Simon Petrus, bibeldidaktisch
(erstellt: Februar 2018)
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Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.Simon_Petrus_bibeldidaktisch.200290
1. Lebensweltlicher Zugang
Auf den ersten Blick bietet der Fischer Simon (in Act 15,14
2. Fragen und Anknüpfungspunkte
Gerade weil Petrus in den neutestamentlichen Schriften als „Traditionsträger par excellence […] eine Art ‚gesamtkirchlicher‘ Autorität“ (Böttrich, 2015) erlangt, auf die sich dann spätestens ab Mitte des 3. Jahrhunderts die Bischöfe von Rom zur Stützung des sich entwickelnden päpstlichen Primats beziehen werden, ist er in der Kirchen- und Theologiegeschichte immer wieder zum „Fels des Anstoßes“ (Niemann, 1994), zur „kontroverstheologische[n] Reizfigur“ (Böttrich, 2001, 18) geworden, insbesondere dabei in den konfessionellen Auseinandersetzungen des 16. Jahrhunderts, bei denen von protestantischer Seite her die vermeintlichen/tatsächlichen „menschlichen Schwächen des Apostels […] zur Fundamentalkritik am Papsttum“ (Rickers, 2008, 236f.) herangezogen und Petrus als Antagonist von Paulus bzw. der paulinischen Rechtfertigungslehre dargestellt wurde (ausführlich Rickers, 1967). Dieses Profil als ‚Reizfigur‘ dürfte ihn für Kinder und Jugendliche neben den oben genannten lebensweltlichen Anknüpfungspunkten zusätzlich interessant machen; gleichwohl handelt es sich hier jedoch um Streitfälle bzw. Themen, die lebensweltlich zunächst nur bedingt von Bedeutung sind und teils mit erheblichen, u.a. entwicklungspsychologisch bedingten „Verständnisschwierigkeiten“ (Willems, 2011, 362, mit Blick auf das Thema „Rechtfertigung“) verbunden sind. Zugleich wird so exemplarisch deutlich, dass der biblische Petrus oft im Rahmen hermeneutischer Kategorien interpretiert wurde, die von voraussetzungsreichen Vorentscheidungen geprägt sind, bzw., überspitzt gesprochen, er immer wieder mit seiner Wirkungsgeschichte ‚überfrachtet‘ wurde. Spezifisch bibeldidaktisch geprägten Zugängen zu Petrus stellt sich so eine weitreichende, freilich gegebenenfalls fruchtbar aufgreifbare Herausforderung: Wie kann der im Schatten sowohl des Petersdoms (zu diesem Bild Böttrich, 2001, 19) wie auch Martin Luthers als auch zugleich einer weitreichenden „Verselbstständigung und Popularisierung“ (siehe oben) stehende Fischer vom See Genezareth im Rahmen religiöser Bildung produktiv zur Sprache kommen?
3. Biblisch-Theologische Klärungen
Das Neue Testament berichtet von keiner Person im Umfeld Jesu so ausführlich wie von Petrus (einleitend zu Petrus im Neuen Testament und in der frühen Christenheit u.a. Becker, 2009; Böttrich, 2001; Cullmann, 1985; Gnilka, 2002; Omerzu/Schmidt, 2016; Pesch, 1980; einen nach wie vor informativen Forschungsüberblick bietet Doering, 2002). Zu nennen sind dabei drei verschiedene Textgattungen: zunächst die ca. 50-60 entstandenen Paulusbriefe, in denen Petrus u.a. als Osterzeuge (1 Kor 15,5
Doch auch wenn kein ihm eindeutig zuzuordnendes Wort des Petrus erhalten ist, anders als bei Jesus auch keine nicht-christlichen Zeugnisse des 1. Jahrhunderts erhalten sind – was aufgrund seiner zunächst nur innerchristlichen Bedeutung auch nicht überrascht – und sowohl die Paulusbriefe (deren Autor Petrus immerhin mehrfach begegnet ist) wie auch die Evangelien und die Apostelgeschichte zunächst als tendenziöse Quellen zu werten sind, deren Darstellung des Petrus beispielsweise bei Paulus durch das Bemühen um Abgrenzung und Kongruenz zugleich geprägt ist, besteht doch zugleich kein Grund, die Existenz des Petrus sowie seine Bedeutung im Zwölferkreis und in der frühen Christenheit anzuzweifeln, ebenso wenig wie einzelne biografische Details wie seine Herkunft oder seinen Beruf. Vielmehr dürfte gelten, dass bei der Rekonstruktion des ‚historischen Petrus‘ u.a. mit dem sogenannten historischen Plausibilitäts- und Differenzkriterium die gleiche Methodik wie bei der Rekonstruktion des ‚historischen Jesus‘ heranzuziehen ist (Böttrich, 2001, 23; zu den Kriterien Theißen/Merz, 2011, u.a. 26-30) und hier zwar beispielsweise mit Blick auf die Evangelien zu beachten ist, dass die jeweilige Petrusdarstellung (zu den Akzentuierungen u.a. Wiarda, 2000) stets nachösterlich geprägt ist – wobei sich aber dennoch historische Spuren erhalten haben dürften: „Der vorösterliche Petrus in den Evangelien ist nicht erst das Konstrukt der frühen Christenheit. Die Texte haben vielmehr die Erinnerung an eine der wichtigsten Gestalten im Umkreis Jesu festgehalten und so weitergegeben, dass sie für die Gemeinden ihrer Zeit exemplarische Bedeutung gewinnen konnte“ (Böttrich, 2001, 23).
Anzumerken bleibt, dass die Existenz des Petrus sowie seine Bedeutung in der frühen Christenheit auch durch archäologische Quellen zwar nicht bewiesen, so doch gestützt wird: So wurde bei Ausgrabungen an der Stelle des biblischen Kafarnaums, laut den Synoptikern Wohnort des erwachsenen Petrus (siehe unten), eine Wohnanlage entdeckt, in der ein Haus noch in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts u.a. mit einer Verputzung sowie Bildern und Wandinschriften zu einer Hauskirche umfunktioniert wurde, die dann wiederum im 5. Jahrhundert mit einer größeren, achteckigen Kirche überbaut wurde – so dass sich hier eine sehr alte Tradition erkennen lässt, die gegebenenfalls die Erinnerung an das Haus des Petrus bewahrt hat (insbesondere Strange/Shanks, 1987). Ob darüber hinaus die unter dem Petersdom liegende, aus dem 2. Jahrhundert stammende, gegebenenfalls von Anfang an als Ädikula gestaltete, in einer Nische unter Umständen ursprünglich einen Gedenkstein beinhaltende sogenannte rote Mauer – den im Neuen Testament vorausgesetzten und dann in der apokryphen Literatur sowie den sogenannten Apostolischen Vätern mit Rom verbundenen Märtyrertod Petri entsprechend (siehe unten) – den Ort seines Martyriums (eher weniger: seines Grabes) markiert, scheint zumindest möglich und wird intensiv diskutiert (einleitend u.a. Gnilka, 2002, 109-141; Gnilka/Heid/Riesner, 2015; Heid, 2011; Thümmel, 1999; Zwierlein, 2013; Zwierlein, 2016).
Wird nun der Darstellung der neutestamentlichen Quellen gefolgt, lässt sich dabei folgendes Bild des Petrus zeichnen: Herkommend laut Johannes aus Betsaida (Joh 1,44
Auch im Rahmen der Passions- und Ostergeschichten erscheint Petrus dann als exemplarischer (u.a. Lk 22,7-13
4. Didaktische Überlegungen
Als bedeutende Person im Umfeld Jesu und in der frühen Christenheit, die facettenreich Eingang ins Neue Testament gefunden und eine kaum zu überblickende Wirkungsgeschichte entfaltet hat, sollte Petrus auch eine wahrnehmbare Rolle im Rahmen religiöser Bildungsprozesse einnehmen. Dem korreliert die Zahl der vorliegenden entsprechenden Überlegungen (Butt/Roose, 2011; Büttner/Roose, 2007, 98-109; Dievenkorn, 2009; Mendl, 2015, 155-158; Metzger, 2013, 355-357; Rickers, 2008, 236-238; Roose, 2006; Röhm, 2013) und Materialien (beispielsweise Arbeitsblätter und Unterrichtsentwürfe; u.a. Schmidt, 2002; Stein, 2015; Wittenberg, 2007; Worm, 2013, 8-15; bündelnd rpi-virtuell o.J.). Sie zeigen auf, dass Petrus – u.a. abhängig von Religiosität und Vorwissen der Lernenden sowie der theologischen und pädagogischen Position der Lehrenden – im Rahmen ganz unterschiedlicher Zielstellungen und/oder Methoden in den Blick geraten kann: So verfolgen Christian Butt und Hanna Roose das Ziel, dass sich Schülerinnen und Schüler der Klasse 4 u.a. mittels im Namen Petri verfasster Briefe an seine im Rahmen der Berufung verlassene Mutter und Standbildern von der Verleugnungsszene „mit ihren Gefühlen in die Erzählung[en] einschreiben“ und hierbei zu der Einsicht gelangen, dass Glück nicht von Besitz, Macht etc., sondern von „Faktoren wie Glauben, Vertrauen und Verzeihen“ (Butt/Roose, 2011, 160;168) abhängig ist. Hanna Roose geht es in ihren Überlegungen zu einer konstruktivistischen Bibeldidaktik (→ Konstruktivistischer Religionsunterricht
Werden die vorliegenden Überlegungen und Materialien summarisch in den Blick genommen, ist dabei allerdings anzumerken, dass an verschiedenen Stellen ohne weitere Reflexion der nicht-biblische und der Jüngerschaft Petri nur bedingt angemessene Begriff der Freundschaft genutzt wird, um das Verhältnis von Jesus und Petrus zu charakterisieren (u.a. Dievenkorn, 2009, 52f.; Schmidt, 2002; Stein, 2015, 13-20; vgl. mit einer kurzen, jedoch die Unterscheidung von Jünger- und Freundschaft auch nicht beachtenden Reflektion Butt/Roose, 2011, 153), wie auch auffällt, dass die bei genauerem Hinsehen zahlreich vorhandenen Anknüpfungspunkte an die Lebenswelt heutiger Kinder und Jugendlicher (siehe Kapitel 1), die bereits in der Primarstufe einen guten Zugang zu Petrus bieten, nur bedingt Eingang gefunden haben (so bei Dievenkorn, 2009, 55). Gleiches trifft auch auf die mit Petrus verbundenen Attribute – insbesondere der/die Schlüssel und der Hahn, aber auch der Fisch, das Petruskreuz oder das Schiff – zu, die ertragreiche symbol- und zeichendidaktische Zugänge (→ Symboldidaktik
Zugleich ist erkennbar, dass zahlreiche Überlegungen und Materialien sowohl für Lernende in der Primarstufe wie auch für Kinder und Jugendliche in den Sekundarstufen 1 und 2 vom Bemühen um eine „[s]tarke Identifikation der [Lernenden] mit Petrus“ (Butt/Rosse, 2011, 158), von einer Herausarbeitung des von Petrus dargebotenen „Identifikationspotenzial[es]“ (Dievenkorn, 2009, 55), von einer Betonung der von Petrus gebotenen „vielfältige[n] Anknüpfungsmöglichkeiten für die eigene Erfahrung“ (Metzger, 2013, 356) etc. geprägt sind. Hierfür sprechen gute Gründe, zeigt Petrus doch gerade aufgrund seines verschiedentlichen Scheiterns (insbesondere beim Schlaf in Gethsemane und bei der Verleugnung, aber u.a. auch als ‚Kleingläubiger‘ bei der Stillung des Sturmes), verbunden mit Reue und einem neuen Anfang, einen gangbareren Weg der Nachfolge auf als viele weitere christliche „Leuchttürm[e]“, „Haupthelden“ oder „Hochkaräter“ (Rickers, 2008, 214;218;233). Anders formuliert: Der biblische Petrus ‚sperrt‘ sich dagegen, beispielsweise wie Dietrich Bonhoeffer (→ Dietrich Bonhoeffer
Eine besondere Herausforderung dürfte dabei abschließend noch der Begriff des Märtyrers darstellen (bei Petrus im Neuen Testament freilich nur indirekt angesprochen, siehe Kapitel 3), ist dieser doch einerseits insbesondere seit dem 11.9.2001 weithin negativ konnotiert. Didaktisch kann dies freilich mit Lernenden höherer Klassenstufen gewinnbringend aufgegriffen werden, indem genaue semantische Differenzierungen u.a. zum Begriff des Selbstmordattentäters und Terroristen erarbeitet werden (Albrecht, 2008). Andererseits wird der Märtyrerbegriff (oder der des Blutzeugen) dabei auch explizit als „interessenbezogen intendiert“ (Rickers, 2002, 218) festzuhalten sein, so dass er im Rahmen einer auf Mündigkeit abzielenden religiösen Erziehung und Bildung nicht ohne entsprechende Reflexion verwendet werden sollte (grundlegend Rickers, 2002).
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