Deutsche Bibelgesellschaft

Bibeltext / Textkritik (NT)

(erstellt: Mai 2024)

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1. Die Aufgabe der neutestamentlichen Textkritik

Die traditionelle Aufgabe der Textkritik ist es, den Urtext zu rekonstruieren – oder präziser formuliert: die älteste erreichbare Textstufe des griechischen Neuen Testaments aus der auf uns gekommenen Überlieferung zu erschließen. Dies ist notwendig, weil das Neue Testament in den ersten anderthalb Jahrtausenden seiner Geschichte nur handschriftlich tradiert wurde und wir die Autographen, also die von den Autoren der einzelnen Bücher diktierten und veröffentlichten Handschriften, nicht mehr besitzen, sondern nur Abschriften von Abschriften, die mehrere Generationen von den Urdokumenten entfernt sind. Im Laufe dieser Überlieferung hat sich der Text durch unbeabsichtigte Fehler, intendierte Verbesserungen von vermeintlichen Fehlern, die oft zu Veränderungen des Textes geführt haben, und äußere Einflüsse wie sprachgeschichtliche, aber auch theologische Entwicklungen immer weiter von seinem Ursprung entfernt. Daher gibt es einerseits keine zwei Zeugen, die miteinander vollständig übereinstimmen, andererseits sind schon die ältesten der heute noch erhaltenen Zeugen recht weit vom Text der Autoren entfernt.
Die primäre Aufgabe der Textkritik besteht also darin, den Überlieferungsbestand zu sichten und zu sichern, d.h. alle relevanten Zeugen zu bestimmen, die von ihnen bezeugten Textvarianten zu erheben und diese in eine genealogische Beziehung (ältere und jüngere Varianten) zu setzen, um so – soweit möglich – den ältesten Text an allen variierten Stellen zu eruieren.

2. Die Geschichte der Disziplin und ihre Stadien (Editionen)

Das Problem der Textkritik, die große Varianz in der Überlieferung des Textes, wurde schon in der Antike wahrgenommen und theoretisch wie praktisch angegangen. Frühe christliche Autoren wie Irenäus von Lyon (um 135-200 n.Chr.) und Origenes (185-254 n. Chr.) berichten von verschiedenen Varianten in den von ihnen herangezogenen Handschriften und versuchen zu entscheiden, welche der verschiedenen Textgestalten die ‚richtige‘, d.h. die vom Autor verantwortete Form des Textes ist. Sie argumentieren dabei vor allem mit dem Alter und der Qualität der jeweiligen Handschriften, denen sie in ihrer Entscheidung folgen.
Die moderne Textkritik beginnt mit der Erfindung des Buchdrucks, der es zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit erlaubte, größere Auflagen von völlig identischen Fassungen literarischer Werke herzustellen. Die erste Druckausgabe des griechischen Neuen Testaments wurde von Kardinal Francisco Ximénez de Cisneros (1437–1517) im Rahmen der von ihm initiierten Complutensischen Polyglotte geplant. Da aber Desiderius Erasmus von Rotterdam (1466-1536) auf Betreiben des Buchdruckers Johann Froben (1460-1527) in Basel der Veröffentlichung der Polyglotte mit seiner in großer Eile produzierten Druckedition Novum Instrumentum zuvorkam, galt seine Edition als editio princeps und setzte sich für lange Zeit als „allgemein akzeptierter Text“ (textus receptus) durch. (Abb. 1)

Da Erasmus unter großem Zeitdruck gearbeitet und zudem nur wenige und junge Handschriften zur Verfügung hatte, war seine Erstedition mit vielen Fehlern belastet und bot eine späte Fassung des neutestamentlichen Textes, den sogenannten Mehrheitstext. Die Geschichte des griechischen Neuen Testaments nach Erasmus ist zunächst die der Vorherrschaft dieses Textes und ihrer allmählichen Überwindung, die ihren Höhepunkt im 19. Jahrhundert erreicht Zunächst wurden Abweichungen vom Erasmustext gesammelt, ohne daraus grundlegende Konsequenzen für die Textgestalt der Editionen zu ziehen. Doch schon die Ausgaben von John Mill von 1707, Edward Wells von 1709-1718 und Daniel Mace von 1729 stellten den Mehrheitstext an einigen Passagen in Frage.

Eine erste systematische Infragestellung des textus receptus kam von Seiten eines frommen Württemberger Pietisten, Johann Albrecht Bengel (1687-1752). Er druckte zwar in seiner Ausgabe von 1734 (Novum Testamentum Graecum) den textus receptus ab, dies aber nicht mehr unkritisch nach einer Ausgabe desselben, sondern durchaus kritisch, indem er mehrere Ausgaben des textus receptus verglich und sich zwischen den verschiedenen Varianten entschied. Was aber seine Ausgabe revolutionär machte, war nicht der Text, sondern der Apparat und der textkritische Anhang zu seiner Ausgabe, weil er hier den Mehrheitstext explizit in Frage stellte. Dazu klassifizierte er die verschiedenen Varianten des Textes mit Hilfe griechischer Buchstaben (α bis ε), die die Wertigkeit der Varianten angeben sollte, wobei die Sigla α (für eine Variante, die eindeutig ursprünglich und dem textus receptus überlegen sein sollte) und β (für eine, die dem textus receptus aller Wahrscheinlichkeit nach überlegen sein sollte) den bisher gültigen Text grundsätzlich in Frage stellten. (Abb. 2)

Johann Jakob Wettstein (1693-1754) gab in den Jahren 1751 bis 1752 eine maßgebliche Ausgabe des griechischen Neuen Testaments heraus, die zwar aus theologischen Rücksichten noch den textus receptus als Obertext abdruckte, aber durch einen bis dahin nicht erreichten Umfang seines textkritischen Apparats – durch die Heranziehung von ca. 200 Handschriften und die umfängliche Nachweisung von Parallelstellen aus der griechischen und lateinischen Literatur, den Kirchenvätern und der rabbinischen Literatur – die Sprache und Gedankenwelt der Umwelt des Neuen Testaments für das Verständnis desselben erschloss und daher eine enorme Langzeitwirkung hatte. Die von Wettstein eingeführte Art, die Handschriften zu bezeichnen, wirkt bis in die Gegenwart hinein nach. Er war der erste, der die Majuskeln mit Großbuchstaben benannte: A für Codex Alexandrinus, B für Codex Vaticanus u.s.w. bis zum Buchstaben O. Die zahlreichen Minuskelhandschriften, die er heranzog, bezeichnete er, wie noch heute üblich, mit arabischen Zahlen 1, 2, 3 bis 112, ebenso die Lektionare (Evangelistarii, gekennzeichnet durch ein vorangestelltes Evang.).
Johann Jakob Griesbach (1745-1812), der in der Nachfolge von Bengel die Grundlagen der teilweise noch bis heute nachwirkenden Texttheorie verschiedener früher Rezensionen des neutestamentlichen Textes legte, widersprach zwar in seiner Ausgabe an vielen Stellen dem textus receptus, wagte aber noch nicht den entscheidenden Schritt, diesen Text als Ganzen in Frage zu stellen. Dies tat erst der klassische Philologe Carl Lachmann (1793-1851) in seiner Edition, deren Aufgabenstellung darin bestand, aus den frühesten Zeugen, d.h. den Majuskeln, den Text des vierten Jahrhunderts zu rekonstruieren. Es waren aber letztlich die Ausgaben von Lobegott Friedrich Constantin von Tischendorf (1815-1874), dem Entdecker des Codex Sinaiticus, und von Brooke Foss Westcott (1825-1901) und Fenton John Anthony Hort (1828-1892), die die Vorherrschaft des Mehrheitstextes endgültig brachen.
Die große, ja monumentale Ausgabe von Hermann von Soden (1852-1914), für die ungefähr 40 Mitarbeiter in aller Welt eine Unmenge von Handschriften auswerteten, erschien zwar im Jahre 1907 unter dem Titel „Die Schriften des Neuen Testaments in ihrer ältesten erreichbaren Gestalt hergestellt auf Grund ihrer Textgeschichte“, muss aber letztlich als ein Fehlschlag bezeichnet werden, weil sie die enorme Materialfülle nicht wirklich bewältigt hat. Sie war nicht nur in vielen ihrer Angaben fehlerhaft und beruhte auf textgeschichtlichen Voraussetzungen, die sich auf die Dauer nicht halten ließen, sondern war durch das neue System der Handschriftenverzeichnung, das in der Benennung der Zeugen neben deren Inhalt (δ für das ganze NT, ε für Evangelienhandschriften usw.) auch das Jahrhundert ihrer Entstehung mit bezeichnen sollte, verwirrend und machte die Ausgabe nahezu unbenutzbar. Durchgesetzt hat sich daher das von Caspar René Gregory 1908 entwickelte System der Handschriftennummerierung. Er zählte alle Handschriften mit arabischen Zahlen, wobei er die vier verschiedenen Handschriftengruppen unterschied durch unterschiedliche, den Nummern vorangestellte Zeichen: die Gruppe der neu entdeckten Papyri bezeichnete er mit einem Fraktur-P (𝔓), die Majuskel mit einer Null (0) und die Lektionare mit einem kursiven l (l). Die zahlenmäßig größte Gruppe der Minuskeln zählte er mit arabischen Zahlen ohne Zusatz. Diese Bezeichnungen wurden später von Kurt Aland (1915-1994) übernommen und werden seither als „Gregory-Aland“-Nummern (GA) weltweit genutzt (vgl. unten 3.1).

Eberhard Nestle (1851-1913) veröffentlichte 1898 das Novum Testamentum Graece für die Württembergische Bibelgesellschaft, das den damals erreichten Stand der Forschung zusammenfasste. Bei der Erstellung des Textes seiner Ausgabe verfolgte er die einfache Methode, den Text der drei wichtigsten kritischen Ausgaben des griechischen Neuen Testaments seiner Zeit, d.h. von Tischendorf, Westcott/Hort und Weymouth (diese Ausgabe wurde später durch die von B. Weiss ersetzt) zu vergleichen und die von der Mehrheit der drei Ausgaben gewählte Variante in seinen Text zu übernehmen und die abweichende Lesart in den Apparat zu stellen. Dadurch entstand ein Text, der den Konsens der damaligen Textkritik gut repräsentierte, und so wurde der „Nestle“ – auch auf Grund seiner Erschwinglichkeit – zur erfolgreichsten und maßgeblichen Handausgabe des griechischen Neuen Testament. Seit der 13. Auflage wurde sie von Erwin Nestle (1883-1972), dem Sohn des Begründers, betreut. Mit dem Eintritt von Kurt Aland (1952) wurde der Apparat der Ausgabe, der zunächst nur die verwendeten Ausgaben, später auch einzelne Handschriften auf der Basis von Angaben in den genutzten Editionen verzeichnet hatte, nach und nach durchgehend nach den Originalhandschriften revidiert und ab der 23. Auflage (1957) als „Nestle-Aland“ (NA) weitergeführt. Für die 26. Auflage wurde der Text von einem internationalen Editorenteam (Barbara und Kurt Aland, Johannes Karavidopoulos, Carlo M. Martini, Bruce M. Metzger) grundlegend überarbeitet. Mit dem Text des Greek New Testament (GNT), einer weiteren, vorrangig an Übersetzer gerichteten Handausgabe des NT, ist er seit dessen 4. Auflage identisch. Beide Ausgaben werden vom Institut für Neutestamentliche Textforschung (INTF) verantwortet. (Abb. 3)

Während es sich bei diesen beiden Editionen um Handausgaben handelt, die nur jene Informationen enthalten, die für die Frage nach dem ältesten Text unmittelbare Relevanz haben, wird vom INTF seit 1997 die Editio Critica Maior des griechischen Neuen Testaments in Kooperation mit anderen Forschungsinstitutionen sukzessive herausgeben. Diese Ausgabe dient dem Ziel, den Ausgangstext des Neuen Testaments auf der Basis des gesamten für die Textgeschichte des ersten Jahrtausends relevanten Materials unter Verwendung der „Kohärenzbasierten genealogischen Methode“ (CBGM) zu rekonstruieren. (Abb. 4)

Die ECM ist auf der Seite des INTF digital zugänglich und direkt mit dem Virtuellen Handschriftenlesesaal (New Testament Virtual Manuscripts Room, NTVMR) verknüpft (https://ntvmr.uni-muenster.de/). In diesem NTVMR können interessierte Nutzer der digitalen ECM direkt auf die dort bereitgestellten Handschriftenfotografien und ihre Transkripte zurückgreifen. Aber nicht nur die der ECM zugrundeliegenden Materialien, sondern auch die Instrumente zu ihrer Auswertung im Rahmen der CBGM (s.u.) und weitere zusätzliche Funktionen sind über die digitale ECM verfügbar.

3. Das Material der Textkritik: Griechische Handschriften, alte Übersetzungen und patristische Zitate

Die Primärquellen für die Überlieferung des Neuen Testaments stellen die Handschriften dar, genauer: die griechischen Handschriften.

3.1. Die griechischen Handschriften

Es ist in der neutestamentlichen Textkritik üblich geworden, die handschriftliche Überlieferung in Papyri, Majuskeln, Minuskeln und Lektionare einzuteilen, die mit den o.g. „Gregory-Aland“-Nummern gekennzeichnet werden. Die Gruppe der Kommentar- und Katenenhandschriften werden in der Handschriftenliste durch die Zufügung eines „K“ markiert. Dabei ist man sich im Allgemeinen durchaus darüber im Klaren, dass das dieser Materialeinteilung zugrunde liegenden Gliederungsprinzip nicht kohärent ist. Im Falle der Papyri wird die Einteilung vom Beschreibmaterial her genommen, im Falle der Majuskeln und Minuskel von der Schriftart, bei Lektionaren von der Gattung der in den Handschriften überlieferten Werke. Diese Inkonsequenz der Gliederung hat sich aus der Geschichte der Disziplin ergeben und lässt sich, ohne noch größere Unordnung in die Handschriftenlisten zu bringen, kaum mehr auflösen. Daher scheint es besser zu sein, mit der Inkonsequenz eines überkommenen Einteilungssystems zu leben als durch eine vielleicht konsequente Neuerung den Gebrauch älterer Editionen und textkritischer Literatur unnötig zu erschweren und zugleich wichtige Differenzierungen bei der Verzeichnung von Zeugen zu verlieren. Die Liste der neutestamentlichen Handschriften wird im Institut für neutestamentliche Textforschung in Münster geführt und liegt sowohl gedruckt als auch digital vor (https://ntvmr.uni-muenster.de/liste).

3.1.1. Die Papyri

Die Papyri sind teilweise die ältesten Überlieferungsträger. Dass man diese Handschriften zu einer Gruppe zusammenfasst, liegt allein an dem Beschreibstoff, dem Papyrus. Papyrus wurde hauptsächlich, aber nicht nur, in Ägypten hergestellt, wo im Nildelta optimale Bedingungen für den Papyrusanbau herrschten. Die aus dem Mark der Stängel hergestellten Papyrusblätter wurden normalerweise zu Rollen verarbeitet; das Christentum hat allerdings von Anfang an die Blätter in Kodexform verwendet.
Die schlechter zu beschreibende Rückseite des Papyrus – sie richtet sich gegen den Faserverlauf – wird als verso (versus, „gewendet, gedreht“), die leichter zu beschreibende Vorderseite als recto (rectus, „aufrecht, gerade, richtig“) benannt. Diese Blattbezeichnungen (Foliierung) wurden auch auf andere Beschreibstoffe wie Pergament und Papier übertragen: Bei einer aufgeschlagenen Handschrift ist also die linke Seite die Verso-Seite, die rechte dagegen die Recto-Seite. Einige Handschriften sind aber später nachträglich im heutigen Sinne seitenweise gezählt, d.h. paginiert worden.
Vom Schrifttyp her gehören die neutestamentlichen Papyri zu den Majuskeln, d.h., sie sind in griechischen Großbuchstaben geschrieben. Typisch für diese Schriftart ist die scriptio continua, d.h. es gibt keine Wortzwischenräume im laufenden Text. Die Bedeutung der teilweise sehr fragmentarisch erhaltenen Papyri liegt in ihrem oft hohen Alter. Papyrus als Schreibmaterial herrscht bis zum vierten Jahrhundert vor, es finden sich aber bis ins 8./9. Jahrhundert noch Papyrushandschriften.

Der wahrscheinlich älteste bis heute bekannte neutestamentliche Papyrus ist 𝔓52, der im Allgemeinen auf die erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts datiert wird. Er enthält kaum ein vollständiges Wort, kann aber mit einiger Sicherheit als Zeuge für das griechische Johannesevangelium angesehen werden. Da es sich offenbar um das Fragment eines Codex handelt, sind Vorder- und Rückseite des Papyrus beschrieben.
Während 𝔓52 als eines der ältesten Zeugnisse für das Neue Testament nur ein winziges Fragment darstellt, sind auch ganze Bücher des NT auf Papyrus überliefert, und zwar schon relativ früh. Ein Beispiel dafür ist 𝔓66, der das Johannesevangelium nahezu vollständig enthält. Er wird meist um das Jahr 200 n.Chr. datiert und von den Papyrologen allgemein als Papyrus Bodmer II bezeichnet. Denn er gehört zu einer Sammlung von 22 Papyri, die im Jahre 1952 in Ägypten, genauer in Pbow nahe der Stadt Dishna, in einem alten Kloster entdeckt und von dem Sammler Martin Bodmer erworben wurde; seither wird er in der Bibliotheca Bodmeriana in Cologny in der Schweiz aufbewahrt. Von großer Bedeutung ist auch 𝔓75, wahrscheinlich aus dem frühen dritten Jahrhundert, der große Teile des Lukasevangeliums und des Johannesevangeliums enthält. Sein Text ist sehr nahe mit dem des Codex Vaticanus verwandt, was ein Indiz für das hohe Alter des von ihnen überlieferten Textes darstellt. (Abb. 5)

3.1.2. Die Majuskeln

Die Majuskeln gehören ebenfalls der älteren Überlieferungsschicht an. Sie unterscheiden sich von den Papyri nicht in der Schriftform, sondern in dem benutzten Beschreibmaterial. Sie wurden meist auf dem viel teureren, aber auch haltbareren Pergament, d.h. auf nicht gegerbter Tierhaut geschrieben. Pergamenthandschriften sind ein Zeichen des sozialen Aufstiegs der Kirche. Sie kommen – soweit sich erkennen lässt – erst nach dem Übertritt des Kaisers Konstantin zum Christentum und der damit verbundenen Förderung der Kirche durch den Staat in größerem Umfang zum Einsatz. Unter den Majuskeln befinden sich die ältesten und besten Vollhandschriften, die sowohl das griechische Alte und das Neuen Testaments enthalten, aus dem vierten bzw. dem fünften Jahrhundert, wie der berühmte Codex Vaticanus (B 03) und der von von Tischendorf entdeckte Codex Sinaiticus ( א01). Eine andere, besonders bemerkenswerte Majuskel ist der Codex Bezae (D 05) aus dem fünften Jahrhundert, eine lateinisch-griechische Bilingue, die sich durch einen sehr eigenwilligen, streckenweise paraphrasierenden Text auszeichnet. Er galt lange als Vertreter einer eigenen Textform, des sogenannten „westlichen Textes“. (Abb. 6)

3.1.3. Die Minuskeln

Während in der Frühzeit der Überlieferung die Majuskelschrift gebräuchlich war, ist die Mehrzahl der erhaltenen Handschriften in einer anderen Schriftform geschrieben, der sogenannten Minuskelschrift. Diese schon früh im Alltag gebräuchliche Schriftform ist dadurch charakterisiert, dass sie in kleinen Buchstaben geschrieben ist und diese miteinander verbindet, so dass nicht allein Platz gespart wird, sondern auch Zeit; denn die Minuskelschrift ist eine Schreibschrift, eine Kursive, die sich bequemer und leichter anwenden lässt als die schwerfällige und immer wie gemalt aussehende Majuskel. Spätestens im achten Jahrhundert entwickelte sich diese Kursivschrift zu einer klaren und auch für biblische und literarische Texte anwendbare Schrift, die kalligraphischen Ansprüchen genügen konnte, die Minuskel. In dieser Zeit wurden die Texte zudem dadurch leichter lesbar gemacht, dass sie mit Akzenten und Atemzeichen versehen wurden. Die Durchsetzung der Minuskelschrift fällt zusammen mit einer wichtigen Epoche in der byzantinischen Geistesgeschichte: dem sogenannten „ersten Humanismus“, einer Renaissance und Wiederentdeckung des klassischen Erbes im frühen neunten Jahrhundert. In dieser Zeit, die einer langen Periode des kulturellen und politischen Niedergangs im römischen Reich des Ostens folgte, die man als die dunklen Jahrhunderte (etwa 650-850 n.Chr.) zu bezeichnen pflegt, wurde das klassische Erbe der Antike im griechisch sprachigen Raum erneut entdeckt. Man durchforstete systematisch die Bibliotheken und entdeckte viele antike wissenschaftliche und philosophische Werke wieder, die man durch ihre Transkription in die neue Minuskelschrift der Nachwelt erhielt. Wir wissen zwar nicht, wie systematisch und gründlich diese Suche und Umschrift der alten Schätze geschehen ist, weil uns dazu die Quellen fehlen, aber soviel ist immerhin sicher: Nahezu die gesamte Überlieferung der antiken Literatur ist durch dieses Nadelöhr der byzantinischen Rezeption gegangen. Was die byzantinischen Bibliothekare und Gelehrten nicht fanden oder nicht als der Überlieferung wert erachteten, ist allermeist für immer verloren gegangen. Auch für die Textgeschichte des Neuen Testaments hat diese Umschrift von der Majuskel in die Minuskel die Bedeutung einer Zäsur: Man griff bei der Umschrift auf die Texte zurück, die sich inzwischen in der Textüberlieferung des Neuen Testaments weitgehend durchgesetzt hatte. Auch wenn dieser Text schon vorher weit verbreitet war, zur fast alleinigen Herrschaft ist er wohl erst durch diese Umstellung gelangt. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass diese Textform nach dem 9. Jahrhundert alle anderen Formen des Textes verdrängt hätte. Wichtige Zeugen des früheren Textes sind auch in der Minuskelphase belegt und für die textkritische Arbeit von großer Bedeutung. Bekanntestes Beispiel einer Minuskel mit altem Text ist 1739 aus dem 10. Jahrhundert. (Abb. 7)

3.1.4. Die Lektionare

Während die kirchlichen Lesungen in den ersten Jahrhunderten des Christentums aus Vollhandschriften der biblischen Bücher vorgenommen worden waren, ging man ab dem 5. Jahrhundert langsam dazu über, die zu verlesenden Perikopen in eigenen Codices zu sammeln und nach der Reihenfolge ihrer gottesdienstlichen Lesung im Kirchenjahr zu ordnen. Diese Lesebibeln stellen mit über 2500 Exemplaren einen großen Teil der griechischen neutestamentlichen Handschriften dar. In der Textkritik des Neuen Testaments wurden sie lange vernachlässigt, da man davon ausging, dass sie als Vertreter des Mehrheitstextes textgeschichtlich von geringem Wert seien. Inzwischen wird mehr und mehr erkannt, dass die Lektionare wichtige Zeugen für den in der Kirche benutzten Bibeltext sind, so dass ihre genaue Untersuchung als dringendes Desiderat der Forschung anzusehen ist.

3.1.5. Die Kommentar- und Katenenhandschriften

Katenenhandschriften sind Kommentarhandschriften, in denen dem griechischen Text des Neuen Testaments Ausschnitte aus den großen Kommentaren verschiedener Kirchenväter beigegeben sind. Da ihr Bibeltext offensichtlich sehr bewusst ausgewählt und äußerst präzise abgeschrieben wurde, sind sie für die Textgeschichte des Neuen Testaments von großer Bedeutung.

3.1.6. Sonstige Materialien

Sobald eine Handschrift eine oder mehrere Schriften des Neuen Testaments enthält oder einmal enthalten hat, kann sie als neutestamentliche Handschrift gelten. Manuskripte, die von vornherein nur Teile oder Passagen aus neutestamentlichen Werken enthalten, haben als Florilegien oder Exzerpte zu gelten und sind keine vollwertigen direkten neutestamentlichen Zeugen, auch wenn sie in ihrem Text aller Wahrscheinlichkeit nach letztlich ebenfalls auf neutestamentliche Handschriften zurückgegangen sein dürften. Es sind dies u.a. Talismane auf Papyrus, Pergament, Holztafeln oder Tonscherben (Ostraka). Bislang wurden diese Textzeugen, da sie keine neutestamentlichen Handschriften im engeren Sinne sind, nicht in der „Kurzgefassten Liste“ der neutestamentlichen Handschriften geführt. Für die 3. Auflage der Liste ist vorgesehen, sie im Appendix aufzulisten, da sie Material bieten, das für die Textgeschichte von Bedeutung sein könnte.

3.2. Die Übersetzungen

Das Christentum hat schon sehr früh in seiner Geschichte Kultur- und Sprachgrenzen überwunden, und seine Heiligen Schriften sind daher schon in einer sehr alten Phase ihrer Überlieferung in verschiedene antike Sprachen übersetzt worden. Da einige dieser Übersetzungen direkt aus dem Griechischen geflossen und dabei teilweise früher entstanden sind als der Großteil der erhaltenen Handschriften des Neuen Testaments, sind sie per se wichtige Zeugen für den griechischen Text der Frühzeit. Allerdings gilt es, bei der Auswertung ihres Zeugnisses gewisse Vorsicht walten zu lassen, da die Übersetzungen nicht einfach eins zu eins als Abbild ihres griechischen Vorlagetextes angesehen werden können. Vielmehr ist in Anschlag zu bringen, dass jede Version ihre Eigenheiten hat, die ihren Übersetzungsstil, die je unterschiedlichen Möglichkeiten der jeweiligen Zielsprache sowie die Aussagen und grammatikalischen Strukturen ihres ursprungssprachlichen Textes wiedergeben oder abbilden, aber auch die Überlieferungsprozesse innerhalb der jeweiligen sprachlichen Tradition betreffen.

3.2.1. Die lateinischen Übersetzungen

Die lateinischen Handschriften des Neuen Testaments stellen zweifelsohne die größte Masse an Überlieferungsträgern dar, die den Text des Neuen Testaments enthalten. Während die Zahl der griechischen neutestamentlichen Handschriften in den Fünftausendern liegen, können wir von ca. 10.000 lateinischen Handschriften ausgehen. Die meisten davon sind Vertreter der sogenannten Vulgata, ein weitaus geringerer Teil sind Handschriften, die von diesem „Mehrheitstext“ der lateinischen Bibelübersetzung abweichen und ältere Textformen bezeugen, die man unter dem Titel der Vetus Latina zusammenzufassen pflegt. Die schiere Masse der lateinischen Bibelhandschriften, aber auch die große Verschiedenheit, wurde schon in der Antike bemerkt.

3.2.1.1. Die Vetus Latina

Die Vetus Latina ist, obwohl in der Antike sehr bunt und breit überliefert, heute nur noch sehr schlecht erhalten; insgesamt existieren lediglich 72 Handschriften, die meisten fragmentarisch:
Die älteste ist neben dem so genannten Codex Bobiensis der Codex Vercellensis, VL3 – beide aus dem vierten Jahrhundert – der die vier Evangelien in der sogenannten „westlichen Reihenfolge“ (Mt, Joh, Lk, Mk) enthält. Der altlateinische Text bricht in Mk 15,15 ab und wurde in 16,7-20 durch den Vulgatatext ersetzt. Die Handschrift ist trotz einer aufwändigen Restauration Anfang des 20. Jahrhunderts in einigen Passagen bis heute unleserlich.
Da der Text der Vetus Latina nicht einheitlich ist, wird er in der kritischen Edition nach verschiedenen Texttypen, die aus verschiedenen Handschriften und Bibelzitaten lateinischer Schriftsteller rekonstruiert werden, editiert. So existieren z.B. im Markusevangelium folgende Texttypen:

X Text des Tertullian
K Afrikanischer Text, VL1 (Codex Bobiensis) und Cyprian von Karthago
C Später afrikanischer Text
D Die älteste Form des „europäischen Textes“
I Italischer Text der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts
J Nebenform des Italischen Texts
M Mailänder Text, wie er in den Zitaten des Ambrosius von Mailand bezeugt ist
A Zitate bei Augustinus

3.2.1.2. Die Vulgata

Diese große Verschiedenheit in der lateinischen Tradition wollte auf Befehl des Papstes Damasus (305-384) der christliche Theologe und Gelehrte Hieronymus (347-420) steuern, indem er eine Revision der Evangelien vornahm, die dann von anderen anonymen Gelehrten weitergeführt und auf die ganze Bibel ausgeweitet wurde. Sie setzte sich auf lange Sicht als die allgemein verbreitete lateinische Bibel durch, die Vulgata, und verdrängte nach und nach die Vetus Latina.
Während Hieronymus von sich behauptete, er habe das Alte Testament aus dem Hebräischen übersetzt, bezeichnete er seine Arbeit am Neuen Testament selbst bewusst nicht als Übersetzung, sondern als Bearbeitung (emendatio). Er legte also seiner eigenen Bearbeitung der Evangelien – nur eine solche ist wohl mit Sicherheit ganz auf ihn selbst zurückzuführen – die altlateinischen Vorformen zugrunde und revidierte sie nach dem griechischen Urtext. Andere Teile des Neuen Testaments scheint er selbst nur sehr flüchtig und oberflächlich bearbeitet zu haben.
Der Rest des Neuen Testaments wurde erst Ende des vierten bis Anfang des fünften Jahrhunderts, wahrscheinlich in Rom, vollendet. Im Laufe der Jahrhunderte setzte sich die Vulgata allgemein durch, teilweise bis in die späte Zeit mit altlateinischen Textelementen vermischt.
Die lateinischen Übersetzungen des Neuen Testaments sind, wenn man sie recht zu gebrauchen versteht, extrem wichtige Zeugen für den frühen griechischen Text, da sie in einer Zeit übersetzt und auch revidiert wurden, aus der wir nur noch sehr wenige Handschriften besitzen. Gerade die sprachliche Nähe des Lateinischen zum Griechischen lässt wörtliche Übersetzungen zu, die uns einen Rückschluss auf die griechische Vorlage der Übersetzung erlauben.

3.2.2. Die koptischen Übersetzungen

War das Christentum in der Weltmetropole Alexandrien, wie die Werke des Clemens von Alexandrien und des Origenes zeigen können, ganz und gar griechisch geprägt, so sprachen die Christen auf dem Lande meist Koptisch, d.h. die spätägyptische Sprache in ihren verschiedenen Dialekten. Für die neutestamentliche Textforschung am Wichtigsten sind dabei die folgenden Dialekte, in denen nennenswerte Teile des Neuen Testaments erhalten sind:
Das Sahidische ist der klassische Dialekt des Koptischen, der in der Hochzeit der koptischen Literatur vom vierten bis zum siebten Jahrhundert die vorherrschende Sprachform war. Sie ist durch ihre relativ stark normierte Orthographie bis heute die Gestalt des Koptischen, die man als Anfängerin oder Anfänger als das normative Koptisch zu lernen pflegt. Es wurde hauptsächlich in Oberägypten gesprochen, und auch der Klassiker der Koptischen Literatur, Schenute von Atripe, bediente sich dieser Sprache.
Das Bohairische, die Sprache des westlichen Nildeltas, wurde nach langer Vorherrschaft des Sahidischen in der Zeit von 700 bis 1300 n.Chr. zu der klassischen Sprache der koptischen Kirche und wird bis heute – neben dem Arabischen – in der Liturgie der koptischen Kirche verwendet, allerdings nicht mehr als wirklich lebendige Sprache, sondern als rein liturgische.
Dagegen hat das Faijumische, das zwischen dem 4. und dem 11. Jahrhundert nachweisbar ist, nur eine marginale Rolle gespielt, ist aber für die Bibelüberlieferung von nicht geringer Bedeutung; denn neben Texten aus dem Alten Testament sind auch der erste Johannesbrief und der Zweite Petrusbrief in der frühen Handschrift Papryus Michigan 3520 aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts erhalten. Wichtige Textzeugen sind daneben auch im sogenannten Mittelägyptischen erhalten.

3.2.3. Die syrischen Übersetzungen

Das Christentum hat im östlichen Reichsteil, aber auch weiter östlich der Reichsgrenzen verhältnismäßig früh Fuß gefasst. Auch wenn es mit Sicherheit eine Legende ist, dass schon direkt nach dem Tode Jesu der Jünger Thaddäus den König Abgar zum Christentum bekehrt hat (Abgar-Legende), so lässt sich doch nachweisen, dass das Christentum in Edessa schon Ende des zweiten Jahrhunderts nicht nur vertreten, sondern schon weit verbreitet war. Anfang des dritten Jahrhunderts ist dann wirklich die Bekehrung des Stattkönigs von Edessa zum Christentum erfolgt und dieses in Edessa zur Staatsreligion geworden.
Schon um 170 n.Chr. legte Tatian, ein Syrer, der aber auch griechisch schrieb, sein Diatessaron, seine Evangelienharmonie vor. Er hat sie wahrscheinlich auf syrisch verfasst, und sie wurde noch bis ins fünfte Jahrhundert hinein in syrischen Gemeinden anstelle der vier einzelnen Evangelien im Gottesdienst verlesen. Das Diatessaron ist aber weder in der syrischen noch in der griechischen Fassung erhalten geblieben und seine Rekonstruktion daher mit sehr vielen Unsicherheiten belastet.
Die älteste sicher greifbare Stufe des syrischen Neuen Testaments lässt sich in zwei Handschriften finden, die die sogenannten Vetus Syra repräsentieren: der Codex Curetonianus, benannt nach seinem ersten Editor, dem britischen Orientalisten William Cureton, und der sogenannte Sinai-Syrer, so genannt, weil er 1892 im Katharinenkloster auf dem Sinai gefunden wurde. Die am weitesten verbreitete syrische Übersetzung ist die sogenannte Peschitta („die Einfache“), die eine grundlegende Revision der Vetus Syra darstellt und sozusagen die „kanonische Bibel“ der Syrer ist. Die sogenannte Philoxeniana, die im Auftrag des miaphysitischen Bischofs Philoxenus von Mabug (485-523) entstanden ist, ist leider nicht erhalten und ihre Rekonstruktion kaum mehr möglich. Dagegen besitzen wir bis heute die sogenannte Harklensis, die der miaphysitische Bischof Thomas von Harqel in den Jahren 615/616 in einem koptischen Kloster in der Nähe von Alexandrien auf der Basis der Philoxeniana unter Heranziehung verschiedener griechischer Handschriften erstellt hat. Diese Übersetzung ist nicht nur dadurch, dass sie einen sehr wörtlichen Übersetzungsstil pflegt, wodurch sich ihre griechische Vorlage recht genau rekonstruieren lässt, sondern auch als textkritische Leistung ihres Autors von großer Bedeutung. Denn Thomas von Harqel hat nicht nur mehrere griechische Handschriften benutzt, sondern deren verschiedene Lesarten sowie die Abweichungen zwischen den griechischen Handschriften und der syrischen Vorlage, die er überarbeitete, am Rande des Textes mit kritischen Zeichen vermerkt. Dadurch wird seine Übersetzung zu einem wichtigen Zeugen für den griechischen Text des frühen siebten Jahrhunderts.

3.2.4. Die gotische Übersetzung

Die gotische Bibel ist die erste Übersetzung biblischer Bücher in eine germanische Sprache. Einzelne gotische Christen gab es wohl schon Mitte des dritten Jahrhunderts, denen das Christentum durch christliche Kriegsgefangene aus Kleinasien vermittelt worden war. Die eigentliche Gotenmission beginnt dann mit Wulfila (gotisch für „kleiner Wolf“, griechisch als Ulfilas wiedergegeben), der der Sohn einer aus Kappadokien stammenden Christin und eines gotischen Vaters war. Er ist um 310 n.Chr. geboren und 382/383 bei einem Besuch in Konstantinopel gestorben. Er scheint seine kirchliche Laufbahn als Lektor, d.h. als Vorleser, begonnen zu haben und wird in dieser Funktion im Gottesdienst die kirchlichen Lesungstexte ad hoc aus dem Griechischen ins Gotische übersetzt haben. Entweder im dogmengeschichtlich wichtigen Jahre 341 oder aber schon 336, im Rahmen einer gotischen Gesandtschaft, ist er wahrscheinlich in Konstantinopel von Euseb von Nikomedien zum Bischof von Gothia (Dakien und Mösien, nördlich der Donau), also zum Missionsbischof der Westgoten, geweiht worden.

3.2.5. Weitere Übersetzungen

Während sie lange Zeit im Verdacht stand, eine Sekundärübersetzung aus dem Syrischen zu sein, hat sich inzwischen herausgestellt, dass die äthiopische Version schon recht früh, nämlich im 4. Jahrhundert entstanden sein dürfte und aus dem Griechischen geflossen ist.
Dagegen sind andere Übersetzungen, wie die altkirchenslavische, die georgische, die armenische usw., da sie nicht direkt auf den griechischen Text zurückgehen dürften, für die Textkritik des griechischen Neuen Testaments von untergeordneter Bedeutung.

3.2.6. Die Zitate früher Kirchenschriftsteller

Die Texte des Neuen Testaments wurde nicht nur abgeschrieben, um von einzelnen Gläubigen gelesen oder im Gottesdienst verlesen zu werden, sondern auch von christlichen Gelehrten in Predigten und Kommentaren ausgelegt, um den christlichen Glauben für die Gemeinden, aber auch für Außenstehende und Kritiker zu erläutern, zu aktualisieren und gegen Vorwürfe der Unstimmigkeit oder Unvernünftigkeit zu verteidigen. Um ihre Aufgabe zu erfüllen, haben sie dabei im Laufe der Zeit immer intensiver die Bibel und damit auch das Neue Testament als Belege für ihre eigenen theologischen Meinungen und Erkenntnisse herangezogen. Es genügte nicht mehr, eine christliche Ansicht als solche auf den Herrn zurückzuführen, oder sich auf die apostolische Botschaft im Allgemeinen zu berufen, sondern es wurden explizite Zitate als Belege für die eigene Ansicht notwendig. In der profanen Antike waren eigentliche Zitate, also wörtliche Anführungen aus anderen Werken, die der Autor oder die Autorin verwendet hatte, eher unüblich, widersprach eine solche Praxis der Übernahme von ganzen Aussagen oder Passagen aus anderen literarischen Kontexten doch dem Postulat der „Einheit des Stils“. Die christlichen Autoren kannten solche Skrupel nicht, und so wurde das wörtliche Schriftzitat zu einer typischen Eigenart christlicher Texte.
Während das Alte Testament schon von Paulus wörtlich zitiert wird, finden sich die ersten neutestamentlichen Zitate erst seit der Mitte des zweiten Jahrhunderts bei Gnostikern (wie dem Valentinianer Ptolemäus) und dem Apologeten Justin. Allerdings zitieren diese frühen Autoren die neutestamentlichen Passagen, die sie heranziehen, nicht wörtlich, sondern neigen dazu, die Evangelien „synoptisch“ zu zitieren, indem sie etwa Parallelelen aus Matthäus und Lukas vermischen oder verdeutlichende Glossen in ihre Zitate aufzunehmen. Erst mit Irenäus von Lyon beginnt Ende des zweiten Jahrhunderts die Zeit der genauen und mit Angabe des biblischen Buches versehenen Zitierung klar definierter neutestamentlicher Passagen, die ihren ersten Höhepunkt in der bewusst philologisch exakten Zitierweise des Origenes (185-254 n.Chr.) findet. Aber auch in späterer Zeit ist auf das jeweilige Zitierverhalten der einzelnen Autoren zu achten; dieses reicht von Anspielungen und bewusster oder unbewusster Adaption des Zitierten an die jeweilige Aussageintention im Kontext der eigenen Argumentation bis hin zu wortgetreuen und damit zuverlässigen Zitaten.
Die umsichtige und kritische Auswertung der Kirchenväterzitate dient im Rahmen der textkritischen Arbeit dazu, Varianten, eventuell auch Variantenschichten und Textformen geographisch und zeitlich einzuordnen: Während die Handschriften meist nicht eindeutig zu datieren und zu lokalisieren sind, wissen wir bei den meisten Kirchenschriftstellern recht genau, wo und wann sie gelebt und gewirkt haben.

4. Die Methoden der Textkritik

Nachdem in einem ersten Schritt festgestellt worden ist, welche verschiedenen Varianten in der Überlieferung des Textes bezeugt sind, ist es die vornehmliche Aufgabe der Textkritik zu entscheiden, wie sich die verschiedenen Varianten genealogisch zueinander verhalten, d.h. welche Textgestalt die ursprüngliche und welche die davon abgeleiteten Lesarten sind. An jeder variierten Stelle wird daher jene Lesart, aus der sich direkt oder indirekt alle anderen ableiten lassen, als die ursprünglichste gelten, die dem Text des Autors am nächsten kommt bzw. mit ihm identisch ist.
Um diese Entscheidung methodisch kontrolliert und nachvollziehbar treffen zu können, bedarf es wohl definierter und konsensfähiger Kriterien. Daher hat sich im Laufe der Zeit eine Reihe von Regeln herausgebildet, die die Beobachtungen generalisieren, die in der Forschungsgeschichte gemacht worden sind.

4.1 Innere und äußere Kriterien

Die inneren Kriterien beziehen sich auf die aus dem Abschreibprozess ergebenden Wahrscheinlichkeiten der Entstehung einer Lesart aus einer anderen. So sind solche Varianten mit höchster Wahrscheinlichkeit sekundär, die sich durch mechanische Versehen wie einen Augensprung von einem zu einem anderen gleichlautenden Wort oder Wortbestandteil im Text erklären lassen (Homoioteleuton, bei gleichem Wortende; Homoioarkton, bei gleichem Wortanfang). Abschreibende neigen außerdem dazu, ungewöhnliche und seltene Wörter durch scheinbar passendere und bekanntere Alternativen zu ersetzen oder Passagen, die schwierig zu verstehen sind, zu vereinfachen. Daher erklärt sich die Regel: „die schwierigere Lesart ist vorzuziehen“ (lectio difficilior est potior).
Insgesamt geht es hierbei darum, welche Variante eher dem Autor oder welche eher einem Kopisten zuzutrauen ist. Daher spielen auch der Stil des Autors und der Sprachgebrauch bestimmter Zeiten, d.h. die Sprachgeschichte, eine große Rolle bei der Beantwortung dieser Frage.
Das äußere Kriterium bezieht sich auf die Qualität der Bezeugung von Varianten: Die Erfahrung hat gezeigt, welche Zeugen in Fällen, in denen eine Entscheidung allein aus inneren Gründen gefällt werden kann, sehr häufig den älteren Text gegen die Mehrheit anderer Zeugen treu bewahrt haben. Daher ist es plausibel anzunehmen, dass sie dies auch tendenziell an jenen Stellen getan haben, an denen die inneren Gründe nicht eindeutig sind. Handschriften von großer Textqualität sind u.a. der Codex Vaticanus (B 03) und der Codex Sinaiticus ( א01).
Um das Verhältnis von Handschriften zueinander und damit die Wertigkeit ihres jeweiligen Textes beurteilen zu können, wird in der klassischen Textkritik die sogenannte stemmatische Methode angewandt, um über Stammbäume von Handschriften anhand von Fehlern, die bestimmte Zeugen gemeinsam überliefern, nicht nur die Zusammengehörigkeit dieser Zeugen, sondern auch die Genealogie zwischen den Handschriften zu klären. Dies kann man erfolgreich tun, wenn nur solche Fehler berücksichtigt werden, die nicht unabhängig voneinander entstanden sind und die auch ohne Rückgriff auf eine andere fehlerfreie Vorlage nicht korrigiert werden können. Wenn nämlich jede Handschrift nur aus einer Vorlage abgeschrieben wurde, müssen die Fehler sich akkumulieren, so dass die Richtung der Textentwicklung feststeht. Da es aber im Falle der neutestamentlichen Überlieferung augenscheinlich immer wieder vorgekommen ist, dass verschiedene Handschriften mit unterschiedlichen Textformen miteinander verglichen worden sind, ist es häufig dazu gekommen, dass sich ältere und jüngere Varianten in den Abschriften gemischt haben (Kontamination), so dass ein Stemma der Handschriften nicht eindeutig rekonstruiert werden kann. Da sich auch die traditionelle Texttypentheorie seit der genauen Kenntnis des Gesamtmaterials nicht mehr halten lässt, blieb zunächst nur die Möglichkeit, Textentscheidungen unabhängig von solchen Gesamthypothesen über die Überlieferung an den einzelnen variierten Stellen je für sich zu treffen. Dazu werden lokale Stemmata, d.h. Stammbäume von Lesarten, für jede einzelne zu entscheidende Stelle gebildet, wobei man auf die inneren Kriterien und das Wissen um die Qualität der Zeugen zurückgreift (lokalgenealogische Methode).
Ein erster Überblick über den Zeugenwert einzelner Handschriften und ihre Verwandtschaft zu anderen lässt sich anhand von „Text und Textwert des Neuen Testaments“ gewinnen, eine umfangreiche Datensammlung, in der für alle Handschriften an ausgewählten Stellen erhoben wurde, welche Variante sie jeweils bezeugen. Dadurch wird zum einen ermöglicht, diejenigen Handschriften auszusortieren, die so sehr mit dem Mehrheitstext aller Zeugen übereinstimmen, dass ihre Auswertung keine nennenswerten neuen Ergebnisse erwarten lässt. Zum anderen lässt sich dadurch auch eine erste Sortierung der Zeugen nach ihrer Nähe zu dem ältesten Text und ihre Verwandtschaft mit anderen Handschriften erkennen. Diese Datenbank ist digital auf der Homepage des INTF allgemein zugänglich (http://intf.uni-muenster.de/TT_PP/).
Eine verbreitete Methode, das Abschreibverhalten in den Handschriften zu charakterisieren und so ihren Textwert zu ermitteln, stellt die Untersuchung der Singulärlesarten einzelner Zeugen dar, weil man davon ausgeht, dass diese nur von einem Zeugen gebotenen Varianten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf den individuellen Abschreibvorgang des jeweiligen Zeugen zurückgehen. Hierbei zeigt es sich, dass die Kopisten im Abschreibvorgang eher dazu neigen, Wörter auszulassen als welche einzufügen. Das Problem dieser Methode besteht allerdings darin, dass Singulärlesarten gerade jene Varianten sind, die sich in der Überlieferung nicht durchgesetzt haben und daher keine Rückschlüsse auf den Überlieferungsprozess als ganzen erlauben. Sobald nämlich Handschriften miteinander verglichen wurden (Kontamination), setzt sich regelmäßig der längere Text durch, so dass der Text vom Ausgangstext zum Mehrheitstext hin tendenziell wächst. Deshalb bleibt die Faustregel „die kürzere Lesart ist die wahrscheinlichere“ (lectio brevior potior) durchaus ein – wenn auch, wie alle Regeln, mit Umsicht zu gebrauchendes – gewichtiges Kriterium.
Da die Auswertung von Singulärlesarten bei kleineren Zeugen oft nicht genug repräsentatives Variantenmaterial zur Verfügung stellt, um deren Textcharakter zu bestimmen, hat Barbara Aland vorgeschlagen, für die Beurteilung des Textcharakters und des Abschreibverhaltens eines Zeugen das gesamte von ihm gebotene Variantenmaterial in Erwägung zu ziehen und alle Abweichungen seines Textes vom rekonstruierten Ausgangstext, wie er im Nestle-Aland vorliegt, zu vergleichen. Die Grundannahme dabei ist, dass dieser nach heutigen textkritischen Erkenntnissen rekonstruierte Text im Wesentlichen die älteste erreichbare Textform der neutestamentlichen Überlieferung darstellt und daher auch in den allermeisten Fällen der Text gewesen sein dürfte, den die Schreiber der frühesten Textzeugen wohl vor Augen gehabt haben (B. Aland, Kriterien 2; dies., Nutzen 19 f). Der umsichtige Umgang mit beiden Methoden kann zwar helfen, das Abschreibverhalten von Schreibern besser zu verstehen und so die äußeren Kriterien zu schärfen, aber eine Untersuchung des Überlieferungsprozesses auf der Basis aller Varianten der Überlieferung können sie nicht ersetzen. Diese wird aber durch die sogenannte Kohärenzbasierte Genealogische Methode möglich.

4.2 Die Kohärenzbasierte Genealogische Methode

Um die Beurteilung innerer und äußerer Kriterien in ein ausgewogenes und kontrollierbares Verhältnis setzen zu können, wurde am INTF von Gerd Mink die sogenannte Kohärenzbasierte Genealogische Methode (Coherence Based Genealogical Method, CBGM) entwickelt, die auch der Arbeit an der Editio Critica Maior zugrunde gelegt wird. Diese Methode baut auf zwei verschiedenen Arten von Evidenzen auf:
a) die sogenannte prägenealogische Kohärenz und
b) die sogenannte genealogische Kohärenz.
Die sogenannte prägenealogische Kohärenz enthält, wie der Name schon sagt, noch keine genealogischen Daten und Informationen. Sie wird nur durch den Prozentsatz der Übereinstimmung zwischen den Texten der verschiedenen Zeugen im Vergleich zueinander gemessen. In der folgenden Liste werden die Zeugen mit dem Ausgangstext (d.h. Nestle-Aland, 28. Aufl.) verglichen und in absteigender Reihenfolge nach ihrer prozentualen Übereinstimmung mit diesem aufgeführt.

Da nun die Identität von Varianten an vielen variierten Stellen auf Verwandtschaft der Handschriften schließen lässt, die sie bezeugen, ist davon auszugehen, dass Zeugen, die nahe verwandt sind, zu einander in einem genealogischen Verhältnis stehen. Wir können also in diesem prägenealogischen Umfeld nach „potentiellen Vorfahren“ suchen, also nach Zeugen, die einen Text bieten, aus dem sich der Text der betrachteten Handschrift am besten durch Übernahme und nachvollziehbare Veränderungen entwickelt hat.
Dieses genealogisch bestimmte Verhältnis nennen wir die „genealogische Kohärenz“. Hierbei wird nun nicht nur die prozentuelle Übereinstimmung zwischen den Zeugen, sondern auch die Richtung der Textentwicklung zwischen ihnen einbezogen. Dazu werden für alle variierten Stellen lokale Stemmata erstellt, um die Abhängigkeit der Varianten bzw. ihre Ableitung von einander zu bestimmen. Aufgrund dieser Ergebnisse können nun nicht mehr nur die prozentuale Übereinstimmung zwischen zwei Zeugen ausgewertet werden, sondern auch die Information, wie oft ein Zeuge (W1) gegenüber einem anderen Zeugen (W2) die prioritäre (W1>W2) oder die sekundäre Variante (W1<W2) bezeugt.

Der Zeuge mit der höchsten prozentualen Übereinstimmung ist der erste potenzielle Vorfahre; der Zeuge mit der zweithöchsten Übereinstimmung ist der zweite potenzielle Vorfahre und so weiter. In dem oben gezeigten Beispiel für die GA18 ist der erste potenzielle Vorfahre GA35, der zweite GA105, der dritte GA2737 und so weiter. Auf diese Weise kann jeder Zeuge mit all seinen potentiellen Vorfahren, der mehr ältere als jüngere Varianten als sein Nachfahr aufweisen muss, verbunden werden. Das dazu entwickelte Computerprogramm bindet sozusagen jeden einzelnen Zeugen in ein Netzwerk seiner potentiellen Vorfahren und Nachfahren ein, das dann als Ganzes den generellen Textfluss der Überlieferung darzustellen in der Lage ist. Diese sogenannten Textflussdiagramme lassen sich auf jede einzelne variierte Stelle anwenden, indem das Programm für jede Variante an einer variierten Stelle angibt, welcher der potentiellen Vorfahren wahrscheinlich die Variante geliefert hat, aus der die Lesart der jeweils betrachteten Handschrift stammt.
Das bedeutet, die CBGM versucht, den engsten Verwandten unter den potenziellen Vorfahren jedes Zeugen zu finden, der dieselbe Variante an dem ausgewählten Ort bezeugt. Es kann sein, dass dies erst der zweite, dritte oder sogar spätere Vorfahre ist, weil der erste und der zweite in einer anderen Bezeugung zu finden sind. Die Konnektivität der Variante bestimmt, wie viele Vorfahren das Programm suchen soll, um einen Zeugen in demselben Zeugnis zu finden. Bei einer Konnektivität von 5 wird das Programm versuchen, den Vorfahren im selben Zeugnis bis zum 5. potenziellen Vorfahren zu finden. Ist dies nicht möglich, wird der höchstrangige Vertreter der anderen Varianten als potenzieller Vorfahre ausgewählt. Wird die Konnektivität 10 gewählt, geht das Programm für die ersten 10 potenziellen Vorfahren auf diese Weise vor. Wenn nun jeder Zeuge mit seinen potentiellen Vorfahren verbunden wird, kann ein Bild des vorherrschenden Textflusses für jede variierte Stelle erzeugt werden.
Die praktische Anwendung der Methode lässt sich am besten an einem Beispiel verdeutlichen: In Mk 1,1 (Ἀρχὴ τοῦ εὐαγγελίου Ἰησοῦ Χριστοῦ [υἱοῦ θεοῦ]) wurde oft die kürzere Variante ohne den Gottessohntitel als ältester Text angesehen, obwohl sie sich sehr leicht durch einen Augensprung von einem ου zum anderen ου, bei dem also die Worte υἱοῦ θεοῦ versehentlich übersprungen wurden, erklären ließe. Aber man war der Meinung, dass eine solche Unaufmerksamkeit von Abschreibern gerade am Anfang von Schriften sehr unwahrscheinlich sei (Ehrman, Corruption 72). Außerdem wurde angeführt, dass ausgewählte Begriffe wie Gottesnamen und Christustitel schon von der Frühzeit an als nomina sacra (heilige Namen) abgekürzt worden seien, d.h. es wurden nur der Anfang und das Ende der Worte geschrieben und mit einem Überstrich markiert (α̅ν̅ο̅ς = ανθρωπος). Der Gottessohntitel wird also in den Handschriften als υυ θυ geschrieben. Daher sei es mehr als unwahrscheinlich, dass bei zwei so kurzen Buchstabenfolgen ein Sprung von einem υ zum nächsten erfolgt sein sollte (Greven/Güting, Textkritik 41-46). Nun zeigt aber das Textflussdiagramm zu dieser kürzeren Variante „f“ (om. = Jesus Christus ohne den Gottessohntitel), dass genau dieser scheinbar unwahrscheinliche Fehler immer wieder vorgekommen ist.

Diese Graphik besagt, dass die ersten potentiellen Vorfahren aller Handschriften, die die kürzere Lesart bieten, die längere Variante „a“ (υιου του θεου) oder „b“ (υιου θεου) bieten. Daher ist es mehr als wahrscheinlich, dass Variante „f“ sekundär ist und sich mehrfach unabhängig voneinander aus der längeren Variante, eben durch Augensprung gebildet hat.
So kann die Kohärenzbasierte Genealogische Methode helfen, textkritische Entscheidungen zu fällen, die ohne sie in der Schwebe bleiben müssten. Sie ermöglicht darüber hinaus, die textkritischen Kriterien zu überprüfen, da sie sichtbar machen kann, an welchen Stellen der Überlieferung der Übergang von einer Variante zur anderen erfolgt ist. Zum ersten Mal in der Forschungsgeschichte werden wir in die Lage versetzt, auf Basis aller relevanten Zeugen eine evidenzbasierte „Theorie der Variantenentstehung“ zu entwerfen (vgl. Strutwolf, Kanones), eine Arbeit, die am INTF gerade begonnen wurde.

Literatur

Moderne Editionen

  • Nestle-Aland, Novum Testamentum Graece, begründet von Eberhard und Erwin Nestle. Hrsg. v. Barbara und Kurt Aland, Johannes Karavidopoulos, Carlo M. Martini, Bruce M. Metzger, 28. rev. Aufl. Hrsg. v. Institut für Neutestamentliche Textforschung Münster/Westfalen unter der Leitung von Holger Strutwolf, Stuttgart 2012, 7. korrigierter Druck, Stuttgart 2022.
  • The Greek New Testament, ed. by Barbara Aland, Kurt Aland, Johannes Karavidopoulos, Carlo M. Martini, and Bruce M. Metzger in cooperation with the Institute for New Testament Textual Research, Münster/Westphalia, 5th rev. ed., Stuttgart 2014, 6. corrected printing, Stuttgart 2020.
  • Novum Testamentum Graecum. Editio Critica Maior, hrsg. v. Institut für Neutestamentliche Textforschung. Bd. I: Die Synoptischen Evangelien. Teil 2: Das Markusevangelium, hrsg. v. Holger Strutwolf, Georg Gäbel, Annette Hüffmeier, Marie-Luise Lakmann, Gregory S. Paulson und Klaus Wachtel. Teil 2.1: Text; Teil 2.2: Begleitende Materialien; Teil 2.3: Studien, Stuttgart 2021.
  • Bd. III: Die Apostelgeschichte, hrsg. v. Holger Strutwolf, Georg Gäbel, Annette Hüffmeier, Gerd Mink und Klaus Wachtel. Teil 1.1: Text, Kapitel 1-14; Teil 1.2: Text, Kapitel 15-28; Teil 2: Begleitende Materialien; Teil 3: Studien, Stuttgart 2017.
  • Bd. IV: Die Katholischen Briefe, hrsg. v. Barbara Aland, Kurt Aland†, Gerd Mink, Holger Strutwolf und Klaus Wachtel. Teil 1: Text; Teil 2: Begleitende Materialien, 2. revidierte Auflage, Stuttgart 2013.

Hilfsmittel

  • K. Aland/M. Welte/B. Köster/K. Junack, Kurzgefasste Liste der griechischen Handschriften des Neuen Testaments, ANTF 1, 2. neubearbeitete und ergänzte Auflage, Berlin/New York 1994.

Zur Methode der neutestamentlichen Textkritik

  • Aland, B., Textgeschichte / Textkritik der Bibel: II. Neues Testament, – In: TRE 33 (2001) 155-168.
  • Aland, B., Kriterien zur Beurteilung kleinerer Papyrusfragmente des Neuen Testaments – In: New Testament Textual Criticism and Exegesis. Festschrift J. Delobel, hrsg. v. A. Denaux (BETh 161), Leuven 2002, S. 1-13.
  • Aland, B., Der textkritische und textgeschichtliche Nutzen früher Papyri, demonstriert am Johannesevangelium – In: Recent Developments in Textual Criticism. New Testament, Early Christianity and Jewish Literature, hrsg. v. W. Weren, D.-A. Koch (StTR 8), Assen 2003, S. 19-38. Aland, K. – Aland, B., Der Text des Neuen Testaments. Einführung in die wissenschaftlichen Ausgaben sowie in Theorie und Praxis der modernen Textkritik, Stuttgart 19892.
  • Ehrman, B., The Orthodox Corruption of Scripture: The Effect of Early Christological Controversies on the Text of the New Testament, New York/Oxford 1993. Greeven, H. – Güting, E., Textkritik des Markusevangeliums. Münster 2003.
  • Metzger, B. – Ehrman, B., The Text of The New Testament: Its Transmission, Corruption and Restoration. Oxford 2005.
  • Mink, G., The Coherence-Based Genealogical Method (CBGM) – Introductory Presentation, Release 1.0, 2009, (http://egora.uni-muenster.de/intf/service/downloads_en.shtml).
  • Mink, G., Contamination, Coherence, and Coincidence in Textual Transmission – In: The Textual History of the Greek New Testament. Changing Views in Contemporary Research, hrsg. v. K. Wachtel und M.W. Holmes (SBL Text-Critical Studies 8) Atlanta 2011, S. 141-216.
  • Nongbri, B., Reconsidering the Place of Papyrus Bodmer XIV-XV (𝔓75) in the Textual Criticism of the New Testament, Journal of Biblical Literature 135 (2016), S. 405–437.
  • Parker, D.C., An Introduction to the New Testament Manuscripts and their Texts, Cambridge 2008.
  • Royse, J.R., Scribal Habits in Early Greek New Testament Papyri. Leiden 2008.
  • Strutwolf, H., Von den Kanones der Textkritik zu einer Theorie der Variantenentstehung im Rahmen der Kohärenzbasierten Genealogischen Methode. Einige vorläufige Überlegungen – In: The New Testament in Antiquitiy and Byzantium. Traditional and Digital Approaches to its Texts and Editing. A Festschrift for Klaus Wachtel, hrsg. v. H.A.G. Houghton, D.C. Parker und H. Strutwolf (ANTF 52) Berlin 2019, S. 265-280.

Abbildungen

  • Abb. 1: Erasmus von Rotterdam, Seite aus dem Novum Instrumentum
  • Abb. 2: Seite aus Bengels Novum Testamentum mit Apparat
  • Abb. 3: Seite aus dem NA28
  • Abb. 4: Seite aus der ECM Markus
  • Abb. 5: Seite aus P 75
  • Abb. 6: Der Codex Sinaiticus (א 01)
  • Abb. 7: 1739
  • Abb. 8: Liste der nächsten Verwandten des Ausgangstexts
  • Abb. 9: Genealogische Beziehungen der Minuskel 18
  • Abb. 10: Coherence in Attestation für Markus 1,1/14-16

PDF-Archiv

Alle Fassungen dieses Artikels ab Oktober 2017 als PDF-Archiv zum Download:

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