Deutsche Bibelgesellschaft

Bel und Drache

(erstellt: Februar 2009)

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1. Bel und Drache (Dan 14)

In der → Septuaginta sind an die zwölf Kapitel des aramäisch-hebräischen → Danielbuches nach den Einfügungen innerhalb des Buches weitere Zusätze angeschlossen. Als Dan 13 (ZusDan 1) wird die → Susanna-Erzählung angefügt und als Dan 14 (ZusDan 2) eine aus dem 1. Jh. v. Chr. stammende Erzählung, in der Daniel als Verfechter des Gottes JHWH gegen die babylonischen Götter auftritt. In drei Episoden erzählt das Kapitel zunächst, wie Daniel den Gott Bel als wirkungslosen, toten Götzen und seine Priester als Betrüger entlarvt, was zur Vernichtung des Standbildes des Bel führt (ZusDan 2,3-22 [Lutherbibel: ZusDan 2,2-21]), anschließend von der Vernichtung des Drachen (ZusDan 2,23-27 [Lutherbibel: ZusDan 2,22-26]) und schließlich von der wunderbaren Rettung Daniels aus der Löwengrube durch den von einem Engel geführten Propheten → Habakuk (ZusDan 2,28-42 [Lutherbibel: ZusDan 2,27-41]).

Die Erzählungen stellen den Konflikt zwischen dem lebendigen Gott JHWH, dem Schöpfer von Himmel und Erde, und den von Menschen gemachten Götterbildern dar. Durch eine List gelingt Daniel der Beweis, dass Bel kein lebendiger Gott ist. Der Drache ist ihm im Kampf unterlegen und wird vernichtet.

Der König der Babylonier wird gläubig, doch muss er Daniel an seine Untertanen, die ihn hart bedrängen, ausliefern. Sie werfen Daniel für eine Woche in eine Löwengrube, aber der Held übersteht dies durch Gottes Eingreifen. Am Ende steht das Glaubensbekenntnis des Königs: „Groß bist du, Herr, du Gott Daniels. Außer dir gibt es keinen anderen Gott.“ (ZusDan 2,41 [Lutherbibel: ZusDan 2,40])

Die Septuagintafassung unterscheidet sich nicht unbeträchtlich von der Theodotions (zu ihr → Septuaginta), die etwas kürzer ist. Einen ausführlichen Vergleich der verschiedenen Fassungen hat Klaus Koch (1987) vorgenommen. In der Vulgata wird ZusDan 2,1 noch zum vorhergehenden Kapitel gezählt, so dass sich die Verszählung entsprechend verschiebt.

2. Bedeutung Bels

Bel bedeutet im Akkadischen „Herr“ und kann verschiedene Götter meinen. Es bildete sich jedoch die Tradition heraus, dass Bel den babylonischen Stadtgott bezeichnet (Jes 46,1; Jes 50,2; Jes 51,44; Bar 6,41), dessen ursprünglicher Name → Marduk ist (Jes 50,2). Mit Bel werden auch Eigennamen gebildet (vgl. Dan 5,1 Belsazar). In westsemitischer Tradition wird Bel → Baal genannt.

Verehrt wurde Bel im gesamten Orient, nicht nur zwischen Euphrat und Tigris. Dan 14 (ZusDan 2) überliefert nicht nur die Verehrung seines Standbildes, sondern auch das historische Ereignis der Zerstörung des Bel-Tempels durch Xerxes im Jahre 482 v.Chr., das weithin bekannt war. Sowohl Dan 14 als auch → Deuterojesaja betonen die Wirkungslosigkeit der Götterbilder.

3. Bedeutung des Drachen

Der Drache ist eng mit dem Gott → Marduk verbunden; er wird von ihm beschützt. Der Drache ist als ein → Mischwesen vorzustellen, eine Art geflügeltes → Krokodil, das Ähnlichkeit mit einer → Schlange hat (vgl. z.B. die Darstellung auf dem Ischtar-Tor in Babylon, Abb. 1). Die griechischen Begriffe für Drache und Schlange wurden synonym benutzt, was auch in Apk 12,9 belegt ist. In der volkstümlichen Tradition stellte man sich ein Fabelwesen vor (siebenköpfige Hydra). Im Alten Testament wird dieses Fabeltier als das Seeungeheuer Leviatan vorgestellt und symbolisiert die Chaosmacht (Ps 74,13f; Ps 104,26; Jes 27,1; Hi 40,25). Aber auch auf gefährdende Ereignisse in der Geschichte Israels wurde das Bild vom Drachen angewandt. Ausländische Herrscher, die Israel attackierten, wurden mit dem Drachen identifiziert: So gebraucht → Ezechiel die Drachen-Metapher für den ägyptischen König (Ez 29,3; Ez 32,2), → Jeremia für König → Nebukadnezzar (Jer 51,34). Der Drache / die Schlange wurde wie eine Gottheit in einem Kult verehrt, was für Babylonien, Griechenland und Ägypten belegt ist. Besonders in den altorientalischen Schöpfungsmythen spielt der Drache eine große Rolle: die Tötung des Chaosungeheuers bildet die Voraussetzung für eine stabile Schöpfungsordnung (so stellt es z.B. der berühmte Mythos → Enuma Elisch dar, in dem Marduk / Bel gegen → Tiamat kämpft, Taf. 4,35-135).

Literaturverzeichnis

1. Lexikonartikel

  • Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Tübingen 1998-2007
  • Lexikon der christlichen Ikonographie, Freiburg i.Br. 1968-1976 (Taschenbuchausgabe, Rom u.a. 1994)
  • Theologische Realenzyklopädie, Berlin / New York 1977-2005
  • Neues Bibel-Lexikon, Zürich u.a. 1991-2001
  • The Anchor Bible Dictionary, New York 1992
  • Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Freiburg i.Br. 1993-2001
  • Bibeltheologisches Wörterbuch, Graz 1994
  • Calwer Bibellexikon, Stuttgart 2003
  • Herders neues Bibellexikon, Freiburg 2008

2. Weitere Literatur

  • Koch, K., 1987, Deuterokanonische Zusätze zum Danielbuch. Entstehung und Textgeschichte. Band I. Forschungsstand, Programm, Polyglottensynopse. Neukirchen-Vluyn
  • Koch, K., 1987, Deuterokanonische Zusätze zum Danielbuch. Entstehung und Textgeschichte. Band II: Exegetische Erläuterungen. Neukirchen-Vluyn
  • Lambert, W.G., 1994, Enuma Elisch. In: Kaiser, Otto (Hg.), Texte aus der Umwelt des Alten Testaments Bd. III,4. Gütersloh
  • Plonz, S., 2006, Vom Bel zu Babel. Populäre Götzenkritik. Auslegung und Kommentar zu Dan 14, in: M. Keuchen / H. Kuhlmann / H. Schröter-Wittke (Hgg.), Die besten Nebenrollen. 50 Porträts biblischer Randfiguren. Leipzig, 178-182
  • Steck, O.H. / Kratz, R.G. / Kottsieper, I., 1998, Das Buch Baruch. Der Brief Jeremias. Zusätze zu Esther und Daniel (ATD. Apokrpyphen Bd. 5), Göttingen
  • Wysny, A., 1996, Die Erzählungen von Bel und dem Drachen. Untersuchungen zu Dan 14 (SBB 33), Stuttgart

Abbildungsverzeichnis

  • Muschchuschu-Drache am Ischtar-Tor zu Babylon (6. Jh. v. Chr.). © public domain

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