Deutsche Bibelgesellschaft

Ijob/Hiob, bibeldidaktisch, Grundschule

(erstellt: Februar 2016)

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1. Grundsätzliches

Ist Ijob/Hiob – im Folgenden wird, der evangelischen Tradition folgend, „Hiob“ verwendet (vgl. Ebach, 1986) – als Figur und biblisches Buch für die schulische und gemeindliche Arbeit mit Kindern im Alter zwischen sechs und zehn Jahren geeignet? Die Antworten hierzu fielen und fallen bis heute unterschiedlich aus.

Geht man ganz weit, bis in die Anfänge des Bibelunterrichts zurück, so findet man das Buch Hiob beispielsweise in den 1714 erstmals erschienenen und bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgrund starker Nachfrage vielfach neu aufgelegten „Biblischen Historien“ von J. Hübner (vgl. Hübner, 1986, hier 183-188). Für die Annahme, dass Hübner das Buch für Kinder im Grundschulalter geeignet hielt, spricht sein Kommentar im Vorwort, demzufolge alle in das Unterrichtswerk aufgenommenen und adaptierten Texte „keine harte Speise, welche nicht vor die Kinder gehöret, sondern nur Milch-Speise“ (Hübner, 1986, Vorrede o.S.) darstellten. Allerdings war das Werk sowohl an Kinder als auch Jugendliche gerichtet, insofern muss ein endgültiges Urteil hier offen bleiben. Ähnlich verhält es sich bei der „Biblischen Geschichte“ von C. Buchrucker, die 1863 erstmalig erschien und bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts einflussreich war. Hiob ist enthalten (vgl. Buchrucker, 1911, 44-49), aber das Unterrichtswerk war für die gesamte Volksschule, also auch für Jugendliche gedacht. Der Unterricht der Liberalen Religionspädagogik sieht Hiob erst ab der 5. Klasse vor (vgl. z.B. Kabisch, 1910, 175), die → Evangelische Unterweisung gar nicht (vgl. Peters, 1947).

Auch in der Bibeldidaktik der zweiten Hälfte 20. Jahrhunderts war Hiob für die Primarstufe nicht im Blick. Weder in Unterrichtswerken (vgl. etwa Frör, 1965; 1966; 1967) noch in Kinderbibeln (vgl. z.B. Veit, 1952; Vries, 1955; Deutsche Bischofskonferenz, 1979; Weth, 1988) der 1950er bis 1980er Jahre ist das Buch Hiob berücksichtigt. Gleiches gilt auf Lehrplanebene (vgl. Fricke, 2005, 562f.; Zentralstelle für Bildung der DBK, 1977).

Die Beschäftigung mit Hiob in der Primarstufe ist ein Phänomen der neuesten Bibeldidaktik. Sie setzt in den 1990er Jahren ein, namentlich mit Laubis Kinderbibel (Laubi, 1992, hier 172-178) und Oberthürs bibeldidaktischem Werk „Kinder fragen nach Leid und Gott. Lernen mit der Bibel im Religionsunterricht“ (Oberthür, 1998, hier 83-131), auf das sich weitere didaktische Entwürfe für Unterricht (Kuhl, 2005; Hanekamp-Kalvelage, 2007; Pusch, 2007, 27-33; Braunmühl, 2009; Heinrich, 2012; Delbrück, 2013; Korneck, 2014) und Kindergottesdienst (Othmer-Haake, 2003) beziehen. Dagegen gibt es jedoch auch bibeldidaktische Ansätze, die das Buch Hiob für die Grundschule nicht in Betracht ziehen (so etwa Baltzer, 2001; Kalloch, 2001; Gramzow, 2013, vgl. besonders 136f.), ja sogar die allgemeine Thematisierung von „Leid“ ablehnen (so Schmitz, 2001, 65). In einige Kinderbibeln fand Hiob Eingang (z.B. Weth, 1998; Oberthür, 2007; Wiemer, 2014; Steinkühler/Nascimbeni, 2015), in andere nicht (z.B. Deutsche Bischofskonferenz, 2006; Vries, 2002; siehe zum Ganzen Korneck, 2014, 237-293).

Auf Lehrplanebene fällt auf, dass die Mehrheit der Grundschullehrpläne allgemeine Fragen zu Ursachen und Bewältigung von Leid (bereits seit den 1980er Jahren), jedoch nur die Minderheit Hiob in den Kanon der Inhalte aufnimmt. Die Quellen sind hierzu leicht einsehbar (vgl. (http://www.kmk.org/dokumentation/lehrplaene/uebersicht-lehrplaene.html). Die Schüler sollen etwa „die Geschichte des Ijob kennen, der trotz Schicksalsschläge [!] und Leiden den Gottesglauben nicht aufgab“ (Rahmenplan Grundschule Rheinland-Pfalz, 2009, 21). Oder: „Die Schülerinnen und Schüler kennen religiöse Formen, in denen Erfahrungen wie Freude und Trauer zum Ausdruck kommen. - Mögliche Aufgaben: Formulieren eines Textes zu einem Bild oder einer Szene: z. B.: Hiob klagt“ (Kerncurriculum für die Grundschule Schuljahrgänge 1-4 Niedersachsen, Evangelische Religion, 2006, 16, ebenso Katholische Religion, 2006, 16).

Die „Entdeckung“ Hiobs für Kinder dürfte mit vier Ursachen zusammenhängen, die auch untereinander zusammenwirkten:

  1. 1. Die verstärkte Wahrnehmung der Äußerungen von Kindern zum Glauben und besonders zum Thema Leid ließ erkennen, dass Kinder auch die Gottesfrage im Zusammenhang mit dem Leid stellten (vgl. Klink, 1972; Boßmann/Sauer, 1984, hier 26-43; Sauer, 1986), von daher bot sich das Hiobbuch zur Bearbeitung an.
  2. 2. Empirische Forschungen zu Dilemmageschichten mit vergleichbarer Thematik („Hiob-Dilemma“ bei Bucher, 1992; Büttner/Rupp, 2002) untersuchten das religiöse Urteil bei Kindern und legten eine Übertragung auf das Hiobbuch nahe.
  3. 3. Die Religionspädagogik entwickelte das Interesse, religiöse Bildung und Erziehung so zu gestalten, dass Kinder als Subjekte des Nachdenkens über alle Themen des Glaubens, und damit auch zur Theodizee, aktiv werden, was in der Bewegung der → Kindertheologie kumulierte (vgl. Kirchenamt der EKD, 1995, 70.101).
  4. 4. Eine wachsende Wertschätzung in der Religionspädagogik für den 3. Teil des Tanach/AT führte dazu, die „Ketubim/Schriften“ für den Unterricht fruchtbar zu machen, eine Entwicklung, die vor 30 Jahren durch die → Psalmendidaktik Baldermanns eingeleitet wurde.

Fazit: Hiob spielt in der heutigen Bibeldidaktik der Primarstufe eine wahrnehmbare, aber im Vergleich zu anderen biblischen Texten und Personen eher bescheidene Rolle. Die Aufnahme Hiobs hat mit einer geänderten Haltung gegenüber Kindern sowie dem Alten Testament und einem geänderten Verständnis von Religions- und im Besonderen Bibeldidaktik (→ Bibeldidaktik, Grundfragen) zu tun.

2. Elementare Zugänge

Ist das Buch Hiob für Kinder zugänglich und falls ja, wie rezipieren es diese? Hier fällt der Befund auf, dass es noch keine eigenen empirischen Untersuchungen zu diesen Fragen gibt. Verfügbar sind nur Daten, die im Kontext von Dilemmageschichten mit „Hiob-artigem“ Inhalt erhoben wurden sowie dokumentierte Erfahrungen aus dem Religionsunterricht.

Zu den Dilemmageschichten: Bucher führte Anfang der 1990er Jahre eine Untersuchung durch, bei der er Kindern und Jugendlichen in drei Altersstufen (5-7, 11-13 und 15-17 Jahre) ein „Hiob-Dilemma“ vorlegte: Ein gerechter, frommer Richter wird in Verruf gebracht und verliert seinen Posten. Seine Tochter wird unheilbar krank. Sollte er noch zu Gott beten? Die Auswertung der Äußerungen erfolgt nicht altersspezifisch, sondern nach drei Antworttypen, hier verkürzt, „Gott schickt Glück und Leid“, „Tit for tat“ und „nicht Rechtfertigung Gottes, sondern des Menschen“ (vgl. Bucher, 1992, 8-10). Bucher resümiert, dass bereits Kinder „eine Theodizee entwickeln“ (Bucher, 1992, 7). Büttner/Rupp replizierten die Versuchsanordnung in einer vierten Klasse, fragten aber nach der Präsentation der Geschichte zum Gesprächseinstieg offener, nämlich „Was geht dem Mann durch den Kopf?“ (Büttner/Rupp, 2002, 27). Wichtige Ergebnisse sind, dass „die Dilemmadiskussion die Kinder zum Hervorbringen eigener Lösungsvorschläge stimuliert“ und „die Schüler/-innen in der Lage sind, auf ihrem jeweiligen Niveau durchaus unterschiedliche Argumentationen hervorzubringen“ (Büttner/Rupp, 2002, 32). Die Autoren reflektieren jedoch auch darüber, ob nicht die Dilemmamethode „Grenzen des Nachdenkens provozieren könnte“ (Büttner/Rupp, 2002, 33). Die Studie „Leid und Gott“ von Ritter/Hanisch/Nestler/Gramzow reflektiert religionspädagogisch Äußerungen von Kindern und Jugendlichen zu einer „Leidgeschichte“ (ein Neunjähriger ist im Begriff, an Krebs zu sterben, 2006, 83-85), jedoch ohne Bezug zum Hiobbuch. Überwiegend kommen Jugendliche ab der sechsten Klasse aufwärts zu Wort.

Die Studien bieten interessante Einsichten, lassen aber wichtige formale und inhaltliche Aspekte der biblischen Hioberzählung (Poesie, Klage gegen Gott, Bedeutung von Freundschaft) unter den Tisch fallen. Sie transformieren das Buch Hiob in eine konstruierte Laborgeschichte. Schließlich ist das Arrangement einer Dilemmastudie nicht mit dem eines unterrichtlichen Erschließens vergleichbar.

Erfahrungen aus dem Religionsunterricht: Die Zugänglichkeit des Hiobbuches für Kinder wird durch die Versuche von Oberthür dokumentiert. Kinder schreiben, nachdem sie sich mit der Hioberzählung beschäftigt haben, „Sätze über Gott mit doppeltem Sinn“ (Oberthür, 1998, 115), so etwa: „Gott selber hat keine Leiden, aber er leidet unter dem Leid der Menschen. Gott hat kein Ende, aber es ist für ihn wie ein Ende, wenn einem Menschen das Ende naht. Wenn man Gott sehen will, sieht man ihn nicht, aber wenn man ihn braucht, dann sieht man ihn. Gott ist ein leuchtendes Licht, auch für die Menschen, um die es dunkel ist. Gott ist nicht da, aber da. Gott ist still, aber spricht“ (Oberthür, 1998, 115f.). Oberthür kommt aufgrund der Kinderäußerungen zur Folgerung, dass Kinder in einem bestimmten Kontext der Auseinandersetzung mit dem Hiobbuch „paradoxes Reden von Gott“ praktizieren und stellt die gängige Vorstellung über die zu erwartenden Niveaustufen bei Kindern in Frage (vgl. Oberthür, 1998, 116). Die positiven Erfahrungen der Arbeit am Hiobbuch werden von anderen Autoren bestätigt (vgl. Kuhl, 2005, 124).

3. Elementare Strukturen und Wahrheiten

Das Hiobbuch ist keine Erörterung im Stile Epikurs über den Zusammenhang zwischen dem Verhalten Gottes und dem Leid, sondern spiegelt das „Streiten“ eines Menschen mit Gott (Ebach, 1996; 2004) wider. Es ist eine praktische Auseinandersetzung mit der Erfahrung von Leid im Angesicht des Glaubens. Auch wenn das Buch intellektuell-diskursive Anteile und Ansprüche hat, würde es ohne die Wahrnehmung der existenziellen Ebene missverstanden.

Das Hiobbuch ist ein Drama, das den Leser einfangen will: „We must project a mental picture of the book as a drama, in order to be attentive to the dynamism of its conflict and to enable ourselves to be caught up in it“ (Alonso Schökel, 1977, 46; vgl. auch Pixley, 1982, 219; Korneck, 2014, 67-73). Die erzählenden Anteile, also Prolog (1-2) und Epilog (42,7-17), bilden dabei in ihrer Endgestalt eine Einheit mit den poetischen Stücken (3-42,1-6), auch wenn das Buch natürlich historische Wachstumsprozesse erlebt hat (vgl. dazu Witte, 2007).

Hiob ist eine idealtypische Geschichte, die keine verallgemeinerungsfähigen Botschaften enthält, aber exemplarisch und modellhaft Bedeutung gewinnen kann. Sie erzählt davon, dass „einer nach langem Leiden wieder leben konnte“ (Ebach, 1996, 168). „Im Fragen und Klagen, im Streiten mit Gott, d.h. gegen und zusammen mit Gott“ (Oberthür, 1998, 108) hat Hiob Gott erfahren und seinen Glauben wieder neu gefunden. Das macht Leserinnen und Lesern Mut und Hoffnung – gleichzeitig lässt die Geschichte angesichts der Verluste ein Gefühl von Traurigkeit entstehen. Die Freude über das „Happy End“ (42,10-17) kann nicht von allen Lesern geteilt werden, was sich auch in Kinderbibeln zeigt (vgl. Steinkühler/Nascimbeni, 2015, 131, gegenüber Laubi, 1992, 178).

Das Buch Hiob dokumentiert eine spannungsreiche Entwicklung. Ein tastendes Suchen nach Antworten sowie das Verwerfen gefundener Erkenntnisse und Positionen erzeugen beim Leser und der Leserin produktive Verwirrung und bieten Anregung zum Weiterdenken. So findet Hiob zunächst eine Antwort auf den Verlust von Kindern und Besitz – „Der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen; der Name des Herrn sei gelobt!“ (1,21) – sowie auf seine Krankheit – „Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?“ (2,10). Diese Antworten stellt er jedoch in Frage, indem er seinem Schmerz und seiner Verletzung Raum gibt: „Ausgelöscht sei der Tag, an dem ich geboren bin, und die Nacht, da man sprach: Ein Knabe kam zur Welt! Jener Tag soll finster sein und Gott droben frage nicht nach ihm!“ (3,3f.). Hiob führt Klage gegen Gott. Er beteuert „Ich bin unschuldig!“ (9,21) und greift Gott an: „Er bringt den Frommen um wie den Gottlosen. […] Er hat die Erde unter gottlose Hände gegeben“ (9,22.24). Er fordert Gott heraus: „Lass mich wissen, warum du mich vor Gericht ziehst. Gefällt dir‘s, dass du Gewalt tust und verwirfst mich, den deine Hände gemacht haben?“ (10,2f.). Später nimmt er die Anklage zurück: „Ich erkenne, dass du alles vermagst […]. Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen; aber nun hat mein Auge dich gesehen. Darum spreche ich mich schuldig und tue Buße in Staub und Asche“ (42,2.5f.). Warum Hiob sich zurückzieht, bleibt offen: Ist es, weil er Gott direkt erfahren hat und alles in einem anderen Licht sieht? Hat er erkannt, dass er von seinem Einzelschicksal auf den Gesamtzustand der Welt geschlossen hat (vgl. Ebach, 1996, 159f.), ist seine Reue nur vorgetäuscht, so wie ein unter Folter erzwungenes Geständnis (vgl. Wiesel, 1998, 232), oder akzeptiert Hiob, dass es keine vollkommene gerechte Welt geben kann und zieht deswegen seinen Anspruch zurück (vgl. Fricke, 1997, 200f. sowie 2007, 64)?

Hiobs Position(en) und die der anderen Akteure (Frau, Freunde, Gott) bilden einen „polyphonen Text“ (Korneck, 2014, 94). Weil die Standpunkte in einen – wenn auch „gestörten“ (Ebach, 2004, XIII) – Dialog gebracht werden, kann man folgern, dass das Buch ein „pädagogisches Anliegen“ hat (Korneck, 2014, 102).

Das Hiobbuch sieht den Leidenden in ein soziales Netz eingebettet: Drei Freunde kommen von weit her und begleiten ihn eine Woche in schweigender Anteilnahme, „denn sie sahen, dass Hiobs Schmerz groß war“ (2,13). Sie fordern ihn aber auch heraus: „Bedenke doch: Wo ist ein Unschuldiger umgekommen?“ (4,7). Die Freunde tadeln Hiob, indem sie mit dem „Tun-Ergehen-Zusammenhang“ argumentieren: Die Gewalttätigen und Verbrecher (hebräisch rascha – Luthers Übersetzung „Gottlose, Frevler“ suggeriert, dass es sich um Atheisten handelt und nicht um Gewalttäter) kommen durch den Zorn Gottes um, aber die Gerechten und Gottesfürchtigen werden von Gott bewahrt. Wenn es dir schlecht geht, musst du etwas Schlechtes getan haben (vgl. Ebach, 2004, 57). Darüber hinaus ist es undenkbar, dass jemand von sich behauptet, vor Gott gerecht zu sein: „Wie kann ein Mensch gerecht sein vor Gott oder ein Mann rein sein vor dem, der ihn gemacht hat?“ (4,17). Auch wenn die Freunde Hiob hart angehen, bleibt das Beziehungsnetz erhalten. Am Ende bittet Hiob vor Gott für seine Freunde (42,8).

Gott zeigt sich in verschiedenen Facetten. Er veranlasst, dass sein Diener, Satan, Hiob prüft und diesem Leid geschieht (1,12; 2,6). Er „versteckt“ sich aber nicht im Himmel, sondern stellt sich der direkten Anklage Hiobs, spricht zu ihm, wenn auch herausfordernd und ironisch (vgl. Fricke, 1997, 199-203): „Gürte wie ein Mann deine Lenden! Ich will dich fragen; lehre mich! Willst du mein Urteil zunichte machen und mich schuldig sprechen, dass du Recht behältst? Hast du einen Arm wie Gott, und kannst du mit gleicher Stimme donnern wie er? Schmücke dich mit Pracht und Hoheit; zieh Majestät und Herrlichkeit an! […] zertritt die Gottlosen in Grund und Boden! Verscharre sie miteinander in der Erde, und versenke sie ins Verborgene, so will auch ich dich preisen, dass dir deine rechte Hand helfen kann“ (40,7-10.12-14). Schließlich aber lässt Gott die Freunde wissen, dass sie „nicht recht von mir geredet“ haben „wie mein Knecht Hiob“ (42,7). Worin und wie hat Hiob „recht“ gesprochen? Ist damit gemeint, dass Hiob sich zunächst gegen, schließlich aber unter Gott gestellt habe, während die Freunde sich zu und über Gott stellten (vgl. Ebach, 1996, 164)? Oder tat Hiob „recht“ darin, bis zum Ende an seiner Unschuld festzuhalten? Womöglich liegt eine Leerstelle vor, um die Leserinnen und Leser zum Nachdenken und zu einer Stellungnahme herauszufordern. Am Ende schenkt Gott Hiob wieder drei Töchter und sieben Söhne und noch größeren Besitz als zuvor. Hiob stirbt alt und lebenssatt (42,10-17). Es bleibt die Erkenntnis: Gott lässt sich erfahren, auch im Leid und durch das Leid hindurch.

4. Elementare Erfahrungen und Themen

Welche Themen enthält das Buch Hiob, hinter denen Erfahrungen stehen, die für Kinder vertraut sind oder Anreiz und Hilfe sein können?

Leid/Umgang mit Leid: In der Literatur wird vor allem die Frage nach und der Umgang mit dem Leid genannt. Kinder stellen Fragen an Gott: „Warum liebst du auch Mörder? Warum lässt du manche Kinder behindert auf die Welt kommen? Warum sagst du uns nicht alles, wenn du so viel weißt? Warum werden Menschen krank?“ (Oberthür, 1998, 88). Hiob sei eine „Menschheitsgeschichte“ (Kuhl/Braunmühl, 2009, 12): „Wo immer Menschen leiden, da stellen sich die Fragen, mit denen Hiob sich herumquält: Warum? Es ist eine Grundfrage, die sich auch Kinder im Grundschulalter stellen“ (Kuhl/Braunmühl, 2009, 12). Kinder können lernen, dass diese Fragen zu stellen „erlaubt“ ist, sie müssen aber auch hinnehmen, dass es keine allgemeingültigen Antworten auf die Fragen gibt, die aus der Erfahrung des Leidens hervorwachsen. Die Theodizee ist insofern unlösbar, als Reflexionen und theoretische Antworten „niemals die Erfahrung des Leidens beruhigen“ können (Schoberth, 1997, 51). Es gilt, Wege zu finden, mit Leid zu leben, „Hilfen für die Annahme und das Bestehen im Leid zu geben“ (Hanekamp-Kalvelage, 2007, 83f.). Dabei kann die Figur und das Buch Hiob hilfreich sein, denn sie beziehungsweise es „eignet sich in besonderer Weise, auch in schwierigen Situationen tragfähigen Glauben und Strategien im Umgang mit Leid zu entwickeln“ (Korneck, 2014, 297).

Gottesbilder: Kinder können mit Hiob lernen, dass man dem Satz „Unglück ist eine Strafe von Gott!“ widersprechen darf (vgl. Kuhl, 2005, 121). Man darf vielmehr sagen: „Du hast nichts falsch gemacht. Wir Menschen können Unglück nicht verhindern“. So wie Hiob die „Theologie“ der Freunde zurückgewiesen hat und von Gott Recht erhielt, Leid nicht als Folge von Schuld zu verstehen, sollen und dürfen Kinder lernen, dass man diese Sätze zurückweisen darf. Sie können lernen, dass das biblische Verständnis von „Macht“ Gottes gerade nicht „Allmacht“ bedeutet (vgl. Korneck, 2014, 297), sondern ein Leben – auch das Leben Gottes – mit Gebrochenheit einschließt. Auch der Satz „Gott leidet mit“ (vgl. Oberthür, 1998, 125f.), ist hier hilfreich, allerdings lässt er sich nur indirekt aus dem Hiobbuch erschließen und bedarf anderer biblischer Quellen.

Dialog: Kinder können durch die dialogische Struktur des Hiobbuches lernen, dass sich existenzielle und theologische Themen nicht anders als in einem kontroversen Gespräch bearbeiten lassen. Sie können selbst verschiedene Standpunkte einnehmen und „probieren“, wie diese sich „anfühlen“, und stärken dadurch ihre Kompetenz in → religiöser Bildung (vgl. Korneck, 2014, 103).

Gebet: Gegen die verbreitete Meinung, ein Gebet müsse „in aller Stille und mit wohlgesetzten Worten“ vor Gott gebracht werden (vgl. Kuhl, 2005, 121), können die Kinder von Hiob lernen, dass jede Form, Gott anzureden, möglich und willkommen ist. Man darf beim Beten auch laut werden, seine Gefühle herauslassen, sie Gott mitteilen und ihn sogar anklagen.

Selbstwahrnehmung: Im Rahmen der schulisch erwünschten und möglichen Steigerung der Selbstkompetenz können Kinder im Religionsunterricht (weiter-)lernen, ihre Gefühle wahr- und ernstzunehmen (vgl. Gilgenreiner, 2007, 20-25). Gefühle zu haben ist kein Anzeichen von Schwäche, sondern ein Hören auf die Signale des Körpers und der Seele. Diese informieren uns darüber, ob es uns gut geht, oder wir dafür etwas tun müssen, dass es uns besser geht (vgl. Fritsch, 2010, 17). Von Hiob können die Kinder lernen, dass und wie man Gefühle wie Schmerz, Trauer und Wut spüren, zu ihnen stehen und sie ausdrücken kann.

Freundschaft: Es gibt kein biblisches Buch, in dem die Freunde des Protagonisten eine größere Rolle spielen als im Hiobbuch. Die Freunde zeigen ihre Bindung zu Hiob dadurch, dass sie von weit her kommen, ihren Freund besuchen, weil es ihm schlecht geht und sich viel Zeit für ihn nehmen. Sie nehmen Anteil an seinem Leben (vgl. Kuhl, 2005, 122). Sie fordern andererseits Hiob auch durch ihre Reden heraus. Kinder können von Hiob lernen, dass Freunde nicht aus Angst fernbleiben, sondern Kontakt aufnehmen, dass Freunde einfach da sein können, keine leeren Worte machen („Das wird schon wieder“), sondern sich für den anderen öffnen. Die „andere Seite“ der Freunde ist aber auch, zumindest auf einer bestimmten Ebene, lehrreich: Freundschaften halten es auch aus, wenn man den Freund nicht in allem bestätigt, sondern ihm auch einmal widerspricht.

Mut, die Meinung zu sagen: Von Hiob können Kinder lernen, dass man nicht einfach den Mund halten muss. Wenn man davon überzeugt ist, im Recht zu sein, darf man auch gegen die Mehrheit (vgl. die Freunde) oder einen Stärkeren (vgl. Gott) aufstehen und das Unrecht aussprechen.

Probleme: Zwei Themen sind weder vermittelbar noch bieten sie Kindern richtige „Lernchancen“, und vielleicht erklären sie auch die zögerliche Aufnahme des Hiobbuches in die Lehrpläne und bibeldidaktischen Entwürfe für die Grundschule: Zum einen, dass Gott den Satan beauftragt, Hiob zu „prüfen“, was letztlich bedeutet, diesem Leid zuzufügen und zum anderen, dass der Eindruck entsteht, der Verlust der ersten Kinder könne irgendwie durch neue Kinder „ersetzt“ werden (vgl. Kuhl, 2005, 122).

5. Elementare Wege

Der „Klassiker“ Oberthür bietet eine vierschrittige Grobstruktur für eine große Unterrichtseinheit: Kinderfragen – Auseinandersetzung mit dem Buch Hiob – Kreatives Arbeiten mit dem Buch Hiob – Auseinandersetzen mit der Theodizeefrage (vgl. 1998, 129f.). Das Vorgehen ist also „induktiv“ (Oberthür, 1998, 89).

Es ist aber auch möglich, ohne Kinderfragen und gleich mit elementaren Einzelworten des Hiobbuches (vgl. Oberthür, 1998, 90-93) zu beginnen. Die Kinder erkennen, dass es sich um Sätze handelt, die für viele Menschen gelten (vgl. Oberthür, 1998, 95). Dabei behält die Lehrkraft die zwei Ebenen des Hiobbuches im Blick: das Problem der Theodizee und den „Fall“ Hiob (vgl. Oberthür, 1998, 96).

Für die Präsentation der Geschichte eignen sich je nach Intention und Situation texttreue Varianten (z.B. Oberthür, 2007, 129-140) oder freiere (z.B. Laubi, 1992, 172-178; Steinkühler/Nascimbeni, 2015, 124-131). Eine kreative Auseinandersetzung damit (vgl. Oberthür, 1998, 108-119) sollte Standard sein.

Eine Weiterarbeit ist in Richtung auf die Theodizee möglich (vgl. Oberthür, 1998, 120-129), in Verknüpfung mit Themen wie Verlust und Trauer (vgl. Kinderbücher: Schmitt, 2005; Hermann/Solé Vendrell, 2007) oder in der Auseinandersetzung mit Kunst (z.B. Burrichter/Gärtner, 2014, 160-163).

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