Deutsche Bibelgesellschaft

Jesus

Von der Geburt bis zur Auferstehung - Wer war Jesus von Nazareth?

Die Evangelien erzählen, dass eine Begegnung mit Jesus an niemandem spurlos vorüberging: Er verstand es, Menschen Hoffnung zu geben, Selbstverständliches zu hinterfragen, Verletzungen zu heilen und das Wirken Gottes mitten im Alltag spürbar werden zu lassen.

Und so wie "Christus" eigentlich nicht nur ein Beiname von Jesus ist, sondern ein Ehrentitel, der seine besondere Bedeutung und Würde zum Ausdruck bringt, gibt es noch eine Reihe von weiteren Würdetiteln, von denen jeder einen besonderen Aspekt seines Heilswirken beschreibt. So wird Jesus als Menschensohn, als Sohn Gottes und als Herr bezeichnet.

Die Geburt Jesu

Zwei der vier Evangelien berichten etwas über die Geburt Jesu: Matthäus und Lukas (jeweils in Kap. 1–2). Lukas hat in den ersten beiden Kapiteln seines Evangeliums die Geschichte von der Ankündigung der Geburt Jesu bis zum zwölfjährigen Jesus im Tempel kunstvoll mit der Vorgeschichte der Geburt Johannes des Täufers verwoben. Damit zeigt er, wie das Leben des letzten der Propheten in der Tradition des Alten Testaments – Johannes – von Gott auf das Kommen des Erlösers hingeordnet ist, mit dem dann eine neue Zeit des Heils beginnt. Die Erkennungszeichen dieses Heilbringers sind Windeln und Krippe, d.h. Armut und kindliche Hilflosigkeit – eine herbe Korrektur aller damaligen (wie heutigen) Heils- und Heilandserwartungen. Ihr entspricht es dann auch, wenn der Engel die Botschaft von der Geburt zuallererst den Hirten bringt, die zur Zeit Jesu von den religiös maßgeblichen Kreisen ähnlich verachtet waren wie die Zöllner.

Ganz im Gegensatz dazu sind es bei Matthäus sozial durchaus hochgestellte Persönlichkeiten (denen sogar ein Herodes Audienz gewährt), die den neugeborenen Jesus als Erste sehen und als ihren König begrüßen. Aber auch sie stehen für die Sehnsucht nach Heil und Erlösung. Die Sterndeuter aus dem Morgenland vertreten die Völker der Erde, und an ihnen zeigt sich beispielhaft, dass Jesus auch der Retter für die ist, die nicht zum Volk Israel gehören, für Ausländer und Nichtjuden.

Gemeinsam ist den beiden Darstellungen, dass sie durch verschiedene Einzelheiten deutlich machen, dass dieses Kind wirklich der verheißene Messias ist: Jesus wird in Betlehem geboren, der Heimatstadt Davids, aus dessen Nachkommenschaft der Messias stammen soll (1.Samuel 16,1; Micha 5,1). Der Stammbaum in Matthäus 1 führt von Abraham über David bis zu Jesus. Der Evangelist will damit von Anfang an deutlich machen, dass hier von dem die Rede ist, in dem sich die Verheißungen Gottes an sein Volk erfüllen. Deshalb betont Matthäus gerade in diesen Kapiteln immer wieder: »Dies alles geschah, damit in Erfüllung ging, was der Herr durch die Propheten angekündigt hatte.« (Matthäus 1,22; 2,15)

Lukas stellt die Geburt Jesu nicht nur in den heilsgeschichtlichen Zusammenhang des Volkes Israel, sondern zugleich auch in einen weltgeschichtlichen: Er nennt ausdrücklich den römischen Kaiser Augustus, durch dessen Aufruf zur Volkszählung Josef und Maria veranlasst werden, von ihrem Heimatort Nazaret nach Betlehem zu gehen. Aber auch hier vermittelt Lukas zugleich eine theologische Botschaft: den grundlegenden Unterschied zwischen dem mit römischer Macht und Autorität durchgesetzten Frieden im Reich (der Pax Romana) und dem durch das Kommen des Gottessohnes Jesus erschlossenen Frieden Gottes.

Ein genaues Datum für die Geburt Jesu lässt sich aus den Evangelienberichten allerdings nicht ermitteln. Wenn es stimmt, dass Jesus während der Herrschaft Herodes des Großen geboren wurde (Lukas 1,5; Matthäus 2,1.22), dann ist er spätestens 4 v.Chr. geboren, denn in diesem Jahr starb Herodes.

Das öffentliche Auftreten Jesu

Im Alter von etwa 30 Jahren lässt Jesus sich von Johannes im Jordan taufen. Die Evangelien berichten, dass bei dieser Taufe der Geist Gottes auf Jesus herabkommt und ihn für seine Aufgaben bereitmacht (Lukas 3,21-22). Danach zieht Jesus sich für kurze Zeit in die Wüste zurück – den Ort der inneren Vorbereitung und der Gottesnähe.

Dann beginnt er, Schüler um sich zu sammeln, zu lehren und Kranke zu heilen. Die Menschen erkennen in seinen Worten und Taten eine Vollmacht, die Gott selbst ihm verliehen hat (Markus 1,21-28), ja, sie merken, dass Gott in Jesus, in seinem gesamten Verhalten, Wirken und Predigen gegenwärtig ist. Er verkündet und lebt Gottes Gegenwart so, dass die Menschen, die ihm begegnen, spüren: Gott ist ihnen ganz nah.

Die selbstverständliche Inanspruchnahme göttlicher Vollmacht bringt Jesus aber auch immer wieder in Konflikt mit den religiösen Führern seines Volkes, den Gesetzeslehrern und Pharisäern. Auch seine Zuwendung zu den Ausgestoßenen und Verachteten der damaligen Gesellschaft führt oft zu offener Kritik.

Sogar die engsten Jünger Jesu begreifen nicht immer, was er sagt und tut. Als Jesus ihnen erklärt, er sei weder ein militärischer noch ein politischer Führer, sondern werde den Tod erleiden, um seinen Auftrag von Gott zu erfüllen, reagieren sie mit Unverständnis (Markus 8,31-33).

Jesu Botschaft von der Herrschaft Gottes

»Es ist so weit: Jetzt wird Gott seine Herrschaft aufrichten und sein Werk vollenden. Ändert euer Leben und glaubt dieser guten Nachricht!« Dies ist – kurz zusammengefasst – der Kern der Predigten Jesu (Markus 1,15). Der Begriff der »Herrschaft Gottes«, um die es ihm geht, wird in traditionellen Bibelübersetzungen meist mit »Reich Gottes« oder »Himmelreich« wiedergegeben. Das darf nicht zu dem Missverständnis verleiten, es gehe um ein Reich, das im Himmel liegt und mit dem Alltag der Menschen wenig zu tun hat. Im Gegenteil: Die »Herrschaft Gottes« bezeichnet den Bereich, in dem Gott sich als Herr erweist – gerade in unserer Welt und in unserem Leben.

Die Taten Jesu, seine »Wunder«, sind Zeichen dafür, dass Gott jetzt wirklich seine Herrschaft aufrichtet: Blinde sehen, Gelähmte gehen und Aussätzige werden gesund (vgl. Matthäus 11,2-6). Doch nicht nur körperlich soll die Welt wieder heil werden. Ein Zeichen und Wunder ganz besonderer Art ist es, dass Jesus sich derer annimmt, die am Rand der Gesellschaft stehen, und zwar nicht nur der Armen, die schon im Alten Testament der Fürsorge ihres Volkes empfohlen werden, sondern besonders auch derer, die Schuld auf sich geladen haben. Ihnen gilt seine besondere Aufmerksamkeit und Liebe. Die Reichen, Satten und Selbstzufriedenen dagegen sieht er in höchster Gefahr. Wenn Gottes Herrschaft kommt, wird das Urteil über sie gesprochen (vgl. Lukas 6,20-26).

Die Botschaft Jesu vom Reich Gottes steht in einer Spannung des »Schon« und »Noch-nicht«. Im Handeln und Reden Jesu ist die Anwesenheit Gottes schon sichtbar, vor allem für die, die seine Worte ernst nehmen und ihm glauben. Die endgültige Vollendung aber ist noch nicht da. Das Reich Gottes ist gegenwärtig und zukünftig zugleich.

Bis die Vollendung kommt, stehen alle, die zu Jesus gehören wollen, vor der Aufgabe, ihr bisheriges Handeln zu überprüfen und aufzugeben, was sie von Gott trennt. Jesus gibt den Menschen ganz neue Maßstäbe. Sie haben in den Lebensregeln der Bergpredigt (Matthäus 5-7), besonders im Gebot der Feindesliebe (Matthäus 5,43-48) ihren klassischen Ausdruck gefunden.

Wie das Reich Gottes sein wird, beschreibt Jesus vor allem in den vielen Gleichnissen.

Die Gleichnisse Jesu

Jesus kleidet seine Verkündigung oft in Gleichnisse. Gut ein Drittel der biblischen Jesusworte haben diese Form.

Ein Gleichnis im engeren Sinn ist ein in die Form einer Erzählung gekleideter Vergleich. Jesus macht darin alltägliche Dinge wie Saat und Ernte, das Backen von Brot oder das Suchen eines verlorenen Geldstücks zum Bild für die eigentlich unvergleichliche Wirklichkeit des Reiches Gottes. So weist z.B. das Gleichnis vom Senfkorn (Markus 4,30-32) auf den Kontrast zwischen dem winzigen Samenkorn und der großen Senfpflanze hin. Damit ermutigt es, darauf zu vertrauen, dass aus den unscheinbaren Anfängen, die in der Gegenwart schon sichtbar sind, tatsächlich das Reich Gottes erwächst. Die Verwendung der Bilder macht das Gemeinte in der Regel unmittelbar verständlich und lässt die Gleichnisse gut im Gedächtnis haften. Aber es gibt auch weitere Gleichnisformen:

Die Parabel

Sie nimmt als Vergleichsgröße einen einmaligen, außergewöhnlichen Fall (z.B. Die Arbeiter im Weinberg, Matthäus 20,1-15; Der verlorenen Sohn, Lukas 15,11-32). Wie beim Gleichnis im engeren Sinn kommt es darauf an, den Vergleichspunkt zu finden, der das Gemeinte illustriert. Nicht alle Einzelzüge sollen ausgedeutet werden.

Die Allegorie

Im Unterschied zur Parabel sind bei der Allegorie die einzelnen Bestandteile zu deuten (in Markus 12,1-12 z.B. der Weinberg, der Besitzer, der Pächter usw.).

Die Beispielerzählung

Sie führt die gemeinte Sache an einem praktischen Fall vor, der als einladendes oder abschreckendes Beispiel dient (z.B. Der barmherzige Samariter, Lukas 10,29-37; Vom reichen Bauern, Lukas 12,16-21; Vom Pharisäer und dem Zolleinnehmer, Lukas 18,9-14).

Eins ist allen Gleichnissen gemeinsam: Sie wollen den Zuhörer überzeugen, zum Mitdenken und zum Umdenken bewegen und fordern eine Entscheidung heraus.

In Markus 4,10-12 heißt es aber auch, dass Jesus Gleichnisse erzählte, um seine Botschaft zu verhüllen. Einige sind tatsächlich für Außenstehende kaum verständlich und boten so den Gegnern Jesu womöglich weniger Angriffsfläche.

Zeichen und Wunder Jesu

»Wunder« sind Ereignisse, in denen Menschen unmittelbar Gott am Werk sehen. Im Alten Testament gibt es zahlreiche Berichte über sein wunderbares Eingreifen zugunsten seines Volkes oder eines einzelnen Menschen, die alle zugleich Ausdruck der staunenden Dankbarkeit für die Erfahrung solchen Heilshandelns sind. Viele der Wundertaten, die im Neuen Testament von Jesus berichtet werden, erinnern an entsprechende Erzählungen aus dem Alten Testament. Darin wird deutlich, dass auch sie nicht »Selbstzweck« sind, sondern Zeichen dafür, dass durch seine Gegenwart das Reich Gottes anbricht.

Die Wunder Jesu sind der augenfällige Ausdruck seiner Liebe zu den Menschen und seiner helfenden Fürsorge: Kranke werden geheilt und Menschen von Dämonen befreit, sogar der Tod verliert in der Gegenwart Jesu seine Macht. Im Johannes-Evangelium, das sieben besonders ausdruckvolle Wundergeschichten erzählt, wird ihre Funktion, die göttliche Macht und Würde Jesu für den Glauben sichtbar zu machen, dadurch unterstrichen, dass sie ausdrücklich »Zeichen« genannt werden.

Je nach Situation, in der von Wundertaten Jesu berichtet wird, kann man die Wundergeschichten in folgende Gruppen einteilen:

Dämonen – Exorzismuswunder

Krankheit – Heilungswunder

Tod – Erweckungswunder

Gefahr – Rettungswunder

Mangel – Geschenkwunder

Konflikte – Normenwunder

Kreuzigung und Tod Jesu

So wie Jesus lebte und lehrte, musste er in Konflikt geraten mit den damaligen religiösen und gesellschaftlichen Autoritäten: Er setzte sich an einen Tisch mit Zöllnern und Sündern, die von der Gesellschaft verachtet und ausgestoßen waren; er übertrat das Sabbatgebot und beanspruchte für sein Handeln überdies eine direkte Bevollmächtigung durch Gott. Stellvertretend für diesen Konflikt werden in den Evangelien die Auseinandersetzungen Jesu mit den Pharisäern geschildert. Er gipfelt schließlich in der Hinrichtung Jesu.

Als Jesus zum Passafest nach Jerusalem zog, konfrontierte er das religiöse Zentrum Israels mit der Botschaft von der angebrochenen Gottesherrschaft und führte die Auseinandersetzungen zu einem Höhepunkt. Mit einem provokativen Akt (Markus 11,15-19) stellte er den Tempel selbst in Frage und kündigte ein neues Gottesverhältnis an. Das Risiko, das mit diesem Auftreten verbunden war, muss ihm bewusst gewesen sein. Denn das damalige Judentum wusste vom Schicksal der Propheten, die aufgrund ihres Auftrags von ihrem Volk verworfen wurden. Ähnlich sah wohl auch Jesus seinen Weg.

Das Synedrium, die oberste jüdische Behörde, ließ Jesus gefangen nehmen und lieferte ihn dem römischen Prokurator Pontius Pilatus aus unter dem Vorwand, dass es sich um einen politischen Aufwiegler handle. Tatsächlich wurde Jesus von Pilatus unter der Anklage des Aufruhrs und der Anführerschaft einer messianischen Freiheitsbewegung zum Tode verurteilt und am Kreuz hingerichtet. Die Kreuzigung war eine äußerst qualvolle und erniedrigende Art der Hinrichtung, die die Römer typischerweise bei Aufständischen und deren Sympathisanten einsetzten. Sie galt als so grausam, dass sie bei römischen Staatsbürgern nicht angewendet werden durfte.

Jesus starb nicht mit heiterer Überlegenheit, wie etwa Sokrates, sondern mit einem Schrei auf den Lippen: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« (Psalm 22,2). Doch indem er noch in der tiefsten Gottverlassenheit nach seinem (!) Gott schrie, hielt er zugleich an der Gemeinschaft mit Gott fest.

Die Auferstehung Jesu

Das Neue Testament schildert nicht die Auferstehung selbst. Dieses Ereignis, das jede menschliche Vorstellungskraft sprengt, wird vielmehr indirekt dargestellt, indem die Erfahrungen der Menschen erzählt werden, die bezeugen: Jesus lebt, Gott hat ihn vom Tod auferweckt.

Drei Tage nach Jesu Tod finden die Frauen, die Jesus bis zu seinem Tod begleitet haben, das Grab leer und erfahren als Erste von der Auferstehung (vgl. Lukas 24,1-12). Die Jünger, denen sie von ihrem Erlebnis berichten, schenken ihnen keinen Glauben. Doch dann begegnen zwei von ihnen auf dem Weg zum nahe gelegenen Emmaus selbst dem auferstandenen Herrn. Sie erkennen ihn zunächst nicht. Erst als er ihnen beim Mahl das Brot bricht, gehen ihnen die Augen auf (Lukas 24,13-35). In den folgenden Tagen begegnen auch die anderen Jünger dem Auferstandenen.

Nach dieser alles verändernden Erfahrung braucht ihr neu geweckter Glaube die sichtbare Gegenwart Jesu nicht mehr. Wie alle Christen nach ihnen, können sie darauf vertrauen, dass Jesus nunmehr in einer anderen Weise bei ihnen ist.

In 1.Korinther 15,20-28 erklärt Paulus, was die Auferstehung Jesu für uns bedeutet: Wenn wir auf Jesus Christus vertrauen, hat der Tod nicht mehr das letzte Wort. So wie durch einen Menschen, Adam, die Sünde und der Tod in die Welt gekommen ist, so bringt mit Christus, dem »zweiten Adam«, nun ein Mensch Auferstehung, Leben und Heil.

Deutsche Bibelgesellschaftv.4.26.9
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