Deutsche Bibelgesellschaft

Andere Schreibweise: Festverständnis / Festkalender

(erstellt: April 2007)

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Sabbat

Zeit

1. Grundsätzliches

In den alttestamentlichen Festtraditionen spiegelt sich die Vielfalt der Glaubenserfahrungen Israels mit seinem Gott. Sie ermöglichen die Rückbindung an die eigene Geschichte im Kult und eröffnen zugleich den Raum für neue Begegnungen mit dem geschichtsmächtigen und heiligen Gott Israels. Die Bindung an den agrarischen Jahreszyklus, die strukturelle Basis des Festkalenders, teilt Israel mit seinen Nachbarn im mesopotamischen und im syrisch-kanaanäischen Raum. Dennoch sind die Feste Israels Ausdruck der ganz eigenen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Prozessen und politischen Niederlagen, die ihnen schließlich theologisches Profil geben.

1.1. Terminologie des Alten Testaments

1.1.1. מוֹעֵד mô‘ed. Bereits der Schöpfungsbericht der Priesterschrift (Gen 1,1-2,4a) hebt die Festzeiten und ihre Einhaltung besonders hervor. Die Gestirne werden geschaffen als Zeichen und zur Bestimmung von Festzeiten (Gen 1,14). Der hier verwendete Ausdruck mô‘ed steht in der Regel sowohl für den Festzeitpunkt als auch für den Festort. So kann vom mô‘ed im Monat Abib (März/April) gesprochen werden, um den Festzeitpunkt von Mazzot (Fest der ungesäuerten Brote) zu umschreiben (Ex 23,15; Ex 34,18). Allgemeiner noch formuliert es Num 28,2, wonach die in Num 28 und 29 erfolgenden Anweisungen dazu dienen sollen, die Opfergaben für Gott zur rechten Zeit darzubringen. Für das Verständnis von mô‘ed ist von Bedeutung, dass der Festzeitpunkt von Gott festgelegt ist und nicht willkürlich verschoben werden kann und dass er sich in regelmäßigen Abständen, d.h. anders als Neumond und → Sabbat nach Ablauf eines Jahres wiederholt.

Die kalendarische Festlegung von Festzeiten beruhte, wie der biblische Schöpfungsbericht es andeutet, zunächst auf der Beobachtung natürlicher Rhythmen – d.h. dem Gang durch die Jahreszeiten und dem damit verbundenen Wechsel von Saat und Ernte. Hinzu kam die Gestirnsbeobachtung. Der Lauf der → Mondes und der → Sonne waren die herausragenden Zeichen, die sich auch in den ältesten biblischen Festkalendern spiegeln. Der Mond zeigt den Festmonat an, anhand des Laufes der Sonne lassen sich die Äquinoktien, die Zeiten der Tag- und Nachtgleiche im Frühjahr und im Herbst erkennen. Die großen Jahresfeste Passa / Mazzot und Sukkot sind terminlich an die Äquinoktien und die damit korrelierenden Erntezeiten gebunden. Eine Festlegung anhand konkreter Daten erfolgt erst in exilisch-nachexilischer Zeit.

1.1.2. חַג ḥāg. Der zweite im Alten Testament häufig verwendete Terminus für die Bezeichnung von Festen und Festzeiten lautet ḥāg. Anders als das allgemeinere mô‘ed ist ḥāg ausdrücklich mit den drei großen Jahresfesten, mit Mazzot, Schavuot (Wochenfest) und Sukkot (→ Laubhüttenfest) verbunden.

Neben der Verknüpfung von ḥāg mit dem jeweiligen Festnamen (ḥag hammaṣṣôt, ḥag haššābu‘ôt, ḥag hassukkôt; in dieser Reihung in Dtn 16,16) wird häufig die Wendung ḥag jhwh, ḥag ləjhwh oder nur ḥāg gebraucht. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Varianten zur Bezeichnung von Sukkot, die damit gleichzeitig den Stellenwert dieses Festes im Jahreszyklus umschreiben. Es ist das Fest Jhwhs oder auch das Fest; eine nähere Beschreibung ist nicht notwendig (Lev 23,39.41; Num 29,12; Dtn 16,14; Ri 21,19; 1Kön 8,2 1Kön 8,65; 1Kön 12,32-33; Ez 45,25; Hos 9,5; Ps 81,4; Neh 8,14; Neh 8,18; 2Chr 5,3; 2Chr 7,8-9.

Der in diesem Kontext verwendete Begriff ḥāg wird häufig mit „Wallfahrtsfest“ übersetzt. Seiner Grundbedeutung nach ist ḥāg mit „kreisförmig“ wiederzugeben, woraus sich zunächst die Bedeutung „tanzen“ und schließlich „ein Fest feiern“ entwickelte. Die ausschließliche Verbindung des Begriffs ḥāg mit den drei großen Jahresfesten lässt auf einen besonderen Charakter dieser Feste schließen. Nur für sie gilt die Aufforderung, vor Gott zu erscheinen (Ex 23,17; Ex 34,23; Dtn 16,16). Die Abgabe von Ernteerzeugnissen am Heiligtum ist mit dieser Aufforderung verknüpft. Diese Feste werden mit der Kultzentralisation und der ausschließlichen Bindung an den Tempel von Jerusalem zu den Wallfahrtsfesten Israels.

Das → Passa wird alttestamentlich nicht als ḥāg bezeichnet. In Ex 34,25 handelt es sich um eine nachträgliche Zufügung von happāsaḥ (vgl. Ex 23,18). In Ex 12,14 bezieht sich ḥāg auf die siebentägige Feier von Mazzot und schließt den Passaabend nicht mit ein. Die Zusammengehörigkeit von Passa und Mazzot wird hier allerdings bereits vorausgesetzt.

So spielt für ḥāg entsprechend zu mô‘ed die regelmäßige Wiederholung eine entscheidende Rolle für das Festverständnis und auch hier gilt, dass die Gestirnsbeobachtung in Verbindung mit den durch den Jahresrhythmus vorgegebenen Erntezeiten den Festtermin bestimmt.

1.2. Was kennzeichnet ein Fest?

Festzeiten sind aus dem Alltag herausgehobene Zeiten. Sie finden in einem regelmäßigen Turnus statt, wöchentlich, monatlich oder jährlich. Sie rhythmisieren Zeit. Es können Tage oder Wochen bis zu einem Fest gezählt werden und auf diese Weise eine Festperiode definieren (so sind zwischen Passa / Mazzot und Schavuot sieben Wochen zu zählen). Der Anfang bzw. das Ende eine Jahres können durch ein Fest markiert werden. Der alttestamentliche Festkalender vereint auf diese Art zwei „Anfänge“: Der Monat, in dem Passa / Mazzot zu feiern ist, ist der erste unter den Monaten. Der Monat, in dem Sukkot gefeiert wird, ist der siebte Monat. Sein erster Tag ist jedoch der erste Tag des Jahres.

Festzeiten als aus dem Alltag herausgehobene Zeiten unterscheiden sich u.a. durch Arbeitsruhe zur Sakralisierung der Zeit, durch die Sakralisierung des Raumes und die Sakralisierung der Festgemeinde, was die Festigung hierarchischer Strukturen einer Gesellschaft ebenso mit sich bringen kann wie deren zeitweise Auflösung.

Die Arbeitsruhe gilt seit exilisch-nachexilischer Zeit für die großen Feste Israels. Wenn sie über mehrere Tage zu feiern sind, wie z.B. Mazzot, gilt sie für den ersten und den letzten Tag des Festes. Der Ruhetag par excellence ist aber der Sabbat.

Sakralisierung des Raumes drückt sich u.a. in besonderem Schmuck privater wie auch öffentlicher Räume aus und in der „Einnahme“ von Räumen z.B. die Wallfahrt zu einem Heiligtum – besonders markant ist hier unter den alttestamentlichen Wallfahrtsfest Sukkot, für das Prozessionen mit Zweigen beschrieben werden (Lev 23,40).

Sakralisierung der Festgemeinde wird kaum so ausdrücklich formuliert wie im Deuteronomium. Auch Witwen und Waise, der Levit und der Fremdling gehören ihr an und sind ausdrücklich zur Feier aufgerufen (Dtn 16,11; Dtn 16,14). Soziale Schranken sind in der geheiligten Festgemeinde zu überwinden. Die Anordnungen zum Sabbat (Ex 31,14) und zum → Jom Kippur (Lev 16,29) sind besonders strikt in der Forderung der Einhaltung, die bezüglich des Jom Kippur allen im Land Lebenden gilt. Im Esterbuch schließlich werden hierarchische gesellschaftliche Strukturen vollends auf den Kopf gestellt und mit dem Purimfest wird dies gefeiert. Die Waise wird zur Königin und Retterin des Volkes; den Verfolger trifft die anderen zugedachte Strafe, das unterdrückte Volk erhebt sich über seine Unterdrücker.

Die Festzeiten Israels sind Zeiten der Danksagung, der Erinnerung und der Sühne. Während der Erntefeste wird dem Schöpfer Dank gegeben für die Gaben, verbunden mit der Bitte für den Regen und die folgenden Ernten. Die in diesem Kontext stattfindenden Feiern dienen der Verbindung der Gemeinschaft in gemeinsamen Festmahlen, geprägt durch ausdrücklich geforderte Festfreude. Als Feste der Erinnerung halten → Passa, → Sukkot, → Purim und → Chanukka das Gedächtnis der Heilstaten des Gottes Israels lebendig. Es wird die Befreiung von Unterdrückung und Willkürherrschaft feierlich begangen; in Erinnerung an den Auszug aus Ägypten und die folgende Wüstenwanderung, an Pogrome in der persischen Diaspora und an die Befreiung und Reinigung des Tempels von den Freveltaten unter → Antiochus IV. Epiphanes (175-164 v. Chr.). Und es sind Feiern der → Sühne, zur Aufrechterhaltung des Leben ermöglichenden Gottesdienstes in Israel. Der Gedanke von Sühne und Reinigung ist gegenwärtig in den Sühnopfern anlässlich der Festtage und findet seinen Höhepunkt am → Jom Kippur, einmal im Jahr. An diesem Tag kumulieren die verschiedenen Varianten kultischer Sühne und verbinden sich zu einem großen Festtag zur Reinigung des Volkes, der Priesterschaft und des Heiligtums. Dieser Tag ermöglicht Israel auch einen kultischen Neubeginn einmal im Jahr.

2. Die Festkalender des Alten Testaments

Das Alte Testament hat in Texten verschiedenster Gattungen die Erinnerungen an die Feste, ihre Theologie und die Festpraxis bewahrt. So ist die Erzählung vom Auszug aus Ägypten zugleich Festlegende für das Passafest, und das Esterbuch ist die Festlegende für das Purimfest. Sukkot bietet den feierlichen Hintergrund für die Tempelweihe Salomos (1Kön 8) und Chanukka wird zur Erinnerung an die Wiedereinweihung des zweiten Tempels in der Makkabäerzeit gefeiert (1Makk 4,52-59; 2Makk 1-8). In Erzählungen, Gebeten und prophetischen Mahnungen werden die Feste Israels genannt, mit anderen Ereignissen in Zusammenhang gebracht oder ausführlich in ihrer Umsetzung beschrieben.

Hingegen sind die Festkalender des Alten Testaments allein auf die Feste, ihre Theologie, ihren Zeitpunkt und ihre Praxis ausgerichtet. An ihnen lässt sich nicht nur ablesen, dass im Laufe der Überlieferung immer mehr Feste und Festzeiten an Bedeutung gewannen, sondern auch der innere Wandel, den die Feste und der Festkalender vollzogen haben – von Erntefesten hin zu Erinnerungsfeiern; Feiern der heilvollen Hinwendung Gottes zu seinem Volk werden ergänzt durch die Sühne als Hinwendung des Volkes zu seinem Gott.

Die alttestamentlichen Festkalender finden sich in Ex 23,14-17.18-19; Ex 34,18-26; Lev 23 und Dtn 16,1-17. In Num 28-29 ist ein Opferkalender zusammengestellt und als ein solcher ist auch Ez 45,18-25 zu betrachten. Neben den Festkalendern und den zahlreichen kurzen Erwähnungen der Feste, wie sie oben angedeutet worden sind, sind vor allem Ex 12 (Passa), Lev 16 (Jom Kippur), Neh 8,13ff. (Sukkot), das Esterbuch (Purim) und 1Makk 4,52-59 bzw. 2Makk 10,1-8 (Chanukka) heranzuziehen.

2.1. Die Festkalender des Pentateuchs

1. Ex 23,14-17.18-19. Der älteste Festkalender (Ex 23,14-19) benennt drei Feste, ihren jeweiligen Festzeitpunkt und die Aufforderung, dreimal im Jahr vor Jhwh zu erscheinen. Er ist geprägt durch den Erntefestcharakter der drei, was sich in der Namensgebung und der Angabe des Festzeitpunktes ausdrückt. Das spätere Schavuot heißt noch „Fest der Ernte der Erstlinge deiner Arbeit“, Sukkot wird „Fest des Einsammelns“ (Ex 23,16) genannt. Festzeitpunkt für Sukkot ist der Ausgang des Jahres. Allein für das erste der drei Feste sind die Angaben etwas anders gestaltet. Es heißt „Fest der ungesäuerten Brote“ (Mazzot) und ist im Monat Abib zu begehen. Begründet wird die Feier mit dem Auszug aus Ägypten (Ex 23,15).

2. Ex 34,18-26. In dem deutlich jüngeren Festkalender (Ex 34,18-26) ändert sich diese Grundausrichtung nicht, wenn er auch umfangreicher ist und drei wesentliche Veränderungen aufweist. Ein Sechs-Sieben-Tage-Rhythmus ist eingefügt, der den siebten Tag zum Ruhetag macht, das Fest der Ernte der Erstlinge heißt jetzt Schavuot und in die Opferordnung am Schluss des Kalenders (Ex 34,25-26; vgl. Ex 23,18-19) ist das Passa aufgenommen.

3. Dtn 16,1-18. Mit Dtn 16,1-18 wandelt sich jedoch auch der Grundcharakter des Festkalenders. Die heilsgeschichtliche Begründung, ursprünglich auf Mazzot begrenzt, wird nun auch für Schavuot gegeben. In die Festgemeinde werden ausdrücklich auch die personae miserae der Gesellschaft, der Fremde, die Witwe und die Waise aufgenommen. Die Dauer von Sukkot, zuvor nicht erwähnt, wird jetzt mit sieben Tagen benannt. Kern des deuteronomischen Festkalenders ist jedoch die Kultzentralisation. Was in Ex 23 und 34 als Aufforderung, vor dem Herrn zu erscheinen, d.h. sich zu einem Heiligtum zu begeben, formuliert war, wird nun auf den Ort, den Jhwh erwählt hat, reduziert. Einziges Ziel ist das Heiligtum in Jerusalem. Damit geht einher, dass nicht nur die alten Erntefeste, sondern auch das Passa an das Zentralheiligtum geholt wird. Passa erhält einen Platz im Festkalender und wird mit Mazzot terminlich und theologisch verbunden. Der genaue literargeschichtliche Vorgang dieser Zusammenlegung ist umstritten. Die Debatte lässt sich jedoch auf zwei wesentliche Positionen reduzieren. Entweder war intendiert zunächst nur das Passa an das Zentralheiligtum zu holen und der Text war in seinem Grundbestand kein Festkalender, oder der Festkalender mit den drei Jahresfesten wurde nachträglich um das Passa ergänzt. Ein Schlusspunkt der Debatte ist noch nicht in Sicht und so bleibt festzuhalten, dass zwei voneinander unabhängige Feste, nämlich Mazzot als Erntefest und Passa als apotropäischer Ritus zusammengeschlossen wurden zu Passa / Mazzot.

4. Lev 23. Der umfangreichste Festkalender des Alten Testaments in Lev 23 hebt diese Verbindung nicht wieder auf, widmet sich mit seinen Angaben jedoch deutlich stärker dem Mazzotfest als dem Passa. Während für Passa nur das Datum genannt wird, erhält Mazzot Angaben zu Festdatum, Festdauer, die Aufforderung zu einer heiligen Versammlung und ein Arbeitsverbot. Diese Angaben, wie sie für Mazzot gemacht werden, wiederholen sich in entsprechend abgewandelter Form auch für die anderen im Kalender genannten Feste. Im Blick auf die Entwicklung des Festkalenders sind vor allem vier Aspekte bedeutsam: 1) Nun werden erstmals konkrete Daten mit Monats- und Tagesangabe genannt (mit Ausnahme von Schavuot). 2) Es werden weitere Feste aufgenommen, nämlich Omer (Tag des Schwingens der Getreidegarbe), der Tag des Lärmblasens (später Rosch ha-Schana / → Neujahrstag) und der Jom Kippur. 3) Sukkot erhält eine heilsgeschichtliche Begründung mit dem Zug durch die Wüste und dem Wohnen in Hütten. 4) Der Sabbat wird den jährlichen Festen vorangestellt und prägt die Struktur des Kalenders.

An den Vorgaben von Lev 23 hat sich später kaum noch etwas geändert. Der Festkalender Israels ist zwar umfangreicher geworden – aus alttestamentlicher Perspektive „fehlen“ noch Purim und, unter Einbeziehung der Überlieferung der Septuaginta, Chanukka (sie sind jünger als der Festkalender). Der Tag des Lärmblasens hat noch nicht seinen endgültigen Namen, doch im Wesentlichen hat die Entwicklung hier einen Abschluss gefunden.

5. Fazit: Der Festkalender des Alten Testaments hat sich über einen langen Zeitraum hinweg entwickelt. Waren zunächst Erntefeste und die mit ihnen verbundene Abgabe von Ernteerzeugnissen am Tempel im Blickpunkt, so wird der Kalender umfangreicher, Feste mit anderem theologischen Schwerpunkt kommen hinzu. Auch in Fragen der Datierung zeigt sich eine Entwicklung. Sind es zunächst Angaben, die auf den Arbeitsrhythmus im Agrarjahr abheben, werden die Datierungen schließlich konkreter und ermöglichen das zeitgleiche Feiern in ganz Israel. Von herausgehobener Bedeutung ist schließlich die theologische Wandlung des Festkalenders. Aus reinen Erntefesten werden Feste mit heilsgeschichtlichem Hintergrund. Doch auch das insbesondere mit dem babylonischen Exil stark gewordene Bewusstsein eigener Schuld findet seinen Eingang in den Festkalender. Aus kultischer Sühne anlässlich aktueller Verfehlungen wird zyklisch praktizierte Reinigung in der Erkenntnis, dass Fehlverhalten geschieht, auch unabsichtlich, und in jedem Fall Auswirkungen auf das Gottesverhältnis hat. Der Festkalender des Alten Testaments ist auf diese Weise zu einem komplexen System geworden, das den Glauben Israels abbildet und lebendig hält.

2.2. Der Jahreszyklus und die Feste Israels

In der graphischen Darstellung des Jahreszyklus sind neben den Monaten des gregorianischen Kalenders auch die babylonischen Monatsnamen aufgenommen. Sie sind jedoch in den alttestamentlichen Texten weniger gebraucht, als eine reine Monatszählung. Die Zählung hat, insbesondere für den ersten und den siebten Monat auch theologische Relevanz und ist keine simple Alternative zu den Namen.

2.3. Exkurs: Der Kalender von Geser

1908 wurde von R.A.S. Macalister bei Ausgrabungen in → Geser eine Tafel aus weichem Kalkstein (11,8 x 7 x 1,6 cm) gefunden, die aus der zweiten Hälfte des 10. Jh.s v. Chr. stammt. Die Tafel, die häufig als Schülerschreibübung klassifiziert wird oder auch als eine Grundlage für das Eintreiben von Steuern gilt, gibt einen Text wieder, der eine Aufstellung der wichtigsten landwirtschaftlichen Arbeitsgänge, wie sie im Laufe des Jahres anfallen, beinhaltet.

Zwei Monate (davon sind) Obsternte, zwei Monate (davon sind) Saat, / zwei Monate (davon sind) Spätsaat / ein Monat Flachsschnitt / ein Monat Gerstenernte / ein Monat Getreideernte und Abmessen / zwei Monate (davon sind) Beschneiden / ein Monat Sommerobsternte (nach Renz, 1995, 34-36).

Das Alte Testament kennt und benennt zwar verschiedene Jahreszeiten und diverse Erntevorgänge, eine systematische Zusammenfassung der in der Landwirtschaft Palästinas notwendigen Arbeitsschritte liegt jedoch nicht vor. Diese Lücke füllt in Ansätzen der Geserkalender. Er nennt acht Erntezeiten verteilt auf zwölf Monate. Die Art der Früchte, die einzusammeln sind, ist damit jedoch noch nicht definiert und auch einzelne Übersetzungen sind umstritten. Z.B. ist in Zeile 3 nach Renz vom Flachsschnitt die Rede. Da für die Weiterverarbeitung von Flachs aber große Mengen Wasser benötigt wurden, die man z.B. in Ägypten nicht aber in Palästina hatte, bleibt die Übersetzung zumindest fraglich.

Der Geserkalender ist gern als Bestätigung für einen Jahresbeginn im Herbst herangezogen worden, wie ihn auch das Alte Testament kennt. Nun beginnt der Kalender deutlich nicht im Frühjahr, denn erst Zeile vier behandelt die Arbeitsvorgänge des ersten Monats. Die hier genannte Gerstenernte findet ihren festlichen Ausdruck in der Feier des Passa / Mazzot. Doch auch ein Jahresbeginn im Herbst lässt sich mit dem Geserkalender nicht nachweisen. Die Monate der Obsternte liegen am Ende des Erntejahres. Erst zwischen Ernte und Aussaat wird der Beginn des neuen Jahres gefeiert. So bleibt mit Blick auf den Jahreszyklus und die Festzeiten festzuhalten, dass der Text mit der das agrarische Jahr abschließenden Ernte beginnt und auf diese Weise einen Höhepunkt festlegt.

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Abbildungsverzeichnis

  • Der Jahresfestkreis. Von © Corinna Körting, für den WiBiLex-Artikel „Fest“ angefertigt.

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