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Lebensformen, demokratische

(erstellt: März 2024)

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Gegenwärtig bewegt sich die Demokratie in schwerem Fahrwasser. Demokratische Institutionen verlieren durch Korruptionsskandale an Vertrauen, autoritäre Fehlformen gewinnen an Verbreitung. Dabei ist die Demokratie, die sich eben nicht mehr auf die Legitimität durch die Macht der Vielen oder gar eines Einzelnen berufen kann, ein „fighting creed, ein Aufruf zum Kampf“ (Forst, 2021, 291; Hervorhebung: im Original), weil sie als „Herrschafts-, Regierungs- und Lebensform“ stets neu errungen werden muss gegen ihre Schwächungen und Delegitimierungen (Schlag, 2022, 74). Sie gewinnt ihre Legitimität dadurch, dass die, die den Gesetzen der Demokratie unterworfen sind, diese zugleich dadurch konstituieren, dass sie selbst Urheber dieser Gesetze sind. Das demokratische Grundprinzip liegt darin, dass dieses den Willen der Bürger ausbuchstabiert, „allein den Gesetzen zu gehorchen, die sie sich selbst gegeben haben“ (Habermas, 2021, 478). Um nicht in einem reinen Formalismus zu erstarren, ist aber diese Legitimität durch Verfahren auf ein vorauslaufendes Vertrauen angewiesen, das in demokratischen Lebensformen grundiert ist. Im Folgenden wird dieser Begriff der Lebensformen geklärt und auf den der demokratischen Lebensformen zugeführt, bevor abschließend kurz die Frage nach ihrer theologischen Relevanz gestellt wird.

1. Lebensformen

Unter Lebensformen lässt sich eine Vielfalt und Vielzahl unterschiedlicher, aufeinander bezogener sozialer Praktiken und deren Ordnungen verstehen, genauer: die „verfestigten und sozial sichtbaren Gestalten menschlichen Miteinanders“ (Hilpert, 2022, 197). Sie „umfassen Einstellungen und habitualisierte Verhaltensweisen mit normativem Charakter, die die kollektive Lebensführung betreffen, obwohl sie weder streng kodifiziert noch institutionell verbindlich verfasst sind“ (Jaeggi, 2014, 77; Hervorhebung: im Original). Lebensformen sind kollektive Wirklichkeiten, die ein aktives wie passives Moment haben und von denen über eingespielte Praktiken, Konventionen und Traditionen ein durchaus normativer Druck ausgeht, insofern sie „konstruktiv geschaffene“, „selbstbestimmte“ und „von Sinn bestimmte“ Phänomene sind (Dux, 2019, 26;41). Sie werden gemacht. Ihr Hauptanliegen, ihr Sinn und ihr Grund liegen darin, Problemlösungshandeln zu orientieren, mithin soziale Probleme kritisch wie konstruktiv zu bearbeiten (Jaeggi, 2014, 77f.;200-260). Rahel Jaeggi nennt hier so unterschiedliche Lebensformen wie kapitalistische, private, politische oder kulturelle (Jaeggi, 2018). Lebensformen bezeichnen also für Jaeggi unterschiedliche Formen des Zusammenlebens, die darin ausgebildeten Ordnungen und deren „institutionelle Manifestationen und Materialisierungen“ (Jaeggi, 2014, 21). Hierzu gehören Zeitschriften, Gesetze, Architektur, Wertorientierungen, Überzeugungen und Einstellungen. Differenzen zwischen verschiedenen Lebensformen „manifestieren sich in Mode, Architektur, Rechtssystem und Weisen der Familienorganisation, in jenem von Musil so genannten ‚dauerhaften Stoff von Häusern, Gesetzen, Verordnungen und geschichtlichen Überlieferungen‘, der unser Leben ausmacht“ (Jaeggi, 2014, 21; Engelmann, 2021, 39-41).

Gegenüber dem Begriff der Lebenswelt verschiebt sich damit beim Begriff der Lebensform der „Schwerpunkt vom vor-theoretischen Weltbild zur Praxis“ (Nida-Rümelin, 2018, 13; Hervorhebung: im Original), eine Perspektive, die für das fundamentaltheologische Bemühen um eine Plausibilität des Gottesgedankens in der Spätmoderne seinerseits anschlussfähig scheint (Viertbauer, 2022, 15-17;148-151). Wesentlich gehört dazu einerseits seine Lernbarkeit und Tradierbarkeit, insofern alle an deren Reproduktion beteiligt sind, andererseits aber zugleich auch deren reflexive Distanzsetzung. Partizipation und Reflexion, Teilhabe und → Kritik sind demnach elementare Bestandteile solcher auf das gute Zusammenleben normativ hin geordneter Lebensformen. Zur „Frage nach dem Gelingen einer Lebensform als Lernprozess gehört also auch die nach der reflexiven Zugänglichkeit dieses Prozesses, oder allgemeiner: danach, auf welche Weise sich die in eine Lebensform Involvierten zu dieser verhalten oder ins Verhältnis setzen können“ (Jaeggi, 2014, 316). Im Lichte dieser Normativität sind unterschiedliche, ja selbst private Lebensformen „der Intimität“ wie Familie (Heimbach-Steins, 2022, 415), Singledasein, Partnerschaft sehr wohl einer kritischen Bewertung zugänglich. Das gilt auch für eine „christliche Lebensform“ als ein ambitioniertes normatives Konzept dafür, das Leben als Christin bzw. Christ vor dem Spiegel des allgemeinen Priestertums zu gestalten (Grethlein, 2022, IX). Allerdings ist dabei der Rahmen der Kriterien strittig, durch die dies geschieht. Nicht nur für eine christliche Sozialethik steht eine „statt auf Institutionalität auf Prinzipien fokussierte“ Sichtweise im Vordergrund (Hilpert, 2022, 201). Dabei ringen hegelianische mit kantianischen Bewertungsmaßstäben, kommunitaristische Konzeptionen des guten Lebens mit solchen autonomer Ethik, Kriteriologien immanenter Kritik mit denen kantianisch-transzendentaler Reflexion (Laux, 2017; Jaeggi, 2018; Boehm, 2022, 110-112).

Doch noch eine andere Differenzierung ist wichtig. Der Unterschied des Begriffs der Lebensformen gegenüber dem der Zivilgesellschaft und der Öffentlichkeit liegt darin, das Gewicht der erfahrungsbasierten, in lebensweltlichen Praktiken verwurzelten Form der Vergesellschaftung stärker zu gewichten. Während der Begriff der Öffentlichkeit bzw. der Zivilgesellschaft stärker an politiktheoretischen Momenten interessiert ist, ist der der Lebensform stärker sozialphilosophisch ausgerichtet. Nur gilt es zu beachten, dass im normativ bestimmten Begriff der Demokratie als Lebensform beide Aspekte, der politiktheoretische wie der sozialphilosophische, zusammengeführt sind (Jaeggi/Celikates, 2017, 7-20).

2. Demokratische Lebensformen

Das aber deutet bereits auf deren demokratietheoretische Relevanz. Würde der Demokratiebegriff in diesen Prozessen und Praktiken der Lebensformen verankert, ginge es um die Entfaltung, Reproduktion und Tradierung der „Lebensformen des Demokratischen“ (Engelmann, 2021, 43), so gewönne der Demokratiebegriff Grund, normative Ausrichtung und inhaltliche Bestimmung. „Demokratie als Lebensform“ würde damit zu einem ganzheitlichen (Dux, 2019, 3), die Subjekte als Freie und Gleiche einbindenden Projekt, das die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, von Politik und Sozialem, von Öffentlichkeit und Privatheit in ihrer starren Binarität unterläuft (Jaeggi, 2018). „In all ihren sozialen Voraussetzungen und Implikationen“ ist Demokratie vor diesem Hintergrund eine „Gesellschaftsform, eine gesellschaftliche Lebensweise“ (Lessenich, 2019, 17). Ist zwar über deren konkrete Ausgestaltung als republikanisches, deliberatives oder liberales Modell noch nicht entschieden, so sind Demokratien gleichwohl „idealerweise politische Lebensformen“, in denen die Beteiligten einander als Gleiche respektieren und nach Rechtfertigungen für allgemein geltende Normen suchen“ (Forst, 2021, 330). Die Universalität zumindest der Idee der Demokratie liegt genau darin, dass sie mit dem Versprechen auf universale Teilhabe ein „Versprechen auf eine ganz bestimmte Art und Weise des In-der-Welt-Seins gibt [...], dass es möglich wird und sein soll, die Welt, in der wir leben, gemeinsam zu gestalten, sodass wir uns in ihr erkennen und widerspiegeln können, dass sie uns antwortet und zugleich als unser Ausdruck erscheinen kann“ (Rosa, 2019, 160; Hervorhebung: im Original).

Um diese Fundierung der → Demokratie in einer demokratischen Lebensform nicht kommunitaristisch oder unpolitisch gleich wieder einzuhegen, gilt es, sich genauer den demokratietheoretischen Rang dieser Lebensformen vor Augen zu führen. Wie kaum ein zweiter hat aus pragmatischer Philosophie heraus John Dewey die Demokratie in der demokratischen Lebensform grundgelegt und von hier aus einen normativen Zusammenhang zwischen Demokratie und → Erziehung begründet. Erziehung ist demokratische Erziehung und demokratische → Bildung, woraus sich wiederum demokratische Lernprozesse einer zukünftigen Rolle als Citoyen und Staatsbürger erst profilieren können (Honneth, 2020, 198-200). Für Dewey ist die Demokratie mehr als ein Gegenstand der Philosophie. Sie ist die leitende Idee seines ganzen Philosophierens, für das ein „quasi-religiöser ‚Glaube’“ an die Demokratie seine lebenslange Inspirationsquelle gewesen ist (Joas, 2000, 11). Dies geht bei ihm einher mit der „Sakralisierung der Demokratie“ (Joas, 2020, 197), weil hier die zivilreligiösen Bindungen und sinnkonstituierenden Selbstvergewisserungen geschaffen werden, aus denen Menschen in ihrer Vergesellschaftung leben (Joas, 2020, 197; Boehm, 2022, 93-110).

Gleichwohl können wegen der Bedeutung von Institutionen der Demokratie demokratische Lebensformen nicht die Integrationsprobleme einer heterogenen Gesellschaft der Spätmoderne dadurch lösen, dass sie die gesellschaftlichen Ausdifferenzierungen unterlaufen und auf eine vorpolitischen Ebene Kohärenz zwischen den dissoziierten Bürgerinnen und Bürgern zu stiften versuchen. Die demokratischen Lebensformen sind vielmehr in einem normativen Sinne hin geordnet auf eine politische Öffentlichkeit „als diskursives Medium einer kooperativen Problemlösung unter demokratischen Bedingungen“, da hier Bürgerinnen und Bürger die demokratischen Einstellungen und Prozeduren zu einem „normativen Element ihrer alltäglichen Gewohnheiten gemacht haben“ (Honneth, 2000, 300;308).

Demokratie als Lebensform ist dementsprechend in einem normativen Sinne „als eine aktive Handlungs-Form menschlicher Tätigkeit zu verstehen, die sich in den alltäglichen Lebenszusammenhängen der Menschen herausbildet und deren Eigentätigkeiten als Notwendigkeit einer demokratischen Vergesellschaftung unterstreicht“ (Affolderbach, 2016, 106). In dem Maße, in dem damit die Demokratie zur Lebensform wird, avanciert Demokratie zu einem politischen wie sozialen Ideal dafür, wie Probleme des politischen wie des gesellschaftlichen Miteinanders rational, erfahrungsbezogen und durch gemeinsame Praxis gelöst werden können (Honneth, 2000, 309). „Die Herrschafts- und Verfassungsordnung mag noch so gelungen sein, ohne die Möglichkeit demokratischer Erfahrungen geht sie ein. Wenn, wie Böckenförde betont, die liberale Demokratie davon lebt, dass die Bürgerinnen und Bürger diese Ordnung auch in der Praxis tragen, gestalten und erneuern, setzt das Lebensformen, Räume und Orte voraus, die allen die Chance bieten, Freiheit und Gleichheit im Alltag sinnlich zu erfahren. Indem wir uns auf das Gespräch über die Demokratie als Lebensform einlassen, können wir gelassener auf die weitverbreitete Sorge reagieren, unserem Gemeinwesen mangele es an geteilten Werten und einer moralischen Grundlage. Die spielerische Neugier, die mit der Frage der Form verbunden ist, ermöglicht es, die Quadratur des multikulturellen Kreises zu vermessen und mit jenen Konflikten zu leben, die sich aus der Spannung zwischen dem Versprechen der universellen Gleichheit und der alltäglichen Erfahrung der Vielfalt ergeben“ (van Rahden, 2019, 22).

Gleichwohl macht der agonale Charakter der Demokratie, das Ringen um sie als ein „fighting creed“ (Forst, 2021, 291), wie es nicht zuletzt die radikalen Demokratietheorien herausstellen, auf eine grundlegende Dynamik dieser demokratischen Lebensformen aufmerksam. Sie sind umkämpft, sind fundiert in einem geschichtlich unabschließbaren Ringen, sind ein problemlösendes Experimentieren mit diversen Lösungsvorschlägen angesichts der Paradoxien von Demokratien und deren Grundspannung zwischen Liberalismus und Gleichheit. „Demokratische Lebensformen sind dynamisch und transgressiv, gerade weil sie ihren Teilnehmerlnnen nicht nur (demokratische) ‚Diskursrechte‘ gewähren, sondern sie auch (liberal), wo immer möglich, selbst entscheiden lassen. Die Verknüpfung von demokratischen mit liberalen Prinzipien ist aber immer auch ein Spannungsverhältnis“ (Reichenbach, 2001, 167). Dieser Streit um demokratische Lebensformen ist der „Streit darum, wer die Demokratie bestimmt“ und (nicht nur) in radikaldemokratischer Perspektive „Teil der Demokratie selbst“ (Engelmann, 2021, 41). Demokratische Lebensformen können insofern „als besondere Form des Umgangs mit Kontingenz verstanden werden […], die sowohl auf individueller als auch auf struktureller Ebene Form gewinnen. Demokratisch [...] sind Lebensformen dann, wenn sie die ihnen inhärente Offenheit, Spannung und Kontingenz wahrnehmen und sich zu diesen verhalten. In der Lebensform werden die stets fragilen Fundamente dafür geschaffen, um darauf aufbauend Demokratie erschließen zu können“ (Engelmann, 2021, 41f.).

Radikaldemokratische Demokratietheorien sind demnach unverzichtbar für eine konstruktive Weiterentwicklung der Demokratie. Sie zeigen ihre Kontingenz und Veränderbarkeit auf und stellen vor diesem Hintergrund eine enorme Bereicherung in der Konturierung demokratischer Lebensformen dar, insofern sie Demokratie „als gefährdete Lebensform“ herausstellen (van Rahden, 2019, 3). Schon allein dadurch ist ein Widerspruch gegen demokratische Selbstsakralisierungen gesetzt. Aber genau deshalb ist Demokratie auf normativ bestimmte, universalisierbare Orientierungen angewiesen. Demokratische Lebensformen gewinnen ihre Norm am Kriterium der Freiheit und Gleichheit aller. Dies ist „ihr Dreh- und Angelpunkt“ (Lessenich, 2019, 18; Jaeggi, 2014, 342-436). Oscar Negt treibt dies im Rückgriff auf den Handlungsbegriff Hannah Arendts bis in eine anthropologische Begründung hinein. „Die Definition des Menschen als zoon politikon enthält als Ziel eine Lebensform, die auf der freien Selbstbestimmung autonomiefähiger Bürger gegründet ist“ (Negt, 2010, 13).

3. Der Streit um Lebensformen und um Demokratie als Ort der Theologie

Was diese Debatten um demokratische Lebensformen nun theologisch so überaus interessant macht, ist die Möglichkeit, Theologie jenseits privatistischer Reduktionen wie theokratisch-politisierender Allmachtsansprüche öffentlich zur Geltung zu bringen (Grümme, 2023, 40-74). Demokratie als Lebensform zu verstehen, bedeutet ja deren Basierung in rationalen, mit Geltungsansprüchen versehenen Orientierungen und Praktiken. Wäre nicht Religion und die Theologie als deren kritische Reflexion aus dem Glauben heraus in ihrer Ausrichtung an der Freiheit der Kinder Gottes anschlussfähig an diese Debatten? Noch schärfer formuliert und anders gewendet zugleich: Wäre dieses Ringen um Demokratie und um demokratische Lebensformen ein Ort der Theologie (Grümme/Söding, 2021)? Spätmodernen Gesellschaften ist es aus guten Gründen verwehrt, sich in einer für alle verbindlichen weltanschaulichen Position zu fundieren. Der selbstlegitimatorische Bezug der Demokratie auf eine bestimmte worldview oder eine Religion ist wegen der prinzipiellen Religionsfreiheit der Citoyens legitimerweise nicht möglich. Nicht als Entlarvung eines konstitutiven Begründungsdefizits der Demokratie, weil angeblich eine säkulare, in der autonomen Vernunft und dem Recht auf Rechtfertigung fundierte Demokratietheorie zu schwach sei, sondern als implizites Gesprächsangebot könnte man es nun jedoch in diesem Zusammenhang verstehen, wenn eine autonome Demokratiebegründung auf die elementare Relevanz von „kontrafaktischen Wertaussagen“ rekurriert (Forst, 2021, 11). Könnte nicht auch die Religion selbst mit ihren kontrafaktischen Perspektiven demokratierelevante Horizonte eröffnen?

Und weniger demokratietheoretisch, sondern stärker auf eine Kritik der Lebensformen bezogen: Birgt nicht die Option der biblischen Hoffnung für die Exkludierten zugleich Sprengkraft wie befreiendes Potential für den Lebensformendiskurs? Im Christentum liegen Impulse, die demokratische Prozesse im Sinne von Partizipation und Inklusion aller vorantreiben können (Grümme, 2009, 30-33). Es kann auf blinde Flecke und hegemoniale Tiefenstrukturen kritisch aufmerksam machen und neue Perspektiven eröffnen. Und dort, wo Politik sich selbst in institutionalisierten Strukturen zu verfestigen und hegemonial zu verabsolutieren droht, markiert es im Hinblick auf den deus semper maior eine Relativierung von Macht aus dem Geiste negativer Theologie und dem biblischen Bilderverbot. Damit wäre ein kritischer Einspruch gegen jede Selbstsakralisierung politischer Ordnungen gegeben – und sei es auch die einer parlamentarischen Demokratie, die sich dadurch nicht mehr kontingent und auf die Autonomie der Subjekte hin veränderbar setzte. Damit wäre aber zugleich auch eine kritisch-selbstreflexive Prüfung der eigenen Selbstkonstitution erforderlich, inwieweit sie sich als Theologie selbst vor politischen Instrumentalisierungen und vor Verengungen aufs Ethisch-Politische schützen kann. Die Versuchungen eines rein funktional verstandenen Religionsbegriffs wären konstitutiv abzuweisen.

Und stärker auf die Religionspädagogik bezogen, die als eine öffentliche → Religionspädagogik privatistische Reduktionen hinter sich lassen will: kann sie nicht ihren spezifischen Beitrag zu der Frage leisten, wie man denn demokratische Lebensformen erlernen kann, wie man hinein kommt in diese Praktiken, ohne dabei das Private zu unterlaufen und zu politisieren oder die Demokratie in ungebrochener Weise wie Dewey zu sakralisieren, der dabei freilich in der Beobachtung von Hans Joas nicht über „‚nachaufklärerische Banalitäten’“ hinauskommt (Joas, 2020, 197; Boehm, 2022, 234-248), insofern hier von der wertbildenden, bindenden und sinnkonstituierenden Erfahrung der Subjekte abgelassen wird und er die Bedeutung von Institutionen auch religiöser Art, die solche Erfahrungen sichern können, untergraben hat (Joas, 2020, 190). Sich hier einzuschalten, würde der Demokratie wichtige Impulse verleihen, würde aber vor allem jenseits funktionalistischer (Selbst-)Zuschreibungen ein Beitrag zur Autonomie und Sinnfindung der Subjekte in den Transformationsprozessen der Spätmoderne bilden (Grümme, 2023, 234-248).

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