Hölle
(erstellt: April 2021)
Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/52058/
Hölle
Die Bücher des Alten und Neuen Testaments sprechen nicht von einer ‚Hölle‘ als Ort der Strafe und der Qual schwerer ‚Sünder‘, der von ‚Teufel‘, ‚Hexen‘ und ‚Dämonen‘ bewohnt und beherrscht wird. Sie kennen aber Unterwelten [→ Unterwelten
In der LXX wird Scheol mit Hades (gr. ᾅδης) [→ Hades
Ein anderes Wort, das in deutschen Bibelausgaben - insbesondere in der Lutherbibel - oft und fälschlicherweise mit „Hölle“ übersetzt wird, ist die Gehenna (gr. γέεννα, hebr. גֵּי־הִנֹּם), Tal des Hinnom, Jos 15,8b
Nicht identisch mit der Gehenna ist der „Ofen des Feuers“ in Mt 13,42.49
Als Ort der Unterwelt, der dem Tartaros vergleichbar auch als Gefängnis für „den Drachen, die Schlange, die alte, die ist der Zerwerfer und der Satan“ (Apk 20,2
Religionsgeschichtlich sind die meisten Züge der späteren Höllenvorstellungen schon in ägyptischen Unterwelt-Büchern ab dem 16. Jh. v. Chr. zu finden, teilweise aber auch in Platons Dialogen Gorgias und Phaidon, Vergils Aeneis, in jüdischen Texten wie dem Henochbuch (vgl. 1Hen 26,4; 27,1ff; 54,1-6; 56,3f; 90,26f) und in den christlichen Apokalypsen des Petrus (2. Jh. n. Chr.) und des Paulus (3. Jh. n. Chr.) und der weit verbreiteten Visio Pauli, einer lateinischen Übersetzung der griechischen Paulusapokalypse. „Es ist recht wahrscheinlich, daß die äg. Jenseitsvorstellungen über koptische Vermittlung auf das christliche Höllenbild einwirkten (z.B. Petrus-Apokalypse).“ (Alexandra von Lieven, Art. Unterwelt II. Ägypten, Der Neue Pauly). Das Setting eines sadistischen Straforts beherrscht von teuflischen und dämonischen Akteuren ist aber bezeichnenderweise weder in griechischen Unterweltsvorstellungen verbreitet noch in biblischen Büchern des Alten und Neuen Testaments zu finden. Sprechend ist daher auch der lexikographische Befund, dass es sachgemäß in maßgeblichen Lexika zur Antike, also weder im Kleinen Pauly noch im Neuen Pauly und auch nicht im ausführlichen Pauly-Wissowa neben den Spezialartikeln zu Hades oder Tartaros einen Überblicksartikel unter dem Stichwort „Hölle“, sondern nur unter dem allgemeineren Begriff „Unterwelt“ gibt.
Die biblischen Schriften haben kein Interesse an einer ausgefeilten Topographie der Qualen. Die Bibel redet nicht von der Hölle als Reich des ‚Teufels‘. Die Gehenna wird vielmehr als Ort der letztendlichen Vernichtung von Satan, Diabolos, Beelzebul und ihrem Gefolge bemüht. Die Rede vom Strafort der Gehenna und anderen eschatologischen Straforten dient in neutestamentlichen Schriften paränetisch zur Warnung angesichts des drohenden eschatologischen Gerichts Gottes, sich nicht auf diabolische Abwege zu begeben, sondern den barmherzigen und liebevollen Weg der Nachfolge Jesu Christi zu gehen, und als solche der Verkündigung der Frohbotschaft zu folgen, die allen offensteht (vgl. Mt 25,31-46
Biblische Texte kennen die Vorstellung eines eschatologischen Gerichts und Strafhandelns Gottes, sie reden aber nicht von einer von ‚Teufeln‘, ‚Hexen‘ und ‚Dämonen‘ besiedelten ‚Hölle‘, in der verstorbene Übeltäter gequält werden. Bibelausgaben und Wörterbücher zum NT, die das Wort „Hölle“ bemühen, um Gehenna oder Hades zu übersetzen, müssen revidiert werden. ‚Hölle‘ ist kein Gegenstand biblischer Rede von Gott. Trefflich formulierte daher Karl Barth, die Hölle verdiene den „radikalsten Unglauben“ (KD III/3, 611).
Literaturverzeichnis
1. Lexikonartikel
- Christoph Auffahrt, Cornelis Houtman, Hubert Frankemölle, Bernhard Lang, Walter Sparn, Gerold Necker, Ulrich Kuder, Art. Hölle, RGG 3, 4. Aufl., Sp.1844-1855
- Klaus Bieberstein, Art. Hinnomtal, wibilex.de
- Carsten Colpe, Alasdair I. C. Heron, Art. Hölle, EKL 2 (G-K), 3. Aufl. Göttingen 1989, Sp. 552-555
- S. Lundström, Alexandra von Lieven u.a., Art. Unterwelt, Der Neue Pauly
- Thomas Paulsen, Art. Hades, wibilex.de
- Dietrich Wachsmuth, Art. Unterwelt, Der Kleine Pauly 5 (Schaf-Zythos). Lexikon der Antike in 5 Bänden, Sp.1053-1056
2. Monographien und Aufsätze:
- Stefan Alkier, Spiel mit dem Feuer – oder: Warum es (nicht nur) im Matthäusevangelium keine Hölle gibt, JBTh 2021 (im Druck)
- Stefan Alkier, Thomas Paulsen, Die Apokalypse des Johannes. Neu übersetzt und mit Einleitung, Epilog und Glossar, Frankfurter Neues Testament 1, Paderborn 2020
- Stefan Alkier, Thomas Paulsen, Die Evangelien nach Markus und Matthäus. Neu übersetzt und mit Überlegungen zur Sprache des neuen Testaments, zur Gattung der Evangelien und zur intertextuellen Schreibweise sowie mit einem Glossar, Frankfurter Neues Testament 2, Paderborn 2021
- Aurelius Augustinus, Enchiridion de fide spe et caritate. Handbüchlein über Glaube, Hoffnung und Liebe. Text und Übersetzung mit Einleitung und Kommentar hg. v. J. Barbel, Düsseldorf 1960
- Aurelius Augustinus, Vom Gottesstaat Bd. II. Buch 11-12, übers. v. W. Thimme. Eingel. u. erl. v. C. Andresen, 2. vollständig überarb. Aufl.Zürich und München 1978, insbes. Buch 21: Die Ewigkeit der Höllenstrafen
- Karl Barth, Kirchliche Dogmatik III/3, Die Lehre von der Schöpfung, Zürich 1950
- Alan E. Bernstein, The Formation of Hell. Death and Retribution in the Ancient and Early Christian Worlds, London 1993
- Dante Alighieri, Die göttliche Komödie, illustriert von G. Doré, Übers. G. Neumann, m. e. kunsthistorischen Einleitung v. A. Grebe
- Erik Hornung, Die Unterweltbücher der Ägypter, eingel. übers. u. erl., Düsseldorf und Zürich 1992
- Jacques Le Goff. Die Geburt des Fegefeuers. Vom Wandel des Weltbildes im Mittelalter, Stuttgart 1990
- Henning Paulsen, Der Zweite Petrusbrief und der Judasbrief, KEK, Göttingen 1992
- Herbert Vorgrimler, Geschichte der Hölle, München 1993
PDF-Archiv
Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download:
Abbildungen
Unser besonderer Dank gilt allen Personen und Institutionen, die für WiBiLex Abbildungen zur Verfügung gestellt bzw. deren Verwendung in WiBiLex gestattet haben, insbesondere der Stiftung BIBEL+ORIENT (Freiburg/Schweiz)