Deutsche Bibelgesellschaft

(erstellt: Mai 2024)

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1. Definition und Wortfeld

Das ‚Mauerwerk‘ verbindet Elemente aus Stein oder Lehm / Ziegel zu einem massiven Verband, der mit oder ohne Mörtel durch handwerkliche Fügetechniken zusammengehalten wird. Außerdem kennt das klassische Altertum bereits Betonmauerwerk.

Das Wortfeld Mauer / Hausmauer / Wand wird im Hebräischen vielfach mit קִיר (qîr) sowie Mauer / Ummauerung / Stadtmauer mit חוֹמָה (ḥômāh) oder גָּדֵר (gāder) umschrieben; Ziegelmauer mit קִיר לְבֵנִים (qīr ləbēnîm). Im Griechischen steht seit Homer für Mauer τεῖχος (teîchos; häufig für Stadtmauer / Befestigung) oder τοῖχος (toîchos; häufig Hausmauer bzw. Ummauerung / Einfriedung).

2. Natursteinmauerwerk (Feld- und Bruchstein)

2.1. Naturstein

In der südlichen Levante steht fast überall Kalkstein zur Verfügung. Das Sedimentgestein besteht überwiegend aus den Mineralien Calcit und Aragonit und ist chemisch als Calciumcarbonat (CaCO3) zu umschreiben. Der Kalkstein war einerseits hart genug, um aus ihm tragende Wände zu errichten. Sein Härtegrad 3 (nach Mohs) reiht ihn allerdings unter die „Weichgesteine“ ein. Folglich ist er gut zu bearbeiten. Die Steine wurden möglichst im Umfeld einer Baumaßnahme gesammelt (Feldstein) oder in nahen Steinbrüchen abgebaut (Bruchstein), um Transportwege zu minimieren – danach grob, je nach Notwendigkeit, zugehauen.

Im Norden (→ Galiläa, Hauran, → Golan) konnte auch der wesentlich schlechter zu bearbeitende, dafür aber deutlich haltbarere und witterungsfestere schwarze Basalt gefunden bzw. abgebaut werden. Bei Basalt handelt es sich um ein vulkanisches Ergussgestein. Die Ablagerungen stammen aus dem Miozän und Pleistozän.

In der Küstenebene nutzte man Kurkar – einen weichen Sandstein. Es handelt sich um verhärteten, vormals beweglichen Sand, d.h. um versteinerte Dünen.

In südlichen Gefilden der Levante nutzte man vorrangig den dort verfügbaren Sandstein – ein klastisches Sedimentgestein aus unterschiedlich großen Mineral- und Gesteinsbruchstücken (Sedimentkörnern).

2.2. Natursteinmauern

Seit dem Mesolithikum / Epipaläolithikum (16000-9300 / 8500 v. Chr.) gab es in der südlichen Levante Mauerwerk aus Feldsteinen (Fundamente von Häusern). In Basta (Koordinaten: 2011.9598; N 30.227222, E 35.533333 N 30°13'38.0", E 35°32'00.0"), im südlichen Jordanien, wurde schon im präkeramischen Neolithikum B (7500-6000 v. Chr.) Kalkmörtelmauerwerk verwendet.

2.2.1. Feldmauern, Rückhaltemauern, Terrassierungen

Freistehende Feldmauern (Feld- oder Weidebegrenzungen) sowie Rückhaltemauern (insbesondere bei Terrassen) wurden in der südlichen Levante vielfach schon während der Bronze- und Eisenzeit errichtet. Eine Terrassierung quer zur Fließrichtung der Wadis (→ Fluss / Bach / Wadi) erlaubte es, dort Wasser zurückzuhalten. Damit konnte Wasser durch die Erde zum Wurzelwerk von Pflanzen gelangen und während der Regenzeit Feldbau (→ Ackerbau) ermöglichen. Bei fortwährendem Niederschlag flossen die überschüssigen Regenmengen durch das poröse Mauergestein ab. Auch an den Berghängen konnten die wasserdurchlässigen Trockenmauern das schnelle Ablaufen von Regenwasser und damit auch den Abtrag der Humusschicht verhindern. Damit wurden landwirtschaftliche Flächen erschlossen. Die Terrassierung war insbesondere für Weinberge vorteilhaft, da die Steine durch die Nacht die tags zuvor gespeicherte Wärme der Sonneneinstrahlung an die bodennahen Luftschichten abstrahlen, was eine Abkühlung der Weinbergflächen verhindert.

2.2.2. Tragende Mauern

Natursteinmauerwerk in tragender Funktion bei Häusern (→ Haus / Hausbau) und Stadtmauern wurde häufig in Zweischalentechnik errichtet. Üblicherweise verwandte man außen größere und innen kleinere Steine. Der Zwischenraum konnte mit kleineren Steinen, Split oder Lehm aufgefüllt werden. Dies verhinderte Wasserdurchbrüche und ebenso die Unterhöhlung durch Tiergänge. Bei Stadtmauern wurden während der Frühen → Bronzezeit auch mehrere Schalen parallel zueinander angelegt. Dabei wuchsen die Verteidigungsanlagen zu einer enormen Dicke an (z.B. in Khirbet ez-Zeraqon [Koordinaten: 2392.2216; N 32.587322, E 35.948242 N 32°35'14.4", E 35°56'53.7"]).

Große und kompliziert gebaute Gebäudestrukturen wie Kammer-Stadttore (→ Tor / Stadttor) erhielten mit Holzbalken konstruierte „Dehnungsfugen“ (auch „Bewegungsfugen“). Diese in der Außenschale angebrachten Fugen können als eine Art „Lebensversicherung“ für die Fassade angesehen werden. Sie garantieren, dass die Außenschale zuverlässig Hitze und Kälte überstehen (Abb. 1).

Beim aufgehenden Schalenmauerwerk achtete man auf eine ebenmäßige Verlegung der Steine an der Außen- und Innenseite („Sichtmauerwerk“). Für ein gutes und stabiles Ergebnis war große handwerkliche Erfahrung erforderlich. Die Natursteine eines Mauerverbands wurden häufig pro waagerechte Schicht in einer etwa gleichen Höhe verlegt. Zwischen diesen Reihen sorgten kleine Ausgleichssteine („Kimmsteine“) dafür, die Höhendifferenzen gegenüber der nachfolgenden Reihe auszugleichen. Ein Drittel der verbauten Steine wurde üblicherweise als „Durchbinder“ oder „Bindesteine“ verlegt, um die Schalen miteinander zu verankern. Bei einschaligen Mauern verband man diese Steine mit dem dahinter liegenden Erdreich (Abb. 2).

Hausbauten konnten auch vollständig mit Trockenmauerwerk ausgeführt werden. Dann wurde der Einsatz von Querbalken (meist → Ölbäume oder → Terebinthen – nur in herausragenden repräsentativen Zusammenhängen auch → Zedern) für die Deckenkonstruktion durch Kragsteine ersetzt. Diese fertigte man üblicherweise aus Basalt (Abb. 3).

„Zyklopenmauerwerk“ verzichtete auf solche waagerechten Schichtungen. Man verbaute hier – insbesondere bei Stadtmauern oder wehrhaften Gebäuden – kaum bearbeitete, sehr große Steine aus Hartgestein. Dabei erhielt man eine unregelmäßige Fugenführung bei maximaler Haltbarkeit (Abb. 4).

2.3. Quadermauerwerk

Behauene Quader oder Formsteine (für Bögen oder Kuppeln) verlangten einen deutlichen Mehraufwand gegenüber dem Bauen mit Feld- und Bruchsteinen. Die dadurch erreichten Konstruktionsmöglichkeiten waren allerdings auch enorm vielseitiger und deren gesellschaftliche Reputation folglich wesentlich höher.

Quadermauerwerk besteht aus an zumeist allen sechs Flächen vor der Verarbeitung präzis zugeschlagenen Formsteinen; meist aus Quadern, aber auch aus anderen geometrischen Formen, die für Bögen, Zwickel, Tür- oder Fensterstürze oder Schwellen benötigt wurden. Die keilförmigen Steine zum Mauern von Bögen und Gewölben werden als Keil- oder Bogensteine bezeichnet.

Quader der gleichen Größe bilden ein isodomes Mauerwerk (lat. Opus isodomum). Mauern mit je Reihe gleicher Höhe werden als Opus pseudo-isodomum bezeichnet. Je nach Sorgfalt unterscheidet man zwischen grobem oder feinem Mauerwerk (Abb. 5).

2.3.1. Bossenmauerwerk

Das Bossenmauerwerk („bozen“ mittelhochdeutsch für „schlagen“) zählt zum Feinmauerwerk. Hier wird die Seite des Sichtmauerwerkes („Stirnseite“) mit einer umlaufend ausgehauenen gleichmäßigen Kante („Randschlag“) verziert (d.h. „bossiert“). Der in der Mitte jeden Steins stehengebliebene Bereich kann auf unterschiedliche Weise gestaltet werden: Typisch für den herodianischen Stil ist der absolut glatt gearbeitete Mittelbereich („Polsterquader“ wie an der Tempelumfassungsmauer in → Jerusalem oder an der Machpela-Außenmauer in → Hebron). Zumeist hinterließ man aber „Buckelquader“, bei dem der nichtbossierte Teil mehr oder weniger hervorstehend bearbeitet wurde. Die Bossen wurden aber immer erst nach der Fertigstellung einer Mauer von außen in die Mauersteine geschlagen (Abb. 6).

Die vorspringenden unbearbeiteten Bossen dienten dazu, beim Abgleiten schwerer Steine von den Hebetauen der Bauarbeiter die unteren Steinreihen nicht zu beschädigen. Manchmal „vergaß“ man aber auch, einzelne Bossen noch fertig zu bearbeiten (weil der Bauherr starb oder das Geld aufgebraucht war?). Dann blieben noch unbearbeitete Elemente wie an der Nordseite von Machpela im sonst fertigen Bau erhalten (Abb. 7).

2.3.2. Wasserbau

Quadermauerwerk wurde häufig im Wasserbau (→ Wasserversorgung) während der klassischen Epochen genutzt, insbesondere zur Schalung von Kanälen und Gräben, zur Konstruktion von Aquädukten und für die Abwasserleitungen unter den Straßen bzw. Hauptstraßen von Städten (Abb. 8).

Der Bau eines Schachtbrunnens war schon in vorklassischer Zeit mit Feldsteinen möglich (Byblos [Koordinaten: 34.123611, 35.651111 N 34°07'25.0", E 35°39'04.0"]; Abb. 9) – durch Formsteine (häufig in Läufer-Binder-Technik verbunden) konnten aber wesentlich effektiver ausgearbeitete Quellbereiche gestaltet werden (Su Pempiesu auf Sardinien [Koordinaten: 40.410953, 9.412867 N 40°24'39.4", E 9°24'46.3"]; Abb. 10).

3. Lehmziegelmauerwerk

Üblich und allgemein verbreitet waren in der südlichen Levante die luftgetrockneten Lehmziegel. Sie gelten als die ältesten vorgefertigten Bauelemente überhaupt. Schon während des Neolithikums wurden sie gefertigt. Auch das Brennen von Ton war bereits im Neolithikum bekannt (Frühes keramikführendes Neolithikum, Jarmuk-Kultur: 6000 / 5700-5000 v. Chr.), wurde aber nicht für Ziegel eingesetzt. Stattdessen wurde Kalk gebrannt, der zu Estrich verarbeitet wurde.

Zur Herstellung der frischen Luftziegel („Grünlinge“) wird tonhaltiger Lehm genutzt, der meist mit Sand, pflanzlichen Fasern oder anderen Zusätzen gemischt („gemagert“) wird. Die Ziegel werden dann mit den Händen oder in Holzverschalungen in ihre (in frühen Zeiten mehr oder weniger) quaderförmige Gestalt gepresst. Sie trocknen an der Luft – häufig im Schatten, um eine zu schnelle Austrocknung und die dadurch entstehenden Risse zu vermeiden.

Beinhaltet der tonhaltige Lehm zu viel Sand („magerer Lehm“), vermindert dies die Tragfähigkeit der Ziegel, die dann bröselig werden und nicht mehr am Untergrund anhaften. Zu viel Ton („fetter Lehm“) lässt die Ziegel hingegen rissig werden. Gegen letzteres helfen Beimischungen von Pflanzenfasern (u.a. Stroh) sowie Tierkot (Pflanzenfresser!).

Die Ziegelherstellung wird als Teil der ägyptischen Sklaverei an den Israeliten beschrieben (Ex 1,13-14).

Luftgetrocknete Lehmziegel können auch im verbauten Zustand bei Regen stets wieder aufweichen. Verputz schützt die Außenseiten von Bauwerken vor solchen Gefahren zuverlässig, sofern dieser regelmäßig überprüft und gewartet wird (vgl. Abb. 11-12). Sollten die Lehmziegelmauern an der Basis nicht vom Erdreich ausreichend isoliert werden, so gefährdet die Kapillarwirkung die Tragfähigkeit der unteren Ziegelschichten und damit das ganze Gebäude. Daher wird in der südlichen Levante stets eine Steinbasis unter die Ziegelwände positioniert. Diese Steinfundamente grub man in der Regel 10-30 cm tief in die Erde, um ein Unterspülen zu vermeiden. Bei Ausgrabungen ist diese Methode anhand der Fundamentgräben zu identifizieren.

Lehmziegelwände sind Wärmespeicher und sorgen so für ein gutes Hausklima, dazu sind sie vollständig wiederverwendbar. Dennoch gibt es heute kaum Beispiele in Nahost oder Nordafrika, bei denen in modernen Gebäuden Lehmziegel dem Betonbau vorgezogen werden, da letztere mehr Tragfähigkeit garantieren und weniger Pflege brauchen.

Statt mit Lehmziegeln können Wände auch vergleichbar mit Stampflehm aufgebaut werden. Wände aus Ziegeln haben diesen gegenüber jedoch entscheidende Vorteile: die Mauern sind stabiler und benötigen bei ihrer Errichtung keine (Holz-) Schalung.

4. Mauerwerk aus gebrannten Ziegeln

Gebrannte Ziegel (von lat. tegula; dort allerdings Dachziegel!) bezeichnet man auch als Tonziegel oder Klinker, fälschlicherweise auch als Backsteine oder Ziegelsteine. Beim Brennvorgang gehen alle biologischen Bestandteile verloren – diese erzeugen kleine Lufteinschlüsse.

Anfang des 3. Jt.s v. Chr. wurde erstmals gebrannter Ton in Ziegelform in größerem Umfang verwendet und das Glasieren entwickelt. Das Ischtar-Tor aus der Zeit → Nebukadnezars II. (reg. 605-562 v. Chr.) ist eines der bekanntesten Beispiele dieser Bautechnik. Solche Bauweisen mussten allerdings angesichts ihres sehr großen Energieaufwandes in vorklassischer Zeit auf große orientalische Königshöfe beschränkt bleiben (Abb. 13).

Für die Architektur im klassisch griechischen und römischen Bereich erhielt der gebrannte Ziegel eine besondere Bedeutung. Seit dem 1. Jh. v. Chr. wird er für repräsentative Bauwerke eingesetzt (in Rom seit Augustus, 27 v. Chr. bis 14 n. Chr.). Die römischen Legionen verbreiteten diese Bauform im 1. Jh. n. Chr. bis an die Grenzen ihres Reiches. Die Trierer Konstantinbasilika kann als herausragendes Beispiel für einen bedeutenden Ziegelbau nördlich der Alpen zählen. Ihre Ziegelwände wurden außen verputzt und innen mit Marmor verkleidet (Abb. 14).

In der Spätantike führte man den Umgang mit Ziegelmauerwerk zu neuen Höhen, wie die 537 n. Chr. geweihte Hagia Sophia in Konstantinopel belegt, die vollständig aus Ziegeln errichtet wurde.

Typisch für die römische Epoche sind dünne Ziegel. Ungenauigkeiten bei den Maßen der einzelnen Mauersteine wurden durch die Mörtelfugen ausgeglichen. Zu den großen Vorteilen des Lehmziegelmauerwerkes gehört, dass es plastisch noch verformbar ist und luftdichte Wände herstellt. Nachteil der gebrannten Ziegel sind die bei ihrer Herstellung enorm hohen Heizkosten (Holz und Holzkohle), die auch ihren Anteil an der Abholzung von Waldgebieten rings ums Mittelmeer hatten.

Der perfekt zu verwendende Ziegel in den Proportionen 1:2:4 stammt wohl aus der Induskultur (3. Jt. v. Chr.). In diesen Maßen war er in jede Richtung sinnvoll zu kombinieren und gleichzeitig als einzelnes Element leicht zu transportieren.

5. Römische (Beton- und Stein-)Bautechniken

Die römische Kultur trug neue Bautechniken in die östlichen Provinzen ein, dazu gehören die unten vorgestellten Opus caementicium (auch: caementitium), Opus quadratum und Opus reticulatum.

5.1. Opus quadratum

Bis ins 1. Jh. v. Chr. war Opus quadratum in der römischen Welt weit verbreitet. Es besteht aus Reihen von regelmäßig großen, behauenen Steinen aus Bindern oder Läufern. Die Befestigung erfolgte mit Krampen aus Holz oder Metall.

5.2. Opus caementicium

Opus caementicium ist eine seit dem 3. Jh. v. Chr. verwendete betonähnliche Substanz, mit der Guss- bzw. Schalenmauerwerke – später auch ganze Gebäude – errichtet wurden. Dazu gehören das Fundament, die Gewölbe und oberen Innenwände des Kolosseums wie auch das Pantheon in Rom mit seiner 43,30 m Durchmesser überspannenden Kuppel.

Der Baustoff selbst besteht aus Calciumoxid (CaO), aus „ungelöschtem Kalk“, der bei mehr als 800 Grad im Kalkofen aus Kalkstein (Calcit) gewonnen wurde. Dieser Kalk reagiert mit Wasser („Kalklöschen“) bei starker Hitzeentwicklung zu Calziumhydroxid (Ca[OH]2), zu „gelöschtem Kalk“. Die Zugabe von Puzzolanen (Tuff, Vulkanasche) oder gemahlener Ziegel führt zur Reaktion des dort enthaltenen Siliciumdioxids (SiO2) mit Calziumhydroxid zu wasserunlöslichem Calciumsilicathydrat, d.h. zu druckfestem Stein, der modernem Zement ähnlich ist.

Die Verwendung von gebranntem Kalk geht wohl auf die Phönizier (→ Phönizien) zurück und diente den Griechen und durch diese vermittelt den Römern als Vorbild. Die Phönizier mischten ihre Mörtel ebenso mit Ziegelmehl und später mit vulkanischer Asche (Puzzolan), um unter Wasser feste Mauern zu errichten.

In der südlichen Levante ist auf die grandiose Hafenmole von Caesarea maritima (Koordinaten: 1400.2118; N 32°30'00.0", E 34°53'30.0") zu verweisen, die Experten aus Rom für Herodes d. Gr. (37-4 v. Chr.) errichteten. Diese platzierten unter Wasser eine Mauer aus Steinquadern, auf der mit Opus caementicium eine Hafenmauer errichtet wurde, die selbst den täglichen Belastungen eines turbulenten Hafenlebens gewachsen war (Abb. 17). Üblicherweise baute man auch Aquädukte aus Opus caementicium.

5.3. Opus incertum, reticulatum, testaceum, mixtum

Opus incertum und die folgenden Bautechniken entwickelten die Römer aus der Opus caementicium-Technik. Streng genommen gelten sie nicht als eigenständiges Mauerwerk, sondern sind Verkleidungen bzw. Verblendungen, die Mauerwerk vortäuschen und auf einen Zementkern aufgesetzt wurden.

Die Außenschale des Mauerwerkes bestand bei Opus incertum aus unregelmäßig geformten und platzierten Natursteinen (seit dem 2. Jh. v. Chr.). Beim Opus reticulatum erzeugen an der Basis quadratische (um 45 Grad gedrehte) Tuffsteine in Pyramidenform, deren Spitze ins Innere des Bauobjektes zeigt, ein Netzmuster an der Sichtseite, der Außenschale, des Mauerwerkes (seit 2. oder 1. Jh. v. Chr.). Beim Opus testaceum (1. Jh. v. Chr.) wurden gebrannte Ziegel verwendet. Chronologisch sind diese Techniken nacheinander entstanden, konnten aber auch in Mischformen, als Opus mixtum, benutzt werden (beliebt im 2. Jh. n. Chr.; Abb. 18).

6. Zum Bauhandwerk

Viele bauhandwerkliche Techniken wurden über alle Zeiten hinweg im familiären Kontext ausgeführt, wozu der übliche Hausbau gehörte. Parallel zur familiär getragenen Bauwirtschaft wurden repräsentative öffentliche Bauten mit herausgehobener Qualität von ausgebildeten Architekten und Beamten verantwortet und in städtischen Zentren oder im Bereich der Königs- oder Tempelwirtschaft in Werkstätten organisiert. Die handwerklichen Tätigkeiten wurden auch hier zumeist von Tagelöhnern durchgeführt. Sie besaßen über alle Epochen hinweg – anders als die Architekten und leitenden Ingenieure von Großbaustellen (Pyramiden, Tempeln, Palästen etc.) – nur ein geringes gesellschaftliches Ansehen.

Das landläufige Image der Handwerkergruppen bestand darin, dass „ohne sie keine Stadt besiedelt“ würde und, „wo sie sich nicht niederlassen“, Hunger herrsche. Doch „zur Volksversammlung werden sie nicht hinzugezogen […] und sie sitzen auf keinem Richterstuhl […], weise Bildung offenbaren sie nicht […]“ (Sir 38,24-34).

Bis in die klassische Antike bestand ein ausgeprägtes Vorurteil gegenüber Menschen, die mit ihren eigenen Händen produzierten bzw. körperlich hart arbeiteten. Die ihnen oft anzusehenden körperlichen Deformationen, ihre Krankheiten und Arbeitsunfälle sowie ihre geringere Lebenserwartung machten handwerkliche Berufe in den Augen der Zeitgenossen unattraktiv. Außerdem waren die Handwerker immer von der allgemeinen Auftragslage und der wechselhaften Zahlungsmoral ihrer Auftraggeber abhängig.

Das klassische und spätantike Bauhandwerk nutzte schon allgemein Kräne und Flaschenzüge. Die einfachen Arbeiter mussten aber dennoch harte körperliche Arbeit bei der Bearbeitung von Steinen und beim Transport von Baumaterial (Quader, Mörtel, Holz, Dachziegel u.a.) verrichten. Als Zugtiere für den Materialtransport dienten Esel, Maulesel und (bes. bei schweren Objekten) Ochsen. Diese zogen hintereinander oder fächerförmig angespannt selbst große Stein- oder Marmorblöcke im Bauhandwerk. Wagen konnten allerdings nur max. 8-10 t Gewicht transportieren.

Da in der südlichen Levante üblicherweise lokaler Kalkstein verbaut wurde, Marmor in klassischer Zeit häufig zur Verkleidung der Wände und Fußböden benutzt sowie Lehm und Ton für den Verputz benötigt wurden, kann man die Schwere der körperlichen Arbeit beim Hausbau kaum unterschätzen. Für Dächer und Türen – und ebenso für Schalungen (u.a. für Kuppeln) und Gerüste – wurde → Holz benötigt und damit die Fähigkeiten der Schreiner.

Im Rahmen großer Bauprojekte (Stadtmauern, Straßen, Brücken, repräsentative Bauwerke etc.) warb der Auftraggeber einerseits genügend Arbeitskräfte an und gewann andererseits auch zusätzliche spezialisierte Handwerker – häufig von außerhalb – hinzu. Dazu gehörten Architekten, Kunsthandwerker und Steinmetze (Abb. 19).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Handbuch der Architektur, Darmstadt / Stuttgart / Leipzig 1883-1943
  • Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie, Berlin 1928ff.
  • Der Neue Pauly, Stuttgart / Weimar 1996-2003

2. Weitere Literatur

  • Beck, O., 1897, Atlas zur Archäologie der Kunst, München
  • Binding, G., 1987, Architektonische Formenlehre, 2. Aufl., Darmstadt
  • Diehl, C., 1910, Mauel d’Art Byzantine, Paris
  • Fensterbusch, C., 1991, Marcus Vitruvius Pollio, De architectura libri decem / Zehn Bücher über Architektur, übersetzt und mit Anmerkungen versehen, 5. Aufl., Darmstadt
  • Klinkott, M. / Becks, R., 2001, Wehrmauern, Türme und Tore, in: Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg (Hg.), Troia – Traum und Wirklichkeit, Begleitband zur Ausstellung, Darmstadt, 407-414
  • Koldewey, R., 1918, Das Ischtar-Tor in Babylon (WVDOG 32), Leipzig
  • Kourkoulis, S.K., 2006, Fracture and failure of natural building stones. Applications in the restoration of ancient monuments, Dordrecht
  • Lamprecht, H.-O., 2001, Bauwerke aus römischem Beton. Herausgegeben anlässlich der Dauerausstellung „Opus Caementitium – Römische Baustoffe“ im Römisch-Germanischen Museum, 5. Aufl., Düsseldorf
  • Lamprecht, H.-O., 1996, Opus caementitium. Bautechnik der Römer. Bau und Technik, 5. Aufl., Düsseldorf
  • Maier, J., 2003, Handbuch. Historisches Mauerwerk, Untersuchungsmethoden und Instandsetzungsverfahren, Basel
  • Mislin, M., 1988, Geschichte der Baukonstruktion und Bautechnik. Von der Antike bis zur Neuzeit. Eine Einführung, Düsseldorf
  • Pfeiffer, G. et al., 2001, Mauerwerk Atlas, München
  • Scheidegger, F., 1994, Aus der Geschichte der Bautechnik, Bd. 1: Grundlagen, 2. Aufl., Basel
  • Seymour, L.M. et al., 2023, Hot mixing. Mechanistic insights into the durability of ancient Roman concrete, Science Advances 9 (doi:10.1126/sciadv.add1602)
  • Stark, J. / Wicht, B., 1998, Geschichte der Baustoffe, Berlin
  • Vieweger, D., 2019, Geschichte der Biblischen Welt, Bd. 1-3, Gütersloh
  • Vieweger, D., 2022, Geschichte der Biblischen Welt, Bd. 4-5, Gütersloh
  • Volhard, F. / Röhlen, U., 2002, Lehmbau Regeln – Begriffe, Baustoffe, Bauteile, 2. Aufl., Braunschweig / Wiesbaden
  • Weyer, A. et al., 2015, EwaGlos, European Illustrated Glossary of Conservation Terms for Wall Paintings and Architectural Surfaces. English Definitions with translations into Bulgarian, Croatian, French, German, Hungarian, Italian, Polish, Romanian, Spanish and Turkish (= Series of publications by the Hornemann Institute, Bd. 17), Petersberg

Abbildungsverzeichnis

  • Abb. 1 Das Tor von et-Tell mit Dehnungsfugen. © D. Vieweger / K. Soennecken
  • Abb. 2 Einphasige Mauer mit Durchbinder. © D. Vieweger / K. Soennecken
  • Abb. 3 Chorazin – Kragsteintechnik, rechts Hauswand, links tragende Bögen im Hausinneren. © D. Vieweger / K. Soennecken
  • Abb. 4 Sichem, Zyklopenmauerwerk der mittleren Bronzezeit nahe des Nordwest-Tores. © D. Vieweger / K. Soennecken
  • Abb. 5 Dor, hellenistischer Hafenbereich. © D. Vieweger / K. Soennecken; Vieweger 2019 III Abb. 8.2.3
  • Abb. 6 Hebron, Machpela, Südmauer, herodianisches Mauerwerk. © D. Vieweger / K. Soennecken
  • Abb. 7 Hebron, Machpela, Nordmauer, nicht vollständig abgearbeiteter Spiegel im herodianischen Mauerwerk. © D. Vieweger / K. Soennecken
  • Abb. 8 Aquädukt von Caesarea. © D. Vieweger / K. Soennecken
  • Abb. 9 Byblos, Quelle Bir al-Muluk. © D. Vieweger / K. Soennecken
  • Abb. 10 Quelle Su Pempiesu in Sardinien. © D. Vieweger / K. Soennecken
  • Abb. 11 Verputzte Lehmziegelwände an der Stadtmauer von Fes. © D. Vieweger / K. Soennecken
  • Abb. 12 Verputzte Lehmziegelwände der Kasba de Taourirt. © D. Vieweger / K. Soennecken
  • Abb. 13 Babylon, Ischtar-Tor, gelber Drache, aus: Koldewey 1918, Taf. 15.
  • Abb. 14 Konstantinbasilika, Trier. © D. Vieweger / K. Soennecken
  • Abb. 15 Hagia Sophia, aus: Beck 1897, Taf. XXIa Abb. 3b; Vieweger 2019 III Abb. 12.1.1
  • Abb. 16 Hagia Sophia (Rekonstruktion aus osmanischer Zeit), aus: Beck 1897, Taf. XXIa Abb. 3a; Vieweger 2019 III Abb. 12.1.7
  • Abb. 17 Der herodianische Hafen von Caesarea. © vom Autor bearbeitete Abbildung eines Modells in Caesarea maritima Nationalparkverwaltung Israel; Vieweger 2022 IV Abb. 11.2.27
  • Abb. 18 Jericho, Opus reticulatum beim Auflager der Treppe zum Südpalast (rechts). © D. Vieweger / K. Soennecken; Vieweger 2019 III Abb. 9.2.16
  • Abb. 19 Spätantikes Bauhandwerk, Miniatur, Psalter Barberini (Vatikanische Bibliothek), aus: Diehl 1910, 369 Abb. 179; Vieweger 2022 IV Abb. 11.2.21

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