Ester wagt sich vor den König
(EÜ 5,1a-f.2a-b; Lu84 4,1-12)
1Am dritten Tag beendete Ester ihr Gebet, legte den Sack ab und kleidete sich in königliche Pracht. 2So rief sie Gott, den Beschützer und Retter aller Menschen, um Beistand an. Dann machte sie sich in Begleitung von zwei Hofdamen auf den Weg. 3Wie ein zartes, verwöhntes Geschöpf stützte sie sich auf den Arm der einen, 4während die andere ihr die Schleppe nachtrug. 5Sie war von vollendeter Schönheit und ihr Gesicht strahlte heitere Gelassenheit aus, obwohl sich ihr Herz vor Angst zusammenkrampfte.
6Sie durchschritt alle Türen und trat vor den König. Im königlichen Ornat, der über und über mit Gold und Edelsteinen bedeckt war, saß er auf seinem Thron. Sein Anblick flößte Furcht und Schrecken ein. 7Er erhob den Blick und ein wilder Zorn rötete seine majestätischen Züge. Die Königin wurde totenbleich und sank ohnmächtig auf die Schulter der Hofdame, auf die sie sich gestützt hatte.
8Da rührte Gott das Herz des Königs. Besorgt sprang er von seinem Thron auf und nahm die Königin in die Arme, bis sie wieder zu sich kam. 9Er sprach ihr freundlich zu und sagte: »Was ist dir, Ester? Hab keine Angst, ich bin doch dein Mann! 10Du musst nicht sterben. Das Verbot gilt nur für gewöhnliche Leute, nicht für dich. 11Tritt näher!«
12Er erhob das goldene Zepter und berührte damit ihren Nacken. Dann begrüßte er sie mit einem Kuss und sagte: »Sprich, was hast du auf dem Herzen?«
13Ester erwiderte: »Ach, mein Herr, als ich dich erblickte, war mir, als sähe ich einen Engel Gottes! Das Herz stand mir still aus Angst vor deiner großen Herrlichkeit. 14Staunenswert bist du, Herr, und dein Blick ist voll Milde!«
15Während sie das sagte, fiel sie erneut in Ohnmacht. 16Der König war bestürzt und alle seine Diener redeten der Königin aufmunternd zu.
5Ester sucht eine günstige Gelegenheit
3 Der König fragte sie: »Was führt dich her, Ester, was ist dein Wunsch? Ich gewähre dir alles, bis zur Hälfte meines Königreichs!«
4Ester antwortete: »Heute ist für mich ein besonderer Tag. Wenn es dem König recht ist, dann komme er doch mit Haman zu dem Mahl, das ich vorbereitet habe!«
5»Schnell, holt Haman herbei«, rief der König, »damit wir Esters Einladung folgen!« So kam der König mit Haman zu Esters Mahl. 6Beim Wein fragte er sie: »Was hast du auf dem Herzen, Königin Ester? Ich erfülle dir jeden Wunsch!«
7Ester antwortete: »Ich habe eine große Bitte: 8Wenn ich deine Gunst, mein König, gefunden habe, dann komm doch auch morgen mit Haman zu dem Mahl, das ich für euch vorbereiten werde. Es soll noch einmal genauso sein wie heute.«
Haman will Mordechai aus dem Weg schaffen
9Zufrieden und in bester Laune trennte sich Haman vom König. Doch als er im Hof des Palastes an Mordechai vorbeikam, packte ihn der Zorn. 10Zu Hause rief er sofort seine Freunde und seine Frau Zosara. 11Er prahlte vor ihnen mit seinem Reichtum und strich voll Stolz heraus, wie der König ihn ausgezeichnet und zum wichtigsten Mann im ganzen Reich gemacht habe.
12»Und die Königin Ester«, fuhr er fort, »hat zu dem Mahl, das sie veranstaltet hat, außer dem König nur noch mich eingeladen und auch morgen soll ich zusammen mit dem König bei ihr essen. 13Aber das alles ist mir vergällt, wenn ich den Juden Mordechai im Königspalast sehe!«
14Da rieten ihm seine Frau und seine Freunde: »Lass einen Galgen errichten, zwanzig Meter hoch, und berede den König, dass er Mordechai daran aufhängen lässt. Dann kannst du unbeschwert mit dem König zum festlichen Mahl gehen.«
Haman fand den Vorschlag ausgezeichnet und ließ sofort den Galgen aufrichten.