Hiob 4
II. Erster Gesprächsgang
1. Erste Rede des Eliphas
a) Eliphas entschuldigt seinen Versuch einer Zurechtweisung Hiobs mit dem Hinweis auf Hiobs eigenes früheres Verhalten vielen Leidenden gegenüber
1Da hob Eliphas von Theman an und sagte:
2»Wird es dich verdrießen, wenn man ein Wort an dich zu richten wagt? Doch wer vermöchte die Worte zurückzuhalten? 3Hast du doch selbst vielen (Leidenden) Mut zugesprochen und erschlaffte Hände gestärkt; 4manchen Wankenden haben deine Worte aufrecht gehalten, und niedersinkenden Knien hast du neue Kraft verliehen. 5Nun aber, da die Reihe an dich gekommen, bist du verzagt; nun es dich selbst trifft, verlierst du den Halt!«
b) Hiob soll bedenken, daß niemand schuldlos leide und daß nur Frevler untergehen
6»Ist deine Gottesfurcht nicht deine Zuversicht und dein unsträflicher Wandel deine Hoffnung? 7Bedenke doch: Wo ist je ein Unschuldiger zugrunde gegangen, und wo sind Rechtschaffene vernichtet worden? 8Soweit meine Erfahrung reicht: die Unheil gepflügt und Frevel gesät hatten, die haben es auch geerntet. 9Durch Gottes Odem kommen sie um, und durch den Hauch (oder: das Schnauben) seines Zornes vergehen sie. 10Des Löwen Gebrüll und die Stimme des Leuen (sind verstummt), und den jungen Löwen sind die Zähne ausgebrochen; 11da kommt auch ein Löwe um aus Mangel an Raub, und die Jungen der Löwin müssen sich zerstreuen.«
c) Eliphas weiß durch eine ihm gewordene Nachterscheinung, daß vor Gott niemand ohne Schuld ist
12»Zu mir ist aber ein Wort verstohlen gedrungen, und mein Ohr hat einen flüsternden Laut davon (oder: von daher) vernommen 13beim Spiel der durch Traumbilder erregten Gedanken, in der Zeit, wo tiefer Schlaf sich auf die Menschen senkt: 14ein Grauen überfiel mich und ein Zittern, durch alle meine Gebeine ging ein Schauder; 15ein Lufthauch (oder: ein Geist) strich leise an meinem Antlitz vorüber; es sträubte sich mir das Haar am Leibe empor! 16Da stand – ihr Aussehen konnte ich nicht erkennen – eine Gestalt vor meinen Augen, und eine Stimme hörte ich flüstern: 17›Kann wohl ein Mensch gerecht vor Gott sein oder ein Sterblicher rein vor seinem Schöpfer? 18Bedenke: seinen Dienern kann er nicht trauen, und seinen Engeln legt er Mängel (oder: Irrtümer) zur Last: 19wieviel mehr denen, die Lehmhütten bewohnen, deren Grundbau im Staube liegt! Sie werden zerdrückt, als wären sie Motten; 20vom Morgen bis zum Abend werden sie zerschmettert; unbeachtet vergehen sie auf ewig. 21Nicht wahr, so ist es: wird das Haltseil ihres Zeltes bei ihnen ausgerissen, so sterben sie und wissen nicht wie.‹«
Die Heilige Schrift, übersetzt von Hermann Menge. Neuausgabe © 1949/2003 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. Apokryphen aus: Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments, übersetzt von Hermann Menge © 1967, Württembergischen Bibelanstalt, Stuttgart