Zefanja / Zefanjabuch
Andere Schreibweise: Zephanja; Sophonias; Zephaniah (engl.); Sophonie (franz.)
(erstellt: Juni 2008)
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Zefanja war ein Prophet, der im letzten Drittel des 7. Jh.s v. Chr. in Jerusalem vor allem Unheil angekündigt hat. Elf seiner Worte bilden den Grundstock des Zefanjabuchs. Sie wurden bis in nachexilische Zeit fortgeschrieben. In seiner Endfassung kündigt das Buch sowohl ein universales eschatologisches Gericht als auch das umfassende Heil der Völker an.
1. Name und Namensträger
1.1. Der Name Zefanja
Der Name „Zefanja“ (צְפַנְיָה ṣəfanjāh) ist die verkürzte Variante der Namensform „Zefanjahu“ (צְפַנְיָהוּ ṣəfanjāhû) und bedeutet als Dankname „JHWH hat (schützend) geborgen / verborgen“ (Noth, 178; Fowler, 358). Den Sinn des Namens verdeutlichen Psalmtexte wie Ps 27,5
Der Name ist im hebräischen Alten Testament insgesamt 10-mal belegt: 8-mal צְפַנְיָה (Jer 21,1
Die Wiedergabe des Namens Zefanja in → Septuaginta
1.2. Vier Namensträger in der Bibel
Als Träger des Namens Zefanja lassen sich alttestamentlich vier Personen unterscheiden:
(1.) Der Prophet, nach dem das Buch Zefanja benannt ist.
(2.) Zefanja (Jer 21,1
(3.) Zefanja, der Vater des Josia, eines führenden Familienoberhaupts unter den Heimkehrern aus dem babylonischen Exil nach Sach 6,10
(4.) Zefanja, ein Nachkomme des Levisohns Kehat, der im Stammbaum des Sängers Heman (1Chr 6,18-23
2. Der Prophet Zefanja
Hinter den literarhistorisch primären Texteinheiten des Zefanjabuches wird eine prophetisch wirksame Person mit eigenständiger Sprach- und Textkompetenz als Auslöser des Textbildungsprozesses erkennbar (z.B. Seybold 1985a.b; 1991).
2.1. Genealogie
Die Frage nach Person und Datierung ist zunächst auf die deuteronomistisch geprägte Buchüberschrift Zef 1,1
Ganz unsicher ist die Identität des Propheten mit dem in einer Siegelinschrift aus → Lachisch
2.2. Ort und Zeit
Das besondere Interesse an Jerusalem in primären Worten der Zefanjaprophetie (vgl. Zef 1,4
Er trat nach Zef 1,1
Fraglich ist die nähere Eingrenzung der Zeit der (primär mündlichen) Prophetie. Sie muss nach Zef 2,13-14
3. Das Buch Zefanja
3.1. Die Endgestalt: ein Kompendium der Prophetie
Das Buch Zefanja enthält nur drei Kapitel mit insgesamt 53 Versen nach dem masoretischen Text. Gleichwohl ist es ein dichtes und vielschichtiges Kompendium der Prophetie Israels, wie es schon der Straßburger Reformator Martin Bucer in seinem Zefanjakommentar von 1528 treffend beschrieb. Das Buch enthält die wesentlichen Elemente prophetischer Verkündigung, nämlich Unheilsworte gegen das eigene Volk wie gegen fremde Völker, aber auch Heilsworte für das eigene Volk wie für fremde Völker. Es zeigt alle Facetten konkreter, situativer wie auch literarischer Prophetie bis hin zum apokalyptischen Ausblick.
Die charakteristischen Unheilsankündigungen mit implizierten Begründungen wenden sich gegen Juda und Jerusalem in Zef 1,4-16
Aber auch die Heilsankündigungen sind in allen wichtigen Facetten im Zefanjabuch vertreten. Zunächst nur als ein „Vielleicht“ der Rettung für die Armen bzw. Gebeugten in Zef 2,3
3.2. Aufbau, Inhalt und Kompositionen
Das Zefanjabuch versteht sich insgesamt als „Wort JHWHs“, wie die einleitende Wortereignisformel in Zef 1,1
Die vier großen mittelalterlichen Handschriften (die Codices Cairensis, Bybylonicus Petropolitanus, Aleppo, Leningradensis / Petropolitanus) gliedern nicht einheitlich; allen vieren gemeinsam ist die Abgrenzung von Zef 2,1-4
Die Struktur des Buches in seiner Endgestalt wird in der Forschung besonders für Zef 2
Vier Hauptpositionen werden vertreten (vgl. Weimar 1997, 724-729; Irsigler 2002, 40f.):
(1.) Gliederung nach den drei Kapitelgrenzen;
(2.) dreiteilige Struktur Zef 1,2-18
(3.) mit der Annahme von Ringkompositionen in den Teilen Zef 1,2-18
(4.) vierteilige Struktur Zef 1,2-2,3
Eine Zusammenschau sprachlicher und literarischer Textsignale spricht eher für jene Position als dem übergreifenden Strukturansatz in der Endgestalt des Buches, die in Zef 1,18
Teil I (Zef 1,2-18
Teil II (Zef 2,1-3,8
Im Teil III (Zef 3,9-20
Im endtextlichen Buchaufbau zeigen sich jedoch Kompositionen als Substrukturen, die vor allem an den betroffenen Adressaten bzw. Bereichen orientiert sind. Sie lassen sich letztlich nur entstehungsgeschichtlich verständlich machen. So handelt die Komposition Zef 1,4-2,3
3.3. Redeformen und Rhetorik
3.3.1. Unheilsankündigungen
Es fällt auf, dass die Redeform der einteiligen Unheilsankündigung (mit implizierter Begründung) in der 1. Person der JHWH-Rede, abgesehen von Zef 2,5-6
In ankündigenden Verbalsätzen formulierte Unheilsansage in Prophetenrede findet sich als selbstständige Sprucheinheit nur in Zef 2,4
Ein eigenständiges Gepräge verraten die funktionalen Ankündigungen des Tages JHWHs in Prophetenrede: Zef 1,7
3.3.2. Verheißungen
Ankündigende Gottesreden als Verheißungen haben für den Redeprozess wie für die Theologie des Zefanjabuches höchstes Gewicht; sie finden sich in Zef 3,9-10
3.3.3. Poetische Gestaltung
Das Buch Zefanja ist mit wenigen Ausnahmen (bes. Zef 1,2-3
3.4. Textüberlieferung
Etwa 800 Jahre älter als der älteste Propheten-Codex des Mittelalters, der Codex Cairensis (895 n. Chr.), ist das hebräische Manuskript der Zwölfpropheten „Murabba‘āt 88 (MurXII)“ aus der Wüste Juda. Insgesamt sind in den Manuskripten aus → Qumran
In der griechischen Zwölfprophetenrolle vom Nahal Hever (8HevXIIgr) sind folgende Zefanjatexte bezeugt: Zef 1,1-6
In mancher Hinsicht erweist sich die Septuagintaversion von Zefanja nicht nur als Übersetzung, sondern auch als ein ältester griechischer „Kommentar“ zum Text (vgl. bes. Harl, 1999a, 311-375). So zeigt sich mehrfach die Tendenz zu einer ethischen und spezifisch religiösen Gerichtsbegründung (bes. Zef 1,9
Trotz einzelner Übereinstimmungen in Textdeutung und Lesart mit LXX erweisen sich die syrische Version (Peschitta) und die lateinische Version des Hieonymus (Vulgata) als eigenständig hinsichtlich der Übertragung und z.T. auch hinsichtlich der Textgrundlage. So liest der Syrer in Zef 3,1
Die aramäische Version, das Prophetentargum Jonathan, ist ein frühes Dokument einer orthodoxen jüdischen Auslegung des Zefanjabuches (vgl. Cathcart / Gordon, 1-19.165-174, und Ribera Florit, 127-135.136-158). Charakteristisch sind z.B. die Einführung der „Schechina“ als der hypostasierten Gottesgegenwart (Zef 3,5
3.5. Entstehung, Redaktion und geschichtlicher Hintergrund
3.5.1. Neuere Forschungen
In der neueren Forschung ist die Annahme weithin akzeptiert, dass das Zefanjabuch aus einer Reihe (primärer und sekundärer) literarischer Einheiten zusammengesetzt ist und einen mehrschichtigen Redaktionsprozess verrät. In welchem Umfang allerdings literarisch primäre Einheiten auf Zefanja als Propheten z.Z. des Königs Josia von Juda zurückgeführt werden können, ist umstritten. Eine Maximalposition vertreten z.B. Lohfink (1984a,b) und Weigl, wonach nicht nur die Einheiten, sondern auch die angenommenen Kompositionen in Zef 1,2-3,15
Textuelle Bezüge und übergreifende redaktionelle Verknüpfungen des Zefanjabuchs im Kontext des → Zwölfprophetenbuchs
3.5.2. Die primären Logien und die älteste noch vorexilische Zefanjaschrift
Der Werdegang des Zefanjabuches geht von 11 primären Logien aus, die sich mit einiger Sicherheit auf Zefanja zurückführen lassen: Worte in Gottesrede gegen Juda / Jerusalem Zef 1,4-5
Für die Herkunft der ursprünglichen Zefanjalogien aus den Jahren noch vor der 622/21 v. Chr. einsetzenden Kultreform des Königs → Josia
Die älteste Komposition von Zefanjaworten dürfte in Zef 1,7-13
Diese erste Gesamtkomposition scheint plausibel in die Zeit zwischen der ersten und der zweiten Eroberung Jerusalems durch → Nebukadnezar
3.5.3. Die Zefanjaschrift in der Exilszeit und das exilische Vierprophetenbuch
In exilischer Zeit dient die (erweiterte) Zefanjaschrift als Dokumentation, die das eingetretene Gottesgericht über Juda / Jerusalem begründet.
Von einer deuteronomistisch geprägten (nicht notwendig einheitlichen) Redaktion stammt die (eher frühexilische) Buchüberschrift Zef 1,1
Ebenfalls exilisch ist das Gerichtswort gegen Moab und Ammon Zef 2,8-9
3.5.4. Die Zefanjaschrift in nachexilischer Zeit und ihre Stellung im Zwölfprophetenbuch
Nachexilisch werden in verschiedenen Redaktionsstufen Heilsverheißungen für Jerusalem, den Rest Israels und die Völker angefügt, aber auch das einstmals geschichtlich konkret bezogene Gottesgericht universalisiert und eschatologisiert.
Die frühnachexilische (oder noch spätexilische) Verheißung eines „armen / demütigen und geringen Volks“ als Gemeinde des „Restes Israels“ in Jerusalem Zef 3,11-13
Das Anliegen universaler und eschatologischer Ausweitung von Zefanjas Unheilsbotschaft vom JHWH-Tag vertreten nachexilisch die Rahmentexte Zef 1,2-3
3.6. Theologie: die prophetische Botschaft des Buches
Die primäre Zefanjaprophetie, die uns in etwa 11 Logien überliefert ist (s.o. 3.5.2.!), lässt ihre Herkunft aus mündlichem, rhetorisch wirksamen Vortrag noch gut erkennen (s.o. 3.3.!). Inhaltlich stellt die Prophetie Zefanjas ihre Adressaten mit unerbittlichem Ernst vor die Wirklichkeit des sicheren → Gottesgerichts
Während JHWH nach Zef 1,4-5
Die dunkle Seite des unausweichlich gewordenen Einschreitens JHWHs stellt Zefanja in der von Am 5,18-20
Die Nachbearbeitungen von Zefanjas Prophetie, → Fortschreibungen
Weit über den Horizont der Hoffnung auf Sammlung aller zerstreuten Zionskinder und ihrer neuen Ehre bei den Völkern hinaus führen die einzigartigen Verheißungen einer universalen einmütigen JHWH-Verehrung (im Gefolge Deuterojesajas: Jes 45,22f
Das Zefanjabuch ist darauf angelegt, dass seine Rezipienten, Leserinnen und Leser, das Buch in seiner Endgestalt nicht nur als Warnung und Mahnung und sodann als trost- und hoffnungsvolle Verheißung wahrnehmen, sondern auch den Redeprozess im Buch mitgehen. Dieser führt von der kosmischen Unheilsszenerie als Ausgangspunkt für das Gottesgericht und den dunklen JHWH-Tag über Juda und Jerusalem zunächst hin zur Hoffnung auf mögliche Bewahrung im Gerichtssturm (Zef 2,3
Am Ende des Buches steht als gewaltiger Schlussakkord der Aufruf zum Jubel an die „Tochter Zion“, an das Israel, das seine Sammlung und Wiederherstellung erhoffen darf (Zef 3,14-20
3.7. Rezeption und Wirkung
In der jüdischen und christlichen Tradition hat sich Zefanja eingeprägt mit seiner Ankündigung des Tages JHWHs als des großen Zorntags, verstanden als eschatologisches Gottesgericht. Ein bekanntes Zeugnis für die inspirierende Kraft seiner Rede auch noch in der lateinischen Vulgata-Fassung ist der mittelalterliche Hymnus „Dies irae dies illa“. Der Hymnus (vgl. Heinz, 219) wurde als sog. Sequenz in der Totenmesse des Missale Romanum von 1570-1962 verwendet. Er geht auf Zef 1,15-18