Deutsche Bibelgesellschaft

Chronologie, biblische (AT)

(erstellt: März 2016)

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1. Pentateuch

Im Jahre 1650 veröffentlichte James Ussher, der anglikanische Erzbischof von Armagh, seine Annales veteris vestamenti, a prima mundi origine deducti, in denen er die Erschaffung der Welt auf das Jahr 4004 v. Chr. datierte, und zwar exakt in die Nacht auf Sonntag, den 23. Oktober. Das Werk steht beispielhaft für das „great age of biblical chronology“ (Barr, 9) vom 16. bis zum 18. Jh., in dem zahlreiche weitere Rekonstruktionen einer mit der Schöpfung einsetzenden Universalchronologie publiziert wurden. Die Berechnungen beruhten dabei in entscheidendem Maße auf den chronologischen Angaben des Alten Testaments und hier insbesondere des → Pentateuchs, wie sie auch der traditionellen jüdischen Jahreszählung ab dem Datum der Schöpfung zugrunde liegen. Dabei wurde die historische Verlässlichkeit der pentateuchischen Chronologie stillschweigend vorausgesetzt. Die alttestamentliche Forschung der letzten beiden Jahrhunderte hat indes zweifelsfrei erwiesen, dass diese Voraussetzung falsch ist, und trifft sich darin mit den Erkenntnissen der modernen Geschichts- und Naturwissenschaften. Die pentateuchische Chronologie ist keine historische Quelle, sondern ein literarisches Konstrukt, das darauf zielt, den Anfängen der Geschichte Gottes mit der Welt und seinem Volk Israel eine sinnhafte zeitliche Struktur einzustiften.

Freilich gilt es zu beachten, dass schon die Rede von einer pentateuchischen Chronologie streng genommen irreführend ist, denn der Pentateuch kennt weder eine fortlaufende Jahreszählung ab der Schöpfung noch ein sonstiges konsequent durchgehaltenes Datierungssystem. Erst die Kombination der Lebensdaten aus den genealogischen Listen (→ Genealogie) der → Genesis mit den vereinzelt in den Erzählduktus eingestreuten Datierungen ermöglicht die Rekonstruktion eines chronologischen Gesamtzusammenhangs. Dabei kommt allerdings noch erschwerend hinzu, dass die Textüberlieferung im Bereich des chronologischen Materials bisweilen stark fluktuiert. Offensichtlich waren die chronologischen Angaben im Pentateuch selbst in der fortgeschrittenen hellenistischen Zeit (2. Jh. v. Chr.) noch im Fluss und konnten von unterschiedlichen Tradentenkreisen an ihre darstellerischen Absichten angepasst werden.

Obwohl die Hintergründe der in der Textüberlieferung zu verzeichnenden Divergenzen zwischen den chronologischen Angaben sowie ihr entstehungsgeschichtliches Verhältnis zueinander umstritten sind, besteht ein grundsätzlicher Konsens hinsichtlich der literargeschichtlichen Ursprünge der in Frage stehenden Textpartien. Das chronologische Material im Pentateuch entfällt überwiegend auf jene Bereiche, die traditionell der → Priesterschrift (P) zugeschrieben werden. Dies bedeutet indes nicht, dass sie durchgängig zum ältesten literarischen Bestand des priesterlichen Textes zu zählen sind. Die redaktionsgeschichtliche Forschung unterscheidet nämlich verschiedene priesterliche Textstrata. Dabei zeigt sich, dass noch in spätpersischer bzw. frühhellenistischer Zeit mit einer umfänglichen priesterlichen Bearbeitung des Pentateuchs zu rechnen ist (vgl. Achenbach). Was die betreffenden spätpriesterlichen Ergänzungen im Kern verbindet, ist ihr Interesse an der Klärung kultrechtlicher, organisatorischer und genealogischer Details. Es ist daher anzunehmen, dass auch viele der chronologischen Angaben, die häufig summarisch für den ältesten Bestand der Priesterschrift veranschlagt werden – und zwar insbesondere solche, die auf die Stiftung kontextübergreifender Zusammenhänge zielen –, erst auf jene spätpriesterliche Entwicklungsphase entfallen (in der Sache ebenso bereits Smend, 11-14; vgl. Achenbach, 197).

1.1. Die Chronologie der Urgeschichte (Gen 1-11)

Das chronologische Gerüst innerhalb der Urgeschichte gründet vollständig auf zwei genealogischen Listen (→ Genealogie), die den Zeitraum zwischen → Adam und Noahs Sohn → Sem (Gen 5,1-32) sowie zwischen Sem und → Abram (Gen 11,10-32) zum Gegenstand haben. Die Listen gelten in aller Regel als unverzichtbarer Bestandteil des ältesten priesterschriftlichen Darstellungszusammenhangs, da nur sie eine Verbindung zwischen dem Schöpfungsbericht (Gen 1,1-2,4a*), der Sintfluterzählung (Gen 6,9-9,29*) und dem Beginn des Abra(ha)m-Zyklus (Gen 11,27-32*; Gen 12,5ff) herstellen. Die chronologische Relevanz der betreffenden Listen rührt daher, dass sie in jeder Generation ausschließlich den Erstgeborenen nennen und dabei das Alter des Vaters im Jahr seiner Zeugung angeben:

„Und Adam lebte 130 Jahre und zeugte einen Sohn […] und gab ihm den Namen Set. […] Und Set lebte 105 Jahre und zeugte Enosch“ (Gen 5,3.6).

Vorausgesetzt, dass das Jahr der Zeugung zugleich das Jahr der Geburt ist (anders zuletzt Ziemer, 2-4), lassen sich die einzelnen Angaben einfach aufaddieren: Set hätte also im gewählten Beispiel im Jahr 235 nach der Schöpfung das Licht der Welt erblickt. Zählt man auch die weiteren Angaben zum Alter bei der Zeugung / Geburt des Erstgeborenen hinzu, so ergibt sich für → Noah das Geburtsjahr 1056 anno mundi. Die Sintflut, deren Beginn Gen 7,6 P im sechshundersten Lebensjahr Noahs verortet, wäre folglich 1656 anno mundi über die Erde hereingebrochen.

Chronologie, Biblische Tabelle 01

Die Ergebnisse der vorgeführten chronologischen Kalkulation gelten allerdings nur für den Masoretischen Text (MT). Die → Septuaginta (LXX) und der Samaritanische Pentateuch (SP) weisen in Gen 5 beträchtliche Abweichungen auf, die in der Summe zu ganz anderen Ergebnissen führen. So ergibt sich im SP ein im Vergleich zum MT stark reduzierter Gesamtzeitrahmen zwischen Schöpfung und Sintflut von insgesamt nur 1307 Jahren, während die LXX hierfür ganze 2242 Jahre veranschlagt. Die Abweichungen kommen im Wesentlichen dadurch zustande, dass im SP das Alter bei der Zeugung / Geburt des Erstgeborenen bei Jared, → Metuschelach und Lamech jeweils um (mehr als) einhundert Jahre niedriger angegeben wird als im MT, während die LXX bei den ersten sieben Generationen gleich sechsmal ein Zeugungsalter notiert, das einhundert Jahre über den Angaben im MT liegt. Hinzu kommen diverse weitere Abweichungen im Detail, die sich Tabelle 1 entnehmen lassen.

Die Frage nach dem entstehungsgeschichtlichen Verhältnis der drei Versionen untereinander und zur ursprünglich intendierten priesterschriftlichen Chronologie wird in der Forschung seit langem kontrovers diskutiert (vgl. die Forschungsüberblicke bei Murtonen, Larsson und Hughes).

Auch in neuerer Zeit gibt es ein breites Spektrum unterschiedlicher Lösungsansätze. So postuliert Hendel einen von P aufgenommenen „Genesis archetype“, von dem ausgehend sich die Versionen unterschiedlich entwickelt hätten. Ziemer geht hingegen davon aus, dass die ursprüngliche priesterschriftliche Chronologie in Gestalt des MT erhalten sei, und sieht in den Fassungen des SP und der LXX unterschiedliche Rezensionen derselben. Im Unterschied dazu nimmt Gertz an, dass der SP die ursprüngliche priesterschriftliche Chronologie bewahrt habe, und rekonstruiert die weitere Entwicklung über eine hebräische Vorlage, die sowohl dem MT als auch der LXX zugrundeliege und hier mit jeweils unterschiedlichen Interessen weiterentwickelt worden sei.

In Anbetracht der zum Teil beträchtlichen Differenzen zwischen den unterschiedlichen Rekonstruktionen dürfte ein Konsens am ehesten darüber zu erzielen sein, dass die kurze Chronologie des SP mit ihren im Wesentlichen zweistelligen Zeugungsjahren eine ursprünglichere Fassung bewahrt als die anderen Versionen, in denen die Zeugungsjahre zum Teil (MT) bzw. durchgängig (LXX) um einhundert (und mehr) erhöht wurden (Jepsen 1929, 252; Hughes, 19; Rösel, 130). Hierfür spricht auch der Befund in Gen 11,10-32 P, wo ebenfalls die Fassung der Genealogie mit den zweistelligen Zeugungsjahren (hier MT) als ursprünglicher zu gelten hat. Abrams Zweifel, ob ein Hundertjähriger noch einen Sohn zeugen kann (Gen 17,17 P), wäre andernfalls kaum verständlich.

Unabhängig davon, wie man die Textüberlieferung von Gen 5 im Einzelnen rekonstruiert, ist deutlich, dass in den drei Versionen der Genealogie genuin exegetische Interessen mit kontextübergreifenden chronologischen Erwägungen Hand in Hand gehen, wobei beide Aspekte jeweils unterschiedliches Gewicht haben. Dem MT und dem SP ist gemein, dass keiner der Patriarchen mit Ausnahme Noahs und des zuvor entrückten → Henochs das Jahr der Sintflut überdauert. Folgt man hingegen der LXX, so müsste auch Metuschelach zu diesem Zeitpunkt noch am Leben gewesen sein. Allem Anschein nach spielen die inhaltlichen Implikationen der Chronologie für die LXX eine vergleichsweise untergeordnete Rolle, wohingegen das Interesse an einer möglichst langen Dauer der Epoche vor der Sintflut im Vordergrund steht (Rösel, 132).

Signifikante Unterschiede zwischen den Versionen zeigen sich auch mit Blick auf das Lebensalter der Patriarchen. Während die entsprechenden Angaben im MT und in der LXX mit Ausnahme Lamechs übereinstimmen und durchweg im Bereich um 900 Jahre liegen, sinkt die Lebenserwartung der letzten vier Generationen im SP spürbar und stetig. Dabei wurden die Zeiträume so gewählt, dass Jared, Metuschelach und Lamech im Jahr der Sintflut versterben. Im Hintergrund steht offenbar der Versuch der genealogischen Veranschaulichung eines fortschreitenden Verfalls der Menschheit, der schließlich das göttliche Strafgericht heraufbeschwört (Gertz, 84f).

Ausgenommen ist hierbei allein Henoch, der nicht nur im SP, sondern in allen drei Versionen einen Sonderstatus innehat, insofern er nicht verstirbt, sondern im Alter von 365 Jahren entrückt wird (Gen 5,23f). Das Alter zum Zeitpunkt der Entrückung ist nicht beliebig, sondern an die Länge eines Sonnenjahres angelehnt. Auf diese Weise wird das traditionell vorgegebene und in 1Hen 72-82 breit entfaltete Motiv eingeholt, dass Henoch bei seinen Himmelsreisen in den Besitz besonderer astronomischer Kenntnisse gelangte. Ein deutliches exegetisches Interesse ist schließlich auch hinter der Angabe für das Lebensalter Lamechs im MT erkennbar. Die völlig singulären 777 Jahre (SP: 653; LXX: 753) tragen offensichtlich dem Lamechspruch aus Gen 4,24 Rechnung („Kain soll siebenmal gerächt werden, aber Lamech siebenundsiebzigmal“; vgl. Wellhausen, 309).

Die gewählten Beispiele veranschaulichen, wie exegetische Interessen an der Epoche vor der Sintflut und ihren Protagonisten die Gestaltung der genealogischen Liste in Gen 5 beeinflusst haben. Auf diese Weise lassen sich manche Details der Chronologie sowie die (verschieden stark ausgeprägte) Binnenlogik derselben plausibel machen, nicht jedoch ihr in den unterschiedlichen Versionen massiv divergierender Gesamtzeitrahmen. Der letztgenannte Aspekt ist offensichtlich durch ein Interesse an der Etablierung einer kontextübergeifenden Chronologie bestimmt, für die neben Gen 5 auch weitere Texte zu berücksichtigen sind (s.u. 3.). Hierzu zählt zunächst die strukturell analog aufgebaute priesterliche Genealogie in Gen 11, deren chronologische Angaben Tabelle 2 zusammenfasst.

Chronologie, Biblische Tabelle 02

Allen drei Versionen gemein ist die schon in der Sumerischen Königsliste (WB 62; 444) und auch bei → Berossos bezeugte Vorstellung, dass sich die Lebensdauer der Generationen nach der Sintflut stetig verringert und deutlich hinter dem phantastischen Alter zurückbleibt, das die Patriarchen vor der Sintflut erreichen. Auch das Zeugungsalter fällt im Vergleich zu Gen 5 der Tendenz nach niedriger aus, wobei neuerlich signifikante Abweichungen zwischen den Versionen zu verzeichnen sind. Wie bereits dargelegt, wird auch in Gen 11 die (diesmal im MT erhaltene) kürzere Fassung mit durchweg zweistelligen Zeugungsjahren ursprünglicher sein, wohingegen der SP und die LXX auf einer gemeinsamen Vorlage basieren, in der von Arpachschad bis Serug jeweils einhundert Jahre addiert wurden, bei Nahor fünfzig Jahre (Jepsen 1929, 252; Hughes, 19; Rösel, 134). Ziel ist eine Streckung des Zeitraums zwischen der Sintflut und der Geburt Abrams, wobei erneut ein kontextübergreifendes Interesse an der Etablierung einer Gesamtchronologie leitend ist (s.u. 3.). In der LXX wurde der Zeitrahmen nochmals erweitert, insofern man hier einen den übrigen Versionen noch unbekannten Kenan II in die Genealogie eingeschaltet hat, dessen Lebensdaten einfach von dem im Anschluss genannten Schelach übernommen wurden.

Ein häufig bemerkter Widerspruch innerhalb des chronologischen Systems aller drei Versionen besteht darin, dass Sem bei der Zeugung / Geburt seines Sohnes Arpachschad zwei Jahre nach der Sintflut einhundert Jahre alt gewesen sein soll (Gen 11,10). Legt man die Angaben aus Gen 5,32; Gen 7,6 zugrunde, hätte sein Alter zu diesem Zeitpunkt eigentlich zwei Jahre höher gelegen. Es liegt daher nahe, dass der Hinweis auf die zwei Jahre nicht ursprünglich ist, sondern auf eine nachträgliche Anpassung der Chronologie zurückgeht. Die exakten Hintergründe der Anpassung sind schwer zu ermitteln. Hughes (21­-27) hat vorgeschlagen, dass hier ein arithmetischer Fehler in der Gesamtchronologie ausgeglichen werden sollte, der dadurch eingetreten sei, dass Methusalems Zeugungsalter im Abschreibeprozess irrtümlich um zwei Jahre verringert worden sei. Alternativ wäre zu überlegen, ob die Ergänzung der zwei Jahre nicht in einem organischeren Zusammenhang mit Reflexionen über die Chronologie der Sintflut stehen könnte, an der schon während der Entstehung von Gen 6-9 intensiv gearbeitet wurde.

Der → Sintflutbericht in Gen 6-9 enthält priesterschriftliche und nichtpriesterschriftliche Textanteile, über deren Abgrenzung zumindest in Grundzügen Einigkeit herrscht (vgl. zuletzt Arneth; Schüle). Bestandteil des nichtpriesterschriftlichen Textes ist ein chronologisches Schema, das mit Sequenzen von sieben und vierzig Tagen rechnet: Sieben Tage nach Ankündigung der Flut (Gen 7,4.10) lässt Gott es für vierzig Tage und Nächte regnen (Gen 7,12), und die Sintflut kommt für vierzig Tage über die Erde (Gen 7,17; vgl. Gen 8,6). Schließlich wartet → Noah nach der ersten und der zweiten Rückkehr der → Taube jeweils sieben Tage, bis er sie erneut aussendet (Gen 8,10.12). Der priesterschriftliche Text bietet demgegenüber eine Sintflutchronologie auf der Grundlage von Jahres- und Monatsangaben: Die Flut beginnt, als Noah 600 Jahre alt ist (Gen 7,6), und zwar am 17.2. des betreffenden Jahres (Gen 7,11.13). Am 17.7. desselben Jahres setzt die Arche auf dem Berg Ararat auf, und am 1.10. werden die Spitzen der Berge sichtbar (Gen 8,4-5). Widersprüchliche Angaben finden sich zum Zeitpunkt, an dem die Erde wieder trocken war. Nach Gen 8,13 ist dies am 1.1. des 601. Jahres der Fall, nach Gen 8,14 erst am 27.2. desselben Jahres. Eine Spannung besteht schließlich auch mit Blick auf die abschließende priesterschriftliche Notiz zum Lebensalter Noahs, der zufolge er nach der Flut noch weitere 350 Jahre lebte und ein Alter von 950 Jahren erreichte (Gen 9,28-29). Die Rechnung stimmt mit Gen 7,6 überein und setzt offenbar voraus, dass die Flut noch im Jahr ihres Ausbruches (Noah = 600) wieder endete. Dies aber widerspricht den Angaben zum Flutende in Gen 8,13-14, welche eine Flutdauer von einem Jahr implizieren (Noah = 601).

Die notierten Spannungen legen nahe, dass die priesterschriftliche Chronologie literarisch nicht aus einem Guss ist. Ursprünglich sind vermutlich nur die rahmenden Jahresangaben in Gen 7,6; Gen 9,28-29 (Kratz, 238), wohingegen die präzisen Tages- und Monatsangaben erst im Zuge einer vermutlich mehrschichtigen spätpriesterlichen Bearbeitung in den Text gelangt sein dürften, die die nichtpriesterliche Chronologie bereits voraussetzt und mit einzubeziehen sucht. Die Datierung des Flutbeginns auf den 17.2. (Gen 7,11) ist jedenfalls am einfachsten im Licht der 7+40 Tage aus Gen 7,4.12 erklärlich, die hier auf eine mit dem Jahresbeginn einsetzende Zählung von Monaten à 30 Tagen übertragen werden: 7+40 = 30+17 = 17.2. (Ziemer, 7). Auch die bislang nicht erwähnten Notizen in Gen 7,24; Gen 8,3, die für das Anschwellen der Flut 150 Tage veranschlagen, fügen sich nahtlos in das neue chronologische System, dem zufolge die Arche am 17.7., also exakt fünf Monate (5x30 = 150 Tage) nach Flutbeginn auf dem Berg Ararat aufsetzt (Gen 8,4). Dass das Flutende in Gen 8,14 nicht wie eigentlich zu erwarten auf den 17.2. (so Jub 5,31), sondern auf den 27.2. datiert wird (zum in Gen 8,13 genannten Alternativdatum vgl. Schüle, 301), erklärt sich am einfachsten mit der nachträglichen Anpassung des kalendarischen Systems von einem schematischen 364-Tage-Jahr (vgl. die Rezeption in 4Q252) an ein 354-Tage Mondjahr (→ Kalender). Sollte die Dauer der Flut dabei unverändert bleiben, musste ihr Enddatum um zehn Tage nach hinten verschoben werden (Lemche, 55).

1.2. Die Chronologie von Abraham bis Josef (Gen 12-50)

Während die chronologischen Angaben in der Urgeschichte fast ausschließlich in den genealogischen Listen in Gen 5 und Gen 11 verdichtet werden, sind sie in der Erzeltern- und Josefsgeschichte (Gen 12-36; Gen 37-50; → Erzeltern; → Josef) in den jeweiligen Erzählkontext eingebettet. Im nichtpriesterschriftlichen Textbestand ist dabei keinerlei Interesse an einer chronologischen Systematisierung zu erkennen. Wo Jahresangaben begegnen – zu erwähnen sind vor allem die zweimal sieben Dienstjahre Jakobs bei Laban (Gen 29,18.20.27.30; vgl. Gen 31,38.41) und die sieben fetten und mageren Jahre während Josefs Ägyptenaufenthalt (Gen 41,26ff; Gen 45,6.11; Gen 47,17-18) –, ist ein erzählerisches und kein chronologisches Interesse leitend.

Anders gestaltet sich die Situation im priesterschriftlichen Text. Er enthält eine beträchtliche Anzahl von Altersangaben, aus denen sich wie schon in der Urgeschichte eine Gesamtchronologie errechnen lässt. Freilich wird man auch hier literargeschichtlich differenzieren müssen. Neben den Sterbenotizen in Gen 23,1; Gen 25,7.17; Gen 26,34; Gen 35,28; Gen 47,28 sowie den erzählerisch fest integrierten Jahresangaben in Gen 17,1.17.21 (→ Abrahams Alter bei der Geburt → Isaaks) und Gen 47,8-9 (→ Jakobs Alter bei seiner Ankunft in Ägypten) steht ein Cluster von Datierungen, die sich jeweils an einen Erzählbogen anschließen und rückblickend vermerken, wie alt der Protagonist bei den soeben berichteten Ereignissen war (Gen 12,4b; Gen 16,3aβγ.16; Gen 17,24-25; Gen 21,5; Gen 25,20.26; Gen 41,46; ähnlich Gen 37,2). Da sich die betreffenden Datierungen sowohl an priesterschriftliche wie an nichtpriesterschriftliche Passagen anschließen und dabei bisweilen auch nachpriesterschriftliche Ergänzungen aufgreifen, liegt der Verdacht nahe, dass sie im Wesentlichen, wenn nicht vollständig, auf eine spätpriesterliche Bearbeitung zurückgehen, der vor allem an einer weiteren chronologischen Binnendifferenzierung der Darstellung gelegen war (Smend, 12-14). Dabei hat freilich an manchen Stellen die erzählerische Stimmigkeit gelitten: → Ismael wird in Gen 21,14-15 eindeutig als Kleinkind beschrieben, müsste aber nach der spätpriesterlichen Datierung aus Gen 17,24-25 zu diesem Zeitpunkt bereits vierzehn Jahre alt gewesen sein.

Älteren Datums als die diskutierten spätpriesterlichen Zusätze, aber ebenfalls nachpriesterschriftlich sind die Angaben zum Sterbealter Josefs in Gen 50,22.26. Sein Tod mit 110 Jahren hat die Sterbenotizen in Jos 24,29; Ri 2,8 zum Hintergrund, denen zufolge Josua das identische Alter erreicht. Die Übertragung der 110 Jahre auf Josef erfolgt dabei nicht aus genuin chronologischem Interesse, sondern dient primär der makrokontextuellen Vernetzung der Übergänge zwischen Erzvätern und Exodus auf der einen sowie Landnahme- und Richterzeit auf der anderen Seite. Erst in der literarischen Nachgeschichte verschiebt sich der Fokus auf die chronologischen Implikationen des Lebensalters: Gen 50,23 ist ein weiterer spätpriesterlicher Zusatz, der festhält, dass auch Josefs Enkel noch zu dessen Lebzeiten geboren wurden.

1.3. Die Chronologie der Volksgeschichte in Exodus bis Deuteronomium

Der nichtpriesterliche Textbestand der Bücher Exodus bis Deuteronomium trägt zur Chronologie der hier beschriebenen Anfänge der Volksgeschichte Israels lediglich das Motiv der vierzigjährigen Wüstenwanderung bei, das an einigen deuteronomistischen Stellen begegnet (Dtn 2,7; Dtn 8,2.4; Dtn 29,4; vgl. Dtn 2,14; Jos 5,6; → Deuteronomismus). Es findet sich auch in den priesterschriftlichen Partien, wo es im Rahmen der → Kundschaftergeschichte erzählerisch begründet wird (Num 14,33-34; vgl. Ex 16,35; Num 32,13). Die vierzig Jahre sind dabei zunächst weniger als exakte Zeitangabe denn als symbolische Größe zu verstehen, die für die Zeitspanne steht, „innerhalb derer die Gesamtzahl der erwachsenen und im Leben aktiv handelnden Männer sich in der Regel völlig auswechselt“ (Noth, 63). Der Gedanke ist also, dass erst die Nachkommen der Auszugsgeneration das verheißene Land betreten werden.

Spezifischere Angaben zur Chronologie des Ägyptenaufenthalts und der sich anschließenden Wüstenzeit bietet erneut nur der priesterschriftliche Text, wenngleich sie deutlich sparsamer verwendet werden als noch in der Genesis. Hinzu kommt, dass es sich bei den in Frage stehenden Passagen überwiegend um (spätpriesterliche) Ergänzungen handelt, die chronologische Ausdifferenzierung also erneut erst sehr spät erfolgte. Dies gilt zum ersten für eine Sequenz von Datierungen, die im Wesentlichen den Zeitraum vom Auszug bis zum Aufbruch vom Berg → Sinai untergliedern und dabei (analog zur spätpriesterlichen Flutchronologie) mit Hilfe einer Monats- und Tageszählung das exakte kalendarische Datum der betreffenden Ereignisse angeben (hierzu Achenbach, 196): Nach ihrem Auszug am 15.1. (Ex 12,2.18 mit Ex 12,37; vgl. Num 33,3) erreichen die Israeliten am 15.2. zunächst die Wüste Sin (Ex 16,1) und kommen schließlich im dritten Monat – der genaue Tag wird nicht genannt – in der Wüste Sinai an (Ex 19,1). Am 1.1. des Folgejahres wird das Zeltheiligtum errichtet (Ex 40,2.17), am 1.2. erhält → Mose detaillierte Anweisungen, die die Ordnung des Volkes auf dem weiteren Weg betreffen (Num 1,1), und am 20.2. bricht das Volk schließlich wieder vom Berg Sinai auf (Num 10,11). Der dortige Aufenthalt dauerte also nahezu ein ganzes Jahr, wobei sich die Logik der erhaltenen Datumsangaben nicht zuletzt in Anbetracht der fehlenden Tagesangabe in Ex 19,1 nicht mehr vollständig erschließt.

Nach Num 10,11 verlieren sich die Spuren des Datierungssystems weitgehend. Im Numeribuch blitzt es noch an zwei Stellen auf, und zwar einmal in Num 20,1, wo die Ankunft der Israeliten in der Wüste Zin in den dritten Monat datiert wird, der Tag und das Jahr allerdings unbestimmt bleiben. Darüber hinaus liefern Num 33,38-39 eine exakte Datierung des Todes → Aarons. Der letzte pentateuchische Beleg findet sich in Dtn 1,3 (vgl. Dtn 32,48), einem spätpriesterlichen Zusatz zur Eröffnung des → Deuteronomiums, dem zufolge sich Mose am 1.11. des vierzigsten Jahres mit seiner großen Abschiedsrede an das Volk wandte. Ob alle genannten Belege auf denselben Bearbeiter zurückgehen oder in mehreren Phasen entstanden sind, lässt sich kaum entscheiden. Dass es jüngere Zusätze im Stil des betreffenden Datierungssystems zweifelsfrei gegeben hat, zeigt jedenfalls Num 9,1, denn hier wird die Offenbarung ergänzender Passabestimmungen in den ersten Monat des zweiten Jahres verlegt, womit der Vers hinter den in Num 1,1 genannten Zeitpunkt im zweiten Monat zurückfällt. Es handelt sich also um einen im Vergleich mit Num 1,1 jüngeren Zusatz (Achenbach, 547).

Auch außerhalb des dargestellten Datierungssystems gibt es einige wenige spätpriesterliche Notizen chronologischer Art, die sich auf das Lebensalter der Protagonisten beziehen. Ex 7,7 hält fest, wie alt Mose und Aaron bei ihrem ersten Auftritt am ägyptischen Hof waren, wobei Moses Alter von 80 Jahren auf die idealen 120 Jahre angelegt ist (vgl. Gen 6,3), mit denen er am Ende der vierzig Wüstenjahre stirbt (Dtn 34,7). Bei Aaron ist zunächst kein zwingender Bezug der Altersangabe zum Sterbejahr anzunehmen, denn der älteste Bericht über seinen Tod in Num 20,22-29 erwähnt weder das Lebensalter noch eine sonstige Zeitangabe (erst Num 33,38-39 tragen die betreffenden Informationen nach). Die Erwähnung von Aarons Alter beim Auftritt vor dem Pharao (83 Jahre) erfüllt vor allem den Zweck, ihn als den älteren der beiden Brüder zu kennzeichnen. Damit ist das Interesse verbunden, den Vormachtanspruch der sich von Aaron ableitenden Priesterlinie zu begründen. Es tritt auch in der spätpriesterlichen Genealogie in Ex 6,13-30 klar zutage, die unter den Nachkommen des Priesterpatriarchen Levi besonders die auf Aaron zulaufende Abstammungslinie heraushebt, indem sie nur hier das Lebensalter der Stammhalter erwähnt.

Obwohl die Genealogie in Ex 6,13-30 das Zeugungsalter durchgängig unerwähnt lässt, steht sie doch, insofern sie für den Aufenthalt der Israeliten in Ägypten lediglich vier Generationen veranschlagt, in eindeutigem Widerspruch zu Gen 12,40 MT, wo für den betreffenden Zeitraum ganze 430 Jahre berechnet werden. Hier prallen offenbar zwei unterschiedliche chronologische Systeme aufeinander, die zumindest im MT nicht miteinander ausgeglichen wurden (s.u.). Im Vergleich zu Ex 6,13-30 wird die Angabe in Ex 12,40 MT ein älteres Entwicklungsstadium des (spät-)priesterlichen Textes spiegeln, allerdings kaum, wie häufig vorausgesetzt, zum ältesten Bestand der Priesterschrift zu rechnen sein. Interessanterweise stehen beide Vorstellungen auch in Gen 15,13-16 relativ unverbunden nebeneinander, einem nachpriesterschriftlichen Text, der die Dauer der ägyptischen Knechtschaft in Anlehnung an Ex 12,40 gerundet mit 400 Jahren angibt und gleichzeitig eine Rückkehr der Israeliten nach vier Generationen in Aussicht stellt (vgl. Ex 6,13-30). Dabei ist auch hier durchaus mit mehreren Wachstumsstufen zu rechnen (zur Analyse vgl. Kreuzer 1986; Talmon).

Der Hintergrund der in Ex 12,40 MT genannten 430 Jahre ist umstritten, wobei als gesichert gelten kann, dass die Angabe keine historische Realität abbildet. Während einige einen Zusammenhang mit den (390+40 =) 430 Jahren der Schuld Israels und Judas aus Ez 4,4-6 erwägen (Kreuzer 1986, 107-108), suchen andere die Zahl von vornherein als Bestandteil eines kontextübergreifenden chronologischen Systems zu erklären, das von der Genesis bis zum Bericht über den Bau des Salomonischen Tempels in 1Kön 6,1 reicht (Hughes, 36-37). Dabei wird vor allem die exakte Entsprechung zu den 430 Jahren des ersten Tempels geltend gemacht, die sich aus den chronologischen Angaben der → Königebücher errechnen lassen (s.u. 3.). Während die Ursprünge der Vorstellung eines vierhundertdreißigjährigen Ägyptenaufenthalts zu einem gewissen Grad spekulativ bleiben, ist zumindest ihre weitere Entwicklung in der Textüberlieferung klar dokumentiert. Sowohl der SP als auch die LXX ergänzen, dass die 430 Jahre den Aufenthalt der Erzväter in Kanaan mit einschließen. Da sich aus den Angaben der Genesis errechnen lässt, dass die Patriarchen 215 Jahre in Kanaan lebten, soll hier also wahrscheinlich eine Halbierung der Ägyptenzeit auf ebenfalls 215 Jahre angezeigt werden, was sich als Angleichung an die kürzere Chronologie aus Ex 6,13-30 werten lässt (Hughes, 33-36; Kreuzer 1991, 252-255). Auf die Implikationen der numerischen Differenz für die in den unterschiedlichen Versionen implizierten Gesamtchronologien ist unter 3. gesondert einzugehen.

2. Vordere Propheten

2.1. Josua und Richter

Im → Josuabuch spielt die Chronologie der → Landnahmezeit aufs Ganze gesehen keine Rolle. Lediglich in Jos 4,19; Jos 5,10-11 findet sich eine Sequenz spätpriesterlicher Datierungen, die den Eintritt der Israeliten ins verheißene Land mit der Feier des → Passafestes am 14.1. verbinden und ihn so mit dem Zeitpunkt des Exodus nach Ex 12 synchronisieren. Auch Angaben zum Lebensalter der Protagonisten sind überaus spärlich gesät. Jos 14,7.10 halten fest, dass Hebron 45 Jahre nach dem Auszug in den Besitz Kalebs übergeht, der zu diesem Zeitpunkt 85 Jahre alt ist, und Jos 24,29 (par. Ri 2,8) notieren im Zusammenhang des Todes Josuas, dass dieser ein Alter von 110 Jahren erreichte. Die Zahl wurde in Relation zu den idealen 120 Lebensjahren des Mose gewählt (Dtn 34,7), bildet also das hierarchische Verhältnis zwischen den beiden Gestalten ab (Sauer, 3).

Chronologie, Biblische Tabelle 03

Verglichen mit dem kargen Befund im Josuabuch spielen Fragen der Chronologie im → Richterbuch eine weitaus prominentere Rolle. Im Rahmen des sog. Richterschemas wird bei jedem großen Richter die Dauer der seinem Auftreten vorangehenden Notzeit sowie der sich unter seiner Herrschaft anschließenden Ruhezeit genannt. Hinzu kommen Angaben zur Amtszeit der kleinen Richter. Über die Chronologie gewinnt die Darstellung der Richterzeit einen annalistischen Charakter, wobei erneut offensichtlich ist, dass den Angaben kein historischer Quellenwert beizumessen ist (Cryer 1987, 5-11). Dies zeigt sich vor allem bei den hochgradig schematisierten Herrschaftsjahren der großen Richter, die durchweg auf die Zahl vierzig als arithmetischen Richtwert bezogen sind. Die Sequenz der nach diesem Muster konstruierten idealen Herrschaftszeiten endet nicht im Richterbuch, sondern lässt sich über 1-2Sam bis an den Beginn von 1Kön verfolgen. Noch David und Salomo herrschen laut 1Kön 2,11; 1Kön 11,42 jeweils vierzig Jahre über ganz Israel. Erst mit der synchronistischen Chronologie des geteilten Reiches (s.u. 2.2.) findet eine Abkehr von den in hohem Maße schematisierten Angaben zugunsten realistischerer Regierungsjahre statt.

Viel Mühe ist darauf verwendet worden, die chronologischen Angaben zur Richterzeit mit 1Kön 6,1 in Einklang zu bringen, wonach zwischen dem Auszug aus Ägypten und der Errichtung des Tempels im vierten Regierungsjahr Salomos exakt 480 (= 12x40) Jahre vergehen (LXX: 440). Die Addition der in der Tabelle aufgeführten Angaben bis zum vierten Regierungsjahr Salomos plus der 45 Jahre zwischen Exodus und Landnahme (Jos 14,7.10) ergibt freilich die weit weniger ideale Zahl von 561 Jahren. Versuche, die bestehende Differenz von 81 Jahren durch arithmetische Kunstgriffe wie die Annahme von Synchronismen zwischen bestimmten Zeiträumen (Vollborn) oder die selektive Berücksichtigung des Materials (Sauer) aufzuheben, bleiben in hohem Maße spekulativ.

Plausibler ist ein redaktionsgeschichtlicher Zugang, der sich von der problematischen Voraussetzung verabschiedet, dass alle chronologischen Angaben in dem betreffenden Textbereich Bestandteil derselben (deuteronomistischen) Redaktion sind, und stattdessen mit unterschiedlichen Entwicklungsstufen der Chronologie rechnet. Denkbar ist, dass die chronologischen Angaben ursprünglich exakt auf die 480 Jahre in 1Kön 6,1 hin berechnet waren und erst spätere Fortschreibungen des Richterbuches die bestehende zeitliche Kluft hervorriefen. Dabei wäre freilich schon für die ursprüngliche Form der Chronologie eine spätdeuteronomistische (d.h. nachpriesterschriftliche) Entstehung anzunehmen (Focken). Erst die über das Richterbuch hergestellte redaktionelle Verklammerung des Hexateuchs (Gen - Jos) mit der Königtumsgeschichte in 1Sam - 2Kön liefert die Voraussetzung für eine Reflexion über die Länge des Zeitraums zwischen Exodus und Tempelbau. Wie erwartbar, hat auch der Hinweis auf die 480 Jahre in 1Kön 6,1 eindeutig redaktionellen Charakter. Die Chronologie des Tempelbauberichts hatte ursprünglich keinerlei Bezug zu heilsgeschichtlichen Großperioden, sondern ausschließlich zu den Regierungsjahren Salomos. Sie folgte damit einem System, das für die Königebücher insgesamt charakteristisch ist.

2.2. Die synchronistische Chronologie der Königebücher

Im Unterschied zur offensichtlich konstruierten Chronologie der nicht minder konstruierten Epoche der Richterzeit machen die chronologischen Angaben der Königebücher für die nachsalomonische Zeit zunächst einen durchaus authentischen Eindruck. Ab 1Kön 14 findet sich ein engmaschiges Netz von Datierungen auf Grundlage der Regierungsjahre der Könige von Israel und Juda. Die Besonderheit des Systems liegt darin, dass es die unterschiedlichen Angaben zur Geschichte der beiden Nachbarstaaten miteinander synchronisiert und so im Rahmen eines einzigen chronologischen Systems zusammenfasst (z.B. 1Kön 15,1: „Im achtzehnten Jahr des Königs Jerobeam, des Sohnes Nebats, wurde Abija König über Juda.“). Obwohl es als ausgemacht gelten kann, dass die synchronistische Chronologie der Königebücher nicht ohne Bezug zu offiziellen Dokumenten aus den königlichen Archiven entstanden ist (vgl. den expliziten Hinweis auf ein „Buch der Chronik der Könige von Israel“ in 1Kön 14,10.29 sowie 1Kön 11,41), bleibt umstritten, ob sie selbst als Innovation deuteronomistischer Kreise zu gelten hat (Noth, 72-78; Kratz, 161) oder diesen bereits vorgegeben war (Jepsen 1956, 30-54; Levin, 146-151). Die Kontroverse ist insofern brisant, als sie letztlich die Frage nach den historischen Hintergründen der biblischen Vorstellung berührt, dass die beiden Nachbarstaaten Israel und Juda Teil des einen Gottesvolkes Israel sind.

Ungeachtet der genauen Ursprünge der synchronistischen Chronologie ist deutlich, dass sie im Rahmen der deuteronomistischen Darstellung eine wichtige programmatische Funktion erfüllt, insofern sie veranschaulicht, dass die Geschicke der beiden Reiche durchgängig eng miteinander verflochten waren. Nimmt man die Chronologie aber als Darstellungselement ernst, so ist auch mit der Möglichkeit zu rechnen, dass einzelne chronologische Vorgaben von den deuteronomistischen Verfassern aus inhaltlichen Erwägungen modifiziert wurden. Die Chronologie der Königebücher lässt sich damit nicht pauschal als exaktes Abbild der Geschichte der Königszeit veranschlagen, sondern ihre historische Verlässlichkeit ist von Fall zu Fall zu prüfen, wobei gerade dem Vergleich mit Quellen aus der Umwelt eine große Bedeutung zukommt. Grundsätzlich erschwert wird die historische Rekonstruktion auch durch manche Unstimmigkeiten und Widersprüche innerhalb der Chronologie, Divergenzen innerhalb der Textüberlieferung und die strittige Frage, ob bei den angegebenen Regierungszeiten Verschiebungen durch eine Vor- oder Nachdatierung des Regierungsantritts einzukalkulieren sind (Cryer 1987, 11-19). Die genannten Variablen haben zur Folge, dass die einschlägigen Rekonstruktionen einer absoluten Chronologie der Königszeit verschiedentlich um mehrere Jahre divergieren (vgl. Begrich; Albright; Miller; Andersen; Na’aman; Hayes / Hooker; Thiele; Galil; Larsson).

Da der Untergang des Nordreiches Israel (2Kön 17) zugleich das Abreißen der dortigen Königsdynastie bedeutete, endet hiermit folglich auch die synchronistische Chronologie der Königebücher. Die bis 2Kön 25 verbleibenden Kapitel erwähnen nur noch die Regierungsjahre der judäischen Könige, wobei die Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier auch dieses Datierungssystems obsolet macht. Für die in späteren Texten reflektierte Chronologie der exilischen und nachexilischen Zeit bot sich zunächst eine Zählung nach den Regierungsjahren der babylonischen und persischen Fremdherrscher an (vgl. z.B. 2Chr 36,22; Dan 1,21; Hag 1,1). Erst in hellenistischer Zeit wurde mit der seleukidischen Ära (ab 312/11 v. Chr.; → Seleukiden) ein neues chronologisches Paradigma eingeführt, dem auch Teile des Judentums folgten (vgl. z.B. 1Makk 1,54 [Lutherbibel: 1Makk 1,57]) und das in einigen jüdischen Gruppierungen bis ins Mittelalter hinein in Gebrauch blieb. Die mit dem Untergang Judas 587 v. Chr. abgerissene Zählung der Regierungsjahre des eigenen Königs lebte erst unter den → Hasmonäern wieder auf und ist etwa durch → Münzen aus der Zeit des Alexander Jannai dokumentiert. Der numismatische Befund aus römischer Zeit belegt, dass im Zuge der beiden großen jüdischen Aufstände eine „Ära der Befreiung / Erlösung Zions“ (ab 66 n. Chr.) sowie eine „Ära der Befreiung / Erlösung Israels / Jerusalems“ (ab 132 n. Chr.) ausgerufen wurden, die freilich jeweils nur von kurzer Dauer waren.

3. Buchübergreifende chronologische Systeme

Im Rahmen der vorangehenden Ausführungen wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass einzelne chronologische Sequenzen und Angaben auch eine buchübergreifende Funktion haben und Bestandteil einer mit der Schöpfung einsetzenden Gesamtchronologie sind. Dabei hat die Diskussion der genealogischen Listen in Gen 5; Gen 11 (s.u. 1.1.) gezeigt, dass diese Gesamtchronologie in drei unterschiedlichen Fassungen vorliegt (MT, SP und LXX), in denen eine je eigene Darstellungsabsicht zum Ausdruck kommt. Historisch befindet man sich mit der Ausdifferenzierung der drei Fassungen bereits in der fortgeschrittenen hellenistischen Zeit (3./2. Jh. v. Chr.), als offenbar ein wachsendes Interesse an chronologischen Fragestellungen gegeben war, das nicht nur die späten Eingriffe in den (freilich noch nicht kanonischen!) Text des Alten Testaments motivierte, sondern auch in einer Reihe frühjüdischer Schriften zutage tritt (vgl. vor allem die griechischsprachigen Autoren → Demetrios und → Eupolemos sowie die unter 4. genannten hebräischen bzw. aramäischen Kompositionen).

Chronologie, Biblische Tabelle 04

In Anbetracht der beträchtlichen Divergenzen innerhalb der Textüberlieferung ist es methodisch geboten, zunächst gesondert zu betrachten, welches Ziel jede der drei dokumentierten Fassungen der Gesamtchronologie hat. Erst in einem zweiten Schritt lässt sich die hypothetische Rückfrage nach der Gestalt einer Grundfassung und ihren literargeschichtlichen Ursprüngen stellen.

Als signifikantes Datum innerhalb der Chronologie des MT sticht zunächst das Jahr des Exodus heraus (2668). Wie häufig bemerkt, markiert es gut zwei Drittel einer postulierten Weltzeitära von 4000 Jahren (Murtonen, 137; Northcote, 25); ignoriert man die zweijährige Streckung des Gesamtzeitraums durch den Zusatz in Gen 11,10, wäre dies sogar exakt der Fall (2666). Für den Baubeginn des zweiten Tempels ist aus der Chronologie der Königebücher und Esr 3,8 das Jahr 3628 (bzw. 3626) zu erschließen. Bis zum Jahr 4000 vergehen dann noch 272 (bzw. 274) Jahre, die sich auffällig genau mit dem Zeitraum bis 164 v. Chr. zur Deckung bringen lassen, dem Jahr der Wiedereinweihung des unter Antiochus IV. entweihten Tempels. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Chronologie des MT so konstruiert wurde, dass das betreffende Ereignis in das symbolträchtige Jahr 4000 fällt und damit den Auftakt zu einer neuen Ära unter der Herrschaft der Hasmonäer markiert (vgl. Hughes, 233-237).

Da das chronologische System des SP im Unterschied zum MT auf den Bereich des Pentateuchs beschränkt bleibt, kann sein Zielpunkt nicht in einem Ereignis der Verfasserzeit zu suchen sein. Das letzte errechenbare Datum ist das Jahr der Landnahme (2794), das freilich keine besondere numerische Signifikanz erkennen lässt. Die Berücksichtigung der späteren samaritanischen Überlieferung zur Landnahmezeit ermöglicht allerdings den Schluss, dass die Chronologie auf die Errichtung des Heiligtums auf dem Garizim im Jahr 2800 (ein Vielfaches der Zahlen vierzig und sieben) zielt (so schon Jepsen 1929, 253; ähnlich Hughes, 237-238). Dabei wäre von einer gezielten Korrektur der dem SP vorgegebenen Fassung der Gesamtchronologie auszugehen, die vermutlich den Bau des Salomonischen Tempels in das betreffende Jahr datierte (s.u.). Die unterschiedlichen Fassungen der Chronologie wären also direkter Ausdruck der Rivalität zwischen Judäern und Samaritanern.

Im Vergleich zum MT und zum SP bietet die LXX eine deutlich längere Chronologie, die ab dem Ende der Urgeschichte um mehr als tausend Jahre höher liegt als jede der beiden anderen Fassungen und mit dem Baubeginn des zweiten Tempels das Jahr 4739 erreicht. Da keine der sich ergebenden Jahreszahlen eine besondere Periodik erkennen lässt, ist vermutet worden, dass es primär um das Erreichen eines runden Gesamtzeitrahmens von 5000 Jahren geht (Hughes, 238-239). Dieser scheint sich in der Tat anzudeuten, ist aber im vorliegenden System der LXX selbst durch kein Ereignis besetzt. Eine mögliche, wenngleich spekulative Lösung des Dilemmas hat Rösel angeregt (142-144): Er folgt im Bereich der Genesis den Angaben der LXX (3604 als Beginn des Ägyptenaufenthalts), nimmt allerdings an, dass die Angaben zur Länge der Ägyptenzeit in Ex 12,40 LXX und zur Datierung des Tempelbaus in 1Kön 6,1 LXX nachträglich verändert wurden. Hier sei daher mit den Zahlen des MT zu rechnen (430 + 480 Jahre statt 215 + 440 Jahre). Ferner hätten die lukianischen Textzeugen der LXX die ursprünglichere Kalkulation der Zeit des ersten Tempels erhalten (435 statt 430 Jahre). Eine Rechnung mit diesen modifizierten Zeiträumen führt ins Jahr 5000 als erstes Jahr des zweiten Tempels, das ohne Zweifel ein plausibles Ziel der Gesamtchronologie abgeben würde.

Wenn bereits die Erhellung der textlich dokumentierten Gesamtchronologien des MT, des SP und der LXX ein spekulatives Geschäft bleibt, gilt dies in noch höherem Maße mit Blick auf die Rekonstruktion einer hypothetischen Urform der Gesamtchronologie, von der ausgehend sich die drei Fassungen entwickelt haben könnten. Da in Gen 5 und Gen 11 die Texttraditionen mit den niedrigen Zeugungsjahren als ursprünglicher gelten können, ist hier ein guter Ausgangspunkt für die Rekonstruktion gegeben. Nach Hughes (21-54) ergibt sich eine niedrige Chronologie mit dem Jahr 1600 anno mundi als erstem Jahr Abrahams. Nach weiteren 1200 Jahren (= MT) sei mit dem Bau des ersten Tempels begonnen worden (2800 anno mundi). Schließlich seien abermals 1200 Jahre für die Epoche der beiden Tempel zu veranschlagen, und zwar 480 Jahre für den ersten Tempel (430 Jahre Bestehen + 50 Jahre Zerstörung / Exil) und 720 Jahre für den zweiten Tempel (analog zu den 720 Jahren zwischen Abraham und dem Exodus). Durch die Addition der genannten Zeiträume (1600+1200+1200) gelangt Hughes zu einer Weltalterdauer von 4000 Jahren, wie sie ja auch noch der späteren Chronologie des MT zugrundezuliegen scheint.

Die Tatsache, dass die Rekonstruktion der Urfassung der Gesamtchronologie eine beträchtliche exegetische Kombinatorik erfordert, veranschaulicht nicht nur den hypothetischen Charakter des Unterfangens, sondern unterstreicht auch noch einmal die bereits eingangs gemachte Beobachtung zum Kompositcharakter des Systems. Es gründet auf der Kombination von chronologischen Angaben unterschiedlichen Charakters, die über einen großen Textbereich verstreut und literargeschichtlich verschiedenen Entwicklungsstufen zuzuweisen sind. Während die synchronistische Chronologie der Königebücher zunächst ganz auf den Horizont der (deuteronomistischen) Darstellung der Königszeit beschränkt ist, kommt erst mit der spätdeuteronomistischen Datierung des Tempelbaus 480 Jahre nach dem Exodus (1Kön 6,1) ein dezidiertes Interesse an einer heilsgeschichtlichen Periodisierung zum Ausdruck. Der literargeschichtliche Horizont ist die über das Richterbuch realisierte Verknüpfung der Gründungsgeschichte Israels (Gen - Jos) mit der Geschichte des Königtums (1Sam - 2Kön) zu einem enneateuchischen Erzählzusammenhang. Obwohl der betreffende Schritt bereits nachpriesterschriftlich anzusetzen ist, besteht noch kein erkennbares Interesse an der Etablierung einer Schöpfungsära. Erst die spätpriesterlichen Ergänzungen in der Genesis und in Ex 12,40 sollten die Grundlage für eine entsprechende Gesamtchronologie legen, die dann in unterschiedlicher Weise ausdifferenziert wurde und in Gestalt dreier Fassungen (MT, SP und LXX) auf uns gekommen ist.

4. Heptadische Chronologien im frühen Judentum

Während die zuvor diskutierten alttestamentlichen Chronologien sporadisch eine Orientierung an der Zahl vierzig erkennen lassen, ist ihnen eine konsequente Periodisierung der Geschichte in identischen Zeitintervallen fremd. Ganz anders stellt sich die Situation in einer Reihe frühjüdischer Texte dar, die ihre Darstellung des Geschichtsverlaufes mittels einer fortlaufenden Zählung von Jahrwochen (= 7 Jahre) und Jubiläen (= 49 Jahre) strukturieren (hierzu ausführlich Berner, 498-515). Im Hintergrund stehen die alttestamentlichen Bestimmungen zum Brach- und → Erlassjahr (nach Ex 23,10-11; Dtn 15 in jedem 7. Jahr) sowie zum → Jobeljahr (nach Lev 25 in jedem 49. bzw. 50. Jahr). Aus ihnen ließ sich ein chronologisches System entwickeln, das es ermöglichte, auch längere Zeiträume nach dem Muster der Sieben-Tage-Woche zu takten und damit eine perfekte „Sabbatstruktur der Geschichte“ (Koch) abzubilden.

Ein Hauptfokus der erhaltenen heptadischen Chronologien liegt auf der exilischen und nachexilischen Zeit. So bietet Dan 9 eine Auslegung der berühmten jeremianischen Prophezeiung einer siebzigjährigen Exilszeit (Jer 25,11-12; Jer 29,10) und deutet den Zeitraum neu als siebzig Jahrwochen (70x7 = 490 Jahre). Die so um den Faktor sieben verlängerte Exilszeit reicht bis in die Gegenwart des Verfassers während des Makkabäeraufstandes (168-164 v. Chr.), wobei die letzte Jahrwoche als Zeit besonderer Bedrängnis vor der im Anschluss erwarteten Heilszeit gilt. Das Motiv der auf 70 Jahrwochen (bzw. 10 Jubiläen) verlängerten Exilszeit begegnet auch in einer Reihe von → Qumrantexten (4Q181; 4QApocryphon of Jeremiah C; 4Q390; 11Q13) und findet zudem eine Entsprechung in der Tiervision des Äthiopischen → Henochbuches (1Hen 85-90), der zufolge die Zeit zwischen dem Untergang Judas und der eschatologischen Wende unter der Herrschaft von 70 himmlischen Hirten steht, die Israel strafen.

Das wohl eindrücklichste Beispiel für die Darstellungsmöglichkeiten einer heptadischen Chronologie bietet das um die Mitte des 2. Jh. v. Chr. entstandene → Jubiläenbuch, das den gesamten Geschichtsverlauf von der Schöpfung bis zur Landnahme in eine Sequenz von Jahrwochen und Jubiläen einteilt. Dabei wird ein Zeitraum von insgesamt 50 Jubiläen (= 2450 Jahre) beschrieben, der die Jobeljahrgesetzgebung aus Lev 25 zum Vorbild hat, wonach im 50. Jahr alle Sklaven freigelassen werden und ein jeder zu seinem Grundbesitz zurückkehren soll. Der Verfasser des Jubiläenbuches hat dieses Grundmuster aufgegriffen, seinen zeitlichen Maßstab gestreckt und es auf die Heilsgeschichte appliziert: Nicht im 50. Jahr, sondern im 50. Jubiläum endet die Knechtschaft in Ägypten und die Israeliten nehmen das ihnen verheißene Land in Besitz. Das chronologische System soll veranschaulichen, dass die Geschichte nicht zufällig verläuft, sondern einem festgelegten göttlichen Plan folgt, den es nur aus den Andeutungen der Tora zu extrapolieren galt.

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

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2. Weitere Literatur

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  • Focken, F.-E., Zwischen Landnahme und Königtum (FRLANT 258), Göttingen 2014.
  • Galil, G., The Chronology of the Kings of Israel and Judah (Studies in the History and Culture of the Ancient Near East 9), Leiden u.a. 1996.
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  • Dimant, D., The 70 Weeks Chronology (Dan 9,24-27) in the Light of New Qumranic Texts, in: A.S. van der Woude (Hg.),The Book of Daniel in the Light of New Findings (BEThL 106), Leuven 1993, 57-76.
  • Koch, K., Sabbatstruktur der Geschichte, ZAW95 (1983), 403-430.
  • VanderKam, J.C., Sabbatical Chronologies in the Dead Sea Scrolls and Related Literature, in: T. Lim (Hg.), The Dead Sea Scrolls and their Historical Context, Edinburgh 2000, 159-178.
  • VanderKam, J.C., Das chronologische Konzept des Jubiläenbuches, ZAW 107 (1995), 80-100.

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