Klage und Hoffnung eines von Gott Verlassenen (Des Heilands Leidenspsalm)
1dem musikmeister, nach (der singweise = melodie) »hirschkuh der morgenröte«; ein psalm von david.
2Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (Mt 27,46; Mk 15,34)
Ach, fern von meiner Rettung bleiben die Worte meiner Klage!
3Mein Gott! Ich rufe bei Tage, doch du antwortest nicht,
und bei Nacht, doch Ruhe wird mir nicht zuteil!
4Und doch bist du der Heilige,
der da thront über Israels Lobgesängen.
5Auf dich haben unsre Väter vertraut,
sie haben vertraut, und du hast ihnen ausgeholfen;
6zu dir haben sie geschrien und Rettung gefunden,
auf dich haben sie vertraut und sind nicht enttäuscht worden.
7Doch ich bin ein Wurm und kein Mensch mehr,
bin der Leute Hohn und verachtet vom Volk;
8alle, die mich sehen, spotten mein (vgl. Mt 27,39-43),
reißen den Mund auf, schütteln den Kopf:
9»Er werf’s auf den HERRN: der möge ihn befreien,
der möge ihn retten: er hat ja Wohlgefallen an ihm!«
10Ja du bist’s, der mich der Mutter gelegt in den Schoß,
mich sicher geborgen an meiner Mutter Brust;
11von Geburt an bin ich auf dich geworfen (= angewiesen),
vom Schoß meiner Mutter her bist du mein Gott.
12O bleibe nicht fern von mir, denn die Drangsal ist nahe,
und sonst ist kein Helfer zu sehen!
13Mich umzingeln mächtige Stiere,
Basans Riesenfarren halten mich umringt;
14den Rachen sperren sie gegen mich auf –
ein reißender, brüllender Löwe!
15Wie Wasser bin ich ausgegossen,
alle meine Glieder sind ausgerenkt (oder: zerschlagen);
das Herz ist mir geworden wie Wachs,
zerschmolzen in meinem Innern.
16Vertrocknet wie eine Scherbe ist meine Kraft,
und die Zunge klebt mir am Gaumen:
in den Staub des Todes hast du mich gelegt.
17Ach, Hunde umgeben mich rings,
eine Rotte von Übeltätern umkreist mich;
sie haben mir Hände und Füße durchbohrt.
18Alle meine Gebeine kann ich zählen:
sie aber blicken mich an und weiden sich an dem Anblick.
19Sie teilen meine Kleider unter sich
und werfen das Los um mein Gewand (Mt 27,35; Joh 19,24).
20Doch du, HERR, bleibe nicht fern von mir,
du, meine Stärke, eile mir zu Hilfe!
21Errette vor dem Schwert mein Leben,
mein einziges Gut aus der Hunde Gewalt!
22Hilf mir aus dem Rachen des Löwen
und bewahre mich vor den Hörnern der Büffel!
23Dann will ich deinen Namen meinen Brüdern kundtun,
inmitten der Gemeinde dich rühmen (= preisen):
24»Die den HERRN ihr fürchtet, preiset ihn!
Ihr alle vom Hause Jakobs, ehret ihn
und scheut euch vor ihm, ihr alle von Israels Stamm!
25Denn er hat nicht übersehen und nicht verabscheut das Elend des Dulders
und sein Antlitz vor ihm nicht verborgen,
nein, als er zu ihm schrie, auf ihn gehört.«
26Dir soll mein Loblied gelten in großer Gemeinde;
meine Gelübde will ich erfüllen vor denen, die ihn fürchten.
27Die Elenden sollen essen, daß sie satt werden,
und die da suchen den HERRN, sollen ihn preisen:
aufleben soll euer Herz für immer!
28Daran werden gedenken und zum HERRN sich bekehren
alle Enden der Erde,
und vor dir werden sich niederwerfen
alle Geschlechter der Heiden;
29denn dem HERRN gehört die Herrschaft (oder: das Königtum),
und er ist der Völkergebieter.
30Vor ihm werden niederfallen alle Großen der Erde,
vor ihm die Knie beugen alle, die in den Erdstaub sinken
und wer seine Seele nicht am Leben erhalten kann.
31Die Nachwelt wird ihm dienen;
vom Allherrn wird man erzählen dem künft’gen Geschlecht.
32Sie werden kommen und seine Gerechtigkeit kundtun
dem nachgeborenen Volk, daß Er es vollführt hat.