Deutsche Bibelgesellschaft

Samaritaner

(erstellt: Juni 2010)

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Andere Schreibweise: Samariter; samaritans (engl.)

Auch: Samaritanische Religionsgemeinschaft, Garizimgemeinde

1. Terminologie

Die Samaritaner als religiöse Gruppierung werden im Alten Testament nicht explizit erwähnt. Zwar findet sich hier die hebräische Bezeichnung shomronim in 2Kön 17,29 / MT (im gesamten AT nur an dieser Stelle!), vom Sinnzusammenhang her sind mit den shomronim in 2Kön 17,29 / MT aber die Synkretismus praktizierenden Einwohner des Nordreichs Israel und dessen Hauptstadt → Samaria in der Zeit vor 722 / 21 v. gemeint, ebenso in 4Kön 17,29 / LXX, wo die griech. Bezeichnung Σαμαρῖται literarisch erstmals belegt ist. Zwischen diesen Nordreichisraeliten und der erst viel später in den Quellen klarer zu fassenden, auf die Region Samarien konzentrierten samaritanischen Religionsgemeinschaft bestehen in religionshistorischer Perspektive zwar Beziehungen, sie sind aber nicht miteinander identisch.

Die Rezeptionsgeschichte von 2Kön 17,24-41 zeigt, dass der griech. Terminus Σαμαρῖται bzw. Σαμαρεῖται später auf die von den Assyrern im 8. / 7. Jh.v. in mehreren Wellen angesiedelten Kolonisten u.a. aus Persien und Südbabylonien (in der Sekundärliteratur: „Fremdvölkerkolonisten“) übertragen worden ist (Antiquitates Judaicae 9,277-291; Antiquitates Judaicae 10,183f; Text gr. und lat. Autoren). Bei → Josephus wie auch in der rabbinischen Literatur (vgl. bGit 10a; bQid 76a u.ö.) werden diese Kolonisten (die u.a. aus Chutha stammten: vgl. 2Kön 17,24) auch als „Kutim“ bzw. „Chuthäer“ bezeichnet. Josephus kann Σαμαρῖται bzw. Σαμαρεῖται und „Kutim“ sogar synonym verwenden (Antiquitates Judaicae 9,290: „Die in hebräischer Sprache ‚Chuthäer’ Genannten heißen griechisch Σαμαρῖται“; Text gr. und lat. Autoren).

Von der älteren religionsgeschichtlichen Forschung wurden die Σαμαρῖται bzw. Kutim im Gefolge der Rezeptionsgeschichte von 2Kön 17,24-41 bei Josephus und den Rabbinen nun als einzige, synkretistisch geprägte Bewohnerschaft Samariens verstanden und in der Konsequenz auch mit den Σαμαρῖται im NT gleichgesetzt (Joh 4,9; Joh 4,39f; Joh 8,48; Lk 9,52; Lk 10,33; Lk 17,16; Apg 8,25).

Diese Gleichsetzung wie auch das Bild der Bevölkerung Samariens insgesamt musste aufgrund neuerer Quellenstudien und archäologischer Ergebnisse seit den 1980er Jahren grundlegend revidiert werden. Zum einen wurde deutlich, dass die Quellen und ihre Rezeption differenziert zu behandeln sind, zum anderen ist der Großteil der (jüdischen) Quellendarstellungen als interessengeleitet und tendenziell antisamaritanisch erkannt worden (vgl. Egger 1986). Im Zusammenhang mit Ergebnissen der Archäologie ist davon auszugehen, dass die im Neuen Testament gemeinten Samaritaner als eigene religiöse Gruppierung nicht schon mit dem Untergang des Nordreiches entstanden sind, sondern dass sie sich erst in frühnachexilischer Zeit (5. / 4. Jh.v.) in der Region und persischen Provinz Samarien konstituiert haben. Unter religionswissenschaftlichen Gesichtspunkten ist weiterhin deutlich geworden, dass die kultisch nicht nach Jerusalem, sondern auf den Garizim orientierten, prinzipiell toraobservanten Samaritaner nur eine Gruppe in einem ethnisch und religiös heterogenen Bevölkerungsspektrum der Region Samarien darstellten und zu keiner Zeit identisch mit der gesamten, teils auch paganen Einwohnerschaft der Region gewesen sind (Magen 2008, 15).

Um die geographisch-politischen und religiösen Aspekte hinsichtlich der Bevölkerung Samariens terminologisch klar zu unterscheiden, wird daher in der neueren Forschung von „Samariern“ (engl.: samarians) geredet, wenn alle (insbesondere die paganen) Bewohner der geographischen Region bzw. politischen Provinz Samarien gemeint sind; von „Samaritanern“ (engl.: samaritans) dann, wenn es nur um die religiöse, auf den Pentateuch verpflichtete und kultisch auf den Garizim orientierte Gruppierung geht. Bei Josephus werden die verschiedenen Termini Σαμαρεῖς („samareis“) und Σαμαρῖται / Σαμαρεῖται („samaritai“ / „samareitai“) demgegenüber nicht immer differenziert benutzt und es muss jeweils aus dem Kontext heraus entschieden werden, wer gemeint ist. Die gleiche Aufgabe stellt sich prinzipiell auch für die Texte des Neuen Testaments, selbst wenn sie terminologisch einheitlich sind (Σαμαρῖται).

Die im Deutschen traditionelle und noch weithin übliche Bezeichnung „Samariter“ ist inzwischen nicht mehr eindeutig und daher wissenschaftlich unbrauchbar geworden.

Die Selbstbezeichnung der Samaritaner in hellenistisch-römischer Zeit wird mit „Israeliten, die zum heiligen Garizim Opfer darbringen“ in Inschriften aus Delos belegt (Bruneau, 465ff). Die modernen Samaritaner bezeichnen sich auch als shamerim = Wächter / Bewahrer (des Gesetzes bzw. altisraelitischer Identität) oder als b’nei Israel = Söhne / Kinder Israels.

2. Quellen

Der früheste samaritanische Text liegt mit dem Samaritanischen Pentateuch vor. Er ist in einer besonderen Form der althebräischen Schrift überliefert und zeichnet sich durch eine Reihe inhaltlicher und phonetischer Abweichungen von der → Masoretischen Textgruppe aus (vgl. Kartveit 259ff).

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Aus hellenistischer Zeit existieren als eindeutig samaritanische Eigenzeugnisse sonst nur Inschriften. Zu ihnen zählen zwei griechische Inschriften von Diasporasamaritanern aus Delos (2. Jh.v.; vgl. Kartveit 216-222) und ca. 400 hebräische und aramäische Inschriftenfragmente aus dem samaritanischen Kultbezirk auf dem Hauptgipfel des Garizim (vgl. die Publikationen von Magen). Vor allem sie haben das Bild der Samaritaner seit den 1980er Jahren regelrecht revolutioniert.

Für die Frühzeit der Samaritaner kann sonst nur auf nichtsamaritanische, vor allem auf jüdische Quellen zurückgegriffen werden (vgl. Zangenberg 1994). In diesen Quellentexten ist allerdings nicht immer eindeutig zu klären, ob es sich um „Samaritaner“ oder „Samarier“ handelt. Daher müssen prinzipiell alle Texte, die sich mit der Geschichte und Kultur Samariens befassen, auf Indizien überprüft werden, die eine genauere Identifikation zulassen. Die mit Abstand größte Zahl relevanter Quellentexte findet sich bei Josephus (Egger 1986). Von Bedeutung sind auch einige Bemerkungen in 1Makk und 2Makk (vgl. 2Makk 5,21-26). In anderen jüdisch-hellenistischen Texten kann man oft nur thetisch und aus versteckter Polemik heraus auf das Verhältnis zwischen Juden und Samaritanern bzw. Juden und Samariern zur Zeit des jeweiligen Verfassers Rückschlüsse ziehen (z.B. Sir 50,25f). Das Gleiche gilt für einige späte Texte des AT (Esr 4; Neh 13; 2Chr 30f.) sowie die redaktionellen Überarbeitungen von 2Kön 17,24ff.

Wichtige Quellen für das 1. Jh.n. sind neben Josephus die ntl. Texte Lk 9,51-56; Lk 10,25-37; Lk 17,11-19; Apg 8,4-25; Joh 4,4-42; Joh 8,48 und Mt 10,5f.

Die rabbinische Literatur bietet zwar eine Fülle von „Kutim“-Texten (vgl. Zangenberg 1994, 92-166), bisher fehlt es aber noch an Untersuchungen, die es erlauben würden, bestimmte Textschichten plausibel auch schon dem ntl. Zeitalter zuzuordnen.

Die samaritanischen Chroniken, die Auskunft über die Geschichte der Samaritaner geben, datieren frühestens in das Mittelalter (11. Jh.). Einige der Chroniken wurden sogar erst Anfang des 20. Jh. verfasst. Inwieweit die Schriften aus dem Mittelalter auf traditionsgeschichtlich älteres Material zurückgreifen, ist umstritten. Allein für das Buch Tibåt Mårqe können bisher mit einiger Sicherheit in das 4. Jh.n. zurückreichende Traditionen angenommen werden (vgl. Hjelm 94-103).

3. Entstehung der Garizimgemeinde

3.1. Ältere Hypothesen

Die Forschung bis etwa 1985 hat den Ursprung der Samaritaner durch die biblische Entstehungslegende 2Kön 17,24-41 beschrieben gesehen (vgl. so auch die Perikopenüberschriften bei Luther 1984 und in der Einheitsübersetzung). Nach 2Kön 17,24-41 waren im Anschluss an den Fall des Nordreiches im 8. Jh.v. von den Assyrern Kolonisten aus verschiedenen Gebieten, u.a. Persien und Südbabylonien („Fremdvölkerkolonisten“), in mehreren Wellen in Samarien angesiedelt und als neue Administration eingesetzt worden. Diese sollen sich im Laufe der Zeit mit den Resten der im Land verbliebenen altisraelitischen Bevölkerung vermischt und den (ohnehin schon synkretistischen) JHWH-Glauben weiteren paganen Einflüssen ausgesetzt haben. Von diesen auf 2Kön 17 fußenden und bereits in der Antike vertretenen Hypothesen (Josephus, Rabbinen) leitet sich das klassisch gewordene Bild der Samaritaner als eine ganz Samarien bewohnende, Synkretismus praktizierende, aus „Mischlingen“ bzw. „Halbheiden“ bestehende und den Juden verhasste Volksgruppe ab.

3.2. Neuere Hypothesen

3.2.1. Zum Umbruch in der Forschung

Hinterfragt wurde das (seit der Antike bestehende) Bild der älteren Forschung seit der Mitte der 1980er Jahre zunächst durch neue Studien zu den Josephustexten und zu 2Kön 17,24ff (Egger, Dexinger, Macchi). Diese Studien konnten zum einen zeigen, dass in den antiken Quellen zur Entstehung der Samaritaner (Josephus, Antiquitates Judaicae 11,302-347; 2Kön 17,24-41) unter historischen Gesichtspunkten zwischen verschiedenen Quellenschichten und redaktionellen Überarbeitungen differenziert werden muss, zum anderen, dass die Texte auf ihren verschiedenen Traditionsstufen weitgehend von antisamaritanischer Polemik geprägt sind. Diesen Studien korrespondierten in der unmittelbaren Folgezeit Grabungsergebnisse auf dem Garizim (Magen, 1993, 2004, 2008). Sie belegen, dass in dem auf dem Hauptgipfel seit der persischen Zeit angelegten, großen samaritanischen Kultbezirk eine Form des JHWH-Kultes praktiziert wurde, die der am Jerusalemer Heiligtum entsprach. Indizien für synkretistische Praktiken konnten nicht nachgewiesen werden.

3.2.2. Zur Datierung und zu Kriterien der Differenz gegenüber dem Judentum

Unter diesen Maßgaben ist in den vergangenen Jahrzehnten neu nach der Bevölkerungsstruktur Samariens von der assyrischen bis in die hellenistisch-römische Zeit wie auch neu nach der Entstehung der Samaritaner als religiöser Gruppierung gefragt worden. Obwohl sich gegenüber der älteren Forschung ein völlig verändertes Bild ergibt, bleiben aufgrund der schmalen Quellenbasis viele Aussagen im Hinblick auf die Entstehung der Samaritaner nach wie vor im Bereich des Hypothetischen bzw. werden unterschiedliche Datierungsversuche vorgelegt. Für die Datierung spielen auch religionswissenschaftliche Differenzkriterienfragen ein Rolle: Welche Kriterien erlauben es, von den Samaritanern als einer vom (ohnehin heterogenen) Judentum unterschiedenen Religionsgemeinschaft zu reden? Begründet bereits das Faktum eines eigenen Heiligtums auf dem Garizim seit persischer Zeit eine trennende Differenz? Oder sollte man die Samaritaner erst nach dem Trauma der Zerstörung ihres Heiligtums auf dem Garizim durch Johannes Hyrkan II. am Ende des 2. Jh.v. und der seitdem zu beobachtenden theologischen Eigenentwicklung als eigene, vom Judentum zu unterscheidende religiöse Gemeinschaft innerhalb der theologischen Größe „Israel“ betrachten und für die Zeit davor von „Protosamaritanern“ (Dexinger) sprechen? Die definitive Trennung zwischen dem Jerusalemer Judentum und der Garizimgemeinde dürfte in hasmonäischer Zeit anzusetzen sein, und insofern sind die Entwicklungen seit persischer Zeit eher als erstes Konstituierungsstadium einer sich herausbildenden eigenen Gruppierung innerhalb eines breiter verstandenen Spektrums israelitisch-jüdische Religiosität zu betrachten. Die Garizimgemeinde wird für die Zeit seit dem Ende des 2. Jh.v. in der Forschung terminologisch nun nicht mehr als „Protosamaritaner“, sondern als „Samaritaner“ bezeichnet. Sachlich gesehen wird man die Samaritaner aber selbst für die römische Zeit immer noch als besondere Facette israelitisch-jüdische Religiosität betrachten können, denn die eigene Gruppenbezeichnung wird noch immer primär durch den differenten Kultort bestimmt, wenngleich das theologische Gespräch durch die Erfahrung von Gewalt nicht mehr nur gestört, sondern auch abgebrochen erscheint. Erst mit der Kanonisierung der Heiligen Schriften durch das Judentum am Ende des 1. Jh.n. fallen die Samaritaner durch ihre Ablehnung der Prophetenbücher und Schriften (Ketubim) tatsächlich aus der neu definierten Größe „Judentum“ heraus, nicht aber aus einer theologisch weiter verstandenen Größe „Israel“. Verschiedene Debatten in der rabbinischen Literatur zum Umgang mit den „Kutim“ sind ein Zeugnis dafür (Zangenberg 1994, 92-166).

3.2.3. Zu den Ursprüngen

In dieser Perspektive, in der die Samaritaner bis an das Ende des 1. Jh.n. als besondere Facette innerhalb israelitisch-jüdischer Religiosität gelten können, werden sie als Gruppierung erstmalig in persischer Zeit durch die Gründung eines eigenen JHWH-Heiligtums erkennbar. Im Kern gehen sie offenbar (1.) auf dissidente Jerusalemer Priesterkreise zurück. Diese hatten sich von den durch Nehemia und Esra eingeleiteten Reformen im postexilischen Judäa distanziert, sich im 5. / 4. Jh.v. mit Unterstützung der lokalen Administration in Samarien (besonders in Sichem) niedergelassen und ein eigenes Kultzentrum auf dem Garizim (möglicherweise mit zadokidischer Hohepriesterschaft) betreut und sukzessive ausgebaut. Diese Abwanderung von Jerusalemer Priestern an ein eigenes Heiligtum dürfte der Auslöser für die Herausbildung der samaritanischen Religionsgemeinschaft gewesen sein. Nach Josephus hat es in diesem Zusammenhang in der Folgezeit sogar (2.) eine breitere Siedlungsbewegung von Judäa nach Samarien gegeben (Josephus, Antiquitates Judaicae 11,309-312.346). Sie wurde von JHWH-Gläubigen getragen, die in Konflikt mit der exklusiv-strengen Toraauslegung (Sabbatobservanz, Mischehenproblematik) durch die Reformer in Yehud (bzw. Judäa) geraten waren. Weiterhin liegt nahe, dass sich (3.) Teile der nach den assyrischen Deportationen in der Region Samarien verbliebenen altisraelitischen Landbevölkerung dem neuen Kultzentrum auf dem Garizim anschlossen bzw. eine dort schon bestehende Kulttradition fortsetzten. Sie hatten schon immer den JHWH-Kult in der Region und vermutlich auch auf dem Garizim gepflegt – möglicherweise auch in synkretistischer Weise, so dass die Polemik von 2Kön 17,24ff hier evtl. Anhaltspunkte haben könnte. Diese durch die autochthone altisraelitische Bevölkerung Samariens gegebene dritte große Konstituierungskomponente korrespondiert z.T. mit dem Selbstbild in den samaritanischen Quellen, nach dem die Samaritaner direkt auf die von den assyrischen Deportationen verschonten Nachkommen der Stämme Ephraim, Manasse und Levi zurückgehen und demnach das alte, „originale“ Israel repräsentieren. Daneben hat es vermutlich noch eine weitere Komponente (4.) bei der Entstehung der Samaritaner gegeben: Teile der vor allem in Samaria-Stadt lebenden ursprünglich paganen Oberschicht Samariens, die auf die assyrischen Kolonisten zurückging und aus der einige Mitglieder offenbar mit dem JHWH-Glauben in Berührung gekommen waren. Die Wadi-ed-Daliyeh-Papyri wie auch Siegel belegen eine deutliche Nähe einiger Mitglieder dieser Oberschicht zum JHWH-Glauben. Nach Neh 13,28 (vgl. Josephus, Antiquitates Judaicae 11,302f; Text gr. und lat. Autoren) war die Tochter des samarischen Gouverneurs Sanballat I. (Mitte 5. Jh.v.) sogar mit dem Sohn des Jerusalemer → Hohepriesters verheiratet.

Der samarischen Administration scheint die Errichtung eines Heiligtums in Samarien allerdings auch deshalb von Anfang an entgegen gekommen zu sein, weil sie auf diese Weise nach der Verselbständigung der Provinz Yehud ein eigenes großes JHWH-Kultzentrum auf ihrem Territorium erhielt.

Das Wissen um all diese Entstehungszusammenhänge ist in neutestamentlicher Zeit nicht vollständig von der Rezeptionsgeschichte von 2Kön 17,24-41 verdrängt worden, sondern gibt sich im 1 Jh.n. noch zu erkennen (vgl. Lk 10,30-35: die Personenreihenfolge „Priester – Levit – Samaritaner“ auf der Straße von Jerusalem nach Jericho ist nicht zufällig und auch nicht austauschbar). Anders verhält es sich mit Mt 10,5b.6 – das Verbot, eine Stadt (von „Samaritanern“ oder „Samariern“?) zu betreten, ist offenbar ein Reflex der Wirkungsgeschichte von 2Kön 17,24ff, zumal hier auch noch explizit die Städte Samariens im Fokus der Kritik stehen (2Kön 17,24.26.29).

4. Geschichte seit persischer Zeit

Die Geschichte der Samaritaner seit persischer Zeit ist eng verbunden mit der politischen Geschichte der Provinz Samarien, den Entwicklungen innerhalb des postexilischen Judäa sowie der Ausbreitung der jüdischen Diaspora im Mittelmeerraum.

Während die (Proto-)Samaritaner im 5. / 4. Jh.v. mit Unterstützung der samarischen Administration zunächst offenbar im alten Sichem am Fuße des Garizim ein Siedlungszentrum errichtet und mit der Anlegung eines Heiligtums auf dem Hauptgipfel des Garizim begonnen hatten (Magen 2008, 10), gelang es ihnen in der Folgezeit (4. / 3. Jh.v.), dieses zu einer imposanten Kultanlage auszubauen und eine befestigte Stadt darum herum anzulegen (Magen 2008). Damit existierte in nur ca. 40 km Luftlinie von Jerusalem ein zweites großes monotheistisch ausgerichtetes Zentrum von JHWH-Glauben und JHWH-Kult auf palästinischem Boden, das zudem vermutlich auch über eine zadokidische Priesterschaft verfügte. Der für Jerusalem damit verbundene Tatbestand der Nichtanerkennung der Kultzentralisation bzw. das Faktum eines illegitimen Konkurrenzheiligtums musste so lange geduldet werden, wie das kultisch auf Jerusalem orientierte Judentum unter den hellenistischen Großmächten politisch und militärisch nicht selbständig agieren konnte. Die Quellen zeigen allerdings, dass die Haltung des Jerusalemer Judentums gegenüber den (Proto-)Samaritanern in postexilischer Zeit nicht einheitlich war. Finden sich z.B. vor allem im → deuteronomistischen Geschichtswerk stark polemische Äußerungen (vgl. 2Kön 17,24-41), belegt demgegenüber die Entwicklung des Pentateuchs und des Ritus in beiden Gruppen bis in das 2. Jh.v. hinein noch enge Kooperationen. Eine parallele Entwicklung bis zum 2. Jh.v. wird indirekt auch durch die Religionspolitik von Antiochus IV. Epiphanes bezeugt. Der Seleukide hielt das Heiligtum auf dem Garizim für so bedeutend und für seine hellenistischen Reformen potentiell hinderlich, dass er auch auf dem Garizim einen seleukidischen General stationieren ließ (2Makk 5,22f; 2Makk 6,1f).

In hellenistischer Zeit finden sich Samaritaner zunehmend auch in der Diaspora (vor allem in Ägypten; vgl. Josephus, Antiquitates Judaicae 11,321-22; Josephus, Antiquitates Judaicae12,7; Text gr. und lat. Autoren; Magen 2008, 99), aber auch auf den griechischen Inseln (Crown / Pummer 73), wo (Proto-)Samaritaner und Juden offenbar in enger Nachbarschaft lebten. Die Inschriften aus Delos könnten ein Indiz dafür sein, dass man sich gemeinsam als Israel in der Diaspora verstand und intern nach „Israeliten, die Opfergaben zum Garizim sandten“, und nach Israeliten, die Steuer nach Jerusalem schickten, differenzierte. In einer paganen Umgebung weit entfernt vom Mutterland Palästina musste sich die Differenz in der Kultortfrage relativieren und minimieren. Erst am Übergang zur hasmonäischen Zeit scheinen sich die Konflikte zwischen beiden Gruppen sowohl im Mutterland wie auch in der Diaspora verschärft zu haben. Aus der ägyptischen Diaspora ist in der Zeit Ptolemaios Philometors (180-145 v.) ein vor dem Herrscher ausgetragener Streit zwischen Diasporajuden und Diasporasamaritanern um die Legitimität des jeweils eigenen Heiligtums bezeugt (Josephus, Antiquitates Judaicae 13,74-79; Text gr. und lat. Autoren). Möglicherweise war nach den makkabäischen Siegen und der Wiederweihe des Jerusalemer Tempels 164 v. das Bewusstsein für die Zentralität und alleinige Legitimität des Jerusalemer Heiligtums wieder erstarkt und strahlte auf die Diaspora aus. Andererseits konnten im Hinblick auf die neu installierte nichtzadokidische Hohepriesterschaft am Jerusalemer Tempel auch in der Diaspora Fragen nach der Legitimität des Heiligtums auf dem Zion gestellt werden.

Als das politisch souverän gewordene, hasmonäisch regierte Judäa schließlich über die politischen und militärischen Möglichkeiten verfügt, gewaltsam gegen die kultische Konkurrenz in Samarien vorzugehen, erobert Johannes Hyrkan I. (134-104 v.) in zwei Annexionskampagnen 128 v. und 108 / 107 v. sowohl Sichem als auch die Stadt und das Heiligtum auf dem Garizim und zerstört beide vollständig (Josephus, Antiquitates Judaicae 13,254-257; Josephus, De Bello Judaico 1,62f; Text gr. und lat. Autoren). Samarien wird politisch in das Hasmonäerreich eingegliedert und die Samaritaner werden offenbar auch daran gehindert, den Garizim zu betreten. Befestigungsanlagen und Münzen aus der Zeit Alexander Jannais lassen darauf schließen, dass hasmonäische Truppen auf dem Berg stationiert waren. Die Zerstörung des Heiligtums bedingt nun den nachhaltigen geistigen Bruch zwischen beiden Kultgemeinden. Seit dem Ende des 2. Jh.v. entwickelt jede Gruppe ihre Theologie und Frömmigkeitspraxis zunehmend unabhängig voneinander aus.

Seit dieser Zeit nimmt auch die Ausformung des Pentateuchtexts bei beiden Gruppen eine eigene Entwicklung - nicht nur hinsichtlich von Schrift und Orthographie, sondern auch in inhaltlichen Details. Die Samaritaner nehmen vermutlich jetzt ihre innerpentateuchischen Textumstellungen vor und gelangen mit einem konzentrierten Schriftbeweis (Ex 13,11a; Dtn 11,29b; Dtn 27,2b-3a; Dtn 27,4-7; Dtn 11,30) innerhalb des Dekalogs zu einem neuen 10. Gebot – der Anweisung, auf dem Garizim einen Altar zu errichten. Auch die judäische Seite greift vermutlich um diese Zeit noch einmal in den schon relativ festen Textbestand der Tora ein und bezieht das in Dtn 27,4 stehende Gebot der Altarerrichtung auf dem Garizim nun auf den gegenüberliegenden Berg Ebal. Neben textkritischen Belegen (die Vetus Latina geht hier mit dem Samaritanischen Pentateuch) scheint auch sachlich der Altarbau auf dem Ebal als Berg des Fluches (Dtn 11,29) als ursprüngliche Lesart unwahrscheinlich. Die Einheitsübersetzung hat Dtn 27,4 wieder in die ursprüngliche Lesart „Garizim“ angeglichen; Luther 1984 bietet hier noch „Ebal“.

Nach Auskunft späterer Quellen (vgl. auch Joh 4; Lk 9,51-56) hat die religiöse Politik der Hasmonäer langfristig versagt: die kultische Bindung der Samaritaner an Jerusalem gelang trotz der Zerstörung ihres Heiligtums auf dem Garizim nicht.

Als die Römer 63 v. die Herrschaft in Palästina übernahmen, erlangte die Garizimgemeinde ihre kultische und rechtliche Autonomie zurück. Die genauen territorialen Veränderungen und Aufteilungen nach 63 v. gehen aus den an dieser Stelle vermutlich unvollständigen Quellen (Josephus, Antiquitates Judaicae 14,74-76.88, Josephus, De Bello Judaico 1,156-166; Text gr. und lat. Autoren) nicht hervor. Wahrscheinlich ist jedoch, dass die Samaritaner innerhalb der Provinz Syrien ein Rom assoziiertes, eigenes Gemeinwesen mit dem Recht auf einen eigenen (Hohen) Rat und dem Recht, nach den Gesetzen der Väter zu leben, südlich des ebenfalls wieder autonom gewordenen Gebietes von Samaria-Stadt konstituieren durften. Auch Herodes garantierte den Samaritanern ihre religiöse Eigenständigkeit. Das durch Johannes Hyrkan zerstörte Heiligtum und Pilgerzentrum auf dem Garizim wieder aufzubauen gelang den Samaritanern jedoch nicht mehr.

Für das 1. Jh.n. lässt sich trotz religiöser Differenzen, latenter Spannungen und offener Antipathien (vgl. auch Joh 4,9; Joh 8,48) von einer nachbarlichen Zweckgemeinschaft sprechen, die u.a. in gemeinsamen politischen Interessen ihren Ausdruck fand: Im Jahr 6 n. erwirkte eine Delegation samaritanischer und jüdischer Aristokraten in Rom die Absetzung des Archelaos. Die nachbarliche Zweckgemeinschaft spiegelt sich auch in den Samaritanererzählungen des Neuen Testaments, nach denen es üblich war, von Galiläa auf dem kürzesten Weg durch Samarien nach Jerusalem zu reisen und in Samarien um Quartier zu bitten (Lk 9,51-56), oder nach denen sich in einer Gruppe Aussätziger auch ein Samaritaner befinden konnte (Lk 17,11-19). Dass die pentateuchischen Vorschriften von Juden wie Samaritanern in gleicher Weise befolgt werden, ist als Hintergrund in allen Samaritaner-Erzählungen des Neuen Testaments vorausgesetzt (Lk 9,51-56; Lk 10,25-37; Lk 17,11-19; Apg 8,4-25; Joh 4,1-42).

Das zweckbestimmte Nachbarschaftsverhältnis wurde unter den Rahmenbedingungen römischer Verwaltung nur durch gelegentliche Gehässigkeiten oder extreme Einzelfälle offener Gewalt gestört – bezeichnenderweise immer im zeitlichen Umfeld von Wallfahrtsfesten und den damit verbundenen jüdischen Pilgerbewegungen: In der Amtszeit des Coponius (6-8 / 9 n.) verstreuten Samaritaner makabrerweise menschliche Knochen im Jerusalemer Heiligtum; 51 / 52 n. wurden galiläische Festpilger ermordet (Josephus, Antiquitates Judaicae 18,29f; Josephus, Antiquitates Judaicae 20,118-136;Text gr. und lat. Autoren). Häufiger dürften Quartierverweigerungen wie in Lk 9,51-56 (bezeichnenderweise auf dem Weg zum Passafest in Jerusalem!) Ausdruck für die latent andauernden Spannungen zwischen dem Jerusalemer Judentum und Samaritanern gewesen sein, ebenso die in Lk 9,51-56 erkennbare prinzipielle Bereitschaft zur physischen Gewalt, die die Jünger als Repräsentanten der jüdischen Seite kund tun (Lk 9,54). Lk 9,53-56 lässt die Hilflosigkeit erkennen, mit dem unter der Oberfläche schwelenden und im Zusammenhang mit kultischen Fragen nicht bewältigten Grundkonflikt zwischen beiden Gruppen umzugehen, nicht zuletzt auch die Hoffnung auf eine eschatologische Lösung der Probleme: Da die Jünger auf fremdem Terrain in der schwächeren Position sind, wollen sie Gott einschalten, um durch seine Kraft ein Strafwunder zu inszenieren. Da keine anderen Mittel zur Verfügung stehen, wird sich auf Gott berufen, um durch ihn einen machtvollen Beweis der eigenen religiösen Überlegenheit liefern zu können.

35 / 36 n. versammeln sich bewaffnete Samaritaner am Garizim, weil ihnen ein (Pseudo-)Prophet auf dem Berg die von Mose vergrabenen heiligen Geräte der Stiftshütte zeigen will (Josephus, Antiquitates Judaicae 18,85-89;Text gr. und lat. Autoren). Die erhoffte Auffindung der Geräte war für die Samaritaner mit dem Anbruch der eschatologischen Heilszeit verbunden. Pilatus deutete die Aktion als Rebellion und metzelte unter großem militärischen Aufgebot viele Menschen nieder. Das Blutbad nahm der Rat der Samaritaner zum Anlass, Pilatus beim römischen Legaten in Syrien, Vitellius, zu verklagen. Diese Klage führte zur Amtsenthebung des Pilatus.

Dass die Samaritaner in die jüdische Aufstandsbewegung gegen die Römer miteingebunden waren, zeigt die nach wie vor bestehende Nähe beider Gruppen zueinander. Interne religiöse Differenzen konnten offenbar immer dann zurückgestellt werden, wenn die Identität und das Überleben von „Israel“ gegenüber Feinden des Gottesvolkes politisch und religiös verteidigt werden musste. 67 n. bereiteten die Samaritaner einen antirömischen Aufstand auf dem Garizim vor, der von Cerealius blutig niedergeschlagen wurde. Nach Josephus kamen dabei 11600 Samaritaner ums Leben (Josephus, De Bello Judaico 3,307-315;Text gr. und lat. Autoren).

Obwohl die Zahlen für das 1. Jh.n. schwer einzuschätzen sind, kann von ca. 150 000 Samaritanern in Palästina ausgegangen werden. Apg 8,4-25 und Joh 4,1-42 sind Indizien dafür, dass das frühe Christentum auch unter den Samaritanern Fuß fasste. Die christliche Botschaft beinhaltete ein neues, nicht an einen bestimmten Ort gebundenes Konzept der JHWH-Verehrung (vgl. Joh 4,20ff). Dieses Konzept drückt sich auch in den lukanischen Samaritanergeschichten aus: Nach Lk 17,11-19 ist die Person Jesu nun der Ort, an dem Gott → Ehre erwiesen werden soll. Lk 10,30-35 führt vor, dass die richtig verstandene Verbindung von Gottes- und Nächstenliebe sich im Alltag, so zu sagen „auf der Straße“ bewährt und gerade nicht durch einen „legitimen Kultort“ und den Tempelgottesdienst garantiert werden kann (Priester und Levit kommen eben vom Tempel zurück!).

5. Theologische Charakteristika

Die theologischen Charakteristika der Samaritaner in neutestamentlicher Zeit lassen sich – religionswissenschaftlich gesehen – nur als Aussagen zu Gemeinsamkeiten mit und Differenzen zu anderen Gruppen innerhalb eines breiten Spektrums israelitisch-jüdischer Religiosität formulieren.

Das wichtigste und vermutlich auch älteste Differenzkriterium gegenüber dem Jerusalemer Judentum besteht in der Kultortfrage. Nicht der Zion, sondern der Garizim wird von den Samaritanern als heiliger Berg verehrt und als zentraler Ort der Anbetung bzw. der von Gott auserwählte Ort betrachtet, an dem seine Name wohnt (Dtn 16,2.6f u.ö.). Auch durch die Vätertradition erscheint der Garizim als Kultort legitimiert (vgl. u.a. Gen 12,6f; Gen 33,18-20; Dtn 11,29f; Dtn 27,12; vgl. Joh 4,20).

Für die Samaritaner beschränkt sich der Kanon heiliger Schriften allein auf den Pentateuch – eine Eingrenzung, die sie prinzipiell mit den Sadduzäern verbindet. Allerdings haben die Samaritaner den Pentateuch spätestens seit hasmonäischer Zeit in einer spezifischen Textform ausgeprägt (Samaritanischer Pentateuch = SP). Der wichtigste Unterschied zwischen dem SP und dem Masoretischen Text ist das so genannte Garizimgebot. Im Dekalog des Samaritanischen Pentateuchs findet sich nach Ex 20,17 bzw. Dtn 5,22 als Zehntes Gebot die Weisung, auf dem Garizim Gesetzesstelen und einen Altar zu bauen. Dieses Gebot setzt sich zusammen aus anderen Stellen des Pentateuchs (Ex 13,11a; Dtn 11,29b; Dtn 27,2b-3a; Dtn 27,4-7; Dtn 11,30) und bildet einen konzentrierten Schriftbeweis für die kultische Priorität des Garizim. Die Zehnzahl blieb im Samaritanischen Pentateuch dennoch dadurch gewahrt, dass das 9. / 10. Gebot zu einem einzigen Gebot zusammengefasst wurden. Qumranfunde zeigen in diesem Zusammenhang, dass nicht nur die Samaritaner Dekalogexpansionen und innerpentateuchische Textumstellungen vorgenommen haben – auch in anderen Textformen des Pentateuchs kommen solche Phänomene vor (4QpaleoExa; 4Q158frg6-8; 4Q175Test1-8). Sie waren möglich, weil der Text noch nicht kanonisiert war.

Der Beschränkung auf den Pentateuch korrespondiert bei den Samaritanern eine besondere Hochschätzung Moses. Er gilt der Garizimgemeinde als Prophet schlechthin. Ein Prophet wie Mose ist nach Dtn 18,18 schließlich auch zentrale Hoffnungsgestalt ihrer Eschatologie (in nachneutestamentlicher Zeit Taheb genannt). Im Samaritanischen Pentateuch wurde an Ex 20,21a daher auch noch Dtn 18,18 angefügt. Dadurch, dass das Garizimgebot und die Hoffnung auf die Wiederkehr eines Propheten wie Mose im Samaritanischen Pentateuch zusammengestellt worden sind, haben sich beide Theologumena mit der Zeit verbunden und hat sich die Hoffnung auf das Erscheinen des messianischen Propheten auf den Garizim fokussiert.

6. Die modernen Samaritaner

6.1. Demographische, soziologische und politische Aspekte

Während es in hellenistisch-römischer Zeit noch mehrere hunderttausend Samaritaner in der Region Samarien und im östlichen Mittelmeerraum gab, ging die Zahl seit byzantinischer Zeit durch erzwungene Konversionen, Verfolgungen, aber auch durch Assimilation immer weiter zurück. Die lange und bewegte Geschichte der Samaritanischen Religionsgemeinschaft von der Spätantike bis in die Neuzeit kann hier nur festgestellt, aber nicht nachgezeichnet werden. Im Jahr 1690 wurden noch 140 Angehörige dieser Gruppe registriert. 1799 zogen die letzten verbliebenen Diasporasamaritaner von Gaza nach Nablus, der arabischen Stadt am Fuße des Garizim. Seitdem lebten sie über 100 Jahre überhaupt nur noch an einem einzigen Ort.

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Da Religion und Ethnizität bei den Samaritanern in eins fallen, grenzten sich die Samaritaner bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts strikt nach außen ab und verfolgten konsequent das Prinzip der ethnischen Endogamie: Mischehen wurden nicht akzeptiert, da die Ehe als Grundvoraussetzung und einzige Möglichkeit für die ungebrochene Weitergabe des samaritanischen Glaubens und der eigenen, samaritanischen Tradition galt. Die ohnehin kleine Bevölkerungszahl sank durch einen deutlichen Überhang an männlicher Bevölkerung immer weiter, so dass am Ende des 19. Jahrhunderts aus demographischer Sicht immer wieder behauptet werden konnte, dass die Samaritaner früher oder später aussterben würden.

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Nachdem sich einige Samaritaner am Anfang des 20. Jahrhunderts aus wirtschaftlichen Gründen entschlossen hatten, Nablus zu verlassen und auf dem Gebiet des späteren Israel Wohnort zu nehmen und zudem jüdische, zur Konversion bereite Frauen heirateten, wandelte sich das Geschick der Gemeinschaft grundlegend. In der Gegenwart gibt es wieder mehr als 700 Mitglieder, die in zwei Gemeinden - in Kiryat Luza, einer von Nablus getrennten Wohnsiedlung auf den Hängen des Garizim, und in Neve Marqe / Holon, einem Vorort von Tel Aviv, leben. Damit bilden die Samaritaner zwar nach wie vor die kleinste religiöse und ethnische Minorität in Israel und Palästina, aber die demographische Situation hat sich deutlich entspannt. Der Staat Israel behandelt die Samaritaner von Kiryat Luza inzwischen als „samaritanische Juden“ und gewährt ihnen das Recht auf Rückkehr; in manchen ultraorthodoxen Kreisen Israels gelten die Samaritaner jedoch nach wie vor als „Kutim“ bzw. „Halbheiden“ nach 2Kön 17,24ff.

6.2. Glauben und Frömmigkeitspraxis

Die fünf Grundprinzipien des Glaubens, die alle Samaritaner teilen müssen, wenn sie als solche gelten wollen, sind bis heute:

1. Es gibt nur den einen Gott, der der Gott Israels ist.

2. Es gibt nur einen Propheten: Mose.

3. Es gibt nur eine Heilige Schrift: Die Tora (= den Pentateuch in Form des SP), überliefert von Mose.

4. Der Berg Garizim ist der von Gott erwählte heilige Ort.

5. Am Tag der Rache und Vergeltung wird der Taheb erscheinen, Sohn des Joseph, ein Prophet.

Die Samaritaner erwarten mit dem Erscheinen des Messias eine Wiedervereinigung der beiden Teile Israels.

Die Identitätsmerkmale, die sie heute vor allem von ihrer israelisch-jüdischen Umgebung unterscheiden, manifestieren sich in folgenden Regeln:

a) Leben im „Land Israel“, ohne seine biblischen Grenzen zu verlassen und woanders Wohnort zu nehmen;

b) Teilnahme am Passaopfer auf dem Berg Garizim;

c) Halten der in der Bibel niedergelegten Sabbatvorschriften (ohne Interpretationsspielraum);

d) strikte Einhaltung der biblischen Reinheitsvorschriften.

Die Männer beten in der Synagoge täglich morgens und abends; am Sabbat auch mittags. Vor den Gebeten müssen sie rituelle Waschungen vornehmen. Am Versöhnungstag – aber auch nur dann – dürfen auch Frauen in der Synagoge beten. Die Samaritaner sind auf diese Identitätsmerkmale stolz, da sie ihnen das Bewusstsein verleihen, die biblischen Gebote besser einhalten zu können als ihre jüdische Umgebung.

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Die Feste werden nach den Vorschriften des Pentateuchs analog zu den jüdischen Festen gefeiert, allerdings nach einem eigenen Kalendersystem berechnet. → Chanukka und → Purim werden nicht gefeiert. Die drei Wallfahrtsfeste sind mit einer Prozession auf den Gipfel des Garizim verbunden.

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Die Prozession führt an allen heiligen Stätten, die sich nach samaritanischer Tradition auf dem Garizim befinden, vorbei: an Giv’at olam („Nabel der Welt“), wo Moses → Stiftshütte stand; am Altar, wo Abraham Isaak opfern sollte, und an den zwölf Felsbrocken, die Josua auf dem Garizim errichtet hatte.

Passa stellt - anders als im Judentum - das höchste Fest dar. Unterschiede zwischen dem jüdischen und dem samaritanischen Passa bestehen nicht nur in der Datierung, sondern vor allem im Hinblick auf die Art und Weise, das Fest zu begehen. Es wird auf dem Garizim sieben Tage lang streng nach Ex 12 gefeiert und ist mit dem Opfern, Schlachten, Rösten und Verzehren des Passalamms verbunden.

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Während dieser Zeit wohnen die Samaritaner auch alle auf dem Garizim. Passa auf dem Garizim ist das heute wohl öffentlich bekannteste Ritual der Samaritaner und ein Ereignis, das Zuschauer aus aller Welt anzieht.

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Zu → true werden die Laubhütten in den Wohnungen gebaut - ein Brauch, der aus Zeiten der Verfolgung bis in die Gegenwart beibehalten wurde.

Literaturverzeichnis

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  • Crown, A.D. / Pummer, R. (Hgg.), 1993, A Companion to Samaritan Studies, Tübingen
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Abbildungsverzeichnis

  • Schriftstück des Samaritanischen Pentateuchs von 1616 (Dtn 1,44-2,7). Wikimedia Commons (14.04.2010)
  • Karte zur Lage des Garizim. Quelle: maps.mygeo.info (14.04.2010, bearbeitet)
  • Blick auf Nablus und den Garizim, um 1900. Quelle: © Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, D.C.
  • Samaritanischer Hohepriester mit seinem Sohn. Quelle: BiblePlaces.com
  • Ruinen des antiken Sichem und der Garizim. Quelle: BiblePlaces.com
  • Zubereitung des Passalamms. Quelle: http://www.bibleplaces.com/
  • Ort des Passarituals auf dem Garizim. Quelle: http://www.bibleplaces.com/

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