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Qualitätssicherung

(erstellt: Februar 2017)

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1. Begriff

Qualitätssicherung beschreibt sämtliche Prozesse, die 1. die Güte eines Produkts oder Prozesses überprüfen und 2. die Güte eines Produkts oder Prozesses auf einen definierten Gütestandard bringen. Folgt man Wikipedia, lässt sich zwischen statistischer und dynamischer Qualitätssicherung unterscheiden. Eine statistische Qualitätssicherung orientiert sich an extern vorgegebenen Kennwerten und Standards. Diese Parameter werden regelmäßig durch externe Gutachter überprüft. Eine dynamische Qualitätssicherung setzt dagegen auf die eigenverantwortliche Entwicklung der Parameter durch die am Produkt oder am Prozess Beteiligten. Externe Personen können diesen Prozess unterstützen, fungieren aber eher als Coaches und Mediatoren denn als Gutachter.

Innerhalb der Religionspädagogik gibt es eine große Wertschätzung einer dynamischen Qualitätssicherung (Hilger, 2012; Schmid, 2001a). Unter Berufung auf das christliche Menschenbild wird betont, dass es gerade die dynamische Form einer Evaluation ist, welche die Subjekthaftigkeit der Beteiligten wahrt und den Wert eines Menschen nicht einseitig über Leistung und vorgegebene Parameter definiert. Gleichwohl ist man sich bewusst, dass es nicht ohne externe Parameter geht. Jegliche Qualitätssicherung bedarf eines Begriffs davon, was als qualitätsvoll gilt.

2. Bezugspunkte von Qualitätssicherung

Mit der Frage nach dem, was Qualität sein soll, ist die Frage nach den Bezugspunkten von Qualitätssicherung gestellt. Im Kontext religiöser Bildung unterscheidet Martin Rothgangel (2004) zwischen vier Dimensionen: der Strukturqualität, der Prozessqualität, der Ergebnisqualität und der Konzeptqualität. Die Dimension der Strukturqualität bezieht sich auf die Rahmenbedingungen religiösen Lernens, wie z.B. die rechtliche Stellung des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen, die personelle und sachliche Ausstattung dieses Fachs, seine Stellung im Stundenplan, etc. Die Dimension der Prozessqualität erfasst das Lerngeschehen selbst, z.B. auf welche Art und Weise, in welchen Rhythmen und mit welchen Medien und Methoden religiös gelernt wird. Mit der Dimension der Ergebnisqualität wird die Wirkung religiösen Lernens in den Blick genommen, z.B. die Kenntnisse oder Haltungsveränderungen, welche eine Unterrichtssequenz oder eine pädagogische Maßnahme zur Folge hat. Die Dimension der Konzeptqualität bezieht sich auf die theoretische Grundlage, gemäß der sich religiöses Lernen ereignet, z.B. grundlegende Zielbestimmungen oder Paradigmen religiöser Bildung.

Die Anwendung dieser vier Dimensionen führt zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen (Reese-Schnitker/Bederna, 2010). Auf der Konzeptebene lassen sich ebenso Ideale finden, die dezidiert das lernende Subjekt in den Mittelpunkt religiösen Lernens stellen (Mendl, 2013) wie Konzepte, die den Kern dieses Lernens als Vermittlung tradierter religiöser Inhalte bestimmen (z.B. Meurer, 2008). Auf der Prozessebene finden sich Plädoyers für handlungsorientierte Ansätze (Klie/Leonhard, 2008) wie solche für instruktive Unterrichtsformen (Englert, 2010). Faktisch ist das, was als guter Religionsunterricht oder gute religiöse Bildung gelten soll, stark durch den historischen Kontext und die strategischen Interessen derer, die solche Normen formulieren, geprägt (Schmid, 2001a, 409). Gegenwärtig formulieren z.B. die Bildungsstandards verbindliche Normen für guten Religionsunterricht auf der Ergebnisebene (Benner, 2004). Auf der Prozessebene beziehen sich viele Ideale auf Hilbert Meyers (2004) schulpädagogische Kriterien eines guten Unterrichts. Und in struktureller Hinsicht wird die konfessionelle Gestalt des Religionsunterrichts zunehmend stärker hinterfragt (Domsgen/Witten, 2022) und kooperative Formate entwickelt (z.B. Schröder/Woppowa, 2021).

3. Funktionen von Qualitätssicherung

Qualitätssicherung kann die folgenden Funktionen erfüllen, wobei nicht jede Form von Qualitätssicherung die einzelnen Funktionen in gleicher Weise verwirklicht (Wottowa/Thierau, 2003).

Information: Qualitätssicherung klärt auf über den Ist-Zustand des evaluierten Phänomens. Im Sinn der obigen Bezugspunkte kann Qualitätssicherung etwa darlegen, wie aktueller Religionsunterricht verläuft, welche Ergebnisse er hervorbringt, in welchen Strukturen er sich ereignet und welche Konzepte dabei handlungsleitend sind.

Kontrolle: Qualitätssicherung überprüft, inwieweit der Ist-Zustand des evaluierten Phänomens mit dem Soll-Zustand dieses Phänomens übereinstimmt. Evaluierter Religionsunterricht kann somit abgeglichen werden mit den Normen und Standards, die von verschiedenen Institutionen an dieses Fach gestellt werden.

Legitimation: Qualitätssicherung rechtfertigt im Abgleich von Ist- und Soll-Zustand die Existenz des evaluierten Phänomens, sofern die diagnostizierte Differenz beider Zustände nicht zu groß ist bzw. ein realistischer Plan entwickelt werden kann, diese Differenz in absehbarer Zeit auszugleichen. So gerät der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen gegenwärtig immer wieder unter Rechtfertigungsdruck und kann durch entsprechende Maßnahmen der Qualitätssicherung aufzeigen, inwiefern er z.B. die Anforderungen an ein ordentliches Unterrichtsfach erfüllt.

Profilierung: Qualitätssicherung zeigt Wege auf, wie die Stärken des evaluierten Phänomens bewahrt und die Schwächen behoben werden können. So trägt etwa die Kenntnis der Wirksamkeit bestimmter didaktischer Settings dazu bei, Religionsunterricht wirksamer zu gestalten.

Begleitung: Qualitätssicherung unterstützt die Evaluierten darin, ihr eigenes Tun zu hinterfragen und Verbesserungen zu erreichen. Insbesondere in religionspädagogischen Zusammenhängen wird diese Funktion von Qualitätssicherung hervorgehoben, weil ihr eine große Passung zum christlichen Menschenbild zugeschrieben wird (Schmid, 2001b).

Bildung: Qualitätssicherung befähigt die Evaluierten dazu, eine selbstreflexive Haltung einzunehmen, um ihr eigenes Tun auch in Zukunft kritisch zu hinterfragen. Sie stößt dabei einen Prozess an, der auch unabhängig von institutionalisierten Maßnahmen der Qualitätssicherung die Frage nach der Qualität des eigenen Tuns wach hält.

4. Formen von Qualitätssicherung

Geht man die Literatur zu Qualitätssicherung durch, finden sich vor allem drei idealtypische Formen derselben: der Test, die Evaluation und die kollegiale Kooperation.

Der Test gilt gemeinhin als Grundform der statistischen Qualitätssicherung. Tests operationalisieren externe Parameter für Qualität und prüfen, inwieweit diese wirklich vorliegen. Im Religionsunterricht sind solche Tests als Erhebungen von Schülerleistungen üblich (→ Leistungserhebung). Dass solche Tests auch komplexere Phänomene wie ausgebildete Kompetenzen erfassen können, zeigen die PISA-Studien eindrücklich. Außerdem lassen sich Tests grundsätzlich auch in Formaten durchführen, die konstruktivistisch angelegten Lerngängen gerecht werden (Mendl, 2007, 244-245). Tests eignen sich besonders für die Qualitätssicherung entlang der Ergebnis- und der Strukturdimension. Die meisten Vorbehalte gegenüber Tests entzünden sich an der Tatsache, dass der Test an sich nicht auf Dialog angelegt ist. Zwar lassen sich die Ergebnisse eines Tests diskutieren, der Test selbst stellt die Evaluierten aber erst einmal vor Aufgaben, die zu lösen sind.

Eine auf Dialog angelegte Form von Qualitätssicherung ist die Evaluation, wobei Evaluation hier in einem engen Sinn als kooperative Form von Qualitätssicherung verstanden wird. Derartige Evaluationen werden in der Regel als Fremdevaluation durchgeführt. Ein externes Team begutachtet das zu prüfende Phänomen kriteriengeleitet, bezieht bei dieser Begutachtung aber handelnde Personen mit ein, erarbeitet unter Umständen sogar zusammen mit diesen handelnden Personen die Kriterien, nach denen geprüft wird (z.B. Baur/Fliege/Schlenker, 2014). Eine Evaluation ist prinzipiell aber auch als Selbstevaluation durchführbar (Ziener, 2008). Eine Evaluation im engeren Sinn stellt damit eine Form dynamischer Qualitätssicherung dar. Sie ist deshalb in besonderer Weise geeignet, sämtliche oben angeführten Funktionen von Qualitätssicherung zu verwirklichen. Die große Stärke der Evaluation liegt darin, dass sie sich den Bedürfnissen und Eigenheiten des zu begutachtenden Phänomens anpassen und somit der Individualität dieses Phänomens gerecht werden kann. Damit eignet sich die Evaluation insbesondere für die Prozess- und Konzeptdimension von Qualitätssicherung. Je stärker eine Evaluation jedoch der Individualität eines Phänomens gerecht wird, umso eingeschränkter fällt die Vergleichbarkeit der Ergebnisse aus.

Kollegiale Kooperation gilt als zentrales Kennzeichen sowohl für die Qualität einer Schule als auch für die Entwicklung von Qualität innerhalb einer Schule (Moegling/Hadeler/Hund-Gröschel, 2016). In den Erziehungswissenschaften werden unterschiedliche Formen kollegialer Kooperation unterschieden. Gräsel, Fussangel und Pröbstel (2006) unterscheiden etwa zwischen dem Austausch, der arbeitsteiligen Kooperation und der Kokonstruktion. Während man sich beim Austausch gegenseitig über den eigenen Unterricht informiert und Materialien tauscht, bezieht sich die arbeitsteilige Kooperation auf projektbezogene Zusammenarbeit mit gemeinsam geteilten Zielen. Die Kokonstruktion beschreibt eine intensive Zusammenarbeit über einen längeren Zeitraum hinweg, bei der gemeinsam ein Problem gelöst werden soll. Empirische Studien zur kollegialen Kooperation zeigen (Massenkeil/Rothland, 2016), dass Lehrpersonen zwar eine größere Bereitschaft zu kollegialer Kooperation zeigen als andere Berufsgruppen, faktisch aber kaum nennenswert kollegial kooperiert wird. Für den religionspädagogischen Diskurs einschlägig scheint der Befund, dass kollegiale Kooperation nicht notwendig auf freiwilliger Basis geschehen muss, um erfolgreich zu sein. Auch institutionell vorgegebene Kooperationen können dazu führen, dass sich die Qualität von Schule und Unterricht weiterentwickeln. Im Religionsunterricht ist das z.B. dort der Fall, wo → konfessionell-kooperativer Religionsunterricht verpflichtend vorgegeben ist (z.B. in Niedersachsen). Bisherige Evaluationen einer solchen Kooperation waren durchweg positiv, beruhten in der Regel aber auf freiwilliger Zusammenarbeit (z.B. Kuld u.a., 2009). Angesichts des erziehungswissenschaftlichen Befunds liegt es nahe, dass sich die Qualität religiöser Erziehung auch dort steigert, wo Lehrpersonen unterschiedlicher Konfessionen aufgrund institutioneller Vorgaben darüber nachdenken müssen, wie diese Erziehung im neuen Gewand geschehen kann. Insbesondere ist zu erwarten, dass sich bei den Beteiligten solche Kompetenzen entwickeln, welche für eine konfessionelle Kooperation spezifisch sind (Lindner/Simojoki, 2014).

5. Befunde zur Qualitätssicherung

Es ist hier nicht der Platz, um einzelne empirische Befunde zur Qualitätssicherung im Kontext religiöser Bildung zu referieren. Eine etwas ältere Zusammenschau solcher Befunde zum Religionsunterricht bieten z.B. Annegret Reese-Schnidtker und Katrin Bederna (2010). Jüngst hat Friedrich Schweitzer (2020) eine anwendungsorientierte Anleitung zur Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht publiziert. Zudem entstehen im Tübinger QUIRU-Projekt, das sich der Untersuchung von Qualität und Qualitätsentwicklung im Religionsunterricht widmet, laufend neue Publikationen, in denen die aktuellen Ergebnisse dieses Projekt zur Kenntnis gegeben werden (z.B. Schweitzer/Rutkowski, 2022; Schweitzer/Rutkowski/Schnaufer 2023). Eine ausführlichere Diskussion dessen, was guten Religionsunterricht ausmacht, findet sich im 22. Band des Jahrbuchs für Religionspädagogik (Bizer u.a., 2006) oder im Sammelband zum wirksamen Religions(kunde)unterricht (Helbling/Riegel, 2021).

Literaturverzeichnis

  • Baur, Katja/Fliege, Thomas/Schlenker, Claudia, Dialogische Evaluation und Schulentwicklung. Ein Evaluationsmodell insbesondere für evangelische Schulen, Münster 2014.
  • Benner, Dietrich, Bildungsstandards und Qualitätssicherung im Religionsunterricht, in: Theo-Web. Zeitschrift für Religionspädagogik 3 (2004) 2, 22-36.
  • Bizer, Christoph (Hg. u.a.), Was ist guter Religionsunterricht?, Jahrbuch der Religionspädagogik 22, Neukirchen-Vluyn 2006.
  • Englert, Rudolf, Ein Lehrer, der lehrt – schockierend? Über das Potential der vielgeschmähten Instruktion, in: Katechetische Blätter 135 (2010) 5, 330-336.
  • Gräsel, Cornelia/Fussangel, Kathrin/Pröbstel, Christian, Lehrkräfte zur Kooperation anregen – eine Aufgabe für Sisyphos?, in: Zeitschrift für Pädagogik 52 (2006) 2, 205-219.
  • Hilger, Georg, Welche Wirkungen hat der Religionsunterricht? Evaluation und Leistungsbewertung, in: Hilger, Georg/Leimgruber, Stephan/Ziebertz, Hans-Georg, Religionsdidaktik, München 2012, 282-290.
  • Klie, Thomas/Leonhard, Silke (Hg.), Performative Religionsdidaktik. Religionsästhetik – Lernorte – Unterrichtspraxis, Stuttgart 2008.
  • Kuld, Lothar (Hg. u.a.), Im Religionsunterricht zusammenarbeiten. Evaluation des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts in Baden-Württemberg, Stuttgart 2009.
  • Lindner, Konstantin/Simojoki, Hendrik, Forschungswerkstatt „Kompetenzen konfessioneller Kooperation im Religionsunterricht“. Ein hochschuldidaktisches Projekt an der Universität Bamberg, in: Theo-Web. Zeitschrift für Religionspädagogik 13 (2014) 2, 190-197.
  • Massenkeil, Julius/Rothland, Martin, Kollegiale Kooperation im Lehrerberuf. Überblick und Systematisierung aktueller Forschung, in: Schulpädagogik-heute 7 (2016) 13, o.S.
  • Mendl, Hans, Konstruktivismus. Eine tragfähige Theorie für eine zukunftsfähige Religionspädagogik!, in: Religionspädagogische Beiträge 69 (2013), 17-23.
  • Mendl, Hans, Religionsunterricht evaluieren – ein weites Feld!, in: Katechetische Blätter 123 (2007) 4, 241-248.
  • Meurer, Thomas, Was ist guter Religionsunterricht? Ein Provokationsversuch, in: Religionsunterricht an höheren Schulen 51 (2008) 4, 246-254.
  • Meyer, Hilbert, Was ist guter Unterricht?, Berlin 2004.
  • Moegling, Klaus/Hadeler, Swantje/Hund-Göschel, Gabriel, Was sind gute Schulen? Eine Einführung zu einer schwer zu beantwortenden Frage, in: Schulpädagogik-heute 7 (2016) 13, o.S.
  • Reese-Schnitker, Annegret/Bederna, Katrin, Qualität von Religionsunterricht. Ein Überblick über die religionspädagogische Forschung, in: Religionsunterricht an höheren Schulen 53 (2010) 3, 140-148.
  • Rothgangel, Martin, Qualitätskriterien „guten“ Religionsunterrichts, in: Rothgangel, Martin/Fischer, Dietlind (Hg.), Standards für religiöse Bildung? Zur Reformdiskussion in Schule und Lehrerbildung, Münster 2004, 104-118.
  • Schmid, Hans, Ein Lackmustest für die Qualität des Religionsunterrichts, in: Katechetische Blätter 126 (2001a) 6, 409-416.
  • Schmid, Hans, Religionslehrerinnen und Religionslehrer als Subjekte von Evaluation und Qualitätssicherung, in: Zentralstelle der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung des katholischen Religionsunterrichts, Bonn 2001b, 47-54.
  • Schmitz, Stefan, Religion vermitteln. Theologische Orientierungen zur Qualitätssicherung des Religionsunterrichts, Münster 2004.
  • Wottowa, Heinrich/Thierau, Heike, Lehrbuch Evaluation, Berlin 2003.
  • Ziener, Gerhard, Selbstevaluation im Religionsunterricht, in: Zeitschrift für Pädagogik und Theologie 60 (2008) 4, 340-350.

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