Dreifaltigkeit/Trinität
(erstellt: Februar 2016; letzte Änderung: Februar 2025)
Artikel als PDF folgt
Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/100168
Digital Object Identifier: https://doi.org/10.23768/wirelex.DreifaltigkeitTrinitt_.100168
1. Das unterscheidend Christliche – eine Leerformel?
1.1. Problematisierungen
Dass der christliche → Glaube
Dennoch hatte die trinitarische Lehrformel vom dreieinen Gott innerhalb der → Theologie
1.2. Religionspädagogische Herausforderungen
Dies gilt gleichermaßen für religionspädagogische Kontexte. Studien zu Gottesbildern von Kindern und Jugendlichen weisen darauf hin, dass trinitarische Gottesvorstellungen so gut wie keine Rolle spielen. „Die allermeisten Jugendlichen sprechen diese Thematik von sich aus nicht an“ (Krasselt-Maier, 2014, 115). Die Mehrzahl heutiger Jugendlicher sieht in Gott keine personale, geschweige denn eine dreipersonale Wirklichkeit, sondern eine Art Energie oder eine abstrakte Größe, die der Welt so weit enthoben ist, dass sich keine Aussagen darüber treffen lassen (Nowak, 2018, 214). Zugleich nehmen deistische und pantheistische Gottesvorstellungen zu (Schweitzer, 2020, 255-263). Zu denken gibt auch, dass, wenn in älteren Untersuchungen Kinder und Jugendliche unabhängig vom Kontext Trinität auf das Verhältnis von Gottvater und Jesus Christus (→ Christus/Christologie
2. Theologische Grundlagen
2.1. Monotheismus im AT: Ein Gott, der aus sich heraustritt
Das AT, das ein jahrhundertelanges Ringen um den einen Gott und das Bekenntnis zum Monotheismus widerspiegelt, kennt keine Andeutung einer Dreifaltigkeit Gottes. Wenn alttestamentliche Texte wie Gen 18,1
2.2. Theologiegeschichtliche Stationen auf dem Weg zur Trinitätslehre
2.2.1. Im NT: Das Bekenntnis zu Vater, Sohn und Geist
Im Neuen Bund erreicht die Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus ihren nicht mehr zu überbietenden Höhepunkt. Mit dem Bekenntnis zu seiner Gottessohnschaft stellte sich die Frage nach seinem Verhältnis zum Vater. Mit dem Bekenntnis zu seiner Messianität war die Überzeugung verbunden, dass Gottes Geist und Jesus Christus als der mit dem Heiligen Geist gesalbte Messias die denkbar engste Verbindung eingehen. Der Geist ist jedoch kein anderer als der Geist Gottes (Joh 4,24
Auf dieser Grundlage formulierte das NT das trinitarische Bekenntnis zu Gott als Vater, Sohn und Geist. Kann „Vater“ als Ur-Metapher gelten, die nicht nur im AT, sondern auch in anderen Religionen begegnet, bringt daran anschließend die Rede vom „Sohn“ die enge Verbindung zum Vater zum Ausdruck.
Dieses Bekenntnis ist noch keine Trinitätslehre. Es stellt Vater, Sohn und Geist nebeneinander (Mt 28,19
2.2.2. Notwendige Verhältnisklärungen
Das Konzil von Nicäa (325) nahm die Verhältnisbestimmung von Vater und Sohn vor mit Hilfe der Formel vom „wahren Gott“, der „eines Wesens“ mit dem Vater ist. Das Konzil von Konstantinopel (381) stellte ergänzend das „wahre Menschsein“ Jesu Christi heraus. 461 bestimmte das Konzil von Chalzedon das Zueinander von Göttlichem und Menschlichem in Jesus Christus als das zweier Naturen, die „ungeteilt und getrennt, unvermischt und unverwandelt“ in einer Person zusammenkommen. Am Beginn der Trinitätslehre steht also die Christologie.
Aber christologische Fragestellungen zogen pneumatologische nach sich. Denn mit dem Bekenntnis zur Wesensgleichheit des Sohnes stand die Frage nach der Verhältnisbestimmung von Vater und Sohn zum Geist im Raum. Ähnliche Auseinandersetzungen wie zuvor auf dem Weg zum Christusbekenntnis wurden nun geführt um die Stellung und die Gottgleichheit des Geistes.
Im 4. Jahrhundert erhob sich innerhalb der ostkirchlichen Theologie eine Strömung, deren Anhänger als Pneumatomachen, also Bekämpfer des Heiligen Geistes, bezeichnet wurden, weil sie den Geist sowohl dem Vater als auch dem Sohn unterordneten und in ihm nur ein Geschöpf sahen. Demgegenüber schrieb ihm das Konzil von Konstantinopel (381) im Kontext seines Bekenntnisses zum dreifaltigen Gott unmissverständlich die göttlichen Prädikate Herr und Lebensspender zu und unterstrich damit seine Göttlichkeit.
2.2.3. Notwendige Abgrenzungen
Mit der Absage an alle pneumatomachischen Strömungen schied ein subordinanistisches Modell aus, das die Zuordnung von Vater, Sohn und Geist als hierarchische Stufenordnung verstand. Das gleiche galt für ein tritheistisches Modell bzw. eine Dreigötterlehre, die zum Bekenntnis zu dem einen Gott in klarem Widerspruch stand. Eine scheinbare Alternative bot auf den ersten Blick der sogenannte Modalismus, der in Vater, Sohn und Geist drei verschiedene Erscheinungsweisen – lateinisch modi – Gottes in der Heilsgeschichte sah. Aber auch diese Lösung überzeugte nicht, da demnach niemals eine Begegnung mit Gott selbst, sondern immer nur mit seinen Erscheinungsweisen möglich wäre.
2.2.4. Ein göttliches Wesen in drei Hypostasen
Das Konzil von Konstantinopel fand, angeregt durch die drei kappadokischen Theologen Gregor von Nyssa, Gregor von Nazianz und Basilius dem Großen mit der Formulierung „ein göttliches Wesen in drei Hypostasen” eine begriffliche Lösung für die Bestimmung des Verhältnisses von Einheit und Dreiheit. Damit wurde keineswegs ein logischer Widerspruch konstatiert im Sinne von 1 + 1 + 1 = 1. Vielmehr wurden zwei unterschiedliche Wirklichkeiten zueinander in Beziehung gesetzt: hier das eine göttliche Wesen, dort drei Formen seiner Verwirklichung. Das Bekenntnis zu dem einen Gott wurde durch den Begriff Wesen (gr. ousia) festgehalten. Griechisch hypostasis, wörtlich das Darunterliegende, bezeichnete die individuelle Verwirklichung dieses allgemeinen Wesens aufgrund konkreter Eigentümlichkeiten. Vater, Sohn und Geist wurden demnach als Träger und Verwirklichungsformen des einen göttlichen Wesens verstanden.
Allen dreien kommt in gleicher Weise Göttlichkeit zu, doch sind sie in ihrem Ursprung und in ihrer Sendung voneinander unterschieden. Dies schlägt sich in der Art und Weise nieder, wie von Vater, Sohn und Geist gesprochen wird: So sagt die Theologie vom Sohn – nicht aber vom Vater und vom Geist –, dass er Mensch geworden ist, vom Vater, dass er die Welt erschaffen hat, vom Geist, dass er in den Menschen wirkt. Da die Prinzipien der Einheit und der Vielheit denkerisch auf verschiedenen Ebenen angesiedelt sind, konnte von Gott unter verschiedener Hinsicht Einheit und Dreiheit zugleich ausgesagt werden, ohne dass der Trinitätsglaube einen logischen Widerspruch behauptete.
2.2.5. Ein Gott in drei Personen
Der Begriff der Hypostase stammte aus der griechischen Theologie. Sollte das Modell vom einen göttlichen Wesen in drei Hypostasen auch im abendländischen Kulturraum verstanden werden, mussten dafür entsprechende Begriffe aus der lateinischen Theologie gefunden werden. In diesem Zug wurde Wesen mit substantia wiedergegeben, Hypostase mit persona, abgeleitet vom griechischen prosopon, was sowohl mit Antlitz, Gesicht als auch mit Maske, Rolle wiedergegeben werden kann. Das lateinische Verb personare bedeutete im Kontext des Theaters so viel wie durchtönen, nämlich der Stimme durch die Maske. Die Rede vom einen göttlichen Wesen in drei Personen legte so, ohne in einen Modalismus zu verfallen, die Vorstellung nahe, dass der eine Gott sich mit seinen drei Gesichtern auf dreifache Art und Weise offenbart bzw. die Menschen auf dreifache Art und Weise anspricht. Augustinus (354-430) und nachfolgend die mittelalterliche Theologie nahmen eine wichtige Präzisierung des Personbegriffes vor: Sie bestimmten Personsein als Eigenstand in Verbindung mit In-Beziehung-Sein und stellten damit die für das Personsein wesentliche Dimension der Relationalität heraus. Auf diese Weise machten sie einen zentralen Aspekt im Verständnis von Personalität geltend, der das zukünftige trinitarische Denken entscheidend prägen sollte.
3. Problematisierungen und Entwicklungen
3.1. Evangelische Kritik
Dass die Trinität zu einer theologischen Leerformel wurde, hatte verschiedene Gründe. Während die Reformatoren das altkirchliche Trinitätsdogma als schriftgemäß anerkannten, stieß innerhalb der evangelischen Theologie die Trinitätslehre in ihren spekulativen Ausformungen auf Ablehnung. Friedrich Schleiermacher bemängelte, dass sie gedanklich nicht widerspruchsfrei sei; der liberale Protestantismus und die protestantische Aufklärungstheologie kritisierten, dass sie nicht Inhalt der → Offenbarung
3.2. Katholische Metaphysik
In der katholischen Theologie war die Trinitätslehre nicht umstritten, doch eine Konzeption der Gotteslehre unter metaphysisch-reflexiver Perspektive ohne hinreichende Berücksichtigung seiner geschichtlichen Offenbarung führte dazu, dass die Trinitätstheologie nach einem ausführlichen Teil über den einen Gott ein Schattendasein als letztes kurzes Kapitel der Gotteslehre führte. Durch ihre Positionierung „als Ergänzung der philosophischen [→ Philosophie, philosophische Bildung
3.3. Neue heilsgeschichtliche Perspektiven
Diese Situation veränderte sich in den letzten Jahren. So setzt die neuere Theologie nicht länger beim innergöttlichen Leben Gottes oder bei der philosophisch-spekulativen Reflexion über das Verhältnis von Dreiheit und Einheit an, sondern bei der Offenbarung der Dreieinigkeit in der Heilsgeschichte. Ein solches Vorgehen ist insofern berechtigt, als das christliche Bekenntnis zur Dreifaltigkeit gerade nicht aus philosophischer Spekulation erwachsen ist, sondern in der Offenbarung Gottes in der Geschichte gründet: Der Gott, an den Christen glauben, erschließt sich im Verlauf der Heilsgeschichte als dreifaltiger Gott, im Alten Bund als Vater, im Neuen Bund in seinem Sohn, durch die ganze Geschichte hindurch im Geist. Die Trinitätslehre ist in der gegenwärtigen Theologie kein klassisches evangelisch-katholisches Kontroversthema mehr, doch es werden unterschiedliche Fokussierungen vorgenommen. Eine genuin evangelische Akzentsetzung ist die Verankerung der Trinitätstheologie im Geschehen am Kreuz, weil hier Gott als Liebesgemeinschaft offenbar wird. „Spezifisch katholische Akzentsetzungen gegenwärtiger Trinitätstheologie setzen im Interesse einer modernen Reformulierung des altkirchlichen Personbegriffs freiheitsanalytisch (Magnus Striet, Georg Essen: Trinität als Gemeinschaft wechselseitiger Freiheit in Liebe) oder zeichen- bzw. vernunfttheoretisch (Thomas Schärtl, Karlheinz Ruhstorfer) an, indem trinitarische Modelle als Konkretionen unterschiedlicher Rationalitätstypen rekonstruiert werden“ (Ruhstorfer/Schlenke, 2021, 207f.).
4. Versuche der Neuauslegung
4.1. Mögliche Missverständnisse
Die altkirchliche Rede vom einen Gott in drei Personen bereitet heute Verständnisschwierigkeiten. Während für den antiken und mittelalterlichen theologischen Personbegriff der Aspekt der Relation nicht nur konstitutiv, sondern geradezu selbstverständlich war, stehen für das neuzeitliche Verständnis von der Person ganz andere Aspekte im Vordergrund. Es verbindet damit in erster Linie Individualität, Subjektivität, Freiheit und Selbstbesitz. Dieser Bedeutungswandel schafft ein gefährliches Missverständnis, weil der Eindruck entstehen kann, als handele es sich bei den drei Personen um drei verschiedene Individuen mit je eigenem Willen und damit letztlich doch um drei Götter. Hinzu kommt, dass Person anthropologisch konnotiert ist und die Vorstellung von einem konkreten Menschen mit eigenem Bewusstsein und Willen nahelegt.All dies will das trinitarische Bekenntnis gerade nicht aussagen, sondern möchte die untrennbare Zusammengehörigkeit der drei Verwirklichungsformen des einen göttlichen Wesens zum Ausdruck bringen. Der neuzeitliche Personbegriff läuft darum Gefahr, den Zugang zu einem angemessenen Verständnis von Dreifaltigkeit zu verstellen.
4.2. „Gott über uns, mit uns, in uns“
Aus diesem Grund begibt sich die gegenwärtige Theologie auf die Suche nach Auslegungen und Formulierungen, die heutigem Sprechen und Denken angemessenen erscheinen. Hans Küng prägte im Anschluss an Karl Rahner eine wegweisende Formel: Gott ist als Vater der „Gott über uns“, als Sohn, der in Jesus Christus Mensch geworden ist, der „Gott mit uns und neben uns“, als Geist der „Gott in uns“ (Küng, 2007, 128). Andere sprachen vom „Gott um uns“, um zu verhindern, dass Gott ausschließlich transzendent gedacht werde und verbindet auf diese Weise Transzendenz und Immanenz (Kessler, 2003, 162f.).
Alle Versuche der Neuformulierung weisen in eine ähnliche Richtung: Der Vater ist Gott, der alles umgibt, der die ganze Welt durchdringt, der uns beschützt, an dem wir uns orientieren können, der für uns unerreichbar ist. Der Sohn ist Gott, der mit uns geht, der uns auf unserem Weg begleitet, der uns in anderen Menschen begegnet. Der Geist ist Gott, der uns erfüllt, der uns gute Gedanken eingibt, der uns Kraft schenkt. Diese dreifache Redeweise ist Ausdruck einer dreifachen Erfahrung, die Menschen nicht nur im AT und NT bezeugen, sondern die sie, ebenso wie Kinder und Jugendliche, auch heute nachvollziehen können: Der Gott, an den Christen glauben, wohnt nicht erhaben in unendlicher Ferne und schaut auf Welt und Mensch herab, sondern er kommt auf sie zu und teilt sich mit, teilt nicht nur etwas von sich mit, sondern sich selbst. Vom Alten Bund an bis heute ist es der Geist, in dem Gott auf die Menschen zukommt. Im Neuen Bund wird Gott Mensch und teilt sich mit im Menschen Jesus von Nazareth.
5. Der christliche Gott – eine Dreiergemeinschaft
Dass der eine Gott ein dreieiniger ist, ist nicht das Ergebnis philosophischer Spekulationen, sondern Ergebnis der Erfahrungen, die Menschen im Lauf der Geschichte mit Gott gemacht haben. Die Theologie zieht aus der in der Heilsgeschichte erfahrenen ökonomischen Trinität, von griechisch oikonomia = Heilsgeschichte, den Rückschluss auf die immanente Trinität, das innergöttliche Wesen Gottes. Eben weil sich Gott in der Geschichte als Vater, Sohn und Geist erweist, ist er auch in sich selbst Vater, Sohn und Geist. Eben weil er sich in der Geschichte selbst mitteilt, ist er auch in seinem innersten Wesen Selbstmitteilung. Eben weil er auf Beziehung hin aus ist, ist er auch in sich selbst Beziehung. Eben weil er sich als Gemeinschaft von Dreien offenbart, ist er auch in sich selbst Gemeinschaft. Damit wird mit der biblischen Spitzenaussage, dass Gott die Liebe ist (Joh 1,4
Diese Liebesgemeinschaft kommt nicht gewissermaßen nachträglich zustande, indem sich Vater, Sohn und Geist, nachdem sie jeweils für sich existieren, zusammenschließen zu einer Art Göttergemeinschaft. In Gott sind nicht zuerst drei, die dannin einem zweiten Schrittaus ihrem Selbstsein heraus in Beziehung zueinander treten. Sondern der eine Gott bzw. das eine göttliche Wesen existiert nur als Gemeinschaft und Beziehung von dreien.
Diese Einsicht hat Konsequenzen für das Verständnis von Welt, Mensch und Kirche: Wenn Gott in sich Gemeinschaft ist, dann sind Gemeinschaft und Beziehung ein wesentliches Prinzip der Schöpfung und der Welt. Wenn der Mensch als Gottes Abbild geschaffen ist, dann ist es seine Bestimmung, das zu werden, was Gott immer schon ist, nämlich Leben und Austausch in Beziehung. Und wenn die Kirche den in der Trinität grundgelegten Vorrang von Gemeinschaft ernst nimmt, kann sie sich nicht uniformistisch verstehen, sondern nur von der Vielfalt verschiedenster Charismen her.
6. Didaktische Perspektiven
6.1. Kein logischer Widerspruch
Auf diesem Hintergrund sieht sich auch die → Religionspädagogik
Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene empfinden in der Erstbegegnung mit dem Thema Trinität die Vorstellung von dem einen Gott, der sich als dreifaltiger zeigt, leicht als unlösbares Rätsel, oder, wenn sie stärker an logisch-mathematischem Denken orientiert sind, als logischen Widerspruch. Hier ist die Klärung nötig, dass Einheit und Dreiheit auf zwei unterschiedlichen Ebenen liegen und darum miteinander kompatibel sind. Hilfreich können Visualisierungen sein, wie das dreiblättrige Kleeblatt, das auch Patrick von Irland bei seiner Mission verwendete. Häufig verwendet, aber nicht unproblematisch, da vom Aussagegehalt deutlich modalistisch gefärbt, ist der Vergleich mit den drei Erscheinungsformen von Wasser als Flüssigkeit, Dampf oder Eis. Sinnvoll ist es, nicht nur ein Bild oder ein Modell zur Visualisierung anzubieten, sondern verschiedene und sie auf ihre Aussagekraft und Tauglichkeit hin bewerten zu lassen.
6.2. Drei Personen – drei Gesichter?
Die Rede vom einen Gott in drei Personen sorgt bei Schülerinnen und Schülern für Irritationen, weil sie sich ganz selbstverständlich unter Person einen konkreten Menschen vorstellen. Ein ungeklärtes Problem ist die Frage, wie mit der missverständlichen Rede von den drei Personen didaktisch angemessen umzugehen ist. Nicht unproblematisch erscheint der Vorschlag von Gerhard Büttner „familiale Muster als bestimmende Interpretationsmatrix heranzuziehen“, so dass Trinität, „sofern sie als Zusammengehörigkeit von Verschiedenen verstanden wird, durchaus im Sinne einer wie auch immer gearteten göttlichen Familie erscheinen“ könnte (Büttner, 2002, 74). Mündet die Vorstellung von einer Familie womöglich in eine Drei-Götter-Lehre? Büttner kann der Rede von den drei Personen insofern etwas abgewinnen, als sie Gottes Zugewandtheit zum Menschen ebenso wie seine Ansprechbarkeit impliziert. So schlägt er vor, die drei göttlichen Personen metaphorisch als die drei „Gesichter“ Gottes zu erschließen (Büttner, 2002, 74). Sprachlogisch greift er damit das griechische prosopon, wörtlich Gesicht auf, von dem lateinisch persona abgeleitet ist. Hier wäre in verschiedenen Unterrichtssettings zu erproben, inwiefern diese anschauliche Metapher zielführend ist oder inwiefern sie den Schluss auf drei verschiedene Individuen nahelegt. In der Geschichte der christlichen Ikonographie waren aus diesem Grund Darstellungen verboten, die einen Kopf mit drei verschiedenen Gesichtern zeigten.
Ob auf die Rede von den drei Personen ganz verzichtet wird oder ob der veränderte Kontext und Bedeutungswandel explizit thematisiert wird, ist je nach Alter und Situation neu zu entscheiden. Auf jeden Fall kann sie angesichts des Bedeutungswandels nicht unkommentiert eingeführt werden. Hilfreich ist der Hinweis, dass nicht nur beim Personbegriff, sondern auch bei anderen bzw. alltäglich verwendeten Begriffen ein Bedeutungswandel stattgefunden hat, der teilweise bis ins Gegenteil reicht. Eine ausführliche Reflexion auf die unterschiedliche Verwendung des Personbegriffes in der Moderne und in der Antike dürfte in der Regel ohnehin der Oberstufe vorbehalten sein.
6.3. Ein Beitrag zur theologischen Grundbildung
Einen eigenen Zugang wählt Heike Lindner mit sechs didaktischen Orientierungen auf die Trinitätslehre (Lindner, 2019), die Trinität in einem weiten Sinne nicht nur auf die Gottesvorstellung begrenzen, sondern sie unter anderem als Gleichnis für Ziele der Inklusionspädagogik oder als Einüben in Ökumene entfalten will. In der Auseinandersetzung mit der Trinitätslehre entdeckt sie „zwei Lernebenen, die zur theologischen Grundbildung beitragen: die Fähigkeit der kategorialen Unterscheidung und die Fähigkeit der Komplementarität. In diesem Zusammenhang ist besonders die Unterscheidung von Trinität als mehrperspektivischer Rede und als kategoriale Unterscheidung relevant (Lindner, 2019, 447). Trinität als mehrperspektivisches Reden von Gott bezieht sich auf die „inhaltliche Ebene der Gottesfrage […], die an das Verständnis der ökonomischen Trinität anknüpft“ (Lindner, 2019, 448). „Trinität als kategoriales Unterscheiden und Denken in Komplementarität […] vermittelt uns, dass wir zwischen den geschichtlichen Erfahrungen Gottes, der Art und Weise, wie er den Menschen begegnet ist, also als ökonomische Trinität (z. B. ‚Gott als liebender Vater‘), und dem Wesen Gottes, das wir über Gott denken, aber nicht erfassen oder begreifen können (z. B. ‚Gott ist Liebe‘, 1 Joh 4,16b
6.4. Anregungen für die Primarstufe
Wer dafür plädiert, trinitätstheologische Fragestellungen in die Oberstufe zu verschieben, läuft Gefahr, dass das Bekenntnis zum dreifaltigen Gott als nachträgliches Additum zum Gottesglauben erscheint. Unbestritten bleibt: Solange in der frühen Grundschulzeit das Verhältnis von Jesus und Gottvater noch ungeklärt ist, beide miteinander verwechselt oder identifiziert werden, ist trinitarisches Lernen noch nicht an der Zeit. Sobald während oder gegen Ende der Grundschulzeit Kinder zunehmend in der Lage sind, zwischen Jesus und Gottvater zu unterscheiden, ist der Boden für eine Annäherung an den dreifaltigen Gott bereitet. Jetzt lässt sich die christologische Frage nach dem Verhältnis von Jesus zu seinem Vater fruchtbar machen für eine Reflexion über das Verhältnis von Jesus Christus und Gott.
Das Unterrichtsprojekt von Rainer Oberthür (2004) in einer vierten Klasse, das in abgewandelter Form auch in der Sekundarstufe I durchführbar ist, gilt bis heute als religionspädagogischer Klassiker und zeigt, dass das Nachdenken über Trinität bereits in der Grundschule keine Überforderung darstellt. Mit Hilfe eines selbst konstruierten Spiegeldreiecks aus drei innen verspiegelten Holzseiten und einer Kerze, die in die Mitte gestellt wird, gelingt es ihm zum einen, einen Eindruck von der Unendlichkeit Gottes zu erzeugen, zum anderen zu visualisieren, dass nur Vater, Sohn und Geist zusammen das ganze Bild Gottes ergeben.
Gerhard Büttner, der aufgrund seiner Unterrichtsbeobachtungen davon ausgeht, „dass sich das Thema Trinität offensichtlich im Kontext der Christologie stellt“ (Büttner, 2002, 69) richtet die Aufmerksamkeit der Kinder auf die besondere Beziehung Jesu zu seinem Vater und in dem Kontext besonders auf das Gebet Jesu. Er sieht „in diesem Geschehen zwischen Jesus Christus und Gott-Vater zumindest einen Teilaspekt dessen […], was theologisch mit dem Begriff der Trinität gemeint ist“ (Büttner, 2002, 79f.).
6.5. Anregungen für die Sekundarstufe
Ausgehend von Erfahrungen von Gemeinschaft und Beziehung stellt Sabine Pemsel-Maier (2012) in der Sekundarstufe Gott als Beziehungs-Gemeinschaft in den Mittelpunkt. Der Freundeskreis, die Klasse, Gruppe, Clique, Band, Mannschaft sind für Jugendliche von hoher Relevanz. Sie haben in der Regel auch sehr klare Vorstellungen, was eine solche Gemeinschaft idealerweise auszeichnet: sich verstehen, aufeinander Rücksicht nehmen, Dinge gemeinsam tun, offen miteinander reden, keine Geheimnisse voreinander haben, teilen, usw. Angeregt durch einen Text des Pfarrers und Schriftsteller Kurt Marti versucht sie, gemeinsam mit den Jugendlichen Gott als einen zu denken zu versuchen, der ein „in sich geselliger“ Gott ist, „eine Gemeinschaft, vibrierend, lebendig, beziehungsreich“, nicht „einsamer Autokrat jedenfalls, schon gar nicht Götze oder Tyrann“, sondern „Beziehungskommune vielmehr, einer für den andern“ (Marti, 1989, 94). Auf dieser Basis nimmt sie eine Konkretisierung der Dreiergemeinschaft vor: den Gott „um uns“ als denjenigen, der alles umgibt, die ganze Welt durchdringt, uns beschützt, an dem wir uns orientieren können, der für unerreichbar ist; den Gott „mit uns“ als denjenigen, der in Jesus Christus Mensch geworden ist, der in anderen Menschen begegnet, der mit uns geht und uns auf unserem Weg begleitet; den Gott „in uns“, der die Menschen erfüllt, gute Gedanken eingibt, Kraft schenkt, ermutigt.
Anschaulich wird die Thematik durch einen Vergleich unterschiedlicher Trinitätsdarstellungen aus verschiedensten Epochen, die vom sogenannten Gnadenstuhl über die Trinitätsikone des Andrej Rubljov bis hin zu Peter Litzenburger reichen können: Wie bringen die jeweiligen Künstler die Einheit Gottes ins Bild, wie die Differenzierung der Dreiheit – und wie den Zusammenhang zwischen diesen beiden Perspektiven? Ein nicht unumstrittener, bei Jugendlichen aber in der Regel auf Resonanz stoßender literarischer Zugang ist die Lektüre des Romans „Die Hütte. Ein Wochenende mit Gott“ von William Young (2009).
Literaturverzeichnis
- Bernhard, Reinhold, Monotheismus und Trinität. Gotteslehre im Kontext der Religionstheologie. Beiträge zu einer Theologie der Religionen Band 25, Zürich 2023. Online unter: https://www.tvz-verlag.ch/_files_media/open_access/9783290185268.pdf
, abgerufen am 04.09.2024. - Büttner, Gerhard, „Zwei Personen zur gleichen Zeit an zwei verschiedenen Stellen können nicht ein und dieselbe Person sein, das ist unmöglich.“ Annäherungen an das Thema Trinität im Unterrichtskontext, in: Glauben und Lernen 12 (2002) 1, 68-80.
- Essen, Georg, Keine Geheimniskrämerei. Warum die Trinitätstheologie so wichtig ist, in: Streitfall Gott. Zugänge und Perspektiven. Herder Korrespondenz Spezial (2011) 2, 38-42.
- Fricke, Michael, Von Gott reden im Religionsunterricht, Göttingen 2014, 157-164.
- Gerth, Julia, Der Heilige Geist – das ist mehr so ein Engel, der hilft Gott. Der Heilige Geist im Religionsunterricht der Grundschule und der Sekundarstufe I, Göttingen 2011.
- Kessler, Hans, Der Geist Gottes in den nichtchristlichen Religionen, in: Nitsche, Bernhard (Hg.), Atem des sprechenden Gottes. Einführung in die Lehre vom Heiligen Geist, Regensburg 2003, 145-175.
- Krasselt-Maier, Judith, Gott ist (k)ein alter weiser Mann. Jugendliche schreiben über ihre Gottesvorstellungen, ihren Glauben, ihre Zweifel, Kassel 2014.
- Küng, Hans, Das Christentum. Wesen und Geschichte, München 2007.
- Leonhardt, Rochus, Grundinformation Dogmatik. Ein Lehr- und Arbeitsbuch für das Studium der Theologie, 5. durchges. Auflage, Göttingen 2023, 219-238.
- Lindner, Heike, Trinität, in: Rothgangel, Martin/Simojoki, Henrik/Körtner, Ulrich (Hg.), Theologische Schlüsselbegriffe. Subjektorientiert – biblisch – systematisch –didaktisch, Göttingen 2019, 440-452.
- Marti, Kurt, Die gesellige Gottheit, Stuttgart 1989.
- Nowak, Rebecca, „Eine höhere Macht“ – Vorstellungen von Gott bei Jugendlichen, in: Schweitzer Friedrich u.a. (Hg.), Jugend – Glaube – Religion. Eine Repräsentativstudie zu Jugendlichen im Religions- und Ethikunterricht, Münster 2018, 214-217.
- Oberthür, Rainer, 1 und 1 und 1 gleich „eins“? Wie kann die Dreieinigkeit Gottes im Religionsunterricht eines 4. Schuljahrs zum Thema werden und die Theologie der Kinder herausfordern?, in: Katechetische Blätter 129 (2004) 2, 174-181.
- Pemsel-Maier, Sabine, Trinitätstheologie für Jugendliche: Lernanregungen für die Sekundarstufe, in: Gott – der Dreifaltig-Eine. Information und Material für den Katholischen Religionsunterricht an Grund-, Haupt-/Werkreal-, Real- und Sonderschulen (2012) 2, 28-30; 79-83.
- Ruhstorfer, Karlheinz/Schlenke, Dorothee, Nach Gott fragen. Gottesverständnis und Gottes Offenbarung, in: Schröder, Bernd/Woppowa, Jan, Theologie für den konfessionell-kooperativen Religionsunterricht. Ein Handbuch, Göttingen 2021, 191-228.
- Schweitzer, Friedrich, Gott, Gottesbilder und Gottesfrage, in: Schweitzer, Friedrich u.a. (Hg.), Jugend – Glaube – Religion II: Neue Befunde – vertiefende Analysen – didaktische Konsequenzen, Münster 2020, 255-263.
- Tatari, Muna/von Stosch, Klaus (Hg.), Trinität – Anstoß für das islamisch-christliche Gespräch. Beiträge zur komparativen Theologie 7, Paderborn 2013.
- von Stosch, Klaus: Trinität. Grundwissen Theologie, Paderborn 2017.
- Ziegler, Tobias, Jesus als „unnahbarer Übermensch“ oder „bester Freund“? Elementare Zugänge Jugendlicher zur Christologie als Herausforderung für Religionspädagogik und Theologie, Neukirchen-Vluyn 2006.
Unterrichtsmaterialien:
- Entwurf 2009 (4): Trinität
- https://material.rpi-virtuell.de/schlagwort/trinitaet/
, abgerufen am 04.09.2024. - https://www.rpi-loccum.de/material/lernwerkstatt/vorangegangene-ausstellungen/lwst_trinitaet
, abgerufen am 04.09.2024. - https://www.rpi-ekkw-ekhn.de/fileadmin/templates/rpi/normal/material/arbeitsbereiche/ab_sekII-abitur/Literaturliste_Q2.3_Trinitarisches_Gottesverstaendis.pdf
, abgerufen am 04.09.2024.
PDF-Archiv
Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download: