ZWEI BERICHTE ÜBER VERFOLGUNG UND MARTYRIEN: 6,1–7,42
Religionsverfolgung der Juden: 6,1–11
1Nicht lange darauf schickte der König einen alten Athener; der sollte die Juden zwingen, die Gesetze ihrer Väter aufzugeben und ihr Leben nicht mehr durch Gottes Gesetze lenken zu lassen. 2Auch sollte er den Tempel zu Jerusalem schänden und ihn Zeus, dem Herrscher des Olymp, und den Tempel auf dem Berg Garizim Zeus, dem Hüter des Gastrechts, weihen, was mit der gastfreundlichen Art der Einwohner jenes Ortes in Einklang stand. 3Der Ansturm der Bosheit war kaum zu ertragen und allen ein Grauen. 4Denn die Heiden erfüllten das Heiligtum mit wüstem Treiben und mit Gelagen. Sie gaben sich mit Dirnen ab und ließen sich in den heiligen Vorhöfen mit Frauen ein. Auch brachten sie vieles hinein, was nicht hineingehörte. 5Auf dem Altar häuften sich die unerlaubten, vom Gesetz verbotenen Gaben. 6Man konnte weder den Sabbat halten noch die alten Feste begehen, ja, man durfte sich überhaupt nicht mehr als Jude bekennen. 7Zu ihrer Erbitterung mussten die Einwohner sich am monatlich begangenen Geburtstag des Königs zum Opfermahl führen lassen und am Fest der Dionysien zwang man sie, zu Ehren des Dionysos mit Efeu bekränzt in der Prozession mitzugehen. 8Auf Befehl des Ptolemäus aber erging ein Erlass an die benachbarten griechischen Städte, sie sollten mit den Juden ebenso verfahren und Opfermahlzeiten veranstalten. 9Wer sich aber nicht entschließen wolle, zur griechischen Lebensweise überzugehen, sei hinzurichten.
Da konnte man nun das Elend sehen, das hereinbrach. 10Man führte nämlich zwei Frauen vor, die ihre Kinder beschnitten hatten. Darauf hängte man ihnen die Säuglinge an die Brüste, führte sie öffentlich in der Stadt umher und stürzte sie dann von der Mauer. 11Andere waren in der Nähe zusammengekommen, um heimlich in Höhlen den Sabbat zu begehen. Sie wurden an Philippus verraten, und da sie sich wegen der Würde des heiligen Tages scheuten, sich zu wehren, wurden sie alle zusammen verbrannt.
Göttlicher Sinn der Verfolgung: 6,12–17
12An dieser Stelle möchte ich die Leser des Buches ermahnen, sich durch die schlimmen Ereignisse nicht entmutigen zu lassen. Sie mögen bedenken, dass die Strafen unser Volk nicht vernichten, sondern erziehen sollen. 13Denn wenn die Sünder nicht lange geschont, sondern sofort bestraft werden, ist das ein Zeichen großer Güte. 14Bei den anderen Völkern wartet der Herr geduldig, bis das Maß ihrer Sünden voll ist; dann erst schlägt er zu. Mit uns aber beschloss er, anders zu verfahren, 15damit er uns nicht am Ende verurteilen müsse, wenn wir es mit unseren Sünden bis zum Äußersten getrieben hätten. 16Daher entzieht er uns nie sein Erbarmen, sondern erzieht sein Volk durch Unglück und lässt es nicht im Stich. 17Das soll uns zur Beherzigung gesagt sein. Nach dieser kurzen Abschweifung aber wollen wir mit der Erzählung fortfahren.
Martyrium des greisen Schriftgelehrten Eleasar: 6,18–31
18Unter den angesehensten Schriftgelehrten war Eleasar, ein Mann von schon hohem Alter und sehr edlen Gesichtszügen. Man sperrte ihm den Mund auf und wollte ihn zwingen, Schweinefleisch zu essen. 19Er aber zog den ehrenvollen Tod einem Leben voll Schande vor, ging freiwillig auf die Folterbank zu 20und spuckte das Fleisch wieder aus, wie es jemand tun musste, der sich standhaft wehrte zu essen, was man nicht essen darf, auch nicht aus Liebe zum Leben. 21Die Leute, die mit dem gesetzwidrigen Opfermahl beauftragt waren und den Mann von früher her kannten, nahmen ihn heimlich beiseite und redeten ihm zu, er solle sich doch Fleisch holen lassen, das er essen dürfe, und es selbst zubereiten. Dann solle er tun, als ob er von dem Opferfleisch esse, wie es der König befohlen habe. 22Wenn er es so mache, entgehe er dem Tod; weil sie alte Freunde seien, würden sie ihn menschlich behandeln.
23Er aber fasste einen edlen Entschluss, wie es sich gehörte für einen Mann, der so alt und wegen seines Alters angesehen war, in lange bewährter Würde ergraut, der von Jugend an aufs Vorbildlichste gelebt und - was noch wichtiger ist - den heiligen, von Gott gegebenen Gesetzen gehorcht hatte. So erklärte er ohne Umschweife, man solle ihn ruhig zur Unterwelt schicken. 24Wer so alt ist wie ich, soll sich nicht verstellen. Viele junge Leute könnten sonst glauben, Eleasar sei mit seinen neunzig Jahren noch zu der fremden Lebensart übergegangen. 25Wenn ich jetzt heuchelte, um eine geringe, kurze Zeit länger zu leben, leitete ich sie irre, brächte meinem Alter aber Schimpf und Schande. 26Vielleicht könnte ich mich für den Augenblick einer Strafe von Menschen entziehen; doch nie, weder lebendig noch tot, werde ich den Händen des Allherrschers entfliehen. 27Darum will ich jetzt wie ein Mann sterben und mich so meines Alters würdig zeigen. 28Der Jugend aber hinterlasse ich ein edles Beispiel, wie man mutig und in edler Haltung für die ehrwürdigen und heiligen Gesetze eines guten Todes stirbt. Nach diesen Worten ging er geradewegs zur Folterbank.
29Da schlug die Freundlichkeit, die ihm seine Begleiter eben noch erwiesen hatten, in Feindschaft um; denn was er gesagt hatte, hielten sie für Wahnsinn. 30Als er unter Schlägen in den Tod ging, sagte er stöhnend: Der Herr weiß in seiner heiligen Erkenntnis, dass ich dem Tod hätte entrinnen können. Mein Körper leidet Qualen unter den Schlägen, meine Seele aber erträgt sie mit Freuden, weil ich ihn fürchte. 31Auf solche Weise starb er; durch seinen Tod hinterließ er nicht nur der Jugend, sondern den meisten aus dem Volk ein Beispiel für edle Gesinnung und ein Denkmal der Tugend.