ÜBER WEISHEIT UND TORHEIT
(Kapitel 1–9)
11Dieses Buch enthält in Sprüche1,1 Nach einer ausführlichen einleitenden Belehrung über den Wert und den Nutzen der Weisheit vereinigt dieses Buch ab Kapitel 10 eine Fülle von Einzelsprüchen zu den unterschiedlichsten Themen ohne strenge Ordnung. Bei diesem Spruchgut handelt es sich nicht um volkstümliche »Sprichwörter«, sondern um schulmäßig überlieferte Lebensweisheit. Sie hat ihren Ursprung in der Beobachtung des menschlichen Lebens und findet sich in ähnlicher Form auch bei den Nachbarvölkern des alten Israels. In ihrem Grundbestand sprechen diese Sprüche nicht von Gott und seinem Willen, sondern von Gesetzmäßigkeiten des Lebens, einer an den Lebenstatsachen ablesbaren »Seinsordnung«, von deren Beachtung Glück und Gelingen des Einzellebens abhängen. Grundlegender Maßstab ist die menschliche Gemeinschaft: Wer das Lebensrecht seiner Mitmenschen achtet, nützt damit auch sich selbst – und umgekehrt. In diesem Sinn stehen sich in vielen Sprüchen die Guten, Redlichen, Rechtschaffenen und die Bösen, Hinterhältigen, Unheilstifter gegenüber (andere Übersetzungen geben die beiden hebräischen Wörter für diese Gruppen einheitlich mit »Gerechte« und »Frevler« wieder): »Wer das Rechte tut, in dessen Haus ist Überfluss; wer unredlich handelt, dem bringt sein Gewinn kein Glück.« In Israel trat bei der Weiterentwicklung der gemeinorientalischen Weisheit der Gesichtspunkt hinzu, dass die als gottgeschaffen empfundene Ordnung des Gemeinschaftslebens den am Sinai gegebenen Gottesgeboten entspricht und von Gott garantiert und überwacht wird. Davon zeugt im Buch der Sprichwörter der wie ein Motto vorangestellte Vers 1,7 und des Weiteren zahlreiche Einzelsprüche, die dadurch auffallen, dass sie den Gottesnamen nennen (in dieser Bibelausgabe wiedergegeben mit »der Herr«); z.B. 10,27 und 10,29 in einer sonst ganz andersartigen Umgebung. Für weiter gehende Erläuterungen siehe Sacherklärung »Gerechtigkeit«. gefasste Ratschläge fürs Leben von Salomo, dem Sohn Davids und König von Israel. 2Sie zeigen uns, was Weisheit und echte Bildung ist, damit wir merken können, wo mit Einsicht über etwas geredet wird. 3Mit ihrer Hilfe kommen wir zu einer guten Bildung und lernen, wie wir unser Leben richtig führen und immer auf dem geraden Weg bleiben. 4So können wir auch junge und unerfahrene Menschen zu Klugheit und Besonnenheit führen. 5-6Sie werden dann verstehen, was weise Lehrer sagen: ihre Sprüche, Bilder, Gleichnisse und Rätsel. Auch Erfahrene lernen aus diesem Buch noch dazu und machen Fortschritte in der Kunst, die Aufgaben des Lebens zu bewältigen.
7Den Herrn ernst nehmen ist der Anfang aller Erkenntnis. Wer ihn missachtet, verachtet auch Weisheit und Lebensklugheit.
9,10
15,33
Dtn 6,2-3
Ijob 28,28
Ps 111,10
Koh 12,13
Sir 1,1416
8Mein Sohn,1,8 So spricht der Weisheitslehrer zu seinem Schüler. Es ist nicht sicher, in welchem Umfang Mädchen in die Unterweisung einbezogen wurden und weise Frauen als Lehrerinnen tätig waren. Ein Beispiel ist die Mutter des Königs Lemuël in 31,1-9 (vgl. 2 Sam 14,2; 20,16). höre auf deinen Vater und deine Mutter und folge ihrem Rat!
13,1
23,22
30,17
Ex 20,12
Sir 3,1-16
9Das schmückt dich wie ein prächtiger Kranz auf dem Kopf oder wie eine Halskette. 10Lass dich nicht von gewissenlosen Menschen verführen, 11die zu dir sagen: »Komm, geh mit uns! Wir legen uns auf die Lauer! Wenn Leute vorbeikommen, schlagen wir sie tot, einfach so! 12Wir machen es wie der Tod: Wir reißen sie mitten aus dem Leben heraus und befördern sie, so wie sie sind, ins Grab. 13Ihr Hab und Gut nehmen wir und füllen unsere Häuser damit. 14Die Beute teilen wir miteinander. Komm, mach mit!«
15Mein Sohn, mach nicht gemeinsame Sache mit diesen Verbrechern, 16denn auf Schritt und Tritt haben sie nichts als Bosheit und Mord im Sinn! 17Die Vögel beachten das ausgespannte Netz nicht und fliegen hinein. 18Genauso machen es diese Verbrecher:1,18 Genauso ...: verdeutlichender Zusatz. Sie lauern sich selbst auf und stellen dem eigenen Leben nach. 19Alle, die auf krummen Wegen reich werden wollen, nehmen ein solches Ende: Dem Räuber raubt sein Raub das Leben!
20Die Weisheit ruft auf den Straßen,
auf den Plätzen erschallt ihre Stimme;
9,3
21wo die Leute sich treffen, hört man sie,
am Stadttor trägt sie ihre Rede vor:
22»Wann werdet ihr endlich reif und erwachsen,
unreife Grünschnäbel, die ihr seid?
Ihr unverbesserlichen Schwätzer,
wie lange wollt ihr euch nicht bessern?
Wann kommt ihr endlich zur Einsicht,
ihr alle, die ihr mich missachtet?
23Nehmt euch doch meine Mahnung zu Herzen!
Dann öffne ich euch den Schatz meines Wissens
und gebe euch davon, soviel ihr wollt.
24Ich habe immer wieder geredet,
doch ihr habt gar nicht zugehört.
Mit erhobener Hand habe ich gerufen
und niemand hat darauf geachtet.
Jer 25,1-6
25Ihr habt euch nicht zurechtweisen lassen
und jeden Rat in den Wind geschlagen.
26Wartet ab, das Unglück kommt bestimmt!
Dann werde ich es sein, die lacht!
Dann ist die Reihe an mir, zu spotten,
27wenn Angst und Schrecken über euch kommen
wie ein fürchterlicher Gewittersturm,
28Dann schreit ihr nach mir, doch ich antworte nicht,
ihr werdet mich suchen und nirgends finden.
Am 8,11-12
Mi 3,4
29Wenn ihr euch jeder Einsicht verschließt
und euch weigert, den Herrn ernst zu nehmen,
30wenn ihr meine Ratschläge von euch weist
und auf keine von meinen Warnungen hört,
31dann müsst ihr die Folgen tragen
und auslöffeln, was ihr euch eingebrockt habt.
32Alle, die sich nichts sagen lassen,
gehen an ihrer Halsstarrigkeit zugrunde,
und die Sorglosen und Selbstsicheren
bringt ihr Eigensinn ums Leben.
33Doch alle, die auf mich hören,
haben nichts zu befürchten,
Not und Unglück bleiben ihnen erspart.«