Einführung: Der zweite Brief an die Korinther
Der zweite Brief an die Korinther ist ein sehr persönlicher Brief des Apostels Paulus, in dem er sich gegen heftige Angriffe auf seine Person und seinen Dienst als Apostel verteidigt. Der Brief entstand nicht lange nach dem ersten Brief um das Jahr 55/56 n. Chr. Zwischen beiden Briefen hatte Paulus die Gemeinde in Korinth besucht. Dabei war es zu einem sehr unerfreulichen Zwischenfall gekommen: Ein Gemeindeglied hatte Paulus angegriffen und beleidigt (2,5; 7,12; 13,2). Aus diesem Grund verließ Paulus die Gemeinde und schrieb unter »vielen Tränen« einen weiteren Brief (2,1-4), der aber nicht erhalten geblieben ist. Titus, ein Mitarbeiter des Paulus, hat der Gemeinde diesen »Tränenbrief« überbracht. Er war nach Korinth gereist, um dort zwischen der Gemeinde und Paulus zu vermitteln. Als Paulus daraufhin gute Nachrichten aus Korinth erhält (7,5-7), schreibt er den zweiten Brief an die Korinther. Darin blickt er auf den Streit zurück und gibt noch einmal ausführlich Rechenschaft über seinen Dienst.
Schon am Briefanfang (1,1–2,13) kommt Paulus auf den zurückliegenden Streit mit der Gemeinde zu sprechen. Er muss der Gemeinde erklären, warum er seinen angekündigten Besuch immer wieder verschoben hat (1,12–2,4). Möglicherweise hat man Paulus schon vorgeworfen, dass er nicht zu seinem Wort steht.
Im ersten Teil des Briefes (2,14–4,6) verteidigt Paulus seinen Dienst als Apostel auf sehr grundsätzliche Weise. Er hat seinen Auftrag von Gott selbst erhalten (2,14-17; 4,1-6) und braucht daher auch keine Empfehlungsschreiben von Menschen (3,1-6). Die Gemeinde in Korinth ist vielmehr selbst ein lebendiges Empfehlungsschreiben für Paulus, denn ihre Mitglieder sind durch ihn zum Glauben gekommen. Der Dienst des Apostels steht ganz im Zeichen des neuen Bundes. Und die Grundlage des neuen Bundes ist der Heilige Geist, nicht der Buchstabe des Gesetzes (3,7-18).
Im Folgenden (4,7–6,10) geht Paulus genauer auf seinen Dienst als Apostel ein. Paulus hat die Erfahrung gemacht, dass das Leben als Apostel von Leid, Bedrängnissen und Verfolgung geprägt ist (4,7-15). Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern gehört zu diesem Dienst dazu. Gleichzeitig hofft Paulus auf die zukünftige Herrlichkeit und das neue Leben, das allen versprochen ist, die an Jesus glauben (4,16–5,10). Außerdem ist der Dienst des Paulus ein Dienst der Versöhnung: Christus hat die Menschen durch seinen Tod mit Gott versöhnt (5,11–6,10). Durch den Glauben erhalten sie Anteil an dieser Versöhnung. Aus diesem Grund wirbt Paulus im dritten Teil des Briefes (6,11–7,16) schließlich um die vollständige Versöhnung mit der Gemeinde.
Im vierten Teil (8–9) kommt Paulus auf die Sammlung einer Kollekte für die Gemeinde in Jerusalem zu sprechen: Die Gemeinden in Makedonien hatten sich entschlossen, durch eine gemeinsame Sammlung von Spenden die Gemeinde in Jerusalem zu unterstützen. Sie wollten damit ihre Verbundenheit mit der Gemeinde dort zum Ausdruck bringen. Auch die Gemeinde in Korinth wollte sich beteiligen (8,10). Nun kündigt Paulus an, dass er Titus und einen weiteren anerkannten Mitarbeiter damit beauftragt hat, das Geld abzuholen und nach Jerusalem zu bringen (8,16-24). Auf diese Weise will Paulus verhindern, dass man ihn verdächtigt, Spenden zu unterschlagen (8,18-21). Die Gemeinde soll vorbereitet sein und das gesammelte Geld bereithalten (9,1-5).
Im letzten Teil des Briefes (10,1–12,18) ändert sich der Ton noch einmal deutlich. Paulus reagiert ganz offen auf Vorwürfe seiner Gegner. Diese prahlten damit, wie glanzvoll sie die Schrift auslegen. Paulus nennt sie daher spöttisch »Superapostel« (11,5). Umgekehrt wurde Paulus von seinen Gegnern wohl nicht als Apostel anerkannt. Sie kritisierten sein schwaches Auftreten (10,10). Sie warfen ihm sogar vor, dass er darauf verzichtete, von der Gemeinde Unterhalt zu bekommen (11,7-11; 12,14). Paulus wehrt sich gegen diese Vorwürfe: Er erzählt zunächst von Offenbarungen, die er erhalten hat (12,1-5). Doch darauf ist Paulus nicht stolz: Er ist vielmehr stolz auf seine Schwäche. In ihr zeigt sich, dass Paulus seine Erfolge nicht sich selbst verdankt, sondern Christus, der in ihm wirkt (12,6-10). Darum setzt Paulus sein Vertrauen nicht auf die eigene Kraft, sondern allein auf Gott. Und darum schildert er in aller Ausführlichkeit, wie viel Leid und Gefahren er im Dienst für die Verkündigung auf sich genommen hat (11,24-33).
Für Paulus sind die Auseinandersetzungen mit der Gemeinde in Korinth keine nebensächlichen, menschlichen Probleme. Sein Wirken als Apostel steht ganz im Zeichen der Versöhnung. Die Botschaft, dass Jesus die Menschen mit Gott versöhnt hat, ist das Zentrum seiner Predigt. Diese Botschaft soll sich auch auf das Leben der Gemeinde auswirken. Darum ist es für Paulus so wichtig, sich mit der Gemeinde in Korinth zu versöhnen und alle Konflikte auszuräumen.