(erstellt: November 2014)
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1. Name
Der Name Saul (שָׁאוּל šā’ûl) ist von der Wurzel שׁאל š’l „fragen / bitten“ abzuleiten und bedeutet „der Erbetene“, was ein Dankname (für die Geburt des Kindes) ist.
2. Saul in der Darstellung des Alten Testaments
2.1. Saul, der Sohn des Kisch aus dem Stamm Benjamin, war nach der Darstellung des Alten Testaments der erste König Israels. Seine Geschichte ist eng verbunden mit der Geschichte der Entstehung des Königtums in Israel (→ Königtum
2.2. Die Berichte über Saul finden sich von 1Sam 9, wo Saul und seine Familie vorgestellt werden, bis hin zu 1Sam 31, wo vom Tod Sauls und seiner Söhne im Kampf gegen die → Philister
Nachdem Israels Wunsch nach einem König vermerkt wurde (1Sam 8), beginnen die Saul-Erzählungen mit der Geschichte von Sauls Suche nach den Eselinnen seines Vaters, in deren Verlauf er dem Propheten → Samuel
Nachdem Samuel sein Richteramt in 1Sam 12 niedergelegt hat, wird die Saulgeschichte mit der Erzählung vom großen Erfolg Sauls gegen die Philister fortgesetzt, bei dem Sauls Sohn → Jonatan
In dieser Phase beginnt bereits der Konflikt zwischen Saul und David, in dessen Verlauf David flieht, der aber auch dazu führt, dass Saul die Priester des Heiligtums von → Nob
Schließlich kommt es am Gebirge → Gilboa
Zur Nachgeschichte gehört der Bericht von Davids Klagelied über Saul und Jonatan (2Sam 1,17-27
Die genealogischen Notizen in 1Chr 8,33
2.3. Die ungewöhnlich lange genealogische Angabe über Saul in 1Sam 9,1f
2.4. Zur Quellenlage und ihrer Bewertung: Saul als erster israelitischer König ist bisher nur im Alten Testament und in davon abhängigen Schriften bezeugt. Das ist für Gestalten dieser frühen Zeit nicht ungewöhnlich und gilt für die meisten Personen des Alten Testaments, es führt aber immer wieder zur Frage der Historizität.
Die literarische Analyse und Bewertung der Erzählungen über Saul bieten so wie die → Samuelbücher
Ein (zur Zeit der Erstellung dieses Artikels relativ neues und) für die erwähnte Problematik typisches Buch ist „The Forgotten Kingdom. The Archaeology and History of Northern Israel“ von Israel Finkelstein (2013). Finkelstein beschreibt die Geschichte des (späteren) Nordreiches, das ungefähr dem Herrschaftsgebiet Sauls entsprach. Er stellt zwar fest, dass es im 11. Jh. v. Chr. im Nordwesten von Jerusalem, also im Bereich von Gibeon und Bethel, ein dicht bewohntes und gut entwickeltes Gebiet gab, aber in der weiteren Darstellung folgt er der von ihm vertretenen späten Datierung archäologischer Befunde („low chronology“; s. dazu → Jesreel
In Bezug auf Saul nimmt Finkelstein an, dass Saul ein größeres Gebiet im Bergland beherrschte, und zwar vom Gebiet um Gibeon aus, aber er behauptet, dass die philistäischen Städte zu schwach gewesen seien, um Stützpunkte im Bergland (s.u. 3.1) unterhalten zu haben und auch um gegen Saul in die Ebene Jesreel und zum Gebirge Gilboa zu ziehen (1Sam 31). Vielmehr könne das nur der ägyptische Pharao → Scheschonq
3. Die Situation zur Zeit Sauls
3.1. Die Vorherrschaft der Philister
In äußerer Hinsicht war die Situation zur Zeit Sauls geprägt von der Vorherrschaft der → Philister
3.2. Die Entwicklung der israelitischen Stämme und ihrer Organisation
In der sog. Richterzeit von ca. 1200-1000 v. Chr. (→ Eisenzeit I
Vermutlich hatten auch die sog. → „Kleinen Richter
Wahrscheinlich wichtig, aber historisch umstritten ist die Rolle → Samuels
4. Die Entstehung des Königtums
4.1. Über den Beginn seines Königtums gibt es verschiedene Traditionen: Nach 1Sam 9,1-10,16
Historisch am besten greifbar ist die Befreiung von Jabesch in Gilead, die dann auch noch nach dem Tod Sauls und seiner Söhne in der Aktion der Jabeschiter (1Sam 31,11-13
4.2. Mit der Herausbildung des → Königtums
Sauls Herrschaftsgebiet umfasste das Bergland westlich und zum Teil auch östlich des → Jordans
5. Die Dauer der Herrschaft Sauls und sein Herrschaftsgebiet
5.1. Das Alte Testament bietet nur in 1Sam 13,1
5.2. Auch die Dauer von 2 Jahren ist problematisch. Die Erzählungen von den verschiedenen Kriegszügen vermitteln den Eindruck, dass Saul doch eine längere Zeit herrschte. Zudem hat Saul bei seinem Ende erwachsene Söhne, die ebenfalls in die Schlacht ziehen. In der jüdischen Tradition nahm man ebenfalls eine längere Dauer an. Eine solche Tradition spiegelt sich im Neuen Testament in Apg 13,21
Eine moderne Vermutung ist, dass die Angabe „2“ (hebräisch שְׁתֵּי šətê) durch Buchstabenvertauschung aus der Zahl „9“ (hebräisch תֵּשַׁע teša‘) entstanden sei (so Jepsen). Diese Annahme findet sich in vielen Zeittafeln zur Bibel (Saul: 1012-1004 v. Chr.). Allerdings ist auch das nur eine Vermutung. Es erscheint jedoch wahrscheinlich, dass Saul ca. 10 bis 20 Jahre herrschte.
Da es schwer zu erklären ist, dass die Zahl „2“ erst nachträglich entstand (auch nicht als Verwechslung mit 20, weil im Hebräischen die Wörter für 2 und 20 ganz verschieden sind), ist anzunehmen, dass sie ursprünglich ist (so → M. Noth
5.3. Das Herrschaftsgebiet Sauls umfasste das mittelpalästinische Bergland und Teile des nördlichen Ostjordanlandes (die östliche Hälfte des Stammes Manasse und das Gebirge → Gilead
6. Die Ursache für die Entstehung des Königtums
In den Erzählungen über Saul (und David) nimmt der Kampf gegen die Philister einen großen Raum ein. Es sind dies vor allem die Erzählungen über den von Jonatan begonnen Krieg gegen die Philister in 1Sam 13-14 und die Schlacht auf dem Gebirge Gilboa in 1Sam 31, bei der Saul und seine Söhne umkamen. Dazwischen ist vor allem die Auseinandersetzung bei → Aseka
Am markantesten ist die Bemerkung in 1Sam 14,52
Allerdings ist es merkwürdig, dass trotzdem Saul die ganze Zeit in der Nähe der Wachposten der Philister gelebt haben soll. Daher wurde sogar vermutet (z.B. von D. Edelmann), dass die Befreiung von Jabesch in Gilead (1Sam 11) erst nach dem erfolgreichen Kampf gegen die Philister (1Sam 13f.) stattgefunden haben könnte, weil sonst Saul nicht so weit von seinem Heimatort hätte weggehen können.
7. Situation und Entwicklung der Herrschaft Sauls
Es ist tatsächlich auffallend, dass Saul seine Residenz in Gibea, ganz in der südwestlichen Ecke seines Herrschaftsgebietes hatte. Das war zwar nicht weit von → Mizpa
Zwischenbemerkung zur Lage von Gibea: Die genaue Lokalisierung von Gibea ist umstritten. Meistens wird → Gibea
Andere identifizieren das Gibea Sauls mit → Geba
Die Nachricht vom Metallmonopol der Philister (1Sam 13,19-21
Die Berichte von der Einsetzung Sauls beziehen sich nicht auf die Philister und selbst die kritische Frage in 1Sam 10,27
So ist es sehr wahrscheinlich, dass zunächst und für längere Zeit das Verhältnis zwischen Saul und den Philistern ein friedliches war. Saul war Anführer und König Israels, wobei er die Israeliten gegen Angriffe wie in Jabesch und gegen räuberische Überfälle (z.B. durch die Amalekiter; vgl. 1Sam 15) schützte, wohl aber auch für Ordnung im Inneren sorgte. Saul tat das praktisch unter den Augen der philistäischen Wachposten. Seine Schutz- und Ordnungsfunktion war offensichtlich auch von den Philistern akzeptiert.
Unter der Herrschaft Sauls entwickelte sich Israel sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch im Sinn einer stärkeren Einheit der Stämme untereinander. Saul sammelte auch ein stehendes Heer, das zum Teil unter seinem Befehl und zum Teil unter dem Befehl seines Sohnes Jonatan stand (1Sam 13,2
Diese Entwicklung Israels machte vielleicht die Philister misstrauisch, sodass sie ihre Kontrollen verstärkten, und andererseits wurde wohl auch die alte Abhängigkeit von den Philistern als nicht mehr angemessen empfunden. Es ist wohl nicht zufällig, dass nach 1Sam 13,3
Nach 1Sam 13-14
Während die Philister die Leichname Sauls und seiner Söhne in → Bet-Schean
8. Nachgeschichte und Nachwirkung
Trotz der schlimmen Niederlage hatte das Königtum Sauls eine Nachgeschichte. Offensichtlich hatte Abner, Sauls Heerführer, den Kampf überlebt. Er setzte → Eschbaal
Allerdings dauerte diese Herrschaft nur zwei Jahre (2Sam 2,10
Auch wenn Saul und seine Söhne im Kampf gegen die Philister das Leben verloren und durch den Übergang der Herrschaft auf David das Könighaus Sauls endete, so hatte seine Herrschaft wohl doch erheblich zur wirtschaftlichen und militärischen Entwicklung Israels und auch zur Akzeptanz des Königtums beigetragen. David konnte auf diesen Entwicklungen aufbauen.
9. Bewertung Sauls in der Tradition
Schon die Erzählungen über Saul in den Samuelbüchern sind – ähnlich wie dann auch die Darstellung → Davids
In den → Chronikbüchern
Trotzdem wird Saul in der jüdischen Tradition überwiegend positiv gesehen. → Josephus
In der rabbinischen Literatur werden zwar auch die negativen Seiten genannt, sie werden aber insgesamt von Sauls Tugenden weit übertroffen. So wird er gelobt, weil er – anders als David – nur eine Frau hatte. Weil er in der Entscheidungsschlacht gegen die Philister seinem Tod nicht auswich, sondern sein Geschick als Strafe Gottes mutig annahm, wurden ihm seine Sünden vergeben und lobt ihn Gott vor allen Engeln.
So überrascht es nicht, dass der Name Saul durchaus verwendet wird. Josephus erwähnt mehrere Personen mit diesem Namen, u.a. einen Verwandten des Herodes Agrippa. Nicht zuletzt zeigt der Name des Apostels Saulus / Paulus, dass man im Stamm Benjamin (Phil 3,5
Im Koran wird Saul in Sure 2,274 genannt (Text Koran
10. Rezeption in der Kunst
Schon in den Wandmalereien der Synagoge von Dura Europos (3. Jh. n. Chr.) wurde Saul dargestellt, weiter in z.B. St. Ambrogio in Mailand (4. Jh. n. Chr.) und dann vor allem in mittelalterlichen Bibelhandschriften. Wiederholt dargestellt wurde Saul von Rembrandt und im 20. Jh. z.B. von Oskar Kokoschka.
Neben den auf Saul bezogenen Darstellungen kommt Saul im Zusammenhang von Darstellungen Davids als Harfenspieler vor Saul vor und außerdem bei der Totenklage Davids um Saul.
In der Literatur der Neuzeit wurde die Gestalt Sauls in verschiedenen Ländern und Sprachen vor allem unter dem Gesichtspunkt der Tragödie thematisiert (so schon bei Hans Sachs, Tragedia König Sauls; 1557). In Werken aus dem 20. Jh. wurden zunehmend auch psychologische Aspekte eingebracht (z.B. bei Rainer Maria Rilke, André Gide, Lion Feuchtwanger, Max Brod, Else Lasker-Schüler; Shin Shalom). Aber auch die mit Saul verbundenen Personen, wie Michal (Aharon Ashman), Jonatan (Arthur W. Spaulding) und Rizpa (Charles Israel, 1961) wurden thematisiert.
Musikalisch wurde die Saulthematik u.a. bei Heinrich Schütz in einem Chorwerk und ab etwa 1700 häufig in Opern und Oratorien aufgenommen.
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Abbildungsverzeichnis
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- David und Saul (1Sam 16,14-23). Saul hält den Speer in der Linken, Davids Musik scheint ihn also zu beruhigen – ein Erfolg, auf den auch die Geste des Mannes auf der Bildachse verweist. Mit Turban (darauf Halbmond und Stern) erscheint Saul als türkischer Sultan, der in der Zeit des Künstlers – nach der türkischen Eroberung des Balkans – wohl mit friedlichen Mitteln beruhigt werden soll (Lucas van Leyden, 1509).
- David verschont Saul (1Sam 24,3-14; Rembrandt van Rijn; um 1657-1660).
- Sauls Tod in den Gilboabergen (Pieter Brueghel der Ältere; ca. 1525-1569).
- Die Jabeschiten retten die Leichen Sauls und seiner Söhne (1Sam 31,11-13; Gustav Doré, 19. Jh.).
- Karte zum Herrschaftsgebiet Sauls. © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart
- David spielt Harfe vor Saul (Rembrandt van Rijn; 1660 n. Chr.).
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