Deutsche Bibelgesellschaft

Haggai / Haggaibuch

(erstellt: Oktober 2021)

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1. Name und Person

Haggai 01
Haggai ist eine Person, die an folgenden Stellen vorkommt (Hag 1,1.3.12.13; Hag 2,1.10.13.14.20; Esr 5,1; Esr 6,14). Ihr wird eine Schrift an zehnter Stelle des Zwölfprophetenbuches zugeschrieben. Der westsemitische Name חַגַּי Haggai meint „der vom Fest / der am Fest Geborene“ (vgl. Stamm, 118) und findet sich auch auf einem Siegel aus dem 6. Jh. v. Chr. (vgl. Deutsch / Heltzer, New Epigraphic Evidence, fig. 77, 83-84).

Über Haggai wird wenig mitgeteilt. Er wird als „Prophet“ (נָבִיא nāvî‘ Hag 1,1.3.12; Hag 2,1.10; auch Esr 5,1) und als „Bote JHWHs“ מַלְאַךְ יהוה mal’akh jhwh (Hag 1,13) bezeichnet. Zur Herkunft und Familie Haggais erfährt die Leserschaft nichts. Die sogenannten Rückkehrerlisten in Esr 2 und Neh 7, die die Namen der aus dem babylonischen Exil nach Juda zurückgekehrten Personen auflisten, nennen Haggai nicht, so dass Exegeten vermuten, dass Haggai zu denen gehörte, die nicht nach Babylon verschleppt wurden (→ Exil), sondern im Land Juda verblieben sind.

Nach Esr 5,1 waren es Haggai und sein Prophetenkollege → Sacharja, die den Anstoß zum Wiederaufbau des Tempels gaben.

2. Die Haggaischrift

Die Haggai zugeschriebene Schrift ist Teil des → Zwölfprophetenbuches und steht darin an zehnter Stelle, und zwar sowohl in der hebräischen Fassung als auch in der → Septuaginta. In der Abfolge der Schriften ist Haggai die erste Schrift, die in die Perserzeit datiert wird. Ihr Thema ist der Wiederaufbau des → Tempels in Jerusalem. Die Schrift notiert selbst, dass Haggais Aufruf zum Wiederaufbau tatsächlich zum Beginn der Arbeiten führte (Hag 1,14; vgl. Hag 2,3.18 auch Esr 5,1).

3. Textüberlieferung

Das älteste erhaltene, vollständige Manuskript des Haggaibuches in hebräischer Sprache findet sich im Codex Petropolitanus (B19A; älterer Name: Codex Leningradensis), der auf das Jahr 1008 n. Chr. datiert wird. Den Editionen der Biblia Hebraica liegt der Text dieses Codex zu Grunde. Ältere Textzeugen fand man in der judäischen Wüste: Das Fragment 4Q77 (ca. 150 v. Chr.) enthält Hag 1,1-2; Hag 2,2-4, das Fragment 4QXIIe (ca. 50 v. Chr.) bietet die Verse Hag 2,18-21. Beide Fragmente stimmen mit dem Masoretischen Text (MT) überein. In einer Zwölfprophetenbuchrolle aus dem Wadi Murrabba֝‘at MurXII (Mur 88; ca. 75 n. Chr.) ist der Haggaitext fragmentarisch enthalten. Die Verse Hag 1,1-9 sind gut erkennbar und stimmen mit MT überein, der weitere Text ist lückenhaft, ab Hag 2,5 bis zum Ende sind nur noch wenige Worte eines jeweiligen Verses erhalten.

Die Septuaginta (LXX) und auch die anderen griechischen Übersetzungen bezeugen weitgehend den MT (einige Differenzen zwischen der hebräischen Vorlage der Septuaginta und dem MT liegen in Hag 1,1.11.12.14; Hag 2,5.9.14.21 vor). Insgesamt werden „recht wörtliche, aber gleichwohl in verständlichem Griechisch gehaltene Übersetzungen“ (Leuenberger, Haggai, 29) geboten.

4. Aufbau und Inhalt des Buches

4.1. Formeln

Das Haggaibuch enthält fast ausschließlich die vom Propheten übermittelten Gottesworte in der 1. Pers. Sg. Die Ausnahme ist Hag 2,10-14, da hier eine Art Dialog zwischen Haggai und den Priestern erzählt wird. Die Autorität der Worte Haggais wird durch zahlreiche Formeln betont: Wortereignisformel „Und es geschah das Wort JHWHs durch die Hand Haggais“ (Hag 1,1.3; Hag 2,1.10.20), Gottesbotenformel „So spricht der HERR Zebaoth“ (Hag 1,2.5.7; Hag 2,6.11), Spruchformel (Hag 1,9.13; Hag 2,4 [3x]; Hag 2,8.14.17.23 [3x]) und Zitatendemarkierung (Hag 1,8; Hag 2,7.9).

4.2. Chronologisches System

Haggai 02
Das Haggaibuch ist mit einem taggenauen chronologischen System versehen worden (Hag 1,1; Hag 1,15; Hag 2,10; Hag 2,18; Hag 2,20; vgl. Tab. 1). Das erste Datum nennt das zweite Regierungsjahr Dareios I. (Hag 1,1.15b; Hag 2,10). In Hag 2,20 ist derselbe Tag wie in Hag 2,10 gemeint. An diesem Tag sind somit zwei Wortereignisse geschehen. Nach dem chronologischen System gab es insgesamt vier Wortereignisse innerhalb von vier Monaten, nämlich von August bis Dezember 520 v. Chr.

Durch das Datierungssystem ist Haggai mit Sach 1-8 verbunden, denn auch dort finden sich entsprechende Daten zur zeitlichen Fixierung der Geschehnisse (Sach 1,1.7; Sach 7,1). Nach Sach 1,1 trat Sacharja bereits im 8. Monat des zweiten Jahres auf. Es gibt also eine Zeit von wenigen Wochen, in denen beide Propheten, Haggai und Sacharja, nebeneinander prophezeiten.

4.3. Gliederung und Inhalt

Haggai 03
Das Haggaibuch lässt sich aufgrund des Datierungssystems und inhaltlicher Aspekte in vier Abschnitte unterteilen, die sich jeweils noch genauer auffächern lassen (vgl. Tab. 2):

4.3.1. Hag 1,1-15: Aufruf zum Wiederaufbau des Tempels im Horizont der agrarischen Krise

Nach der Datumsangabe (29.8.520 v. Chr.) und der Wortereignisformel werden in Hag 1,1 die Adressaten genannt: Serubbabel ben Schealtiel und Jehoschua ben Jehozadak.

Serubbabel ist der Statthalter in Juda; Juda wurde nach der Eroberung Babyloniens durch die Perser zur selbstständigen Provinz → Jehud und gehörte zur Satrapie Babylonien und Transeuphratene des persischen Reiches. Er ist der Sohn Schealtiels (vgl. Esr 3,2.8; Neh 12,1 und 1Chr 3,18 LXX; anders 1Chr 3,18-19) und ein Enkel des ehemaligen jüdäischen Königs → Jojachin, also ein Davidide, ein Nachfahre König Davids. Wahrscheinlich wurde Serubbabel im Exil geboren und kam dann nach dem Regierungsantritt König Darius I. nach Jehud. Jehoschua (→ Jeschua) wird auch andernorts als Sohn Jehozadaks bezeichnet (Esr 3,2) und gilt als → Hohepriester. Mit ihm soll das Hohepriesteramt nachexilisch wiederbelebt werden.

Die Gottesrede beginnt in Hag 1,2b. Gott zitiert die Haltung des Volkes, wonach jetzt nicht die Zeit sei, um den von den Babyloniern zerstörten Tempel wiederaufzubauen. Spätestens hier ist nun klar, dass das Haggaibuch über Vorgänge in Jerusalem spricht. Der Tempel wurde 587/6 v. Chr. vom babylonischen König Nebukadnezar zerstört; der persische König → Kyros soll die Rückkehr der Exilierten nach Jerusalem und den Wiederaufbau des Heiligtums erlaubt (2Chr 36,22-23; Esr 1,1-4; Esr 6,3-5) und unterstützt haben (zum weiteren Kontext vgl. den sogenannten Kyroszylinder [539 v. Chr.], TUAT I, 407-410), was sich so aber erst unter → Darius I. realisierte (vgl. Esr 6,1-18). Über eine Unterstützung des Tempelwiederaufbaus durch die persische Regierung erfahren wir aus persischen Quellen allerdings nichts.

Gott mahnt an, dass das Volk in Häusern wohnt, aber der → Tempel einer Ruine gleicht (Hag 1,4). Hag 1,5-7 bilden eine Einheit und wollen zum Nachdenken anregen. Das Herz (לֵבָב levāv) als Schaltzentrale des Menschen und Zentrum des Denkens, Fühlens und Wollens soll – wörtlich – „auf die eigenen Wege gelegt“ werden (Hag 1,5.7), d.h., das Volk soll sein Ergehen in der jüngsten Vergangenheit reflektieren. Fünf Dinge werden genannt: der Ertrag ist enttäuschend, Hunger und Durst können nicht gestillt werden, trotz Kleidung wird keinem warm, und der Lohn ist in einem „löchrigen Beutel“, d.h., das Verdiente geht schnell wieder verloren (Hag 1,6).

In Hag 1,8 folgt nun ein thematischer Umschwung, denn Gott fordert zum Handeln auf: Das Volk soll ins Gebirge gehen, Holz heranschaffen und den Tempel bauen. Wenn es das tut, will Gott Wohlgefallen daran haben, also über die Bemühungen des Volkes positiv befinden. Hag 1,9 fasst Hag 1,6 in Kürze zusammen und führt zur Erkenntnis: Die agrarische Krise hängt mit dem Tempel zusammen, der brachliegt. Deswegen haben Himmel (Tau) und Erde (Ernteertrag) sich verschlossen (Hag 1,10). Erst in Hag 1,11 offenbart sich Gott als Verursacher der Not. Er hat eine → Dürre gerufen, die sich über das Land und über die Arbeit der Menschen gelegt hat. Dieses Eingreifen Gottes ist Antwort auf das andauernde Ignorieren des Tempels und dessen Wiederaufbau. Daraus lässt sich der logische Schluss ziehen, dass es dem Volk bessergehen wird, wenn es nur den Wiederaufbau in Angriff nimmt.

Hag 1,12-15 bilden eine eigene Einheit. Der Erzähler hält fest, dass das Volk auf die Stimme JHWHs hört (Hag 1,12) und JHWH sogleich sein Mit-Sein zusichert (Hag 1,13). Zudem beschreibt der Erzähler, dass JHWH den Geist aller Angesprochenen erweckt. Anscheinend als Folge dieser Geisterweckung heißt es in Hag 1,14, dass nun die Arbeit am Tempel aufgenommen wird, was sich am 21.9.520 v. Chr. zugetragen haben soll. So dokumentiert der Erzähler den Erfolg der Prophetie Haggais. Das Volk beginnt nämlich mit dem Wiederaufbau des Tempels. Zwischen Wortempfang und Baubeginn liegt demnach knapp ein Monat.

4.3.2. Hag 2,1-9: Zukunft des Tempels

Wie schon der erste Abschnitt, beginnt auch dieser mit der Datumsangabe (17.10.520 v. Chr.), der Wortereignisformel (Hag 2,1) und der Aufzählung der Adressaten Serubbabel, Jehoschua und dieses Mal auch explizit das restliche Volk (Hag 2,2). Die zweite Gottesrede spricht nun in Hag 2,3 konkret diejenigen an, die den Tempel noch in seiner damaligen Herrlichkeit (כׇּבוֺד kāvôd) gesehen haben. Man muss hier annehmen, dass nur die Ältesten im Volk den Tempel mit eigenen Augen noch gesehen haben können, da zwischen Tempelzerstörung (587/6 v. Chr.) durch Nebukadnezar und Wiederaufbau (Einweihung des Tempels 520 v. Chr.; Esr 6,15) fast 70 Jahre liegen. Gott betont, dass der Blick auf den heutigen Tempel eher niederschmettert, da er immer noch brachliegt und einer Ruine gleicht. Bei synchroner Lesart drängt sich der Eindruck auf, dass die Bauarbeiten, die in Hag 1,14 begonnen haben, anscheinend ins Stocken geraten sind. Darum spricht Gott allen Mut zu, nun ans Werk zu gehen, und versichert sein Mit-Sein (Hag 2,4). Hag 2,5 verstärkt den Eindruck des göttlichen Beistandes und der Hilfe durch den Verweis auf den Auszug aus Ägypten und den Bund.

Hag 2,6-8 ist deutlich als eine Einheit zu verstehen. Hag 2,6 kündigt nämlich Gottes Erschüttern von Himmel und Erde sowie des Meeres und des Trockenlandes in naher Zukunft an. So wird der gesamte Kosmos von Gottes Interaktion betroffen sein. Auch die Nationen werden erschüttert, so dass deren Kostbarkeiten, die JHWH als sein Eigentum ansieht, zum Tempel gelangen (Hag 2,7-8). Zum Schluss der Untereinheit Hag 2,6-8 bezieht sich Gott auf die Herrlichkeit des Tempels, die in Zukunft größer sein wird als die frühere. So will Gott zum Tempelwiederaufbau ermutigen und sagt den Erfolg des Projektes zu, wenn die Pracht des zukünftigen Tempels größer sein wird als je zuvor.

Der gesamte Abschnitt Hag 1,15b-2,9 schließt mit der Zusage, dass JHWH an diesem Ort „Frieden“ שָׁלוֺם šālôm geben will (Hag 2,9). Dieser Friede meint ein grundsätzliches „Wohlergehen, Glück, Ruhe und Sicherheit“ (→ Friede / Schalom, 1.2), was sich sowohl in politischen als auch in kultischen und sozialen Kontexten niederschlägt.

4.3.3. Hag 2,10-19: Unreinheit des Volkes und Segenswende

Der dritte Abschnitt beginnt – entsprechend dem bisherigen Schema – mit der Datumsangabe (18.12.520 v. Chr.) und der Wortereignisformel (Hag 2,10). Nach vorangestellter Botenformel fordert Gott Haggai auf, von den Priestern die → Tora zu erbitten, um Fragen in Sachen Rein- und Unreinheit zu klären (Hag 2,11). Es liegt hier der einzige erzählte Dialog im Haggaibuch vor. Haggai stellt den Priestern zwei Fragen, die diese nur knapp beantworten (Hag 2,12-13). In Hag 2,14 resümiert Haggai dann, dass das Volk unrein ist und darum alles, was es tut, auch unrein ist.

Der dritte Abschnitt endet in Hag 2,19 mit zwei Fragen Gottes in Bezug auf agrarische Erträge, die darauf hindeuten, dass das Land immer noch nichts hervorbringt. Doch mit dem Tag der Grundsteinlegung (18.12.520 v. Chr.) wendet Gott diesen Zustand, indem er segnet (ברך brk). Synchron gelesen entsteht ein Verständnisproblem: Ist die Grundsteinlegung schon erfolgt oder nicht? Wenn die Arbeit am Tempel bereits begonnen hat, müsste Gottes zugesagter Segen der Unfruchtbarkeit des Landes ein Ende gesetzt haben, doch gerade dies scheint nach Hag 2,19 eher nicht der Fall zu sein. Klärung kann hier die Redaktionsgeschichte des Buches schaffen (s.u. 5. Entstehung).

4.3.4. Hag 2,20-23: Zukünftiger Umsturz der Völkerwelt

Der vierte und letzte Abschnitt des Haggaibuches wird mit der Wortereignisformel und der Datierung (18.12.520 v. Chr.) sowie dem Verweis eingeleitet, dass Haggai an diesem Tag das Wort Gottes ein zweites Mal empfängt (Hag 2,20). Es wird wieder ein Adressat genannt, und zwar Serubbabel. Doch zunächst berichtet Gott, dass er Himmel und Erde erschüttert (Hag 2,21). Das Thema aus Hag 1,6-8 vom Erschüttern des Kosmos wird aufgenommen und weitergeführt. Denn nun scheint das Eingreifen Gottes nicht mehr in naher Zukunft (Hag 2,6aβ), sondern schon jetzt spürbar zu sein. Über das Erschüttern des Kosmos hinaus wird Gott die Macht der Königreiche der Völker vernichten und die Streitwagen (→ Heer) mit ihren Fahrern umstürzen; Rosse und Reiter werden fallen (Hag 2,22).

Nach diesem eschatologischen Einschub rückt endlich der angesprochene Serubbabel in den Mittelpunkt. In königsideologischer Sprache wird Serubbabel als „Knecht Gottes“ (Hag 2,23: עַבְדִּי ‘avdî „mein Knecht“) bezeichnet und zum חוֹתָם ḥôtām „Siegelring“ gemacht, was metaphorisch aufgefasst werden kann. Da „Siegelring“ determiniert ist, ist wohl der Siegelring Gottes gemeint, so dass Serubbabel „Jhwh legitim und vollmächtig vertreten und repräsentieren“ (Leuenberger 2015, 248) kann. Auf dem Davididen liegt somit die ganze Hoffnung auf ein wiedererstehendes Königtum.

Der Blick auf Jer 22,24 verschärft Serubbabels Bedeutung noch. In Jer 22,24-27 wird dem König Judas → Jojachin der Untergang seines Reiches und die Deportation (→ Exil / Exilszeit) angesagt. Selbst wenn Jojachin ein Siegelring (→ Schmuck) an JHWHs Hand wäre, würde er ihn von dort wegreißen (Jer 22,24). Jojachin verliert hier die Königswürde. Im Haggaibuch scheint die Entmachtung der Davidsdynastie zurückgenommen zu werden: Was einst mit Jojachin unterbrochen wurde, soll seinen Fortgang in Serubbabel finden.

5. Entstehung

Neben wenigen Ausnahmen (z.B. Taylor 2004) besteht ein weitgehender Konsens darüber, dass das Haggaibuch einen Entstehungsprozess durchlaufen hat. Die ältere Forschung rechnete mit sogenannten Auftrittsskizzen eines Prophetenschülers, die dann später durch einen Chronisten mit Datierungen und vereinzelten Zusätzen versehen wurden (z.B. Wolff 1986, 6). Die neuere Forschung hat gezeigt, dass eine Entstehungsgeschichte der Haggaischrift auch das Buchganze des Zwölfprophetenbuches im Blick haben muss (siehe u.a. Nogalski 1993; Schart 1998; Wöhrle 2006; Wöhrle 2008). Im Folgenden wird in Aufnahme der Forschungsergebnisse von Wöhrle (2008, 285-322) und Leuenberger (2015, 44-63) die Entstehungsgeschichte der Haggaischrift grob skizziert.

Die Grundschicht (Hag 1,2-11.12b-13; Hag 2,3-4*.5*.9.15-16.18*.19) könnte noch vor dem Beginn der Bauarbeiten am Tempel verfasst worden sein, also um 520 v. Chr. Wichtige Merkmale der Grundschicht sind der motivierende und werbende Ton für den Wiederaufbau des Tempels vor dem Hintergrund der agrarischen Misere.

Die ältere These einer chronologischen Redaktion, die Datierungen in die Schrift eintrug, erwies sich auch in der neueren Forschung als belastbar. Wenige narrative Worte bzw. Einleitungsformeln (Hag 1,1.3.12a.14-15; Hag 2,1-2.10.18b.20-21a) wurden mit großer Wahrscheinlichkeit in die Haggaischrift eingetragen (darum nennt Leuenberger die Redaktion „chronologisch-narrative Redaktion“). Durch die Datierungen wird deutlich, dass ein Prozess dargestellt werden soll, der knapp vier Monate andauerte: Anfängliche Niedergeschlagenheit und Trostlosigkeit beim Anblick der Tempelruine mussten erst einmal bewältigt werden, bevor das Volk das Tempelbau-Projekt in Angriff nahm (Hag 1,14). Aber weitere Unterstützung war nötig: Unermüdlich zeigte Haggai durch die gesprochenen Gottesworte auf, dass die Menschen ein besseres Leben voll von → Frieden und → Segen erwarten können, sobald sie mit dem Wiederaufbau beginnen, was überzeugt haben muss. Zudem wird das gesamte Bau-Projekt in die Obhut der zwei Amtsträger Serubbabel und Jehoschua gegeben. Es ist plausibel, hierfür die Zeit noch vor Beendigung der Bauarbeiten anzunehmen.

Das Verständnisproblem des dritten Abschnitts in Hag 2,10-19, ob die Grundsteinlegung auf der Textebene erfolgte oder noch aussteht, klärt sich mit der redaktionskritischen Zuweisung von Hag 2,18b zur chronologisch-narrativen Redaktion. Hag 2,18b wurde nachträglich eingefügt, wohl kurz nach Baubeginn. Aus Sicht der Redaktion war also der Tag gekommen, an dem sich nun die Segenswende aus Hag 2,19 ereignen sollte, die man zeitnah erwartete. In der Grundschicht hingegen liegt demnach der Tag des Baubeginns und die damit verbundene Segenswende noch in der Zukunft (vgl. Wöhrle 2006, 308). Für die chronologisch-narrative Redaktion ist der Tag in die eigene Gegenwart gerückt; der Bau hat begonnen und die Grundsteinlegung ist erfolgt, was in Hag 2,18b entsprechend eingeschrieben wurde.

Der aus dem Rahmen fallende Dialog zwischen Haggai und den Priestern in Hag 2,10-14 ist als eine sekundäre Ergänzung anzusehen. Die Szene passt nicht zum restlichen Buch mit seinem agrarwirtschaftlichen Thema und seinem motivierenden, zum Tempelwiederaufbau bewegenden Impetus; den wiedergegebenen Dialog genau zu datieren, bleibt vage. Wöhrle setzt die Szene zeitlich vor der Arbeit der chronologischen Redaktion an (Wöhrle 2006, 302-305.320-321), Leuenberger hingegen ordnet sie erst nach dem Eingriff der Redaktion ein (Leuenberger 2015, 51).

Ebenfalls zeigen die Stücke Hag 2,6-8 und Hag 2,21b-22 einen anderen Horizont und eben kein agrarwirtschaftliches Profil, wenn von Gottes Erschüttern des Kosmos und der Völker die Rede ist. Diese Nachträge weisen eine eschatologische Komponente auf (→ Eschatologie) und könnten grob in die Zeit vom Ende des 5. bis zur Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. passen (Leuenberger 2015, 55). Wöhrle identifiziert auch andernorts im Zwölfprophetenbuch Belege, die in thematisch ähnlichem Licht wie Hag 2,6-8 und Hag 2,21b-22 erscheinen und sogar „markante terminologische Gemeinsamkeiten“ (Wöhrle 2008, 146) aufweisen. So geht Wöhrle von einer schriftübergreifenden Bearbeitung bei → Joel, → Amos, → Micha, → Nahum, → Zefanja, Haggai, Proto- sowie Deuterosacharja aus, die er „Fremdvölkerschicht I“ nennt. Durch eine Zusammenstellung der eben genannten Schriften im Rahmen einer entsprechenden Bearbeitung im Hinblick auf die Völker entsteht bei Wöhrle dann das „Fremdvölker-Korpus I“. Die Fremdvölkerschicht I datiert Wöhrle ähnlich wie Leuenberger in den Zeitraum der „Wende vom 5. zum 4. Jh.“ v. Chr. (Wöhrle 2008, 161). Hintergrund der eher völkerfeindlichen Atmosphäre der Fremdvölkerschicht I sind die Unruhen und Instabilität im persischen Reich ab dem 5. Jahrhundert v. Chr., die an Juda bzw. Jehud nicht spurlos vorbeigingen. So scheint die Fremdvölkerschicht I auf eine von Aufständen geprägte Zeit zu reagieren, wenn die Völker vornehmlich als feindlich wahrgenommen werden und daher die Haggaischrift von der Erschütterung der Völker und der Vernichtung ihrer Kriegsmacht durch Gott spricht.

Zum Schluss sind sehr wahrscheinlich noch Hag 2,5*.17 nachgetragen worden, die aber kaum textinterne Anker oder buchübergreifende Verknüpfungen ins Zwölfprophetenbuch erkennen lassen. Wann diese Nachträge Eingang in die Haggaischrift gefunden haben, liegt im Dunkeln.

6. Theologische Aspekte

6.1. Der Tun-Ergehen Zusammenhang

In der Haggaischrift spielt der sogenannte → Tun-Ergehen-Zusammenhang eine besondere Rolle. Mit diesem Begriff wird die Vorstellung benannt, dass es dem Menschen so ergeht, wie es seinem Handeln entspricht. Allgemein verbreitet ist die Überzeugung, dass gottwidriges Verhalten von JHWH mit Lebensminderungen und Notlagen bestraft wird. So wird es auch in der Gottesrede in Hag 1,11 offen ausgesprochen: Gott hat die Dürre geschickt, und zwar als → Strafe für die Untätigkeit des Volkes in Bezug auf den brach liegenden Tempel. Interessant ist jedoch, dass Gott von seinem Volk zunächst einen Reflexionsprozess (Hag 1,5-7) fordert. Konkret soll das Volk in die jüngste Vergangenheit schauen und überlegen, wie es ihm ergangen ist. Gott zählt sogar Aspekte auf, die die gegenwärtige Misere auf den Punkt bringen (Hag 1,6). Im Stil eines emphatischen Pädagogen gibt JHWH seinem Volk also zunächst die Möglichkeit, den Grund für die missliche Lage selbst zu erkennen, ehe am Ende der ersten Gottesrede explizit benannt wird, dass JHWH der Verursacher der Dürre ist.

Der Tun-Ergehen-Zusammenhang erklärt nicht nur die Gegenwart als Konsequenz vergangenen Handelns, er unterliegt auch der Prognose für die Zukunft. Wenn das Volk den Tempel wiederaufbaut (Hag 1,8), wird es ihm wohlergehen: Schon im ersten Abschnitt (Hag 1,1-15a) zeigt sich dies darin, dass Gott sein → Wohlgefallen zusagt (siehe dazu näher 6.2. Zionstheologie). Man kann vermuten, dass Gottes Wohlgefallen auch andere positive Effekte für das Volk nach sich ziehen kann. Explizit wird dies im zweiten und dritten Abschnitt dargelegt: Im zweiten Abschnitt (Hag 1,15b-2,9) sollen die Alten den vorexilischen Tempel imaginieren und werden auch hier zum Bau bewegt, indem JHWH voraussagt, dass der künftige Tempel noch prächtiger sein wird als der frühere. Zudem kündigt JHWH an, dass er Frieden geben wird. Zu diesen heilsamen Zusagen kommt noch die Gabe des Segens, die den dritten Abschnitt (Hag 2,10-19) beendet. Wieder soll das Volk zum Bau-Projekt bewegt werden, indem es sich den Tag vorstellen soll, an dem der Tempel gegründet wird. An diesem Tag, der noch in der Zukunft liegt (s.o. 4. Entstehung), soll das Volk zurückschauen und feststellen, dass seine Situation kritisch war. Doch nun, am Tag der Grundsteinlegung, wird sich das Blatt wenden: JHWH wird seinen Segen spenden, dann werden die genannten Fruchtbäume → Weinstock, → Feigenbaum, → Granatapfelbaum und → Ölbaum wachsen und genießbare Früchte tragen (Hag 2,19). Der Blick in die Zukunft wird noch ergänzt, insofern im vierten Abschnitt Serubbabel erwählt und zum Siegelring Gottes wird. Am Ende des Haggaibuches wird damit sogar die Hoffnung auf ein Wiedererstehen des Königtums formuliert. Dabei ist es JHWH, der all diese Hoffnungsbilder initiiert. Gott ist es, der den Tun-Ergehen-Zusammenhang in der Vergangenheit durchgesetzt hat und garantiert diesen auch für die Zukunft.

6.2. Die Zionstheologie

Die → Zionstheologie (oder auch Jerusalemer Tempeltheologie) fußt auf der Grundannahme, dass JHWH im Tempel (als König) thront und wohnt, er also dort präsent ist. Der Tempel ist darum der wichtigste Ort des Gotteskontaktes. Der → Zion, der Tempelberg, ist heilig: Hier berühren sich Himmel und Erde. Mit dieser Grundannahme sind eine ganze Reihe weiterer Vorstellungen und Motive verknüpft: Durch Gottes Anwesenheit sind Tempel und → Stadt beschützt vor äußeren Feinden; vom Tempel strömt Segen, Fruchtbarkeit und → Gerechtigkeit ins Land. Sehr wahrscheinlich ist die Zionstheologie in die Staats- und Königszeit zu datieren. Im Haggaibuch wird an diese Tradition angeknüpft. So hat das Haggaibuch wohl weniger zwei zu differenzierende Bauten im Blick als ein einziges Gebäude, welches verschiedene Phasen durchläuft (vgl. Leuenberger 2015, 161).

Weiterhin heißt es in Hag 1,8, dass JHWH Wohlgefallen (רצה rṣh) daran habe und verherrlicht wird (כבד kbd), wenn das Volk mit dem Wiederaufbau des Tempels beginnt. Die zwei gebrauchten Verben weisen einen tempeltheologischen Hintergrund auf. So erscheint das Verb רצה rṣh im Qal besonders im Kontext kultischer Zusammenhänge (z.B. Jer 14,12; Hos 8,13; Am 5,22; Mi 6,7; Mal 1,10; vgl. Barstad, 644-645; Gerleman, 812), so dass es als „Terminus technicus des Opferkults“ gilt (Barstad, 643). Es ist anzunehmen, dass hier die Wiederaufnahme des Kultes angedeutet werden soll. Interessant ist, dass schon der Bauprozess an sich und nicht erst das fertige Tempelgebäude von JHWH wohlgefällig wertgeschätzt werden wird. So erscheint das Bauen des Tempels selbst als eine Art kultische Handlung, die – durch רצה rṣh angezeigt – von JHWH anerkannt wird.

Das zweite Verb כבד kbd hat im vorliegenden Nif. reflexive Bedeutung und meint „verherrlicht werden“ und steht in direkter Verbindung zum Substantiv כׇּבוֺד kāvôd, was in Bezug auf JHWH meist mit „Herrlichkeit“ übersetzt wird. Auch dieses Wort gehört zum sprachlichen Inventar der Zionstheologie. Ist der kāvôd in der vorexilischen Tempeltheologie „noch als Attribut JHWHs verstanden worden“ (vgl. Jes 6,3), so fungiert er bei → Deuterojesaja, → Ezechiel und der → Priesterschrift als „Repräsentationsgestalt JHWHs, die (für das Volk oder universal) sichtbar ist“ (Koch, 233).

Ob Haggai annimmt, dass JHWH den wiedererrichteten Tempel wieder bewohnen wird, ist umstritten. Nach Leuenberger „drängt es sich für Hag 1,8 auf, die Verbalform (כבד) so zu verstehen, dass es um den konkreten Vorgang der Wiederbewohnung des Tempels durch Jhwh und seine Herrlichkeitssphäre geht“ (Leuenberger 2015, 125). Doch eine genaue Aussage dazu liefert Haggai nicht.

Schließlich ist noch ein Blick in das → Zwölfprophetenbuch aufschlussreich: כבד kbd und כׇּבוֺד kāvôd kommen im Zwölfprophetenbuch selten vor, und ein theologischer Gebrauch ist nur für כׇּבוֺד kāvôd in der Sacharja-Schrift zu erkennen. In Sach 2,9 heißt es: „[…] und als Herrlichkeit [וּלְכׇבוֺד ûləkhāvôd] will ich [i.e. JHWH] in seiner [i.e. Jerusalem] Mitte sein“ (Übersetzung nach Lux, 189). JHWH sagt seine Herrlichkeit in der Mitte Jerusalems zu. In Sach 2,9 wird כׇּבוֺד kāvôd „zum sichtbaren signum der wieder hergestellten Präsenz JHWHs in Jerusalem“ (Lux, 204). Auch hier wird keine explizite Wohnvorstellung formuliert.

6.3. JHWH als Krieger und Herr der Welt

Ist die Grundschicht und die chronologisch-narrative Redaktion noch ganz auf Jerusalem und den Wiederaufbau des Tempels fokussiert, weitet sich der Blick in den späteren, eschatologischen Versen Hag 2,6-8 und Hag 2,21b-22. Gott sagt in Hag 2,6-8 an, dass er den Kosmos und die Nationen erschüttern wird, was in Hag 2,21b-22 noch weiter aufgeführt wird. So stürzt JHWH die militärische Macht der Königreiche, indem er – hier ist der Text sehr konkret – Streitwagen und dessen Fahrer umstürzt. Hier steht zum einen die Vorstellung von JHWH als Herr der Welt im Hintergrund, der nicht nur partikular für → Israel sorgt; sein Handlungs- und Wirkbereich schließt andere Völker mit ein.

Haggai 04
Zum anderen wird in den Texten der eschatologischen Redaktion das Motiv von JHWH als Kriegsgott greifbar, wenn Gott zugunsten seines Volkes die Gegner bekämpft. Auch in Ps 18 wird JHWH eindrücklich als Krieger beschrieben, der Pfeile abschießt und die Feinde zerstreut (Ps 18,15). Grundlegend ist Ex 15,1.21, wo → Mose und → Mirjam Gottes kriegerisches Handeln beim Exodus (→ Meerwundererzählung) aus Ägypten besingen: „Singen will ich dem HERRN, denn hoch hat er sich erhoben, Ross und Reiter hat er ins Meer geschleudert“ (Ex 15,1; vgl. Ex 15,21).

7. Haggai in der Kunst (Klaus Koenen)

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Bilder zu Haggai können darauf zielen, seine Botschaft zu veranschaulichen. So zeigt die Roda-Bibel (Spanien, 10./11. Jh.) neben der ersten Spalte des Haggaibuches zwei Szenen: Oben beauftragt Gott den Propheten und unten wird seine Botschaft umgesetzt: Steine werden für den Bau des Tempels herbeigeschafft und der Tempel wird gebaut.

Eine lebensgroße Steinfigur Haggais befindet sich an der Westfassade der gotischen Kathedrale von Amiens im Bereich des Portals Saint Fermin; unter ihr veranschaulichen vier Medaillons mit Reliefs die Botschaft des Propheten (13. Jh.). In der oberen Reihe der Medaillons erscheint links der Tempel, der noch in Trümmern liegt, rechts eines der prächtigen Häuser, die sich die Jerusalemer gebaut haben. Unten wird rechts an ein paar vertrockneten Pflanzen die Dürre illustriert und links daneben erscheint Gott Haggai. Mit ausgestrecktem Zeigefinder verweist er auf den zerstörten Tempel im Medaillon darüber und gibt ihm damit den Auftrag, den Wiederaufbau des Tempels voranzutreiben.

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Ein Plakat, das Joseph Binder 1956 im Auftrag der Chaplains Division (Abteilung Militärgeistliche) der U.S. Navy entworfen hat (Chaplains Serie, Set F), zeigt Haggai als Initiator des Tempelbaus, doch wird der Tempel in der Beischrift spiritualisiert: Man baut einen Tempel, indem man Gutes tut, und dieser Tempel ist herrlicher als der Salomos.

Vielfach wird die Botschaft Haggais auf die Christusbotschaft des Neuen Testaments bezogen. Sehr verbreitet war im Mittelalter die meist ca. 40 Seiten umfassende Biblia pauperum mit ihren zum Teil handkolorierten Holzschnitten. Sie ist wohl in der Mitte des 13. Jh.s entstanden, doch stammen die ältesten erhaltenen Exemplare erst aus dem frühen 14. Jh.

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Den Kern jeder Seite bildet in chronologischer Abfolge jeweils eine neutestamentliche Szene, die von zwei alttestamentlichen Szenen umgeben ist, aber auch von vier kleineren Halbfiguren von Propheten und anderen alttestamentlichen Personen, neben denen Worte aus ihren Schriften zitiert werden, die auf die neutestamentliche Szene bezogen wurden. Die alttestamentlichen Szenen und die besagten Worte sollen jeweils zeigen, dass das neutestamentliche Geschehen im Alten Testament vorbereitet und vorhergesagt ist. Auf der Seite zum Verrat des Judas und seiner Bezahlung mit 30 Silberlingen (Mt 26,14-16) findet sich üblicherweise Haggai als Halbfigur. Ein Schriftband zitiert Hag 1,6: qui mercedes congregavit misit eas in sacculum pertusum „Wer Lohn sammelt, steckt ihn in einen löchrigen Beutel.“ Mit diesem Vers wird ein Urteil über Judas gesprochen.

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Der Bezug auf Christus rückt auch im sog. Apostel-Propheten-Credo ins Zentrum. Schon bei Rufin (ca. 345-412) findet sich die Vorstellung, dass das Credo von den Aposteln stammt (Expositio symboli § 2). Im Mittelalter entwickelt sich daraus in der Kunst das sog. Apostel-Credo, bei dem die Zwölf Apostel mit jeweils einem der zwölf Sätze des Glaubensbekenntnisses dargestellt werden. Seit dem 14. Jh. kann das Apostel-Credo um die Darstellung von zwölf Propheten (einschließlich z.B. David) zum Apostel-Propheten-Credo erweitert werden, um zu zeigen, dass die Bekenntnisse des Credos schon im Alten Testament verankert sind. Die Propheten tragen dann Spruchbänder mit einem Satz aus ihren Schriften, der sich auf eine Aussage des Credos beziehen lässt. Der 8. Satz des Credos („Ich glaube an den Heiligen Geist“) wird den Aposteln Bartholomäus oder Matthäus in den Mund gelegt. Als alttestamentlicher Prophet erscheint daneben vielfach Joel mit der Verheißung von Jo 3,1: „Ich werde meinen Geist ausgießen über alles Fleisch“ (z.B. im Chorgestühl der Stiftskirche von Herrenberg, Heinrich Schickhardt d.Ä., 1517). In einigen Fällen – z.B. in einem 1460-1470 entstandenen Kirchenfenster von Saint-Pierre in Quemper-Guézennec (Bretagne) – steht an dieser Stelle jedoch Haggai mit einem Schriftband, das eines seiner Worte zitiert: Spiritus meus erit in medio vestrum „Mein Geist wird in eurer Mitte sein“ (Hag 2,6 Vulgata = Hag 2,5 MT). Während der hebräische Text ein Partizip aufweist und die → Septuaginta ein Perfekt, formuliert die Vulgata futurisch und verweist damit auf das Neue Testament.

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Im Saal der Sibyllen der Borgia-Gemächer im Vatikan zeigen Fresken von Pinturicchio in den Lünetten jeweils einen Propheten des Alten Testaments und eine Sibylle als Vertreterin der klassischen Antike, um zu verdeutlichen, dass Christus in beiden Kulturkreisen angekündigt worden ist (1492-1495). Haggai erscheint neben der Cumaeischen Sibylle. Sein Spruchband bietet eine Zusammenstellung von Hag 2,22 und Hag 2,7: EGO MOVEBO CAELUM ET TERRAM ET VENIET DESIDERATUS CUNCTIS GENTIBUS „Ich werde Himmel und Erde erbeben lassen und kommen wird der von allen Völkern Ersehnte.“ Ursprünglich kündigt Hag 2,7 an: „[…] kommen werden die Kostbarkeiten aller Völker“, doch schon die Vulgata hat diesem Text die messianische Deutung gegeben, die im Bild zitiert wird.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

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3. Weitere Literatur

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Abbildungsverzeichnis

  • Haggai in einer Reihe der Zwölf Kleinen Propheten (Archivoltenfigur im Hauptportal des Kölner Doms; 19. Jh.). © public domain; Foto: Klaus Koenen, 2020
  • Das chronologische System im Buch Haggai.
  • Bibelkundlicher Überblick über das Buch Haggai.
  • Haggai ruft zum Tempelbau auf (Roda-Bibel, Spanien, 10./11. Jh.). Paris, Nationalbibliothek, lateinische Handschrift 6 [3], fol. 89v (https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b90658394/)
  • Haggai und seine Botschaft (Statue und Reliefs, Kathedrale Notre-Dame in Amiens, Westfassade, Portal Saint Fermin; 13. Jh.). Aus: Wikimedia Commons; © Dguendel, Wikimedia Commons, lizenziert unter Creative Commons-Lizenz, Attribution-Share Alike 4.0 International; Zugriff 26.10.2021 (Ausschnitt)
  • Joseph Binder, Haggai (Plakat, 1956). © Museum für angewandte Kunst, Wien
  • Haggai (unten rechts) mit Hag 1,6 als Verweis auf den Judaslohn (Biblia Pauperum, Niederlande, 1480-1485). Bibliothèque nationale de France, Paris, Xylo-5, fol. 22r (https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k850504w.image)
  • Haggai (links) und Matthäus (rechts) in einem Apostel-Propheten-Credo (Kirchenfenster von Saint-Pierre in Quemper-Guézennec, Bretagne; 1460-1470). Aus: Wikimedia Commons; © Ph. Saget, Wikimedia Commons, lizenziert unter Creative Commons-Lizenz, Attribution-Share Alike 3.0 unported; Zugriff 26.10.2021
  • Haggai und die Cumaeische Sibylle (Pinturicchio, 1492-1495). Aus: Wikimedia Commons; © Scala, Wikimedia Commons, lizenziert unter Creative Commons-Lizenz, Attribution-Share Alike 4.0 International; Zugriff 26.10.2021 (Ausschnitt)

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