Susanna kommt unschuldig in schwere Bedrängnis
(B,1-64 vor Dan 1 – EÜ Dan 13,1-64; L St zu Dan 1,1-64)
1In Babylon lebte ein Jude mit Namen Jojakim, 2der hatte eine junge Frau, die Susanna hieß, eine Tochter Hilkijas. Susanna war sehr schön und hielt treu zum Herrn. 3Ihre Eltern waren fromme Juden und hatten ihre Tochter stets dazu angehalten, das Gesetz Moses genau zu befolgen. 4Jojakim war sehr reich und hatte einen großen Garten bei seinem Haus. Weil er der angesehenste unter den Juden der Stadt war, trafen sich in seinem Haus die Männer der jüdischen Gemeinde.
5Nun waren damals zwei Älteste aus dem Volk zu Richtern bestellt worden – Männer, denen es nur zum Schein um das Wohl des Volkes zu tun war. Auf sie bezog sich das Wort des Herrn: »Unrecht wird ausgehen von Babylon, von den Ältesten und Richtern.« 6Sie waren täglich im Haus Jojakims und jeder, der einen Rechtsfall hatte, suchte sie dort auf.
7Um die Mittagszeit, wenn die Besucher weggegangen waren, machte Susanna regelmäßig einen Spaziergang im Garten ihres Mannes. 8Täglich sahen die beiden Ältesten sie dort umhergehen und sie wurden von Leidenschaft zu ihr ergriffen. 9Sie gerieten mit ihren Gedanken auf Abwege und richteten ihren Blick nicht mehr zum Himmel empor, damit sie nicht an Gottes gerechtes Gericht erinnert würden. 10Alle beide wurden von Sehnsucht nach ihr verzehrt; aber keiner ließ den anderen etwas merken. 11Sie schämten sich, einander zu bekennen, dass sie vom Verlangen nach ihr gepeinigt wurden. 12Täglich brannten sie darauf, sie zu sehen.
13Eines Mittags sagte der eine zum anderen: »Gehen wir nach Hause, es ist Essenszeit!« Sie verließen das Haus und trennten sich. 14Aber nachdem sie ein Stück weit gegangen waren, kehrten sie beide um und trafen vor dem Haus wieder zusammen. Sie fragten einander nach dem Grund und da gestand jeder dem anderen seine Leidenschaft. Sie beschlossen, gemeinsam vorzugehen, und verabredeten sich für einen Zeitpunkt, zu dem sie Susanna allein antreffen konnten.
15Am verabredeten Tag legten sie sich auf die Lauer und sahen Susanna, wie es ihre Gewohnheit war, in Begleitung von nur zwei Mädchen den Garten betreten. Weil es heiß war, wollte sie dort ein Bad nehmen. 16Im Garten war sonst niemand außer den beiden Ältesten, die sich versteckt hielten und auf ihre Gelegenheit warteten. 17Susanna schickte die beiden Mädchen mit dem Auftrag weg: »Holt mir Öl und Salbe und schließt das Gartentor ab, damit ich ungestört baden kann!« 18Die Mädchen entfernten sich, schlossen das Tor und gingen durch die Seitentür zum Haus, um das Gewünschte zu holen. Von den Ältesten in ihrem Versteck hatten sie nichts bemerkt.
19Als die Mädchen fort waren, kamen die beiden Ältesten hervor, liefen zu Susanna 20und sagten: »Die Tore sind verschlossen, niemand sieht uns. Wir brennen in Liebe zu dir, sei uns zu Willen und gib dich uns hin! 21Wenn du dich sträubst, werden wir dich anklagen und sagen: ›Ein junger Mann war bei ihr, deshalb hat sie die Mädchen weggeschickt.‹«
22Susanna stöhnte verzweifelt auf und sagte: »Es gibt keinen Ausweg für mich! Wenn ich tue, was ihr verlangt, bin ich als Ehebrecherin dem Tod verfallen; und wenn ich mich weigere, bin ich in eurer Hand und muss genauso sterben. 23Aber ich will lieber durch euch den Tod erleiden als vor dem Herrn schuldig werden.«
24Susanna begann laut zu rufen und gleichzeitig erhoben die beiden Ältesten ein Zetergeschrei gegen sie. 25Der eine lief zum Gartentor und öffnete es. 26Als die Diener im Haus das Geschrei hörten, eilten sie durch die Seitentür herbei, um zu sehen, was vorgefallen war. 27Die Ältesten brachten ihre Beschuldigung vor. Die Diener schämten sich für Susanna, denn sie war bisher völlig unbescholten gewesen.
28Als die jüdischen Männer am nächsten Tag wieder bei Jojakim zusammenkamen, waren auch die beiden Ältesten da. Ihr finsterer Entschluss stand fest: Sie wollten Susanna dem Tod ausliefern. Vor den versammelten Männern sagten sie: 29»Lasst Susanna holen, die Tochter Hilkijas und Frau Jojakims!« 30Sie kam, begleitet von ihren Eltern und Kindern und allen ihren Angehörigen.
31Susanna hatte eine bezaubernde Gestalt. 32Sie trug jedoch einen Schleier. Die beiden Bösewichte gaben Befehl, ihr den Schleier abzunehmen; denn sie wollten sich an ihrer Schönheit weiden. 33Ihre Angehörigen begannen zu weinen und auch alle anderen, die es mit ansehen mussten, weinten.
34Nun standen die beiden Ältesten auf und legten die Hände auf Susannas Kopf. 35Sie aber blickte weinend zum Himmel auf, denn sie vertraute fest auf die Hilfe des Herrn.
36Die beiden sagten: »Als wir allein im Garten spazieren gingen, kam diese Frau mit zwei Dienerinnen herein, verschloss das Gartentor und schickte die Dienerinnen weg. 37Ein junger Mann, der sich dort versteckt gehalten hatte, kam hervor und legte sich zu ihr. 38Wir waren gerade in der hintersten Ecke des Gartens, als diese Schandtat geschah, und sofort liefen wir hin. 39Wir fanden die beiden eng umschlungen beieinanderliegen. Den jungen Mann konnten wir nicht festhalten, denn er war stärker als wir; er öffnete das Gartentor und entkam. 40Aber diese da packten wir und fragten sie nach seinem Namen. 41Sie wollte ihn uns aber nicht verraten. Dies alles können wir bezeugen.«
Die versammelten Männer glaubten den beiden, da sie ja Älteste des Volkes und Richter waren, und Susanna wurde zum Tod verurteilt. 42Susanna aber rief laut: »Ewiger Gott, du siehst in das Verborgene; alles ist dir bekannt, noch bevor es geschieht! 43Du weißt, dass ich zu Unrecht beschuldigt werde. Ich muss sterben, obwohl ich nichts von dem getan habe, was die beiden böswillig gegen mich vorgebracht haben.«
Daniel entlarvt die Ankläger und rettet Susanna
44Der Herr hörte Susannas Hilferuf. 45Als sie zur Hinrichtung abgeführt wurde, brachte der Geist Gottes einen noch ganz jungen Mann namens Daniel dazu, 46dass er laut protestierte. Er rief: »Ich will nichts damit zu tun haben, wenn diese Frau unschuldig getötet wird!«
47Alle wandten sich ihm zu und fragten: »Was hat das zu bedeuten? Was willst du damit sagen?«
48Daniel trat vor und sagte: »Habt ihr den Verstand verloren, Männer von Israel? Ohne Verhör und ohne Beweis verurteilt ihr eine israelitische Frau! 49Nehmt sofort die Gerichtsverhandlung wieder auf! Die beiden haben eine falsche Beschuldigung erhoben.«
50Sofort kehrten sie alle um. Im Haus Jojakims sagten die Ältesten des Volkes zu Daniel: »Setz dich hierher zu uns und sag, was du weißt! Du bist noch so jung, aber Gott hat dir die Weisheit des Alters geschenkt!«
51Daniel sagte: »Trennt die beiden weit voneinander, damit sie sich nicht verständigen können! Ich will sie verhören.«
52Dann rief er den einen und sagte zu ihm: »Nicht in Ehren, sondern in Schande bist du grau geworden! Aber jetzt trifft dich die Strafe für alle Sünden, die du begangen hast. 53Als Richter hast du das Recht gebeugt: Unschuldige hast du verurteilt und Verbrecher hast du laufen lassen. Und der Herr hat doch gesagt: ›Einen Unschuldigen sollst du nicht töten!‹ 54Nun, wenn du diese Frau beim Ehebruch ertappt hast, dann sag mir doch: Unter was für einem Baum lag sie mit dem fremden Mann?«
»Unter einer Buche«, antwortete er.
55Daniel erwiderte: »Unter einer Buche? Dass Gott dich verfluche! Diese Lüge kostet dich Kopf und Kragen! Der Engel Gottes hat schon Befehl erhalten, dich in Stücke zu hauen.«
56Daniel ließ ihn abführen und den anderen herbeibringen. Zu ihm sagte er: »Du Nachfahre von Kanaan und nicht von Juda! Frauenschönheit hat dich verführt, Liebestollheit hat dir den Verstand geraubt! 57Frauen aus dem Nordreich Israel könnt ihr so erpressen, sie werden euch aus lauter Angst zu Willen sein. Aber eine Frau aus Juda lässt sich das nicht gefallen. 58Sag mir doch: Unter was für einem Baum hast du sie mit dem fremden Mann ertappt?«
»Unter einer Fichte«, antwortete er.
59Daniel erwiderte: »Unter einer Fichte? Dass Gott dich vernichte! Diese Lüge kostet dich den Hals. Der Engel Gottes wartet schon mit dem Schwert, um dich mittendurch zu spalten. Er wird mit euch beiden kurzen Prozess machen!«
60Da priesen alle Versammelten mit lauter Stimme Gott, der die Bedrängten rettet, die ihm vertrauen. 61Darauf nahmen sie sich die beiden Ältesten vor, die Daniel durch ihre eigene Aussage überführt hatte. Weil sie sich als lügenhafte Ankläger erwiesen hatten, wurde über sie dieselbe Strafe verhängt, die sie der fälschlich angeklagten Susanna zugedacht hatten. 62Nach der entsprechenden Vorschrift im Gesetz Moses wurden sie beide hingerichtet.
So wurde die unschuldige Susanna an jenem Tag vom Tod gerettet. 63Ihr Vater Hilkija, ihre Mutter, ihr Mann Jojakim und alle ihre Angehörigen priesen Gott, weil Susanna von jedem Vorwurf reingewaschen worden war. 64Daniel aber war seit jenem Tag bei seinem Volk hoch angesehen und sein Ansehen wuchs auch weiterhin.