung „Tritopaulinen“ für die Paulusbriefe soll anzeigen, dass die Pastoralbriefe nicht nur auf die „Protopaulinen“, sondern auch auf die „Deuteropaulinen“ zurückblicken. Ihr „unpaulinischer“ Eindruck entsteht u.a. durch die Adressierung an Einzelpersonen (Timotheus und Titus; vgl. aber den Philemonbrief) und durch ihr Anliegen, das Anvertraute gegen häretische Einflüsse abzuschirmen (gegen Marcion?, so Campbell, 2014, 392-403) und die christliche Identität angesichts veränderter äußerer Bedingungen zu stärken. In ihrem Zentrum steht die aktualisierende Bewahrung der Tradition.
2.1.4. Der Hebräerbrief
Die kanongeschichtliche Einordnung des → Hebräerbriefs
2.1.5. Fazit
Die Diskussion um die „Echtheit“ der paulinischen Briefe wird international nach wie vor kontrovers geführt (vgl. Schliesser, 2016). Individuelle Entscheidungen für und wider die Echtheit eines Briefes sind nicht zuletzt beeinflusst von theologischen und dogmatischen Vorannahmen oder auch von der Zugehörigkeit zu bestimmten Forschungstraditionen (vgl. die Übersicht bei 2.4.). Methodisch anfechtbar ist ein Vorgehen, das auf der Basis der unumstrittenen Paulusbriefe eine geschlossene und stabile paulinische Theologie rekonstruiert und, davon ausgehend, alles vermeintlich Überständige abtrennt, ob dies nun einzelne Verse oder Abschnitte (s. 3.1.3.) oder ganze Briefe sind. In der gegenwärtigen Diskussion herrscht ein Ungleichgewicht im Blick darauf, wie Hypothesen zur Pseudonymität von Paulusbriefen einerseits und Briefteilungshypothesen anderseits bewertet werden: Dem theologisch begründeten Verdacht der Inkohärenz des Corpus Paulinum als überlieferter literarischer Einheit steht die literaturwissenschaftlich und -geschichtlich begründete Annahme der Kohärenz und Integrität des überlieferten Einzelbriefs gegenüber (s. 2.2.). Nicht zu Unrecht wird hin und wieder ein „Appell zur Enttheologisierung der Literarkritik“ laut (Haacker, 2009, 226). Jedenfalls sind theologische Wertung und Autorenfrage strikt zu trennen: Auch ein mutmaßlich „unechter“ Paulusbrief wie der Epheserbrief oder die Pastoralbriefe haben theologisch Relevantes zu sagen (vgl. exemplarisch Zimmermann, 2003).
2.2. „Geteilte“ Briefe?
Anlass zu Briefteilungen geben u.a. die zwangsläufig subjektive Wahrnehmung von literarischen Zäsuren, stilistischen Brüchen, künstlichen Nahtstellen, Unterbrechungen oder Sprüngen im Gedankengang, unvermittelten thematischen Akzentverschiebungen, theologischen Widersprüchen, Wechseln im Ton usw.
Schon → Johann Salomo Semler
In der gegenwärtigen Paulusexegese zeichnet sich ein Trend ab, nach dem die Paulusbriefe als einheitliche Schreiben interpretiert werden. Im Hintergrund der Kehrtwende stehen methodische und literaturgeschichtliche Erwägungen: In der exegetischen Methodik (→ Exegese
Im Zuge dieses Trends nimmt die Zahl der Exegetinnen und Exegeten stetig zu, die an der literarischen Integrität sämtlicher Paulusbriefe festhalten. Ein weitreichender Konsens steht freilich in der literarkritischen Frage nicht in Aussicht, denn die entsprechende Forschung bewegte sich schon immer „in einem wellenförmigen Auf und Ab“ (Schmithals, 2004 [1996], 107) und wird dies wohl auch weiter tun. Im Fokus werden dabei insbesondere der 2. Korintherbrief und der Philipperbrief stehen.
2.2.1. Der 2. Korintherbrief
Folgende Textwahrnehmungen zum → 2. Korintherbrief
2.2.2. Der Philipperbrief
Im → Philipperbrief
2.2.3. Fazit
Die gegenwärtige Forschung steht Briefteilungshypothesen und insbesondere komplexen Verschachtelungsmodellen skeptisch gegenüber. Die Zurückhaltung ist so ausgeprägt, dass man gar „eine Trendwende wieder hin zu einem Revival von Teilungshypothesen prognostizieren darf“ (Vollenweider, 2015, 381). Doch selbst wenn sich in den kanonischen Briefen des Corpus Paulinum weitere Briefe und Brieffragmente verbergen sollten, präsentieren sich jene als einheitlich überlieferte Texte, die in der vorliegenden Gestalt zu verstehen und verständlich zu machen sind.
2.3. Verschollene und „apokryphe“ Paulusbriefe
Paulus schrieb mehr Briefe als die im Neuen Testament erhaltenen. Es besteht kein Zweifel, dass er der Macht des geschriebenen Wortes viel zutraute und wiederholt zur Feder griff bzw. zum Diktat ansetzte (vgl. Röm 16,22
2.3.1. An die Korinther
In 1Kor 5,9
2.3.2. An die Philipper
In Phil 3,1 sehen manche Auslegerinnen und Ausleger einen Hinweis auf frühere Briefe an die Philipper: „Dass ich euch immer dasselbe schreibe, verdrießt mich nicht…“ Schon der erste Zeuge des → Philipperbriefs
2.3.3. An die Laodicener
Wer den Kolosserbrief als authentisches Paulusschreiben ansieht, entnimmt aus dem Briefschluss (Kol 4,16
2.3.4. Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus
Ein Unikum ist der → Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus
2.4. Reihenfolge, Abfassungszeit und -ort der Paulusbriefe
In der Erforschung des Corpus Paulinum spielt neben der Klärung seines Bestandes auch die hypothetische Rekonstruktion der geschichtlichen Reihenfolge der einzelnen Briefe eine zentrale Rolle. Sie gibt Auskunft über die Formung und Konturierung der paulinischen Theologie. Freilich entstanden alle Paulusbriefe in einem Zeitraum von nur ca. sechs bis zehn Jahren, ein im Vergleich zur Gesamtdauer des paulinischen Wirkens schmales Zeitfenster. Die Einordnung des Galaterbriefs ist von besonderer Bedeutung, denn hiervon hängt ab, wie die Genese der paulinischen → Rechtfertigungslehre
3. Die Überlieferung des Corpus Paulinum
3.1. Anfänge der Paulusbriefsammlung
Die Anfänge der Sammlung und Edition der Paulusbriefe liegen im Dunkeln (vgl. den Forschungsüberblick bei Porter, 2004). Immerhin weiß bereits der Verfasser des 2. Petrusbriefs von einer Paulusbriefsammlung, wenn er seinen Adressaten gegenüber seine Kenntnis aller Briefe des Apostels bekundet (2Petr 3,16
Alle Versuche, sich näher an den Beginn von individuellen Sammlungen heranzutasten, bleiben im Bereich des Spekulativen. Diskutiert werden zwei Szenarien: Entweder legte Paulus selbst (oder einer seiner engen Mitarbeiter: Lukas, Timotheus, Onesimus, Tertius?) den Grundstein für die Briefkollektion und trug damit aktiv zu einer Herausbildung des Corpus Paulinum bei. Oder es waren von Paulus geprägte Gemeinden, die aus ihren Archiven die Originalbriefe zusammentrugen, sie untereinander austauschten, vervielfältigten und publizierten. Dass erst Markion (s. 3.2.1.) die Paulusbriefe zusammenstellte in der Absicht, das Alte Testament durch eine neue Schriftensammlung abzulösen (so Adolf von Harnack), ist auszuschließen.
3.1.1. Paulus als Initiator der Paulusbriefsammlung
Insbesondere die Darstellungsweise und Argumentation des → Römerbriefs
David Trobisch vertritt die These, dass die Kompilation und Edition der Paulusbriefe nicht am Ende eines komplexen kanongeschichtlichen Prozesses steht, sondern von Paulus selbst initiiert wurde („Autorenrezension“). Während seines letzten Aufenthalts in → Ephesus
Für eine vom Autor initiierte Briefsammlung böte die Sammlung der Cicerobriefe durch seinen Sekretär Tiro eine antike Analogie, doch ist fraglich, ob ein derartiges Vorgehen auch für die Paulusbriefe postuliert werden kann.
3.1.2. „Klein-Corpora“ in den Gemeindebibliotheken
Plausibler sind Theorien, nach denen die ersten, kleineren Paulusbriefsammlungen aus der zunächst unkoordinierten Einzelinitiative der Gemeinden in Korinth, Philippi, Thessalonich, Rom oder Ephesus entstanden. Für die Mitte des 2. Jh. belegt der 2. Petrusbrief die Existenz einer „abgeschlossenen“ Sammlung (2Petr 3,15-16
Kurt Aland rechnet damit, dass die Briefe „zur Stärkung des Zusammengehörigkeitsbewußtseins“ (Aland, 1979, 350) immer auch an Nachbargemeinden weitergereicht wurden und so zu lokalen Teilsammlungen unterschiedlichen Umfangs („Klein-Corpora“) zusammenwuchsen. Rufschädigende Briefe wie der „Tränenbrief“ wurden nicht weitergegeben und gingen verloren. Aus den „Klein-Corpora“ entstanden sukzessive eine Reihe von „Ur-Corpora“, die sich aus dem allen Gemeinsamen und dem jeweiligen Sonderbestand einer Gemeinde zusammensetzten. Nach und nach wurden die „Ur-Corpora“ durch das „Gesamt-Corpus“ verdrängt, in das noch fehlende Briefe angefügt wurden und in dem die Anordnung der Briefe anfangs noch fluide war (Aland, 1979, 335f). Weniger wahrscheinlich und mit dem Zeugnis von P46 und dem Canon Muratori kaum vereinbar ist die Annahme einer geradlinigen Entwicklung in drei Etappen, wie sie von Gerd Theißen in die Diskussion eingebracht wurde (2007, 137-143). Am Anfang habe mit dem Römerbrief, den Korintherbriefen und dem Galaterbrief eine in Korinth besorgte „Ursammlung“ gestanden, an die sich in einem zweiten Schritt in Ephesus ein erster Anhang (Epheser, Philipper, Kolosser, 1. / 2. Thessalonicher, Philemon) und dann die Pastoralbriefe angliederten. Von Ephesus habe der Weg des Corpus Paulinum in den Osten nach Antiochien geführt.
3.1.3. Redaktionelle Bearbeitungen
Nach fast einhelliger Überzeugung der Paulusforschung drangen im Prozess des Sammelns, Vervielfältigens und Verbreitens der Briefe sekundäre Zusätze in den Textbestand ein. Der Umfang redaktioneller Eingriffe ist strittig. Zu den Passagen, die auf die Hand eines Redaktors bzw. Glossators zurückgehen können, werden u.a. die folgenden gezählt: Die Doxologie Röm 16,25-27
3.1.4. Fazit
Es legt sich nahe, dass die Anfänge der Paulusbriefsammlung in den paulinischen Gemeinden zu suchen sind. Auch wenn Paulus selbst wohl Abschriften seiner Briefe besaß, waren es die von Paulus gegründeten bzw. geprägten Gemeinden, die sich um eine Vervielfältigung und Verbreitung seiner Briefe bemühten. Die so in gewisser Zufälligkeit entstandenen Kleinsammlungen wurden im Lauf der Zeit immer weiter angereichert und zu umfangreicheren Corpora zusammengefasst. Wann, von wem und wo der Prozess der Vereinheitlichung in die Wege geleitet wurde und in welchem Ausmaß es zu redaktionellen Eingriffen kam, ist nicht zu sagen. Jedenfalls können markant voneinander abweichende Corpora nicht für längere Zeit an verschiedenen Orten existiert haben.
3.2. Frühgeschichte des Corpus Paulinum
3.2.1. Markion
Die Einlassungen Tertullians (Tertullian, Adv. Marc. 5,2-21; vgl. Epiphanius, Adv. Haer. 42,9,4) gegen den aus Sinope am → Schwarzen Meer stammenden Reeder → Markion
3.2.2. Canon Muratori
Der Canon Muratori, der entgegen neuerer Spätdatierungen ins 4. Jh. wohl ans Ende des 2. Jh. zu datieren ist (Verheyden, 2003), ordnet sieben paulinische Briefe nach ihrer mutmaßlichen Entstehungsabfolge an. Nach der Regel seines „Vorgängers“ Johannes habe Paulus nur an sieben Kirchen mit Namensnennung geschrieben: „an die Korinther der erste (Brief), an die Epheser der zweite, an die Philipper der dritte, an die Kolosser der vierte, an die Galater der fünfte, an die Thessalonicher der sechste, an die Römer der siebente“ (Z. 50-54). Der 1. Korintherbrief führt die Liste vielleicht auch in kirchenpolitischer Abzielung an, denn er mahnt zur Wahrung der Einheit und zur Abwehr von Spaltungen (vgl. 1Clem 47,1-4). Mit der Siebenzahl soll angezeigt werden, dass die Briefe universal gültig und auf dem ganzen Erdkreis verbreitet sind. Auf die Liste folgt der Hinweis, dass die Korinther und die Thessalonicher zu ihrer Zurechtweisung jeweils einen weiteren Brief erhielten. Die vier übrigen Briefe an Philemon, Titus und Timotheus wurden „aus Zuneigung und Liebe (geschrieben)“ und sind „im Ansehen der katholischen Kirche für die Ordnung der kirchlichen Lehre für heilig erklärt worden“ (Z. 59-63). Hingegen seien mit den Briefen an die Laodicener und Alexandriner auch pseudonyme Paulusbriefe im Umlauf „für die Häresie des Markion“ (Z. 65). Solche Briefe in die katholische Kirche aufzunehmen würde bedeuten, Galle mit Honig zu mischen. Umstritten ist in der Forschung, ob die Liste des Canon Muratori in einer größeren Kirchenregion Geltung hatte oder lediglich eine individuelle Sammlung darstellt.
3.2.3. Chester Beatty Papyrus II (P46)
Der älteste erhaltene Textzeuge des Corpus Paulinum ist der Chester Beatty Papyrus II (Papyrus 46 = P46), der auf Grundlage seiner paläographischen Eigenarten wohl in einen Zeitraum von 175 bis 225 n. Chr. datiert wird (bzw. 150 bis 250; vgl. Barker, 2011). Seine Entdeckung und nachfolgende Publikation in den 1930er Jahren wurde als Sensation gefeiert. Der Papyrus ist unvollständig erhalten und weist alterungsbedingte Schäden auf. Er enthält die als paulinisch geltenden Briefe in folgender Reihenfolge: Römer (ab Röm 5,17
3.2.4. Tertullian
→ Tertullian
3.2.5. Fazit
Die Frühgeschichte der Paulusbriefsammlung bietet ein komplexes Bild: Umfang, Anordnung und Verbreitung der Briefe waren im 2. Jh. durchaus uneinheitlich. Die Reihenfolge und damit auch die Gewichtung der einzelnen Briefe waren sowohl von inneren Kriterien (Dogmatik, Kirchenpolitik) wie auch von äußeren Kriterien (Länge, Chronologie, evtl. Geographie) bestimmt. Im Laufe der Zeit setzte sich zunehmend ein Ordnungsprinzip durch, nach dem die kürzeren Briefe den längeren und die Briefe an Einzelpersonen den Gemeindebriefen folgten. In den bedeutenden Majuskeln des 4. und 5. Jh. und in den meisten Minuskeln festigt sich die Voranstellung des Römerbriefs und damit auch seine theologische Vorrang-Stellung. Der Codex Sinaiticus, der älteste erhaltene Pergamentcodex, enthält alle 14 Briefe des Corpus Paulinum in der heute geläufigen Reihenfolge, mit Ausnahme des Hebräerbriefs, der nach dem 2. Thessalonicherbrief und vor den Pastoralbriefen steht. Eine identische Anordnung bietet der kanongeschichtlich äußerst bedeutsame 39. Osterfestbrief des Athanasius aus dem Jahr 367 n. Chr. Ab dieser Zeit kann der 14 Briefe umfassende Kanon des Corpus Paulinum als abgeschlossen gelten.
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