Judit 12
Judits Leben im Lager der Assyrer: 12,1–9
1Dann ließ er sie in den Raum führen, wo sein silbernes Tafelgerät aufgestellt war, und befahl, ihr von den feinen Speisen auf seinem Tisch vorzusetzen und von seinem Wein zu trinken zu geben. 2Doch Judit sagte: Ich werde nichts davon nehmen, damit ich keinen Anstoß errege. Man soll mir stattdessen von meinem Vorrat zu essen geben, den ich mitgebracht habe. 3Da fragte Holofernes: Wenn aber dein Vorrat erschöpft ist, woher sollen wir dann solche Nahrungsmittel beschaffen? Wir haben ja niemand aus deinem Volk bei uns. 4Judit erwiderte: Bei deinem Leben, mein Herr, noch bevor deine Magd ihren Vorrat aufgebraucht hat, wird der Herr durch meine Hand vollbringen, was er beschlossen hat. 5Darauf führten die Diener des Holofernes sie in das Zelt, wo sie bis Mitternacht schlief. Um die Zeit der Morgenwache stand sie auf, 6schickte einen Boten zu Holofernes und ließ ihm sagen: Möge mein Herr Anweisung geben, dass man deine Sklavin zum Gebet hinausgehen lässt. 7Da befahl Holofernes seinen Leibwächtern, sie nicht daran zu hindern. So verbrachte sie drei Tage im Lager und ging jede Nacht in die Schlucht von Betulia hinaus, um sich im Lager an der Wasserquelle zu baden. 8Wenn sie aus dem Bad herausstieg, flehte sie zu dem Herrn, dem Gott Israels, er möge ihr Vorhaben gelingen lassen und ihrem Volk wieder aufhelfen. 9Dann kehrte sie im Zustand der Reinheit zurück und blieb in dem Zelt, bis sie gegen Abend ihr Essen zu sich nahm.
Judit beim Gastmahl des Holofernes: 12,10–20
10Am vierten Tag gab Holofernes ein Gastmahl nur für seine Dienerschaft; von den Männern, die sonst um ihn waren, lud er keinen ein. 11Dem Eunuchen Bagoas, der sein ganzes Eigentum zu verwalten hatte, gab er den Auftrag: Geh und rede der Hebräerin zu, die deiner Obhut anvertraut ist, dass sie zu uns kommt und mit uns isst und trinkt! 12Es wäre wahrhaftig eine Schande für uns, wenn wir eine solche Frau gehen ließen, ohne mit ihr zusammen gewesen zu sein. Sie selber würde uns auslachen, wenn wir sie nicht an uns rissen. 13Bagoas ging von Holofernes weg, trat bei Judit ein und sagte: Möge das schöne Mädchen nicht zögern, zu meinem Herrn zu kommen und von ihm geehrt zu werden und mit uns zum Vergnügen Wein zu trinken und heute zu einer assyrischen Tochter zu werden, die im Palast Nebukadnezzars bereitsteht. 14Judit entgegnete: Wer bin ich, dass ich meinem Herrn widersprechen dürfte? Ich will unverzüglich alles tun, was er wünscht; das soll mir eine Freude sein bis zum Tag meines Todes.
15Judit stand auf, legte ihr bestes Kleid und ihren ganzen Schmuck an. Ihre Dienerin eilte voraus und legte für sie gegenüber von Holofernes die Teppiche auf den Boden, die sie von Bagoas als Lager für ihre täglichen Mahlzeiten erhalten hatte. 16Darauf trat Judit ein und nahm Platz. Holofernes aber war über sie ganz außer sich vor Entzücken. Seine Leidenschaft entbrannte und er war begierig danach, mit ihr zusammen zu sein. Denn seit er sie gesehen hatte, lauerte er auf eine günstige Gelegenheit, um sie zu verführen. 17Als Holofernes sie aufforderte: Trink doch und sei vergnügt mit uns!, 18erwiderte Judit: Gern will ich trinken, Herr, denn ich habe in meinem ganzen Leben noch keine solche Ehre erfahren wie heute. 19Sie griff zu, aß und trank vor seinen Augen, was ihre Dienerin zubereitet hatte. 20Holofernes wurde ihretwegen immer fröhlicher und trank so viel Wein, wie er noch nie zuvor in seinem Leben an einem einzigen Tag getrunken hatte.
Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, vollständig durchgesehene und überarbeitete Ausgabe. © 2016 Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart