Hiob 20
5. Zweite Rede Zophars
a) Kurze Abweisung der beleidigenden Rede Hiobs
1Nun nahm Zophar von Naama das Wort und sagte:
2»Eben darum veranlassen meine Gedanken mich zu einer Antwort, und eben deswegen bin ich innerlich erregt: 3eine mich beschimpfende Zurechtweisung muß ich hören! Doch der Geist gibt mir eine Antwort aus meiner Einsicht ein.«
b) Leidenschaftliche Schilderung des unfehlbaren Untergangs des Frevlers mit liebloser Anspielung auf Hiobs vermutliche Freveltaten
4»Kennst du nicht die Wahrheit von alters her, seitdem der Mensch seinen Wohnsitz auf der Erde hat, 5daß das Frohlocken der Frevler von kurzer Dauer ist und die Freude der Ruchlosen nur einen Augenblick währt? 6Sollte auch sein Dünkel sich bis zum Himmel erheben und sein Haupt bis an die Wolken reichen, 7so vergeht er doch wie sein Unrat für immer, und die ihn gekannt haben, werden fragen: ›Wo ist er geblieben?‹ 8Wie ein Traum verfliegt er, so daß man ihn nicht mehr findet, und er wird hinweggescheucht wie ein Nachtgesicht: 9das Auge, das ihn gesehen, erblickt ihn nimmer wieder, und seine Stätte gewahrt ihn nicht mehr. 10Seine Söhne müssen die (durch ihn) Verarmten mit Bitten beschwichtigen und seine eigenen Hände (oder: seine Kinder) sein Vermögen wieder herausgeben. 11Mögen auch seine Glieder von Jugendkraft strotzen: sie muß sich doch mit ihm in den Staub legen. 12Mag das Böse auch seinem Munde süß schmecken, so daß er es lange unter seiner Zunge birgt, 13daß er es schonend hegt und es nicht fahren lassen will, sondern es an seinem Gaumen zurückhält, 14so verwandelt sich doch seine Speise in seinen Eingeweiden: zu Otterngalle wird sie in seinem Leibe. 15Den Reichtum, den er verschlungen hat, muß er wieder ausspeien: aus seinem Bauche treibt Gott ihn wieder heraus. 16Otterngift hat er eingesogen: nun gibt ihm die Zunge der Viper den Tod. 17Nicht darf er seine Lust mehr sehen an den Bächen, an den wogenden Strömen von Honig und Sahne. 18Das Erraffte muß er wieder herausgeben, ohne es verschlucken zu können; wieviel Gut er auch erworben hat, er darf nicht frohlocken (oder: er findet kein Ergötzen daran). 19Denn er hat die Armen niedergeschlagen und hilflos verkommen lassen, hat Häuser an sich gerissen, wird sie aber nicht häuslich einrichten dürfen; 20denn er kannte keine Befriedigung in seiner Gier: darum wird er auch von seinen Kostbarkeiten nichts davonbringen. 21Nichts entging seinem Fressen (= seiner unersättlichen Gier): darum hat sein Wohlstand keine Dauer. 22In der Fülle seines Überflusses wird ihm enge: die ganze Gewalt des Unheils kommt über ihn. 23Da entfesselt Gott dann, um ihm den Bauch zu füllen, seine Zornesglut gegen ihn und läßt sie als seine Speise auf ihn regnen. 24Flieht er vor der eisernen Rüstung, so durchbohrt ihn der eherne Bogen; 25er zieht den Pfeil heraus, da fährt’s aus seinem Rücken hervor: ein Blutstrahl schießt aus seiner Galle (= seinem Herzen), Todesschrecken brechen über ihn herein. 26Alles Unheil ist seinen Schätzen aufgespart: ein Feuer, das nicht (von Menschen) angefacht ist, frißt sie und verzehrt, was in seinem Zelt noch übriggeblieben ist. 27Der Himmel deckt Sündenschuld auf, und die Erde erhebt sich gegen ihn. 28Was in seinem Hause zusammengescharrt liegt, wird weggeschleppt, zerrinnt (wie Wasser) am Tage des göttlichen Zorngerichts. 29Das ist des ruchlosen Menschen Teil (oder: Schicksalslos) von seiten Gottes und das vom Allherrn ihm zugesprochene Erbe.«
Die Heilige Schrift, übersetzt von Hermann Menge. Neuausgabe © 1949/2003 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart. Apokryphen aus: Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments, übersetzt von Hermann Menge © 1967, Württembergischen Bibelanstalt, Stuttgart