Wort Gottes (AT)
(erstellt: Februar 2021)
Permanenter Link zum Artikel: https://bibelwissenschaft.de/stichwort/34998/
1. Einleitung
Der sprachliche Befund zu „Wort Gottes“ ist durch drei Aspekte geprägt: Erstens hängt das deutsche Wortpaar „Wort Gottes“ nicht mit einem, sondern mehreren hebräischen Begriffen zusammen. Zudem enthalten einige Texte, die klassisch mit dem Thema „Wort Gottes“ verbunden werden, keinen dieser Begriffe. So kommt in Gen 1,1-2,4a
Zweitens variieren die in den Konkordanzen und theologischen Wörterbüchern aufgeführten Belegstellen: Vor allem der zentrale Begriff דָּבָר dāvār bedeutet neben „Wort / Rede“ auch „Begebenheit / Sache“ (Mylonas / Llewelyn / Wearne). Wie דָּבָר dāvār zu verstehen ist, hängt daher vom Kontext ab und bleibt vielfach subjektiv, was schon die antiken Übersetzungen bezeugen. Eine weitere Schwierigkeit entsteht dadurch, dass es oft nicht eindeutig ist, ob eine Wendung das Nomen דָּבָר dāvār oder den Infinitiv des Verbs דבר dbr „reden“ enthält.
Drittens werden die unten aufgeführten Begriffe nicht nur für göttliche Worte benutzt, sondern bezeichnen auch menschliche Kommunikation. In vielen Fällen lässt sich kaum trennscharf zwischen den Worten Gottes und den Worten seiner Propheten oder anderer Offenbarungsmittler unterscheiden.
Im Folgenden liegt der Schwerpunkt auf Texten, die ein Nomen mit der semantischen Bedeutung „sprechen / reden / mitteilen“ (im Deutschen) aufweisen. Dass die Auswahl in gewissen Aspekten subjektiv bleibt, lässt sich nicht vermeiden, namentlich beim Begriff דָּבָר dāvār.
2. „Wort“ (dāvār)
דָּבָר dāvār „Wort / Rede / Begebenheit / Sache“ hebt sich unter den zu untersuchenden Begriffen hervor: Die Anzahl der Vorkommen im Alten Testament ist mit fast 1500 Belegen deutlich höher als bei den anderen Wörtern. Das Bedeutungsspektrum von דָּבָר dāvār ist zudem breiter als das semantische Feld des Sprechens.
In vielen Büchern beziehen sich die Ausdrücke דָּבָר dāvār und דְּבַר יְהוָה dəvar JHWH auf sehr unterschiedliche Größen. So werden etwa auch nicht-auditive Texte wie Zeichenhandlungen und Visionen als „Worte Jahwes“ bezeichnet. Dies spricht dafür, dass die Belege von דָּבָר dāvār und דְּבַר יְהוָה dəvar JHWH aus unterschiedlichen Phasen stammen. In vielen Fällen muss von späteren Bearbeitungen bzw. Fortschreibungen ausgegangen werden.
2.1. Im Pentateuch
Insgesamt bezeichnet der Ausdruck „Wort Jahwes“ im → Pentateuch
2.1.1. Genesis. Im Buch → Genesis
2.1.2. Exodus. Die Worte Gottes – Ankündigungen kommenden Heils und Unheils sowie Anweisungen an die Israeliten – werden im → Exodusbuch
In Ex haben die Worte Jahwes oft einen Bezug zu Gesetzen und Ordnungen. So werden die Anweisungen zum → Passafest
2.1.3. Leviticus. Die vier Belege in → Leviticus
2.1.4. Numeri. Elf Belege von דָּבָר dāvār beziehen sich auf göttliche Zusagen (Num 11,23-24
2.1.5. Deuteronomium. Im → Deuteronomium
Wichtig im Buch Deuteronomium ist die Frage, ob ein angebliches Wort Gottes wahr oder falsch ist und wie es übermittelt wird. Wenn über die Worte des als → Propheten
2.2. In den Vorderen Propheten
2.2.1. Josua. Im Buch → Josua
2.2.2. Richter. Im → Richterbuch
2.2.3. 1-2Samuel. In den → Samuelbüchern
Bei der Berufung → Samuels
In 2Samuel werden die Worte Jahwes durch die Propheten → Nathan
2.2.4. 1-2Könige. In den → Königsbüchern
Der Gottesmann ist nur in den Königsbüchern als Vermittler der Worte Gottes belegt (אִישׁ־הָאֱלֹהִים ’îš hā’älohîm). Beispielhaft kann → Schemaja
Jahwe gibt außerdem seine Worte an Propheten weiter, ohne dass die Adressaten genannt sind. So findet sich in 1Kön 16,1-12
Das Problem der wahren und falschen Prophetie kommt in den Königsbüchern am Beispiel des Propheten → Micha ben Jimla
Mit dem Begriff דָּבָר dāvār wird zudem auf frühere Verheißungen Jahwes Bezug genommen, so z.B. in 1Kön 2,4
In den Königsbüchern enthalten das Wort דָּבָר dāvār oder das Wortpaar דְּבַר יְהוָה dəvar JHWH „Wort Jahwes“ nicht immer eine Entsprechung in der → Septuaginta
2.3. In den Hinteren Propheten
2.3.1. Jesaja. Im → Jesajabuch
1) Protojesaja (→ Jesaja / Protojesajabuch
Üblicherweise ist implizit vorausgesetzt, dass die Worte Jahwes vom Propheten Jesaja übermittelt werden; explizit wird dies nur in Jes 39,5.8
2) Deuterojesaja (→ Deuterojesaja
3) Tritojesaja (→ Tritojesaja
2.3.2. Jeremia. Die Worte Jahwes finden sich im → Jeremiabuch
Worte Jahwes unterschiedlicher Art werden in Jer mit der expliziten Nennung von דָּבָר dāvār bzw. דְּבַר יְהוָה dəvar JHWH „Wort Jahwes“ eingeleitet, wobei eine zusätzliche Aufforderung zum Hören belegt sein kann (Jer 2,4
Ein zentrales Thema des Jeremiabuches ist die Frage, was wahre Prophetie ausmacht und auf welche Weise die Worte Jahwes übermittelt werden. Am deutlichsten wird dies sichtbar an der Gestalt Jeremias, der immer wieder Worte Jahwes empfängt und für ihren Inhalt angefeindet wird (Jer 26,12-15
In den Texten kommt die Zuverlässigkeit der Worte Jahwes zur Sprache: Jer 33,14
Wie in den Königsbüchern lassen sich auch im Jeremiabuch Unterschiede zwischen hebräischem und griechischem Text feststellen. So enthält der masoretische Text Belege von דָּבָר dāvār, die keine Entsprechung in der → Septuaginta
2.3.3. Ezechiel. Das Buch → Ezechiel
Wie Jeremia, wird auch Ezechiel wegen der Vermittlung der Worte Gottes angefeindet (Ez 2,6
Das Prophetenamt Ezechiels wird in Ez 3,16-21
Die Inhalte der Worte Jahwes folgen dem Aufbau des Ezechielbuches: Ez 1-24 enthält Mahnungen und Gerichtsworte gegen das eigene Volk. Ez 25-32; Ez 38-39 kündigen Unheil für die Fremdvölker an, was gleichzeitig Heil für Israel bedeutet. Die Heilsworte an Israel dominieren in Ez 34-37.
2.3.4. Zwölfprophetenbuch. Im → Zwölfprophetenbuch
Zum anderen wird mit דָּבָר dāvār auf Gottesreden hingewiesen, die im unmittelbaren Kontext zitiert werden, entweder einleitend (Am 3,1
Die Mittlerschaft der Propheten kommt außerhalb der Buchüberschriften nur gelegentlich zur Sprache. Amos wird wegen seiner Verkündigung der ihm von Jahwe aufgetragenen Worte aus → Bethel
In Am 8,11-12
2.4. In den Schriften
2.4.1. Psalmen. Der Psalter (→ Psalmen
Außerhalb des Ps 119 wird der Begriff דָּבָר dāvār im Psalter vorwiegend für göttliche Zusagen und Verheißungen verwendet. Diese können allgemeine Aussagen darstellen (Ps 33,4
2.4.2. Hiob. Im Buch → Hiob
2.4.3. Proverbia. Im → Sprüchebuch
2.4.4. Megillot. In den Festrollen lassen sich keine Worte Gottes mit dem Begriff דָּבָר dāvār finden.
2.4.5. Daniel. In den hebräischen Teilen des Buches → Daniel
Zum einen wird mit dem Ausdruck auf frühere Worte Jahwes Bezug genommen. In Dan 9,2
Zum anderen empfängt Daniel selbst Worte Gottes. Diese können von „dem Mann Gabriel“ (הָאִישׁ גַּבְרִיאֵל hā’îš gavrî’el) vermittelt werden, so u.a. in Dan 9,21-25
2.4.6. Esra-Nehemia. In den hebräischen Teilen der Bücher → Esra und Nehemia
In Esr 1,1
2.4.7. 1-2Chronik. Was die Verwendung von דָּבָר dāvār in den → Chronikbüchern
Dadurch, dass viele Ereignisse aus den Samuel- und Königsbüchern nicht oder stark verkürzt übernommen sind, gibt es insgesamt weniger Belege von דָּבָר dāvār. So fallen etwa die vielen Vorkommen bei der Berufung Samuels (1Sam 3) und in den Elia- und Elisa-Erzählungen (1Kön 17-2Kön 8) weg. Auch die Belege in den Erzählungen über Saul und David in 1Sam 15-16 reduzieren sich auf zusammenfassende Aussagen in 1Chr 10,13
Gelegentlich können weitere Textunterschiede erkannt werden. So empfängt Gad in 1Chr 21,18-19
Die Chronikbücher verwenden den Begriff דָּבָר dāvār auch an Stellen, die keine Entsprechung in den Samuel- oder Königsbüchern haben. In 1Chr 15,15
3. Weitere Begriffe und Sprachen
3.1. Hebräisch
3.1.1. אֹמֶר ’omær. Der Begriff אֹמֶר ’omær „Spruch / Wort / Weisung“ hat 55 Belege im Alten Testament und kommt vor allem in den poetischen Büchern vor. Einige Belege in Hiob beziehen sich auf Worte Gottes: In Hi 6,10
Im Pentateuch und in den Vorderen Propheten lässt sich das Wort sechsmal finden. In Num 24,4.16
3.1.2. אִמְרָה ’imrāh. Der Begriff אִמְרָה ’imrāh „Rede / Wort“ kommt im Alten Testament 37-mal vor. Die Vielzahl der Belege findet sich in Psalmen, namentlich im Torapsalm Ps 119
3.1.3. מַאֲמָר ma’ǎmār. Der Begriff מַאֲמָר ma’ǎmār „Befehl / Wort“ bezeichnet im Alten Testament nie göttliche Rede.
3.1.4. מִלָּה millāh. Von den 38 Belegen des aramäischen Lehnwortes מִלָּה millāh „Wort / Rede“ beschreibt nur 2Sam 23,2
3.2. Aramäisch
3.2.1. דִּבְרׇה divrāh*. Der Begriff דִּבְרׇה divrāh* „Angelegenheit“ findet sich in Dan 2,30
3.2.2. מֵאמַר me’mar*. Dan 4,14
3.2.3. מִלָּה millāh. Nur gelegentlich werden mit dem 24-mal belegten Begriff מִלָּה millāh „Wort / Sache“ Worte Gottes gekennzeichnet. In Dan 2,23
3.3. Griechisch
Im Regelfall gibt die → Septuaginta
Die Septuaginta gibt nicht alle im masoretischen Text vorkommenden Belege der Worte Jahwes wieder, s.o. die Ausführungen zu 1-2Könige (s.o. 2.2.4.) und Jeremia (s.o. 2.3.2.). Daneben kann festgestellt werden, dass die LXX in ihrem eigenen Sondergut Belege für ῥῆμα κυρίου rhēma kyriou „Wort des Herrn“ und λόγος κυρίου logos kuriou „Wort des Herrn“ enthält: 1Kön 12,24
4. In den Nachbarkulturen
In den Nachbarkulturen Israels und Judas spielten mantische Praktiken in der Divination eine wesentlich größere Rolle als im Alten Testament (→ Divination im Alten Orient
4.1. Ägypten
Ägyptische Texte sprechen in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen von Worten der Götter. Die wichtigsten Begriffe dafür sind mdw und mdw.t (Bergman). Die alttestamentlichen Einleitungsformeln haben ihre Entsprechung in Ritualtexten, in denen zitierte Worte der Gottheiten mit ḏd mdw jn N „Rede des Gottes N“ eingeleitet werden. Die Verschriftlichung der göttlichen Worte ist ein bedeutendes Motiv in der ägyptischen Tradition, in der die Hieroglyphenliteratur als mdw-nṯr „Gotteswort“ bezeichnet werden kann. Durch diesen Bezug werden die Worte der Götter mit dem Schreibergott Thot verbunden. Die Begriffe mdw und mdw.t werden nicht personifiziert, anders als ḥw „Ausspruch / Befehl“ und ḥk3 „Zauberspruch“ (Ringgren, 9-37). In der Totenliteratur kommt der lebendigmachende Charakter der göttlichen Worte zum Ausdruck. In der Königsideologie bestimmen Götter durch ihre Worte die Herrschaft der einzelnen Könige, deren Erwählung Gegenstand von Orakeln sein kann. Könige erhalten auch Befehle von Göttern als Orakelsprüche (vgl. TUAT I/6, 575-578). Göttliche Zusagen an die Könige lassen sich zudem in literarischen (vgl. TUAT NF 8, 307) und historischen Texten finden (vgl. TUAT I/6, 554-555). Die sog. → Hungersnotstele
Im ägyptischen Denken haben die Worte Macht inne, und die Götter vollbringen ihre Taten durch ihre Aussprüche (hw). Die Begriffe für „Wort“ kommen oft parallel zu „Befehlen“ (wḏ.t-mdw) vor. Häufig wird in diesem Zusammenhang auf Schöpfungstexte hingewiesen. Der berühmte Text → „Denkmal Memphitischer Theologie
4.2. Hethiterreich
In hethitischen Texten können Worte der Götter und Göttinnen an den Menschen im Traum offenbart oder durch die Eingeweideschau mitgeteilt werden (→ Divination im Alten Orient
In hethitischen Gebeten findet sich die Vorstellung, dass der kranke Beter auf das Wort (uttar) des Sonnengottes hin genesen wird (CTH 372 II,42 = TUAT II/6, 798 = TUAT NF 7, 112; vgl. auch RT 189). Auf ein göttliches Gebot bzw. Gesetz bezieht sich der Begriff memiya- „Wort / Rede“ im 2. Pestgebet Muršilis (CTH 378 II = RT 195 = TUAT NF 7, 119); auf die Flüche der Vertragseide wird mit demselben Wort in einem Gebet anlässlich einer militärischen Gefahr Bezug genommen (CTH 375 = TUAT II/6, 802).
4.3. Mesopotamien
Die mesopotamischen Quellen enthalten Texte in sumerischer und akkadischer Sprache und erstrecken sich vom 4. bis zum 1. Jt. v. Chr. Der übliche Begriff für das Wort ist enem / inim im Sumerischen; im Akkadischen sind vor allem dababu, dibbu und awatu / amatu von Bedeutung.
In den epischen und mythischen Texten sprechen die Götter in vielen unterschiedlichen Zusammenhängen. Worte der Götter und Göttinnen kommen u.a. in Schöpfungskontexten vor. So lässt → Marduk
Die Hierarchie innerhalb des Götterpantheons hängt zusammen mit der Frage, ob die göttlichen Entscheidungen von einer anderen Gottheit verändert werden können. In einem sumerischen Handerhebungsgebet heißt es über den Mondgott Nanna (Sîn): „Herr, der im Himmel und auf Erden die Entscheidungen trifft, dessen Spruch (DU11.GA; qibītu) niemand zu ändern vermag“ (RT 128-130). Ähnlich wird die oberste Position des Gottes Marduk in Enuma Elisch festgestellt: „Dauerhaft ist sein Geheiß (amatu), unverwandelbar sein Wort (qibītu). Was sein Mund sprach, soll kein Gott ändern“ (VII,151-155 = RT 110 = TUAT III/4, 602 = TUAT NF 8, 130-131). In Enuma Elisch ist die Verbindung des göttlichen Wortes und der Schicksalsbestimmung besonders eng. Die Beständigkeit der Worte der Götter und der dauerhaften Regeln wird in einer Stadtklage über Ur angezweifelt (RT 165-168, s. auch TUAT II/5, 706).
Die Worte der Götter können Heil und Unheil verursachen, was Parallelen vor allem in den alttestamentlichen Prophetenbüchern hat. Diese können einzelne Personen, Völker oder Länder beeinflussen. In einem Staatsvertrag aus → Ebla
Laut den Prologen der Gesetzestexte sind Recht und Gerechtigkeit Aufgaben des Königs, die er durch das Wort einer Gottheit erhalten hat (vgl. Codex Lipit-Eštar I,52 = TUAT I/1, 23-31 [inim]). Die Vermittlerrolle des Königs kommt u.a. im Epilog des Codex Hammurapi zur Sprache (XLVIII,20-38 = TUAT I/1, 39-80).
Das schon erwähnte Gebet an den Mondgott Nanna (Sîn) beschreibt Wirkungen seines Wortes (enem; amatu), die im Alten Testament zur Motivkonstellation um den → Segen
Göttliche Zusagen finden sich in Bezug auf den König u.a. in den Namen der Regierungsjahre (s. TUAT I/4, 341) und in den Königshymnen (s. TUAT II/5, 653-659). Der sumerische König Iddindagan möge hohe Kraft „auf das gute Wort (ka) Ans und Enlils hin“ erhalten (RT 131-132). In Gebeten kann um ein heilerwirkendes Wort der Gottheiten gebeten werden (RT 133-136). Mit dem Wort (enim) der Götter werden ihre Taten und Macht auch allgemeiner bezeichnet, wie im „Sumerischen Hiob“ gelesen werden kann (RT 164-165).
Die prophetischen Texte aus Assyrien (TUAT II/1, 56-63; TUAT NF 4, 54-60) enthalten ermutigende und warnende Gottesworte, die den Königen durch Vermittler und Vermittlerinnen wiedergegeben und gesandt wurden. Sie enthalten gelegentlich die Wendung „Wort (der Göttin) Ischtar“ (abat Issār), die dem alttestamentlichen „Wort Jahwes“ sehr ähnlich ist (Parpola, LXV). In den Briefen wird zudem berichtet, dass die Worte der Gottheit sich im Traum oder in einem ekstatischen Zustand ereigneten (Nissinen). Worte bzw. Sprüche (zikru) der Götter werden jedoch auch durch die Opferschau vermittelt – vgl. Prisma Ninive A von Asarhaddon I,13-16 (TUAT I/4, 393-397) – und Beschwörungen können als Worte (inim) des Gottes Enki bezeichnet werden (TUAT II/2, 98; vgl. auch TUAT NF 4, 107).
4.4. Ugarit
Die epischen und mythischen Texte aus → Ugarit
Aus Ugarit sind Beschwörungen überliefert, in denen Baal Unfruchtbarkeit heilt (KTU 1.82 4-5 = TUAT II/3, 338; dort wörtlich p „Mund“) oder ein Exzorzist Dämonen mit „Worten des Baal“ (rgm b‘l) vertreiben soll (KTU 1.169 1-2 = TUAT II/3, 335). KTU 1.86 7 nennt den Begriff rgm im Kontext von Träumen, sodass er sich hier auf eine göttliche Nachricht beziehen kann (CoS I 293-294).
4.5. Levante
Die Belege für Worte der Gottheiten aus der Levante sind aufgrund der Quellenlage nicht besonders zahlreich. Die erhaltenen Texte bieten dennoch interessante Einblicke in die Vorstellungen über göttliche Botschaften.
In einer phönizischen Beschwörung steht, dass das Wort (פי pj „Mund / Ausspruch“) des Gottes Hauron wahr ist (KAI 27, 16; vgl. TUAT II/3, 435-437).
In der Mescha-Stele befiehlt der Gott → Kemosch
Die aramäische Wandinschrift aus Tell Dēr ‘Allā (→ Sukkot
5. Synthese: Bedeutungen der Worte Gottes im Alten Testament
Die verschiedenen Vorstellungen über das Wort Gottes im Alten Testament spiegeln die Entwicklungen und Umbrüche der israelitischen Religionsgeschichte wider. Die frühesten Belege haben ihre Wurzeln in der altorientalischen Prophetie im Besonderen und in der Kulturkoine des antiken Vorderen Orients im Allgemeinen. Die späteren Weiterentwicklungen bringen Charakteristika der nachstaatlichen Jahweverehrung zum Ausdruck. Grundlegend für das Verständnis ist die zunehmende Bedeutung der niedergeschriebenen Worte Jahwes als Weg, Jahwe zu begegnen. Parallel dazu kann das Wort Gottes Inhalte bezeichnen, die zunehmend weiter gefasst sind.
5.1. Das Wort Gottes in den Hinteren Propheten
Dass das Wort Jahwes (דְּבַר יְהוָה dəvar JHWH) seinen genuinen Ort in der Prophetie hat, zeigt schon die Tatsache, dass über die Hälfte der Belege dieser Wendung in den Hinteren Propheten zu finden ist, weshalb die Wendung „etwas bezeichnen muß, was zum Prophetentum in Beziehung steht“ (Grether, 66). Die bleibende und zentrale Rolle der Schriftprophetie bezeugt auch die Wendung „meine (deine / seine) Knechte, die Propheten“ (עֲבָדַי הַנְּבִיאִים ‘ǎvādaj hannəvî’îm), die vor allem in 2Kön und Jer sowie in späten Büchern (Esr 9,11
5.1.1. Die Propheten als Verkünder der Worte Gottes
Propheten und Prophetinnen verkündeten Botschaften Jahwes bereits in der Königszeit. Das Phänomen ist im antiken östlichen Mittelmeerraum keineswegs einzigartig, sondern auch durch Textfunde aus Mari und Assyrien bekannt (Nissinen; s.o. 4.3.). Die ältesten prophetischen Texte des Alten Testaments leiten Worte Gottes mit dem Begriff דָּבָר dāvār ein, enthalten jedoch weder die Wortereignisformel noch die Wendung דְּבַר יְהוָה dəvar JHWH „Wort Jahwes“ (Levin 2004). Häufiger sind in diesen Texten Höraufrufe sowie unterschiedliche Vor- und Rückverweise zum unmittelbaren Kontext. Die prophetische Vermittlung von Worten Gottes ist zudem im → Lachisch
5.1.2. Schriftprophetie als Wort Gottes
Die wohl ältesten Belege der Wendung „das Wort Jahwes“ (דְּבַר יְהוָה dəvar JHWH) in den Prophetenbüchern finden sich im → Jeremiabuch
Dass das Wort Jahwes sich zu einem tragenden Element der Schriftprophetie entwickelte, ist vor allem an den Büchern Jeremia, Ezechiel und Sacharja erkennbar. Zentral ist hierbei die → Wortereignisformel