Klage und Verheissung
1Wehe mir, es ist mir ergangen wie bei der Obsternte,
wie bei der Nachlese zur Weinernte:
keine Traube zum Essen,
keine Frühfeige, nach der ich begehre.
2Verschwunden ist der Getreue aus dem Land,
und kein Aufrechter ist unter den Menschen.
Sie alle lauern auf Blut,
und auf den eigenen Bruder macht jeder Jagd mit dem Netz.
3Besonders gut wollen ihre Hände das Böse tun,
der Fürst stellt Forderungen,
und wer Recht spricht, tut es gegen Bezahlung,
und der Grosse redet, wozu seine Gier ihn treibt,
und schon immer haben sie alles verdreht.
4Der Beste von ihnen ist wie ein Dornenstrauch,
selbst ein Aufrechter ist schlimmer als eine Dornenhecke.
Der Tag deiner Späher, deine Heimsuchung, ist gekommen,
nun wird Verwirrung unter ihnen herrschen!
5Dem Nächsten sollt ihr nicht glauben,
vertraut nicht dem, der euch vertraut ist.
Vor ihr, die an deiner Brust liegt,
bewache die Pforten deines Mundes!
6Denn der Sohn hält nichts vom Vater,
die Tochter erhebt sich gegen ihre Mutter,
die Schwiegertochter gegen ihre Schwiegermutter,
des Menschen Feinde sind die Menschen im eigenen Haus.
7Ich aber will Ausschau halten nach dem Herrn,
will warten auf den Gott meiner Rettung!
Mein Gott wird mich hören.
8Freue dich nicht über mich, die du mir Feind bist!
Wenn ich gefallen bin,
stehe ich auf,
wenn ich in der Finsternis sitze,
ist der Herr mir Licht.
9Ich werde die Wut des Herrn ertragen,
denn ich habe gesündigt gegen ihn,
bis er meinen Rechtsstreit führt
und mir Recht verschafft;
er wird mich hinausführen an das Licht,
ich werde seine Gerechtigkeit sehen!
10Und die mir Feind ist, soll es sehen,
und Schande soll sie bedecken,
sie, die zu mir sagt:
Wo ist der Herr, dein Gott?
Meine Augen werden es sehen:
Nun wird sie zertreten wie Kot in den Gassen!
11Ein Tag, um deine Mauern aufzubauen!
An jenem Tag rückt die Grenze in die Ferne.
12An jenem Tag, da wird man zu dir kommen
von Assur und den Städten Mazors
und von Mazor bis zum Strom
und von Meer zu Meer
und von Gebirge zu Gebirge.
13Die Erde aber wird zur Wüstenei, ihrer Bewohner wegen,
der Frucht ihrer Taten wegen.
14Weide dein Volk mit deinem Stab,
die Schafe deines Erbbesitzes,
die in Einsamkeit leben,
im Wald, mitten im Fruchtland.
Im Baschan und im Gilead werden sie weiden
wie in den Tagen der Vorzeit.
15Wie in den Tagen deines Auszugs aus dem Land Ägypten,
lasse ich es Wunder sehen!
16Nationen werden es sehen und zuschanden werden,
werden all ihre Macht verlieren;
sie werden die Hand auf den Mund legen,
ihre Ohren werden taub.
17Wie die Schlange lecken sie Staub,
wie jene, die auf der Erde kriechen.
Zitternd kommen sie aus ihren Gefängnissen,
ängstlich nähern sie sich dem Herrn, unserem Gott,
und sie fürchten sich vor dir.
18Wer wäre ein Gott wie du,
der Schuld vergibt
und hinwegschreitet über Vergehen
für den Rest seines Erbbesitzes?
Nicht für immer hält er fest an seinem Zorn,
denn er hat Gefallen an Gnade!
19Er wird sich wieder über uns erbarmen,
unsere Schuld wird er niedertreten.
Und in die Tiefen des Meeres wirst du all ihre Sünden werfen.
20Jakob erweist du Treue,
Abraham Güte,
wie du es unseren Vorfahren geschworen hast
seit den Tagen der Vorzeit.