Das dritte Gespräch mit den Freunden
Hiob beklagt Gottes Ungerechtigkeit
1Da antwortete Hiob und sagte:
2So hört doch endlich auf meine Worte!
Nur so könnt ihr mich wirklich trösten.
3Lasst mich reden, das müsst ihr schon ertragen!
Wenn ich fertig bin, könnt ihr ja weiterspotten.
4Richte ich denn meine Klage an Menschen?
Was glaubt ihr, warum ich so ungeduldig bin?
5Schaut auf mich, auch wenn es euch erschreckt,
und legt den Finger auf euren Mund!
6Woran ich denke, ist so entsetzlich,
dass ich am ganzen Körper zittere:
7Warum bleiben die Frevler am Leben?
Warum werden sie alt und nehmen an Kraft noch zu?
8Sie haben Kinder, ihre Familie hat Bestand.
Ihre Enkel wachsen vor ihren Augen auf.
9In ihren Häusern herrscht Wohlstand,
sie bleiben vom Unglück verschont.
Gottes Strafe, die trifft sie nicht.
10Ihre Stiere bespringen in ihrer Herde
die Kühe nicht vergebens.
Ihre Kühe bringen Kälber zur Welt
und haben keine Fehlgeburt.
11Ihre Kinder lassen sie auf der Weide springen.
Wie Lämmer hüpfen ihre Kleinen fröhlich umher.
12Sie singen zur Musik von Trommel und Leier
und freuen sich über den Klang der Flöten.
13Ihr ganzes Leben schwelgen die Frevler im Glück.
Am Ende sterben sie in Ruhe und Frieden.
14Sie sagen zu Gott: »Lass uns in Ruhe!
Wir haben keine Lust, deinen Wegen zu folgen.
15Warum sollten wir dem Allmächtigen dienen?
Was nützt es uns denn, wenn wir zu ihm beten?«
16So denken die Frevler und meinen,
sie hätten ihr Glück selbst in der Hand.
Doch dieses Denken liegt mir fern!
17Wie oft kommt es eigentlich vor,
dass die Lampe der Frevler verlöscht?
Wie oft bricht das Verderben über sie herein:
dass Gott sie straft in seinem Zorn.
18Dann wären sie wie Stroh im Wind,
wie Spreu, die der Sturm davonträgt.
Aber wie oft kommt das schon vor?
19Es heißt: »Gott spart das Unheil auf
und straft damit des Frevlers Kinder.«
Besser wäre, er würde ihn selbst bestrafen.
Dann begreift er nämlich sein böses Tun!
20Mit eigenen Augen soll er sein Unglück sehen,
den Zorn des Allmächtigen spüren am eigenen Leib.
21Denn was kümmert’s ihn nach seinem Tod,
wie es mit seinen Kindern weitergehen wird?
Da ist sein Leben doch schon zu Ende.
22Muss man denn Gott darüber noch belehren?
Sogar die Engel zieht er zur Verantwortung.
23Der eine stirbt im Vollbesitz seiner Kräfte.
Ohne Sorgen schläft er ganz friedlich ein.
24Sein Körper ist wohlgenährt,
seine Knochen sind noch stark.
25Der andere stirbt elend und verbittert.
Kein Glück war ihm in seinem Leben vergönnt.
26Doch nun liegen sie beide in der Erde.
Würmer bedecken ihre letzte Ruhestätte.
27Mir ist schon klar, was ihr jetzt denkt.
Ihr drängt darauf, mich zu widerlegen.
28Ihr fragt: »Wo ist denn nun das Haus des Reichen,
wo ist das Zelt, in dem der Frevler wohnt?«
29Habt ihr denn nie die Reisenden befragt?
Die haben in der Welt so viel erfahren.
Das könnt ihr doch nicht einfach übergehen:
30Oft wird der Böse vom Unglück verschont,
unbeschadet übersteht er Gottes Zorn.
31Wie sehr hat er doch anderen geschadet!
Wer sagt ihm das offen ins Gesicht?
Wer zahlt ihm heim, was er verbrochen hat?
32Stattdessen bekommt er ein ehrenvolles Begräbnis,
an seinem Grab hält man die Totenwache.
33Sanft erscheint ihm die Erde, die ihn bedeckt.
Viele Menschen sind gekommen, die um ihn trauern.
34Und ihr wollt mich trösten, mit nichts und wieder nichts?
Was ihr mir antwortet, ist alles Schwindel!